Die Gartenlaube (1893)/Heft 13
[201]
Nr. 13. | 1893. | |
Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Freie Bahn!
Als Runeck in das Arbeitszimmer seines Chefs trat, fand er diesen am Schreibtisch, und in der Art, wie er empfangen und seine Begrüßung erwidert wurde, lag nichts Ungewöhnliches. Erst als er eine Mappe hervorzog und sie öffnete, sagte Dernburg: „Laß das, Du kannst mir später Vortrag halten; für jetzt habe ich Wichtigeres mit Dir zu besprechen.“
„Ich möchte vorher nur um einige Minuten Gehör bitten,“ entgegnete Egbert, indem er der Mappe eine Anzahl von Papieren entnahm. „Die Arbeiten in Radefeld sind beinahe vollendet, der Buchberg ist durchbrochen und die ganze Wasserkraft des Grundes für Odensberg verfügbar. Hier sind die Pläne und Zeichnungen, es handelt sich nur noch um den Anschluß der Leitung an die Werke, und das kann von jedem anderen ausgeführt werden, wenn ich zurücktrete.“
„Zurücktreten? Was soll das heißen? Du willst die Arbeiten nicht zu Ende führen?“
„Nein. Ich bin gekommen, um – meine Entlassung zu erbitten.“
Die Worte klangen schwer und dumpf und der junge Ingenieur vermied es, seinen Chef dabei anzusehen. Dieser gab kein Zeichen von Ueberraschung, er lehnte sich in seinen Sessel zurück und kreuzte die Arme.
„So! Nun, Du mußt wissen, was Du zu thun hast. Wenn Du wirklich fort willst, werde ich Dich nicht halten. Aber ich glaubte wenigstens, Du würdest erst die einmal übernommene Arbeit vollenden. Es ist doch sonst nicht Deine Sache, irgend etwas halb zu thun.“
„Eben deshalb gehe ich, mich ruft eine andere Pflicht, der ich gehorchen muß.“
„Und die es Dir unmöglich macht, in Odensberg zu bleiben?“
„Ja!“
Ein unendlich bitterer Ausdruck flog über Dernburgs Züge.
[202] Da war die Bestätigung dessen, was er nicht hatte glauben wollen, er brauchte nicht erst zu fragen.
„Du meinst die bevorstehenden Wahlen,“ sagte er mit eisiger Ruhe. „Es heißt, daß die Sozialisten diesmal einen eigenen Kandidaten für unseren Bezirk aufstellen wollen, und Du bist vermuthlich entschlossen, für ihn zu stimmen. Da begreife ich allerdings, daß Du Deine Entlassung forderst. Weder die Vertrauensstellung, die Du in Radefeld einnimmst, noch Dein Verhältniß zu mir und meiner Familie kann dabei fortbestehen. Wir täuschen beide uns nicht darüber, daß ich allein es bin, der hier bekämpft werden soll.“
Egbert stand wortlos da, das Auge auf den Boden geheftet. Man sah, wie furchtbar schwer ihm ein Geständniß wurde, das man ihm mit keinem Worte, keiner Andeutung erleichterte. Plötzlich aber richtete er sich entschlossen auf.
„Herr Dernburg, ich habe Ihnen eine Eröffnung zu machen, die Sie vielleicht mißdeuten werden, aber erfahren müssen Sie es doch. Der Kandidat, den meine Partei in Aussicht genommen hat – bin ich.“
„Läßt Du Dich wirklich herab, mir das selbst mitzutheilen?“ fragte Dernburg langsam. „Ich hielt es für unmöglich. Die beabsichtigte Ueberraschung wäre jedenfalls noch vollständiger gewesen, wenn ich es durch die Zeitungen erfahren hätte.“
„Sie wissen bereits –?“ fuhr Egbert auf.
„Was Du für gut hieltest, mir bis heute zu verschweigen. Ja, ich weiß es und wünsche Dir Glück zu Deinem Erfolge. Schüchtern bist Du nicht, Du greifst mit Deinen achtundzwanzig Jahren schon keck nach einer Ehre, zu der ich mich erst berufen fühlte, als ich mich auf die Arbeit eines ganzen Lebens stützen konnte. Du hast eben erst die Lehrjahre hinter Dir und läßt Dich schon als Volkstribun auf den Schild heben. Nun, Glück auf dazu!“
In dem Gesicht Runecks wechselten bei dem herben Spott Röthe und Blässe und seine Stimme hatte nicht die gewohnte Festigkeit, als er erwiderte: „Ich habe es gefürchtet, daß Sie die Sache so auffassen würden, und das macht mir die Lage noch peinvoller, in die ich durch diesen Beschluß meiner Partei gedrängt werde. Ich habe ihn bekämpft bis zum letzten Augenblick, aber man hat mich schließlich –“
„Gezwungen, nicht wahr?“ unterbrach ihn Dernburg mit einem bitteren Auflachen. „Du bist natürlich nur ein Opfer Deiner Ueberzeugung. Ich dachte mir im voraus, daß Du Dich damit decken würdest. Gieb Dir keine Mühe, ich weiß Bescheid!“
„Ich lüge nicht, ich denke, das wissen Sie,“ sagte Egbert finster. Dernburg erhob sich und trat dicht vor ihn hin.
„Warum kamst Du nach Odensberg zurück, wenn Du wußtest, daß der Gegensatz zwischen uns ein unversöhnlicher geworden war? Du brauchtest die Stellung nicht, die ich Dir bot. Dir stand die ganze Welt offen. Doch was frage ich! Es galt, den Kampf gegen mich vorzubereiten, den Grund zu unterwühlen, auf dem ich stehe, mich auf meinem eigenen Boden erst zu verrathen und dann zu schlagen –“
„Nein, das that ich nicht!“ fiel ihm Runeck ungestüm ins Wort. „Als ich hierher kam, dachte niemand an die Möglichkeit meiner Wahl und ich am wenigsten, Landsfeld allein kam in Betracht. Erst im vergangenen Monat tauchte der Plan auf und erst in den letzten Tagen wurde er zum Beschluß erhoben, trotz meines Widerstandes. Ich durfte nicht eher reden, es war Parteigeheimniß.“
„Wirklich! Nun die Rechnung ist sehr geschickt gemacht. Weder Landsfeld noch ein anderer hätte die mindeste Aussicht gehabt, wo es galt, mich zu verdrängen, der Versuch wäre kläglich gescheitert, das wird man eingesehen haben beim ‚Sondieren‘. Du bist ein Arbeiterkind, unter meinen Leuten aufgewachsen, aus ihrer Mitte hervorgegangen, sie sind allesamt stolz auf Dich. Wenn Du es ihnen klar machst, daß ich im Grunde ein Tyrann bin, der sie in all den Jahren bedrückt und ausgesogen hat, wenn Du ihnen das Goldene Zeitalter versprichst – das packt, das verblüfft die Leute, Dir glauben sie es vielleicht, Du sollst ja ein ausgezeichneter Redner sein. Wenn der Mann, der fast ein Sohn meines Hauses gewesen ist, sich an ihre Spitze stellt, um sie zum Kampfe gegen mich zu führen, dann muß ihre Sache doch wohl die rechte sein, dann schwören sie darauf!“
Es waren fast dieselben Worte, die der junge Ingenieur vor Monaten aus dem Munde Landsfelds gehört hatte, und sein Blick sank nieder vor den durchbohrenden Augen Dernburgs, der sich jetzt zu seiner ganzen Höhe aufrichtete, als er fortfuhr:
„Aber noch sind wir nicht soweit. Ich will doch sehen, ob meine Arbeiter es vergessen haben, daß ich dreißig Jahre lang mit ihnen und für sie gearbeitet und gesorgt habe, ob ein Band, das sich in einem Menschenalter geknüpft hat, so leicht zerrissen wird. Versuche es! Wenn irgend einem, so gelingt es Dir. Du bist in meiner Schule aufgewachsen und hast vielleicht gelernt, wie man den alten Meister schlägt.“
Egbert war totenbleich; in seinen Zügen spiegelte sich der Kampf, der in seinem Inneren wühlte. Aber jetzt hob er langsam das Auge empor. „Sie verdammen mich und würden vielleicht an meiner Stelle nicht anders handeln. Ich habe es oft genug aus Ihrem eigenen Munde gehört, daß die Disciplin das erste und oberste Gesetz eines jeden großen Unternehmens ist. Ich habe mich diesem eisernen Gesetze gebeugt, beugen müssen – was es mich gekostet hat, das weiß nur ich allein.“
„Ich verlange Gehorsam von meinen Leuten,“ sagte Dernburg kalt. „Zu Verrätherdiensten zwinge ich sie nicht.“
Egbert zuckte zusammen und es blitzte beinahe drohend in seinen Augen auf.
„Herr Dernburg, ich kann viel von Ihnen hinnehmen, zumal in dieser Stunde, aber dies Wort – dies Wort ertrage ich nicht!“
„Du wirst es wohl ertragen müssen. Was hast Du denn gethan da draußen in Radefeld?“
„Was ich verantworten kann, vor Ihnen und vor mir selber.“
„Dann hast Du eben Deine Aufgabe schlecht erfüllt und man wird Dich das büßen lassen. Doch wozu um Vergangenes rechten, es handelt sich um die Gegenwart. Du bist also Kandidat Deiner Partei und hast angenommen?“
„Da es Parteibeschluß ist – ja! Ich mußte mich ihm fügen.“
„Du mußtest!“ wiederholte Dernburg mit bitterem Spott. „Das ist jetzt Dein zweites Wort, sonst kanntest Du es kaum, da wolltest Du nur. Mich hieltest Du für einen Tyrannen, weil ich nicht ohne weiteres Deinen volksbeglückenden Ideen zustimmte, und stießest diese Hand zurück, die Dich leiten wollte. Du wolltest freie Bahn im Leben. Und jetzt beugst Du Dich einem Joch, das Dein ganzes Denken und Wollen in Fesseln schlägt, Dich zwingt, mit allem zu brechen, was Dir nahe steht, das Dich bis zum Verrath erniedrigt – fahre nicht aus, Egbert, es ist so! Du durftest nicht nach Odensberg zurückkehren, wenn Du wußtest daß eine Stunde wie die jetzige kommen müsse. Du durftest nicht bleiben, als Du erfuhrst, daß man Dich in dem Kampf gegen mich voranstellen wollte – aber Du bist zurückgekommen, bist geblieben, weil man es Dir befahl. Nenne das, wie Du willst, ich nenne es Verrätherei! Und jetzt geh’, wir sind fertig miteinander!“
Er wandte sich ab; Egbert jedoch gehorchte nicht, er kam mit einer stürmischen Bewegung näher.
„Herr Dernburg – lassen Sie mich nicht so gehen! So kann ich nicht von Ihnen scheiden – Sie sind mir ja doch ein Vater gewesen!“
Es lag in diesem Ausbruch einer lange verhaltene Qual ein wilder Schmerz, der bei dem sonst so starren verschlossenen Runeck etwas Erschütterndes hatte, aber der schwer gereizte Mann, der da vor ihm stand, sah das nicht oder wollte es nicht sehen, sondern trat zurück, und sein ganzes Wesen war eisige Abwehr, als er sagte:
„Und der Sohn hebt die Hand gegen den ‚Vater‘! Ja, ich hätte Dich gerne ‚Sohn‘ genannt, Dich am liebsten von allen! Du hättest Herr sein können in Odensberg. Sieh zu, ob Deine Genossen es Dir danken, das ungeheure Opfer, das Du ihnen gebracht hast. Und nun sind wir zu Ende – geh!“
Egbert war verstummt, er machte keinen Versuch mehr zur Verständigung, langsam wandte er sich zum Gehen; nur einen letzten schweren Blick sandte er von der Schwelle aus noch zurück, dann schloß sich hinter ihm die Thür.
Dernburg warf sich in einen Sessel und legte die Hand über die Augen. Was auch alles heute auf ihn eingestürmt war – das war das Schwerste. In Egbert hatte er die junge mächtige Kraft geliebt, die der seinigen so ähnlich war, die er an sich hatte fesseln wollen für den Rest seines Lebens, und jetzt war es ihm, als scheide mit dem jungen Manne der beste Theil seiner [203] eigenen Kraft und seines eigenen Daseins von ihm, auf Nimmerwiederkehr. –
Finster eilte Runeck durch die Eingangshalle, sein Schritt war so stürmisch, als stünde der Boden unter seinen Füßen in Flammen. Man sah, wie viel diese Stunde ihn gekostet hatte, in der er sich von allem losriß, was ihm lieb war, wie lieb, das fühlte er ganz erst jetzt, wo er es verlor. „Du hättest Herr sein können in Odensberg!“ In dem einen Worte lag die Größe des Opfers, das er gebracht hatte … und wem gebracht? Er kannte längst nicht mehr jene freudige Begeisterung, die nicht fragt und nicht zweifelt. Jedoch Entschluß und Handeln stand jetzt nicht mehr in seiner freien Wahl wie einst; er hatte nicht mehr zu wollen – er mußte.
Da rauschte dicht vor ihm ein seidenes Frauengewand, er blickte auf und sah sich der Baroneß Wildenrod gegenüber. Einen Augenblick stand er wie angewurzelt, dann wollte er mit einer tiefen Verbeugung vorüber. Aber Cäcilie trat dicht an ihn heran und sagte leise: „Herr Runeck!“
„Gnädiges Fräulein?“
„Ich muß Sie sprechen.“
„Mich?“ Egbert glaubte nicht recht gehört zu haben, aber sie wiederholte im gleichen Tone:
„Allein sprechen – ich bitte Sie darum.“
„Wie Sie befehlen!“
Sie schritt voran, er folgte ihr in den Salon. Es war niemand dort, und selbst wenn jemand erschien, konnte das Zusammensein für ein zufälliges gelten. Cäcilie war an den Kamin getreten, als wollte sie vor dem Sonnenschein flüchten, der hell und goldig durch die hohen Fenster hereindrang. Es vergingen einige Minuten, ehe sie sprach. Auch Runeck schwieg; sein Blick glitt langsam über ihr Antlitz, das so ganz anders erschien als früher.
Erich hatte recht, die strahlend heitere Braut von einst war seltsam verändert. Sie war nicht mehr das berückende Geschöpf, dessen ganzes Wesen von Uebermuth und Lebensfreude sprühte – ein bleiches bebendes Mädchen lehnte an dem Marmorpfeiler des Kamins, die Augen gesenkt, einen schmerzlichen Zug um den Mund, und suchte nach Worten, die nicht über die Lippen wollten.
„Ich habe Ihnen schreiben wollen, Herr Runeck,“ begann sie endlich, „Da hörte ich, daß Sie heute im Herrenhause seien, und beschloß, Sie persönlich zu sprechen. Es bedarf noch einer Erklärung zwischen uns.“
Sie hielt inne und schien eine Antwort zu erwarten, als Egbert sich aber nur stumm verneigte, fuhr sie mit sichtlicher Anstrengung fort: „Ich muß Sie an unser Zusammentreffen am Albenstein erinnern, Sie werden es so wenig vergessen haben, wie ich die Worte, die Drohungen vergessen habe, die Sie mir zuschleuderten. Diese sind mir damals dunkel geblieben und sind es mir heute noch, aber ich weiß seit jener Stunde, daß Sie meinem Bruder und mir als ein unversöhnlicher Feind gegenüberstehen –“
„Ihnen nicht, Baroneß!“ fiel Runeck ein. „Ich war in einem schweren Irrthum begriffen, der mir damals sofort klar wurde. Ich habe um Verzeihung gebeten, freilich ohne sie zu erhalten. Meine Worte wie meine Drohungen galten einem andern.“
Cäcilie hob die Augen zu ihm empor, es stand eine flehende angstvolle Bitte darin zu lesen.
„Aber dieser andere ist mein Bruder, und was ihn trifft, trifft auch mich. Wenn Sie ihm jemals so gegenübertreten wie mir in jenem Augenblick, so wird der Ausgang ein blutiger, furchtbarer sein. Ich habe wochenlang davor gezittert, jetzt ertrage ich es nicht länger. Ich will Gewißheit haben – was denken Sie zu thun?“
„Weiß Herr von Wildenrod von jenem Auftritt am Albenstein?“
„Ja!“ Das Wort war fast unhörbar.
Runeck fragte nicht weiter, er brauchte nicht erst zu erforschen, was Wildenrod geantwortet hatte, in den verstörten Blicken Cäciliens stand das deutlich genug, und er ersparte ihr die peinvolle Frage.
„Beruhigen Sie sich,“ sagte er ernst. „Die Begegnung, die Sie fürchten, wird nicht stattfinden, denn ich verlasse schon morgen Radefeld und das Odensberger Gebiet. Und da Sie mit Erich nach dem Süden gehen, hat auch Herr von Wildenrod keine Veranlassung und keinen Vorwand mehr, nach Ihrer Vermählung hier zu bleiben. Damit fällt für mich die Nothwendigkeit fort, ihm feindlich entgegenzutreten. Vor Ihnen aber brauche ich Odensberg und das Dernburgsche Haus nicht zu schützen, das weiß ich jetzt!“
Er ahnte nicht, wie schwer seine Worte Cäcilie trafen. Sie kannte Oskars hochfliegende Pläne, sie wußte, daß er sich mit ihrer Verlobung nur den Weg zu seinen eigenen Zielen gebahnt hatte, daß das Band zwischen ihm und Maja sich doch früher oder später knüpfen werde, um ihn zum Herrn in Odensberg zu machen, aber sie schwieg mit fest zusammengepreßten Lippen, schwieg im vollen Bewußtsein des Unrechtes, das sie beging, um das kaum beschworene Unheil nicht von neuem zu entfesseln.
Es war totenstill in dem weiten Gemach, nur der einförmige Pendelschlag der großen Standuhr ließ sich vernehmen, die Sekunden, die Minuten verrannen – sie verrinnen so beängstigend schnell in der Abschiedsstunde!
Da trat Egbert einen Schritt näher und sprach mit einem bebenden Klang in der Stimme: „Ich habe Ihnen mit meinen schonungslosen Worten ein großes Unrecht angethan, so groß, daß Sie es mir nicht vergeben können. Ich mußte glauben, daß Sie mit offenen Augen inmitten der Verhältnisse standen, die Sie umgaben, ich konnte nicht ahnen, daß man Sie in völliger Unkenntniß gelassen hatte. Wollen Sie trotz alledem eine letzte Bitte, eine Warnung von mir hören?“
Das junge Mädchen neigte stumm bejahend den Kopf.
„Ihre Vermählung entreißt Sie jenen Verhältnissen und befreit Sie von der Herrschaft Ihres Bruders – so machen Sie sich auch frei von seinem Einfluß, um jeden Preis! Lassen Sie ihm keine Macht mehr über Ihr künftiges Leben, sie ist unheilvoll und bringt Verderben. Was ich früher nur ahnte, weiß ich jetzt gewiß. Der Weg des Freiherrn führt an einem Abgrund hin – wer kann sagen, wo er endigt!“
Cäcilie zuckte bei den letzten Worten zusammen. Sie dachte an die düstere Drohung Oskars, als sie sich weigerte, in Odensberg zu bleiben, und das Bild des toten Vaters tauchte vor ihr auf.
„Nicht weiter, Herr Runeck,“ sagte sie, sich gewaltsam zusammenraffend. „Sie sprechen von meinem Bruder!“
„Ja, von Ihrem Bruder,“ wiederholte er mit Nachdruck. „Und Sie widerlegen mich nicht, Sie wissen also –“
„Ich weiß nichts, will nichts wissen – o mein Gott, so haben Sie doch Erbarmen mit mir!“
Sie schlug beide Hände vor das Gesicht und wankte, als wollte sie zusammenbrechen. In demselben Augenblick war Egbert auch schon an ihrer Seite und stützte sie; wie damals am Albenstein lag das bleiche schöne Haupt mit den geschlossenen Augen an seiner Schulter.
„Cäcilie!“
Es war nur ein einziges Wort, aber es kam in heißem leidenschaftlichen Tone von den Lippen Egberts, und bei diesem Klang öffneten sich langsam die großen dunklen Augen und begegneten den seinen. Ihre Blicke ruhten ineinander eine Sekunde – eine Ewigkeit lang.
Die Uhr verkündete mit lauten hellen Schlägen die Mittagsstunde, Egbert ließ die Arme sinken und richtete sich empor.
„Machen Sie Erich glücklich!“ sagte er dumpf. „Leben Sie wohl, Cäcilie!“
In der nächste Minute hatte er das Zimmer verlassen, und Cäcilie, die heiße Stirn gegen die kalte Marmorwand des Kamins gepreßt, weinte, weinte, als sollte ihr das Herz brechen.
Die Wohnungen der zahlreichen Beamten von Odensberg
bildeten fast eine kleine Stadt für sich; dort lag auch das Haus
des Doktor Hagenbach, eine kleine Villa im Schweizerstil. Sie
war offenbar auf eine größere Familie berechnet, aber der alternde
Junggesell hatte nicht ans Heirathen gedacht und hauste schon seit
Jahren einsam mit einer alten Wirthschafterin, der sich jetzt sein
Neffe zugesellt hatte. Als Hauptarzt von Odensberg hatte Hagenbach
am Orte selbst eine ausgedehnte Berufsthätigkeit, er wurde
aber auch oft von auswärts in Anspruch genommen.
Auch heute saß in seinem Sprechzimmer ein fremder Patient, der freilich nicht das Aussehen eines Kranken hatte. Der etwa vierzigjährige Mann war mit einem sehr ansehnlichen Leibesumfang begabt, seine Hände falteten sich über einem umfangreichen Bäuchlein und die Augen verschwanden fast hinter den vollen rothglänzende Wangen. Trotzdem berichtete er eine lange [204] Leidensgeschichte und zählte eine ganze Reihe von Uebeln auf, bis ihn Hagenbach ungeduldig unterbrach.
„Was Sie mir da erzählen, weiß ich auswendig, Herr Willmann. Ich habe es Ihnen schon das letzte Mal vorgehalten, Sie pflegen Ihr werthes Ich gar zu gut. Wenn Sie nicht Maß halten im Essen und Trinken und sich keine Bewegung machen, können auch die Mittel nicht wirken, die ich Ihnen verordnet habe.“
„Maß halten?“ wiederholte Willmann in einem sanften wehmüthigen Tone. „O Gott, Herr Doktor, ich bin die Mäßigkeit selbst. Aber ein Gastwirth ist in dem Punkte leider ein Opfer seines Berufes. Ich muß doch bisweilen mit den Gästen plaudern und trinken, das bringt das Geschäft so mit sich, und –“
„Sie nehmen dies Märtyrerthum mit Selbstverleugnung auf sich! Meinetwegen – aber dann verlangen Sie nicht, daß ich Ihnen helfen soll. Mir liegt überhaupt gar nichts an der auswärtigen Praxis, ich habe in Odensberg alle Hände voll zu thun. Warum wenden Sie sich denn nicht an meine Kollegen, die weit mehr Zeit haben?“
„Weil mir das Vertrauen fehlt,“ sagte Herr Willmann feierlich, ohne sich durch die derbe Erklärung aus der Fassung bringen zu lassen. „Sie haben etwas so Vertrauenerweckendes, Herr Doktor.“
„Ja, Gott sei Dank, ich verfüge über die nöthige Grobheit,“ versetzte Hagenbach mit Seelenruhe, „Dann haben die Leute immer Vertrauen. Also wollen Sie sich meinen Vorschriften fügen? Ja oder Nein?“
„Lieber Himmel, ich füge mich ja in alles. Wenn Sie wüßten, was ich in den letzten Tagen ausgestanden habe, diese entsetzlichen Magenbeschwerden –“
„Daran sind die guten Braten und Saucen schuld,“ warf der Doktor kaltblütig dazwischen.
„Und diese Athemnoth, dieser Schwindel im Kopfe –“ „Kommt von dem Bier, bei dem Sie täglich Ihr bester Stammgast sind. Das Bier wird gestrichen, das Essen auf das Nothwendige beschränkt. Also –“ er begann eine Reihe von Verordnungen aufzuzählen, die Herrn Willmann in helles Entsetzen jagten.
„Das ist ja eine wahre Hungerkur, Herr Doktor,“ jammerte er. „Dabei muß ich zu Grunde gehen.“
„Wollen Sie lieber als Opfer Ihres Berufs zu Grunde gehen?“ fragte Hagenbach. „Mir ist’s recht, aber dann lassen Sie mich in Ruhe!“
Der Patient seufzte tief und schmerzlich auf; indessen die vertrauenerweckende Grobheit des Doktors mußte wohl den Sieg über seine Bedenken davontragen, er faltete die Hände und blickte zur Decke empor. „Wenn es nicht anders geht – in Gottes Namen!“ sagte er salbungsvoll.
Der Arzt stutzte plötzlich, heftete einen scharfen Blick auf ihn und fragte dann ganz unvermittelt: „Haben Sie vielleicht einen Bruder, Herr Willmann?“
„Nein, ich war das einzige Kind meiner Eltern.“
„Sonderbar! Mir fällt da eine Aehnlichkeit auf, das heißt, eigentlich ist es gar keine Aehnlichkeit – im Gegentheil, Sie haben keinen Zug von dem Betreffenden.“
Herr Willmann schüttelte sanft das Haupt, zum Zeichen, daß ihm diese dunklen Worte unverständlich seien, während Hagenbach fortfuhr: „Oder haben Sie sonst einen Verwandten, der in Afrika gewesen ist, in Aegypten, in der Sahara oder sonst irgendwo da herum im Wüstensande?“
Die vollen Wangen des Herrn Willmann verloren etwas von ihrer rosigen Farbe, und er machte sich mit seiner schweren goldenen Uhrkette zu schaffen, als er antwortete: „Ja – einen Vetter.“
„Der Missionär wurde?“
„Ja, Herr Doktor.“
„Und dann dem Fieber erlag?“
„Ja, Herr Doktor.“
„Er hieß Engelbert? Stimmt! Und wie heißen Sie denn eigentlich?“
„Pan-kra-tius,“ versetzte Willmann gedehnt, während er noch immer mit der Uhrkette spielte.
„Ein schöner Name! Also Herr Pankratius Willmann, in drei Wochen kommen Sie wieder, und wenn ich inzwischen beim ‚Goldenen Lamm‘ vorbeikommen sollte, werde ich nachfragen. Adieu!“
Willmann verabschiedete sich mit mildem Danke für den gespendeten Rath und Hagenbach blieb allein.
„Die Sache stimmt,“ murmelte dieser vor sich hin „Also ein Vetter dieses selig verstorbenen Engelbert mit der Trauerschleife! Den frommen Augenaufschlag haben sie beide, das scheint ein Familienfehler zu sein. Ob ich es ihr erzähle? Ich werde mich hüten! Sie ließe den theuren Anverwandten auf der Stelle kommen, und dann würde die ganze Wehmuthsgeschichte noch einmal durchgesäuselt und aufs neue ewige Treue gelobt. Uebrigens werde ich dem Dagobert das versprochene Rezept mitgeben, er wollte ja gerade nach dem Herrenhause zu Leonie.“
Damit ging er hinüber in das Zimmer seines Neffen, den er auch noch antraf. Der junge Mann hatte sich bereits zum Ausgehen fertig gemacht. Hut und Handschuhe lagen auf dem Tische neben einem umfangreichen blauen Heft, er selbst aber stand vor dem Spiegel und betrachtete angelegentlich seine eigene werthe Persönlichkeit. Er zupfte die Halsbinde zurecht, fuhr sich mit der Hand durch das blonde Haar und versuchte, seinem noch sehr in den Anfangsgründen steckenden Schnurrbärtchen einen kühnen Schwung zu geben.
Endlich schien Dagobert mit der Erscheinung seines äußeren Menschen zufrieden; er trat einige Schritte zurück, legte betheuernd die Hand aufs Herz, seufzte herzbrechend und begann dann halblaut etwas zu sprechen, was der Doktor, der von der Thürschwelle aus mit wachsendem Erstaunen zusah, nicht verstehen konnte.
Zu den deutschen Fürstenfamilien, welche in die an jähen Glückswechseln so reiche Geschichte der russischen Herrscher im 18. Jahrhundert verflochten sind, gehört ein Zweig des Hauses Braunschweig. Die unglücklichen Schicksale dieser Familie waren lange Zeit in tiefes Geheimniß gehüllt; sie sind infolge der Eröffnung der russischen Archive erst in den beiden letzten Jahrzehnten soweit bekannt geworden, daß sie im Zusammenhang und mit hinreichender Zuverlässigkeit erzählt werden können,
In Rußland galt im 18. Jahrhundert keine Thronfolgeordnung, an welche die Herrscher sich gebunden hätten. Der jeweilige Herrscher bestimmte unter seinen Verwandten seinen Nachfolger, und dieser regierte dann so lange, bis etwa ein anderer Verwandter ihn stürzte. Auf Befehl der Nichte Peters des Großen, der Kaiserin Anna, welche von 1730 bis 1740 regierte, wurde nach ihrem Tode ihr Großneffe, Prinz Johann von Braunschweig, als Iwan III. zum Kaiser ausgerufen, obwohl er erst einige Wochen alt war. Die Regentschaft in seinem Namen führte erst Biron, Herzog von Kurland, und dann die Mutter des jungen Kaisers, die Prinzessin Anna, welche aus der Ehe eines mecklenburgischen Herzogs mit einer Nichte Peters des Großen stammte, seit ihrem fünften Jahre in Rußland lebte, wie eine russische Prinzessin im griechischen Glaubensbekenntniß erzogen war und sich mit dem Herzog oder Prinzen Anton Ulrich von Braunschweig verheirathet hatte. Diese im Namen Iwans geführte Regierung, während deren der junge Kaiser bei feierlichen Anlässen, auf einem Purpurkissen liegend, dem Volke gezeigt wurde, dauerte wenige Wochen über ein Jahr. Im Winter des Jahres 1741 bemächtigte sich Elisabeth, die Tochter Peters des Großen, durch eine Palastrevolution des kaiserlichen Thrones. Auf ihre Anordnung wurde im Dezember desselben Jahres ein Schlittenzug ausgerüstet, welcher den entthronten Kaiser, seine Eltern und deren im Sommer 1741 geborene Tochter, Katharina mit Namen, über Riga und Königsberg nach Braunschweig, also nach der Heimath des Vaters, führen sollte, Von einer Abtheilung Soldaten umgeben, brach dieser Schlittenzug alsbald von Petersburg auf
Es war ein hartes Verhängniß für die entthronte Herrscherfamilie, daß es ihr nicht vergönnt wurde, das ursprünglich
[205][206] bestimmte Reiseziel zu erreichen, aber es ist begreiflich genug, daß die Kaiserin Elisabeth und ihre Rathgeber nach näherer Erwägung der Sachlage zu ihrer eigeuen Sicherung einen Gegenbefehl erließen. Es bestand die Möglichkeit, daß die Familie Braunschweig, die inzwischen in Riga angekommen war, selbst wider ihren Willen von fremden Mächten oder von den in Rußland lebenden Gegnern der neuen Regierung dazu benutzt werden könnte, um gegenüber der Kaiserin Elisabeth und dem von ihr berufenen Thronfolger, ihrem Neffen Peter von Holstein, die Rolle einer Prätendentenfamilie zu spielen. Einige in die erste Regierungszeit Elisabeths fallende rechtzeitig vereitelte Verschwörungen, bei denen der Name des entthronten Iwan genannt wurde, zeigten deutlich, daß solche Befürchtungen nicht grundlos waren. Der österreichische Gesandte in Petersburg, Marquis Botta, begünstigte die Braunschweiger und wurde deshalb auf die Beschwerde der russischen Regierung abberufen.
Im Gegensatz zu ihm soll Friedrich der Große dem russischen Gesandten in Berlin die Ueberwachung der entthronten Familie angerathen haben. Es erschien als ein Gebot der Selbsterhaltung, daß Elisabeth ihre fürstlichen Verwandten, die ihr so gefährlich werden konnten, in ihrem Machtbereich behielt. So erging an den General Ssaltykow, der den Reisezug der Braunschweiger begleitete, der Befehl, die Reisenden nach der bei Riga gelegenen Festung Dünamünde zu bringen und dort in Gewahrsam zu halten. Hier wurde dem braunschweigischen Elternpaare im Jahre 1743 ein drittes Kind geboren, die Prinzessin Elisabeth. Von Dünamünde meinten die russischen Machthaber schließlich, daß diese Festung der Westgrenze zu nahe und etwaigen von auswärtigen Mächten unternommenen Befreiungsversuchen zu bequem liege, und so brachte man die Gefangenen im Jahre 1744 nach der von den Russen Ranenburg genannten Stadt Oranienburg, welche 40 Meilen südöstlich von Moskau liegt. Aber hier schienen sie wiederum vor einer Aufhebung durch inländische Feinde der Kaiserin nicht sicher, und so wurde angeordnet, sie noch in demselben Jahre nach dem im Weißen Meere gelegenen Ssolowetzkischen Kloster zu schaffen.
Die Haft der entthronten Familie war nicht die einzige Maßregel, die man gegen die gestürzte Regierung anwandte; man unternahm den verwegenen und wegen seiner Seltenheit merkwürdigen Versuch, die ganze Regierungszeit Iwans aus der geschichtlichen Erinnerung auszumerzen. Kaiserin und Senat verordneten, daß Name und Titel Iwans in keinem Aktenstück mehr erwähnt werden durften; konnte der Hinweis auf das Jahr seiner Herrschaft nicht vermieden werden, so sollte man, wenn die Jahreszahl nicht genügte, nur die Regentschaft des Herzogs Biron von Kurland oder die der Prinzessin von Braunschweig erwähnen. Alle im Namen Iwans erlassenen Verfügungen sollten unausgeführt bleiben. Alle Gerichtsurtheile und Regierungsbescheide, alle Bestallungsurkundeu und Pässe, kurz alle Schriftstücke, welche im Namen Iwans angefertigt waren, sollten an den Senat eingesandt werden. Fremdsprachliche Bücher, welche Angaben über Iwans Regierung enthielten, sollten an die Akademie der Wissenschaften abgeliefert, neue Schriften dieser Art an der Landesgrenze mit Beschlag belegt werden. Alle Münzen und Medaillen mit dem Bildniß des kleinen Kaisers sollten zur Einziehung gelangen. Der Erfolg dieser Maßregeln entsprach nicht ganz den Erwartungen. Münzen mit dem Bilde Iwans sind in den Münzsammlungen nicht allzu selten, und man hat neuerdings ein Rubelstück dieser Art nur mit sieben Rubeln bezahlt; wären fast alle Münzen Iwans eingeschmolzen, so müßte der Preis weit höher sein. Beim Senat sammelten sich über 3600 Aktenstücke an; da man sie nicht vernichtete, sondern nach einigen Menschenaltern der Forschung zugänglich machte, so ist das Gegentheil von dem eingetroffen, was Elisabeth beabsichtigt hatte. Anstatt daß die einjährige Regierung Iwans aus dem Gedächtniß der Menschen entschwand, ist dank jenen Urkunden kaum ein Jahr in der russischen Geschichte des 18. Jahrhunderts so genau bekannt wie das Jahr der Regierung Iwans.
Als die Familie Braunschweig im Jahre 1744 die Reise nach dem hohen Norden antreten mußte, wurde die Ueberwachung gegen früher noch erheblich verschärft. Die zur Begleitung befohlenen Offiziere wurden angewiesen, jeden mündlichen und schriftlichen Verkehr der Gefangenen mit Unberufenen zu hindern, keinerlei Sendungen für sie anzunehmen oder aufzugeben und alle ihre Fragen unbeantwortet zu lassen. Man trennte den unglücklichen Iwan von seinen Eltern und ließ ihn unter besonderen Vorsichtsmaßregeln in einem von starker Bedeckung umgebenen Wagen mit seinem Begleiter, dem Major Müller, allein vorausfahren. Es ist wahrscheinlich, daß die Eltern seit dem Aufbruch aus Ranenburg von ihrem Sohne nichts mehr erfahren und auch nicht gewußt haben, daß er auf der Reise und in der Gefangenschaft in ihrer Nähe war. Er wurde von seiner Umgebung mit dem Namen Gregor angeredet, während er in den amtlichen Berichten als „der namenlose Gefangene“ bezeichnet wurde. Erwähnten die Berichte „die bewußten Personen“ oder „eine gewisse Kommission“, so war damit die ganze braunschweigische Familie gemeint. Alle von den Aufsehern und Offizieren in dieser Angelegenheit erstatteten Berichte wurden an das Kabinett der Kaiserin gerichtet und nur von ihr oder ihren nächsten Vertrauten beantwortet.
Im Oktober des Jahres 1744 langten die Reisenden unter Führung des Kammerherrn von Korff in Cholmogory an, einer kleinen Stadt etwa 10 Meilen oberhalb der Stelle, wo die Dwina bei Archangel in das Weiße Meer fließt. Auf die Bitte des Kammerherrn, der ein humaner Mann war, erklärte sich die Kaiserin Elisabeth damit einverstanden, daß die Gefangenen in Cholmogory blieben, wo der Aufenthalt erträglicher und wohlfeiler war als in dem zuerst in Aussicht genommenen Inselkloster. Ein Platz vor der Stadt, auf dem eine Kirche und drei zweistöckige, ursprünglich zu geistlichen Amtswohnungen bestimmte Häuser standen, wurde mit einem starken, im Grundriß quadratförmigen Pallisadenzaun umgeben; jede Seite des Quadrates war etwa 400 Schritt lang; innerhalb der Pallisaden befanden sich einige bescheidene Gartenanlagen und ein Gewässer. In diesen Häusern wurden die Gefangenen mit ihren Begleitern und Aufsehern, mit ihren Dienern und Dienerinnen und mit den Bewachungsmannschaften untergebracht. Der frühere Kaiser Iwan lebte mit dem Major und mehreren Dienern in einem noch besonders umzäunten Hause, von Eltern und Geschwistern völlig abgesondert. Die zur Bewachung befehligten Soldaten wurden zwölf Jahre lang nicht abgelöst, damit sie über die Vorgänge in Cholmogory keine Kunde im Lande verbreiten könnten. Allen bei der Bewachung und Bedienung der Gefangenen verwendeten Personen war bei Todesstrafe verboten, in ihrem privaten Verkehr über Verhalten und Befinden dieser Gefangenen irgend welche Mittheilung zu machen.
Im Jahre 1745 wurde dem braunschweigischen Prinzenpaare ein Sohn geboren, der Peter getauft wurde, und im Jahre 1748 ein Sohn Alexei. Zehn Tage nach der Geburt Alexeis starb die Prinzessin Anna. Die Kaiserin Elisabeth verhehlte ihren Räthen den Unmuth über die Geburt der beiden Prinzen nicht, da sie in ihnen neue Thronprätendenten erblickte, doch waren ihre Bemühungen vergeblich, die Thatsache der Geburt vor den fremden Gesandten geheim zu halten. Den Tod der Prinzessin dagegen zu verheimlichen, hatte sie keinen Grund, ja sie scheint, als sie deren Leiche nach Petersburg bringen, öffentlich ausstelleu und mit großem Prunk bestatten ließ, die Absicht gehabt zu haben, allgemein bekannt zu geben, daß diese Prinzessin, die ihr Thronrecht bedrohen konnte, nun nicht mehr unter den Lebenden weile.
Für die Verpflegung und Bekleidung der Gefangenen war in der Regel ausreichend gesorgt, doch kam es zuweilen vor, daß die zu ihrem Unterhalt angewiesenen Geldsummen, die sich auf 10- bis 15000 Rubel jährlich beliefen, längere Zeit ausblieben, und daß dann die Gefängnißwärter in Verlegenheit geriethen, weil die Kaufleute in Archangel nicht immer Kredit geben wollten. Ein Arzt hatte zu den Gefangenen Zutritt, auch ein Geistlicher der griechischen Kirche, zu der sie sich alle bekannten. Den prinzlichen Kindern Unterricht zu ertheilen, war lange Jahre hindurch, wie es scheint bis zum Tode der Kaiserin Elisabeth, also bis zum Jahre 1762, streng verboten. Dem Verbot entgegen unterrichtete der Major Müller den früheren Kaiser im Lesen, und später unterwies der Herzog Anton Ulrich seine übrigen Kinder in den Anfangsgründen des Wissens. Man sprach und las nur noch russisch. Die Prinzen und Prinzessinnen verbrachten ihre Tage damit, daß sie ihren kirchlichen Pflichten genügten, in Andachtsbüchern lasen, Karten und Dame spielten, ihr Federvieh fütterten, in ihrem Garten spazieren gingen, im Sommer darin arbeiteten und im Winter sich darin auf dem Eise tummelten. Iwan durfte sich an gemeinschaftlichen Vergnügungen nie betheiligen. Mancherlei Eindrücke mußten auf die heranwachsenden Kinder ungünstig [207] einwirken. Unter den Offizieren und Aufsehern, unter den Soldaten, Dienern und Dienerinnen war viel Zank und Aergerniß anderer Art.
Die Kaiserin Elisabeth fühlte sich trotz aller Vorsichtsmaßregeln doch noch nicht sicher. Ihr wußten zu viele Leute darum, daß ein Prätendent, der ein Jahr lang die Krone des Reiches getragen hatte, in Cholmogory lebte, und sie beschloß, dieses Wissen in aller Stille in einen Irrthum zu verwandeln. Ein Sergeant ihrer Leibkompagnie erhielt den Auftrag, den Kaiser Iwan nach der nicht weit von Petersburg gelegenen Festung Schlüsselburg zu bringen, und dieser Befehl wurde im Laufe des Jahres 1756 im tiefsten Geheimniß ausgeführt. Ein nicht unwahrscheinliches Gerücht meldet, sie habe den damals 18 Jahre alten Gefangenen während der Ueberführung erst nach Petersburg in das Haus eines Günstlings bringen lassen und dort mit ihm gesprochen, ohne daß der Gefangene wußte, wer die Dame war, die er vor sich hatte. In der Behandlung seiner in Cholmogory verbliebenen Angehörigen wurde nichts geändert, ja selbst in den Berichten, die man von dort her einzusenden hatte, mußte des entthronten Fürsten nach wie vor Erwähnung geschehen, als wenn er noch anwesend wäre. Der Zweck der Maßregel wurde insofern erreicht, als nur wenige Vertraute der Kaiserin um den Aufenthalt Iwans in Schlüsselburg erfuhren. Im Publikum glaubte man ihn entweder noch in Cholmogory, oder man bezeichnete, da doch dunkle Nachrichten über seine Entfernung von dort sich allmählich verbreiteten, bald diese, bald jene Ortschaft als seinen Aufenthalt. Sicheres wußte man nicht mehr. Uebrigens scheute sich jeder, der Schicksale Iwans irgendwie Erwähnung zu thun, weil man sich dadurch sehr leicht eine Untersuchung wegen hochverrätherischer Umtriebe zuziehen konnte.
In Schlüsselburg durfte Iwan nach einer uns erhaltenen Weisung für die wachthabenden Offiziere die Kasematten nie verlassen, in denen er untergebracht war. Der Genuß der freien Luft, der ihm in Cholmogory wenigstens innerhalb einer engen Umzäunung vergönnt worden war, wurde ihm also jetzt entzogen. Sein Gefängniß war gegen das Tageslicht abgesperrt und wurde Tag und Nacht künstlich erleuchtet. Außer den ihm beigegebenen Personen durfte niemand ihn sehen; selbst Generale und Feldmarschälle sollten nicht zu ihm eintreten dürfen.
Aus den Berichten, welche die wachthabenden Offiziere von Schlüsselburg aus über „den namenlosen Gefangenen“ erstatteten, ergiebt sich, daß die langjährige wiederholt verschärfte Haft, die harte, in Schlüssckburg geradezu rohe Behandlung, das Fernhalten wohlthätiger Einflüsse und die Absperrung von Altersgenossen die Folgen gehabt haben, die unter den gegebenen Umständen mit Nothwendigkeit eintreten mußten: das Geistes- und Gemüthsleben des Unglücklichen war bis zu einem gewissen Grade verkümmert. Wenn er auch nicht, wie man von zweien seiner Wächter später bezeugen ließ, wahnsinnig war, so glich er doch noch mit vierundzwanzig Jahren einem reizbaren Kinde. Von seiner fürstlichen Abkunft hatte er trotz aller Mühe, die aufgewendet worden war, sie ihm zu verheimlichen, doch Kenntniß erhalten; er sagte, er sei ein Prinz, und nichtswürdige Menschen hätten ihn um seine Rechte gebracht. Körperlich war er gesünder und kräftiger, als man vielleicht erwarten sollte.
Als Peter III. im Jahre 1762 mit dem Tode der Kaiserin Elisabeth zur Herrschaft kam, besuchte er, ohne sich zu erkennen zu geben, den Gefangenen in Schüsselburg und brachte ihm Geschenke an Uhren, Dosen und Kleidungsstücken mit. Der neue Herrscher, dessen eigene Zurechnungsfähigkeit nicht außer Zweifel stand, fühlte doch ein menschliches Rühren mit dem Unglücklichen und ordnete an, ihn zuweilen an die Luft zu führen und ihm einigen Unterricht zu ertheilen; doch sollte auch jetzt niemand mit ihm über seine persönlichen Verhältnisse sprechen. Zu denen, welche der Kaiser vor Iwan auch jetzt noch warnten, gehörte wieder Friedrich der Große, der in der Befürchtung, im Falle einer Thronumwälzung den ihm ergebenen Peter III, durch einen preußenfeindlichen Herrscher ersetzt zu sehen, jenen in einem unter dem 4. Mai 1762 erlassenen Briefe daran erinnerte, daß ein Entkommen Iwans aus der Gefangenschaft den Sturz des Kaisers herbeiführen könne, namentlich wenn sich dieser in persönlicher Betheiligung an einem auswärtigen Kriege aus Rußland entferne.
Die Kaiserin Katharina II., die im Sommer 1762 ihrem Gemahl Peter III. das Scepter entwand und deren Anhänger diesen ermordeten, hat ebenfalls von dem geistigen und körperlichen Zustand des Gefangenen persönlich Kenntniß genommen. Trotz der schlimmen Einwirkungen der Einzelhaft erschien Iwan ihr doch nicht unbedingt harmlos und üngefährlich, und daß er im Volke nicht vergessen war, konnte sie daraus entnehmen, daß hier und dort das Gerücht auftauchte, sie wolle oder müsse sich zu ihrer eigenen Sicherung mit ihm verheirathen. Schon plante sie, ihn als Mönch in ein entlegenes Kloster eintreten zu lassen; da setzte das Schicksal seinem kummervollen Dasein ein Ziel.
Bei dem in der Vorstadt von Schlüsselburg stehenden Infanterieregiment diente ein Lieutenant Mirowitsch, desse Vater und Großvater wegen Betheiligung an Verschwörungen ihre Güter verloren hatten. Seine Bemühungen, wenigstes eine Theil der Familiengüter durch Prozesse oder Gnadengesuche wieder zu erlangen, blieben vergeblich; Schulden drückten ihn. Nachdem er einigemal die Wache in der Festung bezogen und bei Gelegenheit ermittelt hatte, daß der „namenlose Gefangene“, den man in besonders geschützten Kasematten bewachte, der entthronte Kaiser Iwan sei, faßte er den Plan, diesen Fürsten zu befreien, ihn nach Petersburg zu führen, Heer und Volk für ihn zu gewinnen, ihn an Katharinas Stelle auf den Thron zu erheben und sich dann in ähnlicher Weise mit Ehren und Reichthümern von ihm belohnen zu lasse, wie Katharina die Günstlinge belohnt hatte, die ihr den Thron verschafft hatten.
Das Beispiel der Gebrüder Orlow, welche durch die Entthronung und Ermordung Peters III. emporgekommen waren, mochte dem jungen Abenteurer vorschweben. Aber er verkannte, daß die Umstände für ihn weniger günstig lagen. Peter III. war als Freund der Ausländer verhaßt gewesen, Katharina erfreute sich, wenn auch einzelne Unzufriedene ihr grollten, beim Heere und in der Hauptstadt großer Beliebtheit. Die Entthronung Peters war durch die Sachlage und durch die einflußreiche Anhängerschaft Katharinas gut vorbereitet gewesen; der überschuldete Mirowitsch hatte unter seinen wenigen Freunden und Bekannten auch nicht einen angesehenen Mann. Seine Versuche, Anhänger für seine Pläne zu gewinnen, scheiterten; ein einziger ihm befreundeter Offizier, der ihm beistehen wollte, ertrank auf einer Dienstreise, ehe man zur Verwirklichung der Pläne schreiten konnte. Mirowitsch beschloß nun, mit Hilfe der von ihm befehligten Wachtmannschaft allein zu handeln, und zwar während der Sommermonate des Jahres 1764, als Katharina eine Reise nach den deutschen Ostseeprovinzen antrat; die Abwesenheit der Kaiserin erschien für sein Unternehmen förderlich.
Vom 15. bis zum 18. Juli (neuen Stils) hatte Mirowitsch mit etwa 40 Mann seines Regiments die Wache in Schlüsselburg. Er suchte die ihm unterstehenden Korporale und Soldateu einzeln zur Befreiung Iwans zu bereden; zögernd und ohne rechtes Verständniß äußerten sie ihre Zustimmung. In der Nacht gegen 2 Uhr ließ er die Mannschaft unter das Gewehr treten und die Flinten scharf laden. Der Kommandant der Festung, Oberst Berednikow, der in seiner Wohnung im Obergeschoß über der Wache den so entstandenen Lärm hörte, eilte die Treppe hinab und fragte, weshalb die Wache zu ungewohnter Stunde zusammentrete. „Warum hältst Du den unschnldigen Kaiser hier gefangen?“ rief Mirowitsch ihm zu, verwundete ihn durch einen Kolbenschlag und ließ ihn gefangen setzen. Hierauf marschierte er mit seinen Leuten auf das von Iwan bewohnte Kasemattengebäude zu, Dieses war durch eine Sonderwache von 2 Offizieren und 14 Mann geschützt, welche nicht zu dem Regiment Mirowitschs gehörten, sondern eine zur Bewachung Iwans besonders gebildete, seit Jahren nicht abgelöste Abtheilung darstellten. Auf ihr „Wer da?“ antwortete Mirowitsch: „Ich gehe zum Kaiser.“ Die Sonderwache gab darauf auf Mirowitsch und die Seinen Feuer, und er ließ das Feuer erwidern, doch wurde bei der spärlichen Erhellung des Festungshofes niemand verwundet. Es entstand eine Stockung; die von Mirowitsch befehligten Soldaten, die den Ernst der Lage begriffen, verlangten von ihm, daß er ihnen den Befehl vorlege, der ihn zu seinem Vorgehen berechtige. Er hatte einige von seiner Hand geschriebene Aufrufe an die Soldaten und an das Volk zur Hand und las ihnen daraus vor. Noch wankten sie nicht, und er konnte ein leichtes Geschütz herbeischaffen lassen, mit dem er die Sonderwache und das von ihr geschützte Gefängnißthor bedrohte. Zugleich verhandelte er mit der Sonderwache, und diese, der Uebermacht weichend, kündigte ihm an, daß sie ihren Widerstand aufgebe. Die ihr vorgesetzten, seit zwei Jahren mit der Bewachung Iwans betrauten Offiziere, ein Kapitän Wlaßjew und ein Lieutenant Tschekin, [208] hatten den Befehl, den Gefangenen, falls seine Befreiung mit Uebermacht versucht würde, eher zu töten als auszuliefern. Schon wiederholt hatten sie sich über die Mühen und Beschwerden, die der Dienst bei dem Gefangenen ihnen auferlege, höheren Ortes beklagt, und sie ergriffen wohl nicht ungern die Gelegenheit, sich ihrer Pflichten zu entledigen. – Als Mirowitsch in Iwans Zelle trat, lag der zum Unglück geborene Fürst, von Degenstichen durchbohrt und in seinem Blute schwimmend, tot auf dem Boden; die beiden Offiziere, die ihn getötet hatten, standen theilnahmlos hinter der Leiche. „Ihr Gewissenlosen, warum habt Ihr das Blut dieses unschuldigen Menschen vergossen?“ rief Mirowitsch. Jene antworteten: „Was das für ein Mensch ist, wissen wir nicht; wir wissen nur, daß er ein Arrestant ist; was wir gethan haben, war unsere Pflicht.“
Mirowitsch ließ die Leiche vor die Hauptwache tragen und ihr dort militärische Ehren erweisen. Dann erklärte er den Soldaten, er werde, da nun ihr Unternehmen mißglückt sei, alle schlimmen Folgen allein auf sich nehmen. Darauf kündigten ihm nach dem Vorgaug eines Korporals die Soldaten den Gehorsam, nahmen ihm den Degen ab und verhafteten ihn; einige befreiten den Festungskommandanten, und dieser ließ den Aufrührer gefangen setzen. Als der inzwischen von den Vorfällen benachrichtigte Kommandeur des Regiments, welchem Mirowitsch angehörte, und die durch die gewechselten Schüsse alarmierte Regimentswache in der Festung erschienen, um die Ordnung wiederherzustellen, war ihr Eingreifen schon unnöthig geworden.
Kaiser Iwans in Lumpen gehüllter Leichnam, über den man einen Mantel geworfen hatte, lag während des 18. Juli und noch am Morgen des folgenden Tages auf zwei Brettern neben der Hauptwache; dann ordnete der Graf Panin in Vertretung Katharinas an, ihn in der nächsten Nacht im Bereiche der Festung still zu beerdigen.
Der Lieutenant Mirowitsch wurde nach einem längeren Untersuchungsverfahren zum Tode verurtheilt und enthauptet. Die von ihm verleiteten Soldaten kamen wenigstens mit dem Leben davon. Da das Unternehmen, Iwan zu befreien und auf den Thron zu erheben, damals wenig Aussicht auf Erfolg bot, die Tötung Iwans aber, welche die Kaiserin von einem Prätendenten befreite, die fast nothwendige Folge jedes ernsten Befreiungsversuches sein mußte, so ist vermuthet worden, daß Katharina oder deren Günstlinge den Lieutenant Mirowitsch zu seiner That heimlich angestiftet hätten, unter der Zusicherung, daß man ihn noch auf dem Schafott begnadigen und später reich belohnen würde. Aber die neuesten Forschungen über diese Frage, welche von so hervorragenden Kennern der russischen Geschichte wie Brückner und Bilbassow angestellt worden sind, haben keinen Anhalt für diese Vermuthung ergeben. Wollte Katharina den natürlichen Tod des Gefangenen nicht abwarten, so hätte sie wahrscheinlich die Mittel gefunden, ihn in aller Stille zu beseitigen und so das große Aergerniß zu vermeiden, welches durch dieses Ende Iwans und die begleitenden Umstände jetzt thatsächlich hervorgerufen wurde.
Der Vater Iwans, der Herzog Anton Ulrich von Braunschweig, lebte inzwischen mit den vier Kindern, die ihn umgaben, sein einförmiges Gefängnißleben in Cholmogory weiter. Die Kaiserin Katharina ließ nach ihrer Thronbesteigung ihm allein, da er als nur angeheiratheter Verwandter der Zarenfamilie ihrer Krone am wenigsten gefährlich war, die Erlaubniß zur Reise in seine Heimath anbieten. Hochherzig lehnte er es ab, ohne seine Kinder die Freiheit wiederzuerlangen. Während seiner letzten Lebensjahre erblindet, starb er im Jahre 1774 und wurde in Cholmogory begraben.
Vom Jahre 1780 liegen aus der Feder eines von der Kaiserin nach Cholmogory gesandten Beamten Berichte vor, welche von den überlebenden Kindern Anton Ulrichs Kunde geben. Die älteste Prinzessin, Katharina, nun fast 39 Jahr alt, war taub und stotterte; sie zeigte sich ängstlich und verlegen, doch keineswegs verbittert. Die jüngere Schwester, Elisabeth, war kränklich; an Verstand überragte sie ihre Geschwister, und diese ordneten sich ihr willig unter. Die Prinzen Peter und Alexei schienen in ihrer leiblichen und seelischen Entwicklung hinter den Prinzessinen zurückgeblieben; Peter war stark verwachsen.
Untereinander lebten die Geschwister in bestem Einvernehmen. Rührend klingt die Bitte, welche die Prinzessin Elisabeth in ihrem und ihrer Geschwister Namen an den Abgesandten der Kaiserin richtete: früher hätten sie gehofft, einmal frei zu werden und sich weltliche Bildung anzueignen, jetzt aber wünschten sie nur noch, da zu bleiben, wo sie seien, denn sie hätten nicht gelernt, mit Menschen zu verkehren, und es noch zu lernen, sei es zu spät. Man möge ihnen erlauben, die Umzäunung ihres Gefängnisses zuweilen verlassen zu dürfen, denn wie sie gehört hätten, gebe es draußen andere Blumen als in ihrem Garten. Auch möchten sie die Frauen der wachthabenden Offiziere besuchen dürfen.
Die Kaiserin Katharina ließ durch den erwähnten Beamten die Freilassung der Gefangenen vorbereiten. Sie fühlte sich jetzt durch ihre Erfolge in der inneren und äußeren Politik so sicher auf dem Throne, daß sie nicht länger die Besorgniß hegte, durch die Familie Braunschweig, deren am meisten zu fürchtendes Mitglied seit 16 Jahren tot war, verdrängt zu werden. In Verhandlungen mit der Tante der Prinzen und Prinzessinnen, der Königinmutter Juliane Maria von Dänemark, war inzwischen festgesetzt worden, daß deren Sohn, der König Christian VII., die Braunschweiger gegen ein von Katharina zu bezahlendes Jahrgeld in sein Land aufnehme und unterhalte; eine gewisse Ueberwachung, die jedoch nicht zu streng zu handhaben wäre, sollte auch in Dänemark noch stattfinden. Die Fregatte „Polarstern“ wurde im Hafen der an der Mündung der Dwina gelegenen Festung Nowodwinskaja zur Ueberfahrt hergerichtet; von den für diesen Zweck überwiesenen 200000 Rubeln wurde die Hälfte sofort für Kleidungsstücke, Wäsche und Mundvorrath für die Prinzen und Prinzessinnen ausgegeben. Die Hofkanzlei sandte für sie aus Petersburg kostbares Pelzwerk und Schmucksachen. Noch im Jahre 1780 ging die Fregatte unter Segel. In Bergen fand die Uebergabe der Reisenden an die dänischen Beamten statt, und im Oktober 1780 kamen sie in Horsens in Jütland an, wo sie fortan wohnten. Sie sprachen nur russisch und lernten keine andere Sprache mehr. Eingeschlossen wurden sie in den beiden Häusern, die man für sie angekauft hatte, nicht, doch bildeten dänische Offiziere und Beamte ihre Hausgenossenschaft. Die Prinzessin Elisabeth, die schwindsüchtig war, starb im Jahre 1782 im Alter von 39 Jahren. Prinz Alexei folgte ihr, 41 Jahr alt, im Jahre 1787, und elf Jahre später starb Prinz Peter, 53 Jahr alt. Völlig vereinsamt lebte die Prinzessin Katharina, die ein Alter von fast 66 Jahren erreichte, bis zum Jahre 1807. Ueber die Rohheit und Habsucht ihrer dänischen Umgebung hatte sie soviel zu klagen, daß sie sich zuweilen nach Cholmogory zurücksehnte. Ihr liebstes Besitzthum war ein Rubel mit dem Bildniß Kaiser Iwans. In der lutherischen Kirche zu Horsens bezeichnet eine lateinische Inschrift die Grabstätte der vier unglücklichen Geschwister.
Nicht lügen!
„Ja, es ist so eine eigene Sache mit der geselligen Lüge,“ sagte die Geheimräthin Zellner, um deren Theetisch sich heute, wie jeden Donnerstag, derselbe kleine Freundeskreis versammelt hatte. „Ich für meine Person behaupte, man kann ganz gut durchs Leben kommen, ohne sich ihrem Scepter zu unterwerfen – ich habe ihr den entschiedensten Krieg erklärt! Ich lüge nie!“
Doktor Naumann, welcher der frenndlichen Wirthin gegenübersaß, kniff das eine Auge zu. „Hand aufs Herz, Frau Geheimräthin!“ sagte er gut gelaunt, „haben Sie noch nie einen zum mindesten gleichgültigen, wo nicht gar unwillkommenen Besuch mit den Worten empfangen: ‚Ich freue mich sehr‘ – noch nie einem Langweiligen, der sich endlich erhob, gefragt: ‚Ach, Sie wollen schon aufbrechen?‘“
Die Geheimräthin schien eben eine Masche an ihrem Strickzeug verloren zu haben, sie sah wenigstens so unverwandt und ernsthaft darauf nieder, als habe sie für nichts anderes Auge und Ohr.
„Und sollten Sie nie,“ fuhr der erbarmungslose Doktor fort, „wenn Sie ein entsetzliches ‚Thee- und Abendbrot‘-Fest mit [209] Heldenmuth und mühsam unterdrücktem Gähnen bis zum letzten Tropfen ausgekostet hatten, der Wirthin für den ‚hübschen‘, in schweren Fällen für den ‚genußreichen‘ Abend gedankt haben?“
Die Hausfrau hatte sich inzwischen gefaßt.
„Ja das sind Ausnahmen,“ fagte sie würdig, „diese hergebrachten Formeln der Gesellschaft nimmt jeder auf ihren Marktwerth an – das sind keine Lügen!“
„Und man könnte auch schlechterdings nicht ohne sie fertig werden,“ bemerkte Fräulein Schulz. „Denken Sie sich einmal den Zustand, der unfehlbar daraus hervorginge, wenn jedem unerwünschten Besuch entgegengerufen würde: ‚Ach, wie fatal, daß Sie schon wieder zu mir kommen!‘ Auch kann man sich doch unmöglich an Rehbraten und Eis bei einem lieben Nächsten satt essen und ihm dann mit einem Händedruck sagen: ‚Hören Sie ’mal, so habe ich mich aber seit Jahren nicht gelangweilt!‘“
„Das beste Mittel gegen die gesellige Lüge habe ich erlebt,“ sagte die Professorin Schwartz, eine noch immer auffallend hübsche muntere Frau. „Ich bin einmal so gründlich damit hereingefallen, daß ich hinterher ganze acht Tage den Besuchern nur dann den Bescheid vor die Thür schickte: ‚Es wird der gnädigen Frau sehr leid thun – sie ist ausgegangen‘, wenn es sich unbedingt nicht anders machen ließ.“
„Das scheint ja allerdings eine moralische Radikalkur gewesen zu sein,“ meinte der Doktor. „Wollen Sie nicht zu Nutz und Frommen der lügenden Menschheit dieses Erlebniß veröffentlichen, gewissermaßen als Warnungstafel auf dem dünnen Eise der gesellschaftlichen Ehrlichkeit?“
„Warum nicht?“ sagte die Professorin. „Ich will sogar annehmen, daß alle mir nachher gespendeten Beifallsbezeigungen: ‚Wie nett!‘, ‚Wie interessant!‘ und so weiter, ganz aufrichtig gemeint sind – nur um des moralischen Eindrucks meiner Geschichte sicher zu sein. Also:
Wir waren etwa ein halbes Jahr verheirathet, mein Mann hatte den Ruf als außerordentlicher Professor nach B .... angenommen und arbeitete mit unausgesetztem Eifer an einem größeren wissenschaftlichen Werk, das ihm, wie wir wünschten und hofften, den ‚Ordentlichen‘ einbringen sollte. Das nahm ihn ganz in Anspruch. Ich war auf dem Land aufgewachsen, hatte von dem, was man ‚Plaisir‘ nennst, nie viel kennengelernt und fand es ganz selbstverständlich, daß auch in der Stadt mein Leben still und abwechslungslos weiter verlief. Auch war ich, wie gesagt, jung verheirathet – Wirthschaften und Haushalten hatte noch ganz den Reiz der Neuheit, nebenbei kam mir wohl so ein bißchen der Stolz auf meinen gelehrten Gatten zu Hilfe, dem bei seiner Arbeit für Eitelkeit und Tand keine Gedanken übrig blieben.
Kurz, ich hätte fast vergessen, daß ich neunzehn Jahre alt war. Wenn es mir noch in den Füßen unruhig wurde bei einem hübschen Walzer oder flotten Galopp, den die nahe Wachtparade aufspielte, so hielt ich das für einen letzten Rest von Jugendleichtsinn, den ich, meiner Stellung als Professorenfrau gemäß, nicht schnell genug loswerden könne.
In dieser löblichen und vortrefflichen Verfassung war uns das erste Jahr unserer Ehe hingegangen, und es wäre auch wohl weiter so geblieben, wenn nicht durch einen äußeren Umschwung in unserem Leben sich auch eine Veränderung in mir vollzogen hätte.
Ein Bruder meines Gatten, auch seit kurzem verheirathet, ebenso lebenslustig und weltgewandt wie mein guter Mann ernst, zerstreut und zurückgezogen, wurde als Assessor an die Regierung nach B .... versetzt, und wie sich das von selbst versteht, entwickelte sich bald der lebhafteste und angenehmste Verkehr zwischen beiden Häusern. Meine Schwägerin Anna, eine bildhübsche elegante Offizierstochter von sehr lustigem Temperament, hatte die Verhältnisse bei uns bald überschaut. Sie nöthigte mir in den ersten acht Tagen unseres verwandtschaftlichen Zusammenlebens eine Ponyfrisur auf und einen anderen Hut – freilich, ohne daß es mein guter Mann auch nur sah und merkte, was mich recht verdroß – und versicherte uns beiden bei jeder Gelegenheit, es sei ein Jammer und ein Skandal, daß wir uns hinter Folianten und Tabaksqualm verschanzten, daß ich wie eine Nonne leben müßte – mit neunzehn Jahren wolle man Menschen sehen und sich auch sehen lassen.
Mein Mann wies aber jedes Ansinnen, sich in die Geselligkeit zu stürzen, erst scherzend, dann so ernsthaft zurück, daß ich [210] besorgt wurde und meiner Schwägerin ein Zeichen gab, sie möge die Sache auf sich beruhen lassen. „Es geht ja auch so,“ fügte ich mit einem leisen Seufzer hinzu.
Der Zündstoff mußte wohl aber in meiner Seele gewesen sein, das erste Fünkchen war hineingefallen, und wenn die Flamme der Rebellion auch noch nicht offen aufschlug, so glimmte sie doch schon.
Eines Morgens – es war ein abscheulich schmutziger Tag, Ende November – war ich früh auf dem Markte gewesen und hatte allerlei besorgt. Wie man das für den Markt und schlechtes Wetter zu thun pflegt, hatte ich meine ältesten Sachen angezogen, trug große Gummistiefel, gefütterte Wollhandschuhe und einen Wintermantel, den ich schon zur Konfirmation bekommen hatte und aus dem ich mittlerweile arg herausgewachsen war.
An einer Straßenecke begegnete ich meiner Schwägerin, die, den Diener mit mehreren Paketen hinter sich, auch Einkäufe gemacht zu haben schien. Sie kam eilig auf mich zu.
„Lisa – thu’ mir einen Gefallen, gehe mit mir in den Blumenladen! Eben ist die Einladung vom Oberpräsidenten zu seinem großen Balle gekommen – ich habe noch eine Bestellung zu machen, und Du doch jedenfalls auch? Ihr habt doch die Einladung gleichzeitig mit uns erhalten?“
Ich zuckte die Achseln. „Wir?“ sagte ich etwas bitter, „was denkst Du, Alma? Robert will ja diesen Winter gar keine Besuche machen – kaum bei den Kollegen – er sitzt bis über beide Ohren in seiner Arbeit über das Pfandrecht.“
„Was, Pfandrecht?“ rief meine Schwägerin empört, „da laß Du ihn Pfandrecht treiben und treibe Du Hausrecht! Du wirst es erleben – nimm’s nicht übel, Lisa! – daß Du Dir an Deinem Manne einen Egoisten erziehst, der bei der nächsten Ausstellung für dergleichen den ersten Preis bekommt. Dann hast Du auch ’was Rechtes!“
Ich wurde nachdenklich – es war etwas daran!
„Willst Du mir etwa einreden, daß Du nicht gern hingingest?“ fuhr Anna ärgerlich fort, „dann sag’s – und ich gebe Dich auf!“
„Nein!“ sagte ich ehrlich, „sehr gern thäte ich’s – schrecklich gern. Aber ich kann es doch nicht erzwingen! Wie soll ich Robert zu einer Staatsvisite beim Oberpräsidenten bewegen – Du kennst ihn nicht, Anna!“
Meine Schwägerin sah einen Augenblick überlegend vor sich nieder, dann hob sie den Kopf. „Lisa, hast Du Muth?“ frug sie.
Ich zögerte. „Gewiß weiß ich’s nicht,“ sagte ich.
„Nun, ich habe ihn – schlimmstenfalls für uns beide,“ rief sie entschlossen, „ich habe mir etwas ausgedacht, und Du wirst es thun! Hast Du Visitenkarten bei Dir?“
Ich zog ein Täschchen heraus. „Jawohl,“ sagte ich verwundert, „von mir und von Robert.“
„Vorzüglich,“ erwiderte meine Schwägerin befriedigt und winkte einer langsam daherfahrenden Droschke. „Jetzt vorwärts mit frischem Muth!“
Und ehe ich wußte, wie mir geschah, saßen wir beide im Wagen, der Diener auf dem Bocke. „Zum Oberpräsidenten!“ rief Anna, und da fuhren wir hin.
„Aber Anna, aber Anna!“ rief ich. „So höre doch! Was willst Du denn machen? Ich kann doch in diesem Aufzug nicht zu Oberpräsidents gehen, und noch dazu ohne Robert!“
„Sollst Du auch gar nicht!“ erwiderte meine Schwägerin mit großer Ruhe. „Wir halten – schicken Deine und Deines Mannes Karten hinauf – die Oberpräsidentin nimmt keine Visiten an, und heute in acht Tagen tanzen wir beide in blaßrosa Seide und Heckenrosen bei Excellenzens um die Wette und Robert schreibt ’mal drei Seiten Pfandrecht weniger, das wird ihm sehr gesund sein – und die Nachwelt wird’s auch überstehen, wie ich sie kenne.“
Ich war so verblüfft über diesen kecken Gedanken und seine noch keckere Ausführung, daß ich nur schweigend dasaß und die Hände rang, nicht zum Vortheil meiner Handschuhe, deren einer diese Behandlung sehr übel nahm und platzte, was mich nicht eleganter erscheinen ließ. Jeder Einwand, den ich hätte machen können – vielleicht machen sollen – verstummte vor der Gewalt der Thatsachen, denn die Droschke hielt vor dem palastartigen Hause, in das der neuernannte Oberpräsident eben eingezogen war und in dem er sich mit jenem großartigen Fest einführen wollte.
Der Diener nahm die Karten in Empfang, gebührendermaßen ohne eine Miene darüber zu verziehen, daß der von ihm anzumeldende Herr Professor gar nicht im Wagen saß, und verschwand im Hausflur. Meine Schwägerin fiel mir jubelnd um den Hals. „Famos!“ rief sie und lachte ausgelassen, „Robert macht eben ahnungslos seinen Knix vor Excellenz, und wir überfallen ihn mit der vollendeten Thatsache und der Schneiderrechnung.“
Ich war nun, wo es sich nicht mehr ändern ließ, auch ganz lustig geworden. Der Diener kam zurück, und wir wollten dem Kutscher schon das Zeichen zum Weiterfahren geben, als Johann, den Hut in der Hand, näher trat und den Schlag öffnete.
„Excellenz lassen bitten!“ sagte er mit feierlichem Ernste.
Anna und ich starrten uns einen Augenblick sprachlos vor Entsetzen an – ich faßte krampfhaft ihre Hand. „Anna!“ flüsterte ich erbleichend. Meine Schwägerin warf hilfesuchende Blicke um sich her, ihr war augenscheinlich auch nicht wohl zu Muth.
„Gieb mir wenigstens Deine Handschuhe!“ rief ich in Todesangst und riß meine geplatzten Markthandschuhe von den Händen.
Der Diener stand währenddessen immer noch unbeweglich wie ein ausgestopfter Diplomat am Wagenschlag und wartete der Dinge, die da kommen sollten.
Plötzlich schien Anna zu einem Entschluß zu gelangen. „Gehen Sie sofort noch einmal hinauf,“ befahl sie mit großer Würde, „und sagen Sie, die Herrschaften ließen tausendmal um Entschuldigung bitten – die Frau Professor hätte einen plötzlichen Ohnmachtsanfall und wäre augenblicklich außer stande, den Wagen zu verlassen.“ Der Diener, über dessen tadellose Maske nun doch ein leises Grinsen flog, verbeugte sich und verschwand zum zweiten Male im Hausflur. In derselben Sekunde rief Anna dem Kutscher hinauf: „Zufahren!“
Der unselige Mann hatte aber irgend eine Unordnung am Zaumzeug seines Gaules bemerkt, und mit einem lakonischen „Gleich!“ kroch er vom Bocke herunter und schnallte mit entsetzlicher Ruhe und Gewissenhaftigkeit an dem Pferde herum.
Wir saßen, vor Ungeduld und Angst zitternd, dabei – zu Fuß wegzugehen, war ja ausgeschlossen. Jetzt – jetzt war er fertig und machte Miene, wieder auf seinen Bock zu klettern.
Da – o Entsetzen! – öffnet sich die Hausthür und, einen großen Pelzmantel übergeworfen, erscheint, von unserem Diener begleitet, eine kleine, sehr gutmüthig aussehende Dame und kommt eilenden Schrittes auf unsere Droschke zu – Ihre Excellenz in eigenster theilnehmender Person!
Anna, die mit Blitzesschnelle die Lage erfaßte und beherrschte, flüsterte mir nur zu: „Ich bin Du und Du bist meine Kammerjungfer!“ und sank, das Tuch vor den Augen, in die Wagenecke, während ich, im Hinblick auf meinen uneleganten Anzug beglückt, daß mir eine so untergeordnete Rolle zufiel, mich mit einem imaginären Riechfläschchen um sie bemühte.
Die freundliche Excellenz, der schon der Ruf großer Gutmüthigkeit und Neugier vorangegangen war, hatte inzwischen unserem Diener gewinkt, der sich, wie ich zu meinem größten Unwillen sah, hinter ihr her vor Lachen ganz respektwidrig krümmte. Die Excellenz nöthigte meine Schwägerin, die sie für mich hielt, in freundlichster Weise, auszusteigen.
„Nein, meine liebe Frau Professor,“ sagte sie mit wirklich gewinnender Herzensgüte, die wir in jeder andern Lage gewiß unendlich mehr geschätzt hätten, „ich lasse Sie in dem Zustand unter keiner Bedingung fahren – Sie kommen einen Augenblick zu mir herauf und erholen sich – wo ist denn Ihr Herr Gemahl?“
Mir zitterten die Knie – es wurde immer hübscher!
„Mein Mann holt mir die Tropfen, die ich bei solchen Anfällen nehme, aus der Apotheke,“ hauchte Anna mit erlöschender Stimme, „meine Jungfer ist deshalb bei mir geblieben.“
„Nun, dann muß er ja bald zurück sein,“ sagte die Oberpräsidentin, „die Jungfer“ das nahm die würdige Dame zu meiner stillen Entrüstung sofort für bare Münze – „bleibt im Wagen und benachrichtigt den Herrn Gemahl – nein, keine Umstände, meine liebe Frau Professor, ich gebe Ihnen ein Glas Wein – ich lasse Sie nicht fort!“
Und alles Komplimentieren und Protestieren half nichts – Anna mußte aus dem Wagen und wankte, in tödlichster Verlegenheit und völligem Wohlbefinden, auf die Arme des grinsenden Dieners und der guten Exeellenz gestützt, die Treppe hinauf. Zum Glück sah sie nicht mehr zurück – denn ich hätte, trotz aller Noth, lachen müssen, und wenn Todesstrafe darauf gestanden hätte.
Aber als der seltsame Zug im Hause verschwunden war, fiel mir meine Lage schwer aufs Herz. Ich wartete auf den „Herrn [211] Gemahl“, und wenn der nicht auf spiritistischem Wege herbeigezaubert wurde, so lag kein ersichtlicher Grund vor, warum ich nicht heute übers Jahr auch noch hier in der Droschke sitzen sollte, falls Pferd und Kutscher die Sache nicht inzwischen satt bekamen.
Also thun mußte ich etwas, das war klar. Und die zwingende Nothwendigkeit war in diesem Falle die Mutter des Gedankens – der Gemahl mußte zur Stelle!
Ich rief dem Kutscher unsere Straße und Hausnummer zu, flehte ihn unter Zusicherung eines fürstlichen Trinkgeldes an, zu jagen, was sein Pferd vermochte – und fort ging es zum zweiten Mal an diesem denkwürdigen Tage.
Wie ich zu Hause die Treppe hinauf und in unsere Wohnung gekommen bin, das weiß ich heute noch nicht. Ich riß an der Klingel, daß es durchs ganze Haus gellte, stürzte in den Flur, in die Studierstube, die sonst um diese Zeit wie Blaubarts Kammer gemieden werden mußte, ließ die Thür des Heiligthums gegen jede Hausordnung weit offen stehen und rief: „Robert – Deinen Frack, Deinen Cylinderhut, Deine Handschuhe – rasch, es handelt sich um unsere ganze Existenz!“ Robert starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Er war, aus der friedlichen Luft seines Pfandrechts in den Wirbelsturm der Ereignisse gerissen, zum Glück so betäubt, daß er sich von mir wie eine Puppe in den Frack stopfen ließ. Er versicherte mir nachher, er habe das Gefühl gehabt, als wäre ein Cyklon über ihn gekommen, der ihn gepackt und geschüttelt hätte – aber da ich ihn gar nicht zu Worte kommen ließ, sondern nur immer rief: „Rasch, rasch!“ so folgte er mir stumm wie ein Lamm zur Schlachtbank – allerdings wie ein Lamm mit Cylinderhut und hellen Handschuhen.
An der Thür angelangt, schlug ich mich vor die Stirn. „Die Tropfen!“ rief ich, flog noch einmal nach meines Mannes Schreibtisch, ergriff das erste beste Fläschchen – ein Verbrechen, dessen ich mich unter normalen Verhältnissen nie schuldig gemacht hätte, und sauste meinem Gatten nach, der auf der Treppe stehen geblieben war und mich hilflos ansah.
„Lisa, wenn ich mir eine bescheidene Frage erlauben darf – wo soll ich denn hin?“
„In die Droschke!“ erwiderte ich mit dem letzten Rest meines Athems – und erst als wir schon ein paar Straßen weit gejagt waren, kam ich soweit zu mir, daß ich ihm in kurzen fliegenden Worten die Sache schildern und ihm klar machen konnte, daß er nolens volens zehn Minuten lang Annas besorgter Gatte sein und sie in einem nervösen Anfall beklagen und stützen müsse.
Robert war viel zu verblüfft und verwirrt, um mir wegen unseres tollen Streiches Vorwürfe zu machen – er that überhaupt während der ganzen Fahrt den Mund nur dreimal auf, und auch das nur, um kopfschüttelnd vor sich hinzusagen: „Merkwürdig!“, was mir in diesem Falle nur erwünscht sein konnte.
Ohne uns anzusehen, erstiegen wir die oberpräsidentliche Treppe; auf jeder dritten Stufe wiederholte ich meinem zerstreuten Gatten: „Ich bin die Kammerjungfer Deiner Frau!“ was er mit freundlichem „So?“ aufnahm. Ob er die nöthigen Konsequenzen daraus ziehen werde, mußte ich abwarten. Plötzlich fiel mir etwas ein. Ich blieb stehen.
„Robert!“ stieß ich ängstlich hervor, „ist rothe Tinte Gist?“
Robert sah mich mißtrauisch an – der Gedanke, ob es wohl bei mir ganz richtig im Oberstübchen wäre, der ihm, wie er später gestand, an diesem Morgen schon ein paarmal gekommen war, schien bei dieser Frage noch an Greifbarkeit zu gewinnen.
„Nein!“ sagte er sanft, „hast Du vielleicht solche getrunken?“
Ich schüttelte den Kopf und strebte vorwärts – das Fläschchen, welches ich in aller Eile mitgenommen hatte, enthielt die obenerwähnte Flüssigkeit und diese mußte nervenberuhigende Tropfen vorstellen.
Als wir in die Salons Ihrer Excellenz eingeführt wurden, ich als Kammerjungfer bescheiden hinter meinem Brotherrn eintretend, lag die arme Anna immer noch schmachtend in der Sofaecke. Um sie herum wie ein Stillleben waren Riechfläschchen, ein Glas Kapwein, ein Fächer und eine Schachtel Brausepulver gruppiert – die Excellenz stand tröstend daneben.
Bei unserem Eintreten flog ein mit aller Anstrengung nicht zu unterdrückender Heiterkeitsausdruck über das Gesicht der Leidenden, der mit gutem Willen für eine krampfhafte Zuckung gehalten werden konnte. „Nun, mein lieber Herr Professor,“ rief uns die Excellenz entgegen, wieder ganz Herablassung und Güte. „Da kommen Sie ja mit Ihren langersehnten Tropfen!“
Robert warf einen wilden Blick um sich. „Tropfen?“ wiederholte er tonlos. „Hier, Herr Profeffor!“ fiel ich räsch ein. „Ich habe das Fläschchen!“
Die Excellenz, einen silbernen wappengeschmückten Theelöffel in der Hand, schien entschlossen, das Samariterwerk zu vollenden, und nach dem Grundsatz „Viel hilft viel!“ goß sie eine recht kräftige Portion ein, die sie Anna mit einem herzlichen „So – das wird gut thun!“ eben an den Mund bringen wollte. Aber diese wehrte schwach mit der Hand ab. „Nur zehn Tropfen!“ flüsterte sie. Ich übernahm denn nun mit einem verbindlichen „Excellenz gestatten!“ das Eintropfen, damit die würdige Dame nicht die Aufschrift „Rothe Tinte“ entdecken sollte, die ihr auf den ersten Blick zum Glück entgangen war.
Diese zehn Tropfen, die ich barmherzig und knapp bemaß, mußten nun freilich geschluckt werden. Sie thaten eine förmlich zauberhaft schnelle Wirkung, denn Anna stand rasch auf den Füßen, dankte tausendmal und ließ sich von Excellenz versichern, wie sehr diese sich freuen würde, die Patientin frisch und hergestellt auf ihrem Feste zu begrüßen. „Denn wir dürfen doch hoffen, Sie hier zu sehen?“ fügte sie hinzu, sich an Robert wendend, der mir einen Dolchblick zuwarf und ein unverständliches Gemurmel hören ließ. Er hat mir später gesagt, es hätte „Den Teufel auch!“ geheißen, aber es wurde der größeren Wahrscheinlichkeit halber für „Mit tausend Freuden!“ aufgenommeu. Unter dem Schnellfeuer immer erneuter Danksagungen und Höflichkeitsbezeigungen traten wir dann den Rückweg an, und als wir glücklich wieder in unserer Droschke saßen, die entschieden das beste Geschäft bei diesem Abenteuer machte, da begannen Anna und ich zu lachen wie nie vorher und nie nachher – so unaufhaltsam, wie man eben nur lacht, wenn auch ein gut Theil Nervosität dabei ist – und das war es hier.
Mein armer Mann saß indessen in seinem Fracke und Cylinder auf dem Rücksitz und sah immer abwechselnd Frau und Schwägerin an – ich glaube, er hätte jetzt gern etwas gepredigt, aber wir ließen ihn nicht zu Worte und uns nicht zu Athem kommen. Wenn eine von uns beiden sich eben die letzten Lachthränen getrocknet hatte, dann brauchte die andere sie nur anzusehen oder zu sagen: „Die Tropfen!“ und es ging wieder los. Der Droschkenkutscher, der sich ohnehin schon gewundert haben mochte, was es eigentlich mit uns für eine Bewandtniß habe, sah sich alle Augenblicke vom Bocke herunter mit einem ganz vergnügten Gesicht nach uns um – solche Passagiere hatte er gewiß nicht oft zu fahren.
„Und jetzt zu uns!“ rief Anna endlich, „Ihr eßt heute bei uns – den Tag wollen wir erstens nicht so nüchtern beschließen und dann habe ich auch zu große Angst für Dich, Lisa – Dein Blaubart verschlingt Dich ja mit Haut und Haar, wenn Du jetzt mit ihm allein bleibst!“
Wir lachten von neuem. Mein Mann, der noch schwach das Wort „Pfandrecht“ hören ließ, wurde überstimmt; in der fröhlichsten Laune fuhren wir zu den Geschwistern.
Mein Schwager, der ganz so fidel war wie seine Frau, holte Champagner herauf, um Roberts Staatsvisite wider Willen zu „begießen“, wie er sagte, und Robert selbst wurde ganz aufgeräumt und gab Generalpardon, da ich meine oder besser Annas Greuelthat schon mit einer genügenden Angstportion hätte abbüßen müssen.
Dieses Mittagessen hätte ja nun unsere Lügengeschichte schließen können und sollen – aber so leicht kamen wir nicht weg. Als wir einigermaßen zur Ruhe gekommen waren und die Sache beim Kaffee durchsprachen, sagte mein Schwager Rudolf, der rauchend im Schaukelstuhl lag, plötzlich ganz ernsthaft: „Ja, Kinder, wie denkt Ihr Euch aber nun den weiteren Verlauf der Sache?“
„Wie meinst Du das?“ fragte Robert, und wir Damen horchten auf – die Frage kam uns überraschend.
„Das meine ich so!“ erwiderte Rudolf und richtete sich etwas aus seiner bequemen Stellung auf, „daß ich den ganzen Witz sehr harmlos und lustig finde und daß er famos hätte sein können, wenn er eben die Güte gehabt hätte, programmmäßig zu verlaufen –“
„Aber?“ fiel seine Frau athemlos ein.
„Aber – da er das nicht gethan, da vielmehr der Zufall sich wieder einmal als ein ganz heimtückischer Gesell gezeigt hat, so bleibt meines Erachtens gar nichts übrig, als daß wir alle, wie wir hier sitzen, unter irgend einem möglichst einleuchtenden Vorwand auf den Ball verzichten. Denn sonst könnte die Geschichte [212] noch ein ganz thörichtes Nachspiel haben, an dem mir für meine Person gar nichts gelegen ist.“
„Ich verstehe Dich nicht,“ rief Anna ungeduldig, „bringe doch Thatsachen – sonst schweige!“
„Schön,“ sagte Rudolf. „Also – Thatsachen! Excellenzens machen umgehend, wie sich das bei Excellenzen von selbst versteht, ihren Gegenbesuch, wobei sie etwas geschickter verfahren als Ihr, tags darauf kommt die Einladung für Professors – bis dahin alles ganz hübsch. Nun aber weiter!“
„Schnell, schnell!“ rief ich, vor Ungeduld vergehend.
„Kommt alles!“ fuhr Rudolf unerschüttert fort. „Wir gehen also auf den Ball –“
„Sehr richtig!“ bekräftigte Anna.
„Kommen herein – Excellenz, ganz in taubengraue Seide und Huld gekleidet, tritt uns entgegen. Wir lächeln und neigen uns – sie, mit dem anerzogenen Gedächtniß hochgestellter Persönlichkeiten für Gesichter, sieht die heute morgen noch ohnmächtige Professorin strahlend und blühend mit einem Assessor anturnen – sieht bald darauf den Professor mit seiner Kammerjungfer am Arme in den Saal schweben – eine Erklärung ist unausbleiblich!“
„Nun, was schadet das!“ unterbrach ihn seine Frau, aber schon etwas weniger sicher. „Die Excellenz scheint eine so gutmüthige Frau zu sein, daß sie unfehlbar, wenn es zur Erklärung kommt, die Sache sehr lustig finden wird.“
„Ich bedaure, Deine Ansicht ausnahmsweise nicht theilen zu können,“ sagte Rudolf. „Erstens wollen Leute, die in der Stellung des Oberpräsidenten fünfhundert Menschen zu begrüßen haben, nicht länger als unvermeidlich mit jedem ihrer lieben Gäste sprechen. Sodann aber – Ihre Excellenz ist vielleicht ein Engel, eine Seele – was Ihr wollt, aber das steckt nicht an, und Seine Excellenz soll es nicht immer sein. Nun nehmt hinzu, daß er mein höchster Vorgesetzter ist, addiert die ganze Geschichte und zieht das Facit! Ich habe gesprochen!“ Er legte sich in seinen Schaukelstuhl zurück und rauchte weiter.
Wir beiden Missethäterinnen sahen uns wie begossen an. „Du hast nicht unrecht!“ sagte Anna dann halblaut.
„Das kommt von das!“ bemerkte Robert. „Und nun, Frauchen, komm’ nach Hause! Ich habe viel Arbeit nachzuholen, und Du bist seit zehn Uhr heute früh fort.“ Diese mit erhobener Stimme gesprochenen Worte mahnten mich an meine schmählich versäumten Pflichten – Anna und ich trennten uns sehr niedergeschlagen, und nur Robert triumphierte, daß das Sprichwort „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein!“ sich an uns und ihm so glänzend bewahrheitet hatte.
Am nächsten Tage fuhren, wie Rudolf prophezeit hatte, Herr und Frau Oberpräsibent oder besser gesagt: ihr Wagen bei uns vor, der Diener gab die Karten ab und entfloh so eilfertig, als fürchtete er, wir würden uns rächen und ihm sagen: „Professors lassen bitten!“
Abermals am nächsten Tage wurde uns, als wir beim zweiten Frühstück saßen, die Einladungskarte zum Balle überreicht, gleichzeiag aber ein Briefchen mit Wappenstempel. Ahnungsvoll öffnete ich den Umschlag, um wirklich tief beschämt zu werden – die liebenswürdige Excellenz fragte in theilnehmenden Worten nach dem Befinden der „Frau Professor“ und bat, ihr durch den Diener Nachricht über das Ergehen der Patientin zu schicken. Ich saß stumm und mit reuigem Herzklopfen da, den Brief in der Hand. Auf diese Freundlichkeit wieder mit einem Schwindel zu antworten, schien mir zu ruchlos. Ich ließ dem Boten sagen, ich würde die Antwort später schicken, und begab mich, da Robert mir auch nicht zu rathen wußte, zu Anna, um dieser die Sachlage mitzutheilen und meinen Beschluß zu fassen. Ich traf Anna samt ihrem Manne zu Hause und gab ihnen mit dem lakonischen Worte „Lest!“ die Zeilen der Oberpräsidentin. Sie durchflogen sie gleichzeitig mit fieberhafter Spannung.
„Nun,“ sagte Anna dann und ließ das Briefchen sinken, „wenn die Frau keine Flügel hat, ist es wirklich ein Versehen der Natur – die hat ihren Beruf als Engel verfehlt!“
„Ja, das sage ich auch!“ pflichtete ich aus vollem Herzen bei. „Aber was machen wir nun? Soll man als Dank noch einmal lügen? Das kann ich nicht! Wir kommen aus der Geschichte nie mehr heraus – es ist zum Verzweifeln!“
Wir sahen uns alle drei stumm und nachdenklich an, endlich brach Anna das Schweigen. „Ach was!“ rief sie entschlossen, „‚sprich in Bedrängniß nicht von Verhängniß – ein Alexander haut’s auseinander‘. Wir machen der Sache ein Ende, sonst haben wir nie Ruhe! Lisa – Du und ich fahren zum zweiten Male zur Oberpräsidentin, aber diesmal mit der ganz bestimmten Absicht, daß ‚Excellenz bitten lassen‘ – und beichten ihr de-, weh- und reumüthig unseren Pagenstreich von Anfang bis zu Ende – das ist der einzige Ausweg!“ Rudolf sah etwas besorgt aus, ihm steckte doch der „Vorgesetzte“ noch in den Gliedern.
„Nun, Rudolf,“ fragte ich zaghaft, „sollen wir?“
Da blickte er auf, sah uns beide an und lachte. „Meinetwegen,“ sagte er, „aber macht’s ganz einfach und natürlich – sie wird ja nicht so sein! Excellenzen sind auch einmal jung gewesen!“
Und so geschah es. Nachdem wir auf der Hinfahrt ungefähr in zehnfacher Steigerung die Empfindungen durchgemacht hatten, die man im Vorzimmer des Zahnarztes im Besitz eines rettungslos verlorenen Backenzahns verlebt, ging die Sache schließlich sehr gut – viel besser, als wir es verdient hatten.
Die Oberpräsidentin war zu gutherzig, um mit unserer tödlichen Verlegenheit nicht Mitleid zu haben – sie nahm uns das Bekenntniß auf halbem Wege ab. Wir plauderten schließlich eine ganze Weile mit ihr von allen Wohlthätigkeitsbestrebungen der Stadt, deren eifrige und thätige Vorsteherin sie war, und trennten uns von ihr mit dem Gefühl aufrichtiger Dankbarkeit für eine Schonung und Nachsicht, die um so hübscher war, je weniger wir sie erwarten durften.
Auf der Rückkehr rechneten wir uns freilich aus, daß jede von uns Mitglied von ungefähr sechs Vereinen geworden war, aber dieses Lehrgeld zahlten wir gern.
Moralischerweise hätten unsere Männer uns nun wirklich nicht auf den Ball gehen lassen dürfen, aber vernünftigerweise thaten sie’s, wir amüsierten uns prächtig dort und tanzten bis in die tiefe Nacht. Und als eine unserer guten Bekannten, welche das etwas bedeutungsvoll lächelnde Gesicht der Excellenz bei unserer Begrüßung bemerkt hatte, ganz ehrfurchtsvoll fragte: „Die Oberpräsidentin war ja sehr huldvoll gegen Sie!“ da erwiderte meine Schwägerin mit großer Würde: „Wir haben Beziehungen von früher her!“
„Aha!“ sagte die Dame.
Korfu.
Nach einem Besuche Athens landete ich im Monat September zum zweiten Male in Korfu, das ich auf der Hinreise nur flüchtig berührt hatte. Wie damals im Juli, so wölbte sich auch jetzt der Himmel in wolkenloser Klarheit über den weißen Häusern der Stadt, und die Sonne hatte, wie ich auf dem Wege zum Hotel – es war Mittagszeit – genügend erfuhr, noch nichts von ihrer südlichen Gluth verloren. Der Reisende, der einige Ansprüche macht, hat die Wahl zwischen zwei Gasthöfen, „St. George“ und „Bella Venezia“ (Hotel Angleterre). Sie liegen nahe beisammen in derselben Häuserflucht und genießen beide mit Recht des besten Rufs. Ich fand in der „Bella Venezia“ bei mäßigem Pensionspreis ein gutes Zimmer und vortreffliche Kost; der noch junge sehr gefällige Wirth hat eine Tochter des Reiseunternehmers Stangen zur Frau und spricht geläufig deutsch; im übrigen wird das Italienische, in der Stadt wenigstens, fast allenthalben verstanden. Es war früher weit allgemeiner im Gebrauch, aber die Kraft des griechischen Volksgeistes hat sich auch hier bewährt: die Einwohner sprechen jetzt untereinander fast ausschließlich griechisch, und ohne den starken Fremdenverkehr würde die Kenntniß der andern Sprache noch weit rascher abnehmen.
Zur Zeit meines Besuches war jedoch von Fremden wenig zu sehen; nicht selten saß ich in stiller Größe allein an der Speisetafel, denn erst gegen Ende September pflegt die Hitze sich zu mildern und die eigentliche Fremdenzeit fällt in die Wintermonate.
[213]
[214] Die Stadt Korfu hat die Gestalt eines rechtwinkligen Dreiecks. Auf der nördlichen ans Meer grenzenden Seite liegt der Hafen, seitwärts überragt von den mit dunklen Zypressen bepflanzten Wällen der „Fortezza nuova“, der „neuen Befestigung“. Auch die östliche Seite der Stadt, in welcher die beiden genannten Gasthöfe und die besuchtesten Kaffeehäuser liegen, ist dem Meere zugekehrt, aber von demselben getrennt durch einen ausgedehnten freien Platz, die „Spianata“ (Esplanade). Jenseit derselben führt eine Zugbrücke über einen schmalen Kanal zur alten Festung, der „Fortezza vecchia“, welche, auf steilem Felsen weit ins Meer hinausragend, Stadt und Umgebung beherrscht (siehe das Bild S. 201). Die dritte dem Lande zugekehrte Seite bildet die längere Grundlinie des Dreiecks. Die Vorstadt S. Rocco schließt sich unmittelbar an dieselbe an. Den Hauptzugang zur Stadt bildet von dort die „Porta Reale“, ein massiver alter Thorbau. Während wir auf der Spianata meist Erholung suchenden Spaziergängern und Kaffeehausgästen begegnen und auf der Hafenseite der Schiffsverkehr die Hauptrolle spielt, herrscht in der Umgebung der Porta Reale zu jeder Tageszeit, besonders in den Vormittagsstunden, ein buntes malerisches Treiben von Landleuten, welche in den mannigfaltigsten Trachten ihre Erzeugnisse zu Markte bringen oder Einkäufe machen und dort mit ihren Pferden und Eseln – die wenigsten kommen zu Fuße – Rast zu halten pflegen.
Der Reisende, dem nur die kurze Zeit zwischen Ankunft und Abfahrt des Schiffes zur Verfügung steht, verwendet dieselbe am besten zu einem Besuch der Fortezza vecchia, indem er vom Landungsplatze aus die Dogana (Zollstelle) durchschreitet und an der Markthalle vorüber der Nikephorosstraße folgt. Diese und die parallel laufende Nikiasstraße bilden die Hauptverkehrsadern und gewähren mit ihren Buden und Garküchen, mit der Farbenpracht der in reicher Fülle ausgestellten Früchte und mit den auf engem Raum sich drängenden Menschen und Thieren ein charakteristisches Bild südlichen Lebens. Die Nikephorosstraße mündet auf die Spianata gegenüber der Zugbrücke, welche zur Zitadelle führt.
Korfu dient seit dem Abzug der Engländer nicht mehr als Festung. Die alten Werke stehen theils verlassen, theils werden sie als Kasernen und Magazine benutzt, und man bedarf keiner besonderen Erlaubniß, um die Höhe des Forts zu besteigen. Schon auf dem Wege dorthin entschädigt manch reizender Blick für die Mühe, oben aber eröffnet sich eine herrliche Rundsicht. Vor uns liegt die Stadt Korfu; jenseit derselben umspannt die Küste in weitem Bogen eine Meeresbucht; auf ihrer linken Seite nach West und Nordwest hin sanft ansteigendes Hügelland, mit Olivenwäldern bedeckt, aus deren mattem Grün da und dort die weißen Häuser einer Ortschaft herausleuchten, im Norden als Abschluß der langgestreckte felsige Bergrücken des 914 Meter hohen Monte Salvatore oder Pantokrator. Sein östliches Ende scheint mit der nur durch einen schmalen Meeresarm von ihm getrennten albanesischen Küste zusammenzuhängen, welche von da ungefähr parallel mit der Ostküste von Korfu nach Süden verläuft und dort im blauen Duft mit dem fernsten uns sichtbaren Punkt der Insel, dem Kap Levkimo, verschwimmt. Zwischen diesem und unserem Standpunkt erhebt sich breit hingelagert der „Santi Deca“ („Hagioi Deka“ d. h. die zehn Heiligen). Sein Gipfel ist von der Stadt ungefähr drei Wegstunden entfernt und unter den zahlreichen Aussichtspunkten der Insel besonders berühmt. Eine Strecke abwärts von seinem Gipfel sehen wir ein größeres Dorf und dicht bei demselben ein stattliches, weiß schimmerndes Gebäude: Gasturi mit dem Palast der Kaiserin von Oesterreich. Am Fuße des Santi Deca liegt der ziemlich ausgedehnte, durch einen schmalen Zugang mit dem offenen Meer verbundene See Kalikiopulo, der Kriegshafen des alten Kerkyra. Von dort zieht sich ein Hügelrücken am Meere hin nach der Stadt zu; auf seinem uns zugewandten Ende fällt ein ausgedehnter bis zum Meere hinabreichender Park in die Augen, die „Villa Reale“, berühmt durch ihre schöne Lage und ihren Reichthum an südlichen Bäumen und Pflanzen der verschiedensten Art. Sie ist an bestimmten Nachmittagen dem allgemeinem Besuch geöffnet, dem Fremden jedoch jederzeit zugänglich. Eine breite schön angelegte Straße, die „Strada marina“, führt sodann dicht am Meere hin an der Vorstadt Kastrades vorbei zur Esplanade. Viel besucht ist auch das jenseitige Ende des erwähnten Hügelrückens, wo ein Rondell, „Il Canone“ genannt, einen schönen Blick auf den See Kalikiopulo, die offene See und den gegenüberliegenden Santi Deca gewährt. Eine noch schönere Aussicht genießt man auf der Höhe zwischen Canone und Villa Reale bei dem Dorfe Analipsis. Ich schwärme nicht für Fernsichten, wenn ihr Werth vorwiegend in dem mehr geographischen als malerischen Genuß besteht, eine sehr große Anzahl von Bergspitzen oder Kirchtürmen überblicken zu können, deren Form gewöhnlich von unten gesehen viel schöner zur Geltung kommt. Aber in Korfu war ich stets aufs neue überrascht und entzückt von der Pracht der Bilder, welche das Auge auf hoch und frei gelegenen Punkten vor sich sieht. Nicht wenig trägt zu ihrer künstlerischen Wirkung der Meeresgürtel bei, der in seiner wunderbaren Färbung das Land umschließt und ihm als Rahmen dient.
Das Innere der Stadt Korfu besteht aus einem Labyrinth von engen auf und ab steigenden Gäßchen und hohen, vier- bis sechsstöckigen, in ihrem Aussehen wenig voneinander verschiedenen Häusern. Auch die Nikephoros- und Nikiasstraße sind kaum so breit, daß zwei Fuhrwerke einander ausweichen können. Nur an einer Stelle erweitert sich die letztere Straße zu einem kleinen Platz, welchen die Abbildung Seite 213 darstellt. Einen Namen hat derselbe nicht, so wenig wie die Mehrzahl der Straßen, oder wenn Namen vorhanden sind, so wird kein Gebrauch davon gemacht; auch Hausnummern sind in Korfu unbekannt. Ein früherer Bürgermeister hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die unleserlich gewordenen Namen an den Straßenecken wiederherzustellen und, [215] wo solche fehlten, neue anzubringen; aber man hatte wenig Verständniß für seine Kulturbestrebungen, und ich konnte, wo überhaupt Straßenschilder sichtbar waren, höchst selten den Namen entziffern. – In holder Uebereinstimmung mit diesem patriarchalischen Zustand befindet sich das Postwesen. Es giebt in Korfu keine Briefträger. Was die Postdampfer bringen oder mitnehmen, wird nach der sehr einfach eingerichteten nicht weit vom Hafen gelegenen Posthalle gebracht, von wo die Beförderung zum Schiff besorgt wird, während es denjenigen, welche Sendungen erwarten, überlassen bleibt, dieselben dort abzuholen. Etwa zwei Stunden, nachdem das Nebelhorn eines Dampfers dessen Ankunft verkündigt hat, schicken die Behörden, Gastwirthe und größeren Geschäfte nach der Post und lassen sich bringen, was unter ihrer Adresse gekommen ist.
Wer sonst etwas erwartet, fragt gelegentlich nach. Außerdem giebt es Leute, welche ein Privatgeschäft daraus machen, die Adressaten nicht abgeholter Briefe aufzusuchen und ihnen diese gegen eine kleine Entschädigung zuzustellen. Da Korfu – seine Einwohnerzahl beträgt einschließlich der Vorstädte 25000 – die einzige größere Stadt auf der Insel ist und der geschäftliche Verkehr, welcher hauptsächlich Oel und Wein betrifft, großentheils persönlich abgemacht wird, so besteht auch wenig Bedürfniß für Postverbindungen im Innern. Nöthigenfalls weiß der Einheimische eine Gelegenheit zur Beförderung zu finden.
Betritt man die Stadt von der Landseite aus durch die Porta Reale, so hat man zur Linken das von den Juden bewohnte Viertel. Der größere Theil derselben besteht aus Handwerkern und kleineren Geschäftsleuten; von den reicheren Familien dürften nach den letzten Unruhen wenige zurückgeblieben sein. Die eigentliche Ursache der heftigen Verfolgung, welche die Juden in Korfu im Frühjahr 1891 zu erdulden hatten, ist bis heute noch nicht aufgeklärt.
Es wäre unrecht, aus jenem vereinzelten Ausbruche der Leidenschaft einen ungünstigen Schluß auf den Charakter der Bevölkerung zu ziehen. Im Gegentheil verdient für gewöhnlich das friedliche und anständige Benehmen auch der niederen Klassen gerühmt zu werden, und es herrscht hier wie im übrigen Griechenland im allgemeinen eine so große Sicherheit des Lebens und Eigenthums wie an wenigen Orten. Ich hatte die beste Gelegenheit, die Leute von ihrer guten Seite kennenzulernen, während ich die erwähnte Straßenansicht zeichnete. Außen war der Raum zu eng und der Verkehr zu lebhaft, als daß es möglich gewesen wäre, ohne allzu große Belästigung zu arbeiten. Ich setzte mich daher unter die Thür eines kleinen Tabakladens, was mir aufs bereitwilligste gestattet wurde, obgleich auch dort der Raum so beschränkt war, daß außer dem Verkäufer höchstens vier bis fünf Personen gleichzeitig Platz hatten. Meine Anwesenheit war für die ein- und ausgehenden Kunden ziemlich unbequem, aber jeder drückte sich aufs vorsichtigste an mir vorbei, und wenn draußen ein Neugieriger die Aussicht versperrte, so war mein Quartiergeber alsbald bei der Hand, ihn fortzuweisen. Bald stand ich mit dem biederen Tabakhändler und seinen nächsten Nachbarn, soweit sie das Italienische verstanden, auf freundschaftlichem Fuße; einer brachte mir seinen kunstbeflissenen Sohn und dessen Arbeiten behufs gebührender Anerkennung, welche ich ihm natürlich nicht versagte, und wenn ich irgend einen Wunsch äußerte, so war man sofort bereit ihm nachzukommen. Eigennützige Beweggründe hatten damit nichts zu thun, vielmehr fehlte mir jede Gelegenheit, mich dankbar zu erweisen.
Es war eine bunte Musterkarte der mannigfaltigsten Typen, welche dort in stetem Wechsel sich durch die Straße bewegten. Hochgewachsene Albanesen, trotz der Hitze in lange Mäntel gehüllt, und albanesische Frauen in plumper unschöner Tracht – viele des Stammes wohnen in der Vorstadt San Rocco – Frauen vom Lande, bald mit turbanartig den Kopf dicht umschließenden Tüchern, bald mehr nach italienischer Weise gekleidet, zuweilen eine Fustanella oder der schwarze Talar und die hohe Mütze eines Popen und im Gegensatz dazu ein Polizist in weißer Sommeruniform oder ein Türke in langem hellblauen Kaftan. Doch herrscht im ganzen die moderne Tracht vor oder eine willkürliche, oft eigenartige Mischung derselben mit Theilen einer Landestracht. Die elegantere Welt ist unter Tages wenig sichtbar. Um so vollzähliger zeigt sie sich gegen Abend lustwandelnd auf der Strada marina und auf der Spianata, oder vor den zahlreichen an dieser liegenden Kaffeehäusern und Konditoreien im Freien herumsitzend. Zweimal wöchentlich spielte daselbst eine Militärkapelle, an zwei anderen Abenden übernahmen zwei aus Bürgern bestehende Vereine die musikalische Unterhaltung. Das Hauptstück war jedesmal die vollständige Musik irgend einer Oper, welche mit anerkennenswerther Ausdauer ohne Unterbrechung, mitunter dreiviertel Stunden dauernd, durchgespielt wurde. Daß mir die korfiotischen Damen durch besondere Schönheit [216] oder Eigenthümlichkeit aufgefallen wären, kann ich nicht behaupten; den Preis in dieser Beziehung verdienten zweifellos zwei Mädchen von zwölf bis vierzehn Jahren; auch in Athen ist mir wiederholt die Schönheit von Mädchen dieses Alters aufgefallen.
Eine große Anziehungskraft übt neuerdings das bei dem Dorfe Gasturi erbaute Schloß der Kaiserin von Oesterreich aus. Man fährt auf bequemer Straße in einer starken Stunde bis dorthin; unterwegs hatte ich Gelegenheit, den Reichthum an prachtvollen alten Oelbäumen zu bewundern, welcher die Insel auszeichnet. Nirgends sonst habe ich dieselben in solcher Größe und in so außerordentlich malerischer, oft ganz phantastischer Bildung gesehen. Gasturi selbst bietet wenig Bemerkenswerthes. Am oberen Ende des Dorfes machte mein Rosselenker Halt vor einer Bretterbude, welche die Aufschrift „Bella Vienna“ trug; den Hauptschmuck derselben bildete ein die ganze Höhe der Wand ausfüllendes Plakat mit einer Riesenflasche, deren Inhalt als „Benedictine de l’abbaye Fécamp“ bezeichnet war. „Piazza Cavour“ war seitwärts auf einer Tafel zu lesen und gegenüber auf einem Bretterzaun „Boulevard imperiale“, Scherze der italienischen Arbeiter, welche beim Bau beschäftigt sind. Wenige Schritte brachten mich zum Eingangsthor der kaiserlichen Villa. Man hatte mir gesagt, daß der Zutritt zu derselben niemand gestattet werde, und auch der deutsche Konsul in Korfu, Herr Fels, dessen liebenswürdige Zuvorkommenheit allen deutschen Besuchern Korfus bekannt ist, erklärte sich außer stande, mir die Erlaubniß zu verschaffen. Doch wurde mir nach längerem Parlamentieren ein Einblick in das Vestibül und Treppenhaus und ein kurzer Aufenthalt im Garten zugestanden. Mehr war nicht zu erreichen, da jeden Augenblick der Besuch des kaiserlichen Intendanten, eines dalmatinischen Marineoffiziers, erwartet wurde, dessen rücksichtslose Strenge sehr gefürchtet schien. Das Aeußere des aus weißem Marmor im Stile der italienischen Renaissance aufgeführten stattlichen Hauses macht einen entschieden vornehmen Eindruck; was ich von Malereien im Inneren sah, war von geringerem Werthe.
Die Lage ist entzückend: nach rechts, wo der Berg steil abfällt, das weite Meer und die nach Süden verlaufende Küste der Insel, nach Norden die mit Olivenwald bedeckte Abdachung bis zum See Kalikiopulo, dann die Stadt Korfu und jenseit derselben wieder ein vom Pantokrator und den albanesischen Bergen begrenzter Meeresstreifen, nach links ein Blick ins innere Land und im Rücken der Santi Deca. Der leitende Architekt war der Neapolitaner Garito; auch die Ausführung der einzelnen Arbeiten, der Malereien und der übrigen Ausstattung im Inneren wurde größtenteils italienischen, im besonderen neapolitanischen Künstlern und Arbeitern übertragen. Später war auch ein Wiener Ingenieur mit einer Anzahl dortiger Arbeiter berufen worden. Ich machte seine Bekanntschaft in der „Bella Vienna“ bei einer Flasche vortrefflichen Biers, dessen hier zu Lande überraschende Güte er mir dadurch erklärte, daß der praktische Wirth, der natürlich ebensowenig wie andere seiner Landsleute über einen Keller verfügte, denselben durch Eingraben der Flaschen in die kühle Erde zu ersetzen wußte.
Ehe das Schloß der Kaiserin Elisabeth gebaut wurde, war die Hauptsehenswürdigkeit Gasturis ein alter Brunnen, der hinter dem Dorfe in einer Schlucht steht, umgeben von Oelbäumen und Zypressen. Ein kleiner Junge, Alexandros mit Namen, bot sich als Führer an, sein Schwesterchen, die Wasilika – zu deutsch „Königin“ – durfte auch mit; war ihr Kostüm auch nicht königlich, so hätte doch ihr Gesichtchen einer Prinzessin wohl angestanden, so fein und regelmäßig waren die Züge und so klug und munter blickten die schwarzen Augen daraus hervor. Der Brunnen hat die Form eines großen Würfels mit einer Kuppel darüber, welche ein Kreuz trägt, und ist nach zwei Seiten geöffnet. Frauen und Mädchen mit großen Krügen gingen ab und zu oder standen und saßen plaudernd umher; die vornehme Anmuth ihrer Bewegungen, die Schönheit der meisten Gesichter paßte herrlich zu dem landschaftlichen Reize des Ortes.
Viel besucht ist auch das Kloster Paläokastrizza auf der Westküste der Insel, zu Wagen in drei Stunden erreichbar. Man fährt eine Strecke weit durch flache, mit Oliven bepflanzte Landschaft, bis man sich den westlichen Ausläufern des Monte Salvatore nähert, an deren Felswänden die Straße sich dann bis zur Küste hinzieht. Das Kloster liegt auf einem steil nach dem Meere abfallenden Vorsprung und gewährt einen herrlichen Blick auf die weite blaue See, die felsige, vielfach zerrissene Küste und die nächstgelegenen, in überraschender Farbenpracht heraufleuchtenden Buchten. Die Architektur des Klosters, obwohl an sich unbedeutend, würde mit ihrer ganzen Umgebung eine noch malerischere Wirkung machen, wenn sie nicht der allgemeinen Sitte gemäß durchweg weiß übertüncht wäre. Eine Anzahl Mönche hat daselbst ihren Sitz; der gute Eindruck, den ihre interessanten edel geschnittenen Gesichter und ihr freundliches Wesen auf mich machten, wurde leider durch ihr schmutziges Aeußere etwas abgeschwächt.
Bald nach meinem Besuch Paläokastrizzas verließ ich die Insel. Den Abend vor meiner Abreise machte ich noch einmal den üblichen Spaziergang auf der Strada marina. Die Sonne sandte ihre letzten Strahlen über die Vorstadt Kastrades herüber auf das Meer zu meiner Linken in dem die rothen Abendwolken sich spiegelten. Ich ging weiter am Strande hin bis in die Nähe der Villa Reale, wo es ganz einsam war, und begann hier zu zeichnen. Seitwärts stand ein einzelnes Haus, von einer Palme überragt; auf seiner offenen Veranda saß ein weißbärtiger Alter mit einer jungen Frau, die mit melodischer weithin klingender Stimme ein Lied sang. Es waren die eigenthümlichen langgezogenen Töne der griechischen und albanesischen Volkslieder, welche meist die kriegerischen Thaten berühmter Helden feiern. War ein Vers zu Ende, so hielt die Sängerin inne und der Alte sprach ihr die Worte der folgenden Strophe vor. Kein anderer Laut unterbrach die friedliche Stille, kein Lüftchen bewegte die See; auf dem Hügel vor mir lag der herrliche Park der Villa mit seinen Palmen und dunkeln Cypressen – das war das letzte Bild, welches ich von Korfu mitnahm, und es wird mir unvergeßlich bleiben.
Alle Rechte vorbehalten.
Koloniale Getränke.
Wir preisen das Bier als ein echt deutsches Getränk. Wenn man dabei die neuere Zeit ins Auge faßt, so läßt sich nichts dagegen einwenden, anders aber, wenn man in die weite Vergangenheit zurückschaut und nach dem Ursprung des Bieres forscht. Dann erfahren wir, daß schon den Griechen ein Bier bekannt war und daß jener Gerstentrank nach alten ägyptischen Rezepten gebraut wurde. Die Phönizier und Karthager hatten das ägyptische Bier auf ihren Fahrten in allen Gegenden der Welt verbreitet. Wohl mag es ganz anders gemundet haben als das heutige, und es würde vielleicht vor unseren Nahrungsmittelgesetzen nicht bestehen können; immerhin verdankt Europa dem Kulturvolk am Nil die Anregung zur Schaffung eines Getränkes, das Millionen unseres Geschlechtes zum täglichen Bedürfniß geworden ist.Heutzutage kennt man unter den Eingeborenen Afrikas das aus Malz und Hopfen bereitete Bier nicht, obwohl es deutschen Forschern auf ihren Zügen gefolgt ist und, auf Flaschen gezogen, z. B. Gerhard Rohlfs in der fernen Sahara-Oase Kufra erreicht hat. Aber an berauschenden Getränken fehlt es den Söhnen des Dunklen Welttheils darum nicht. Sie brauchen nicht zu warten, bis der Europäer mit seinem „Feuerwasser“ kommt; sie verstehen zu keltern und zu brauen – nach ihrer Art, und benebelt sind sie oft genug, viel zu oft, wie dies aus der Geschichte der Afrikareisen erhellt. Auch Afrika hat seine Falstaffgestalten; Wißmann hat uns eine solche in dem Dolmetscher Kaschawalla, einem westafrikanischen Neger, geschildert.
„Kaschawalla,“ erzählt der große Reisende, „war die genaue Uebersetzung eines Falstaff ins Schwarze, nur in jüngeren Jahren als unser alter Bekannter. Der erste Abgott dieses schwarzen Sybariten war sein Bauch, der zweite der Schlaf und der dritte die Bequemlichkeit; dabei trank er gern so viel, daß er sich in einem Stadium befand, das man bei uns in der Armee vom Feldwebel abwärts Trunkenheit nennt. In diesem Zustand schwang er sich manches Mal so hoch empor, daß er die ihm eigene, wahrhaft phänomenale Feigheit vergaß, ja sich zu kriegerischen Reden hinreißen ließ, die er in heroischen Stellungen mit Gesten so hübsch begleitete, daß er mit seiner hohen gewichtigen Figur, die leider etwas zu viel Fettbildung zeigte, einem schwarzen Ajax glich. Bei derartigen Vorgängen konnte er sich dann, wieder ernüchtert, gar nicht genug über sich selbst wundern.“
Worin besteht aber der Stoff, dem solche schwarzen Falstaffe im Dunklen Welttheil zusprechen? Importiertes ist für sie gewiß zu theuer, insofern es echt ist; das trinkt auch der Europäer dort lieber selber. Weit von den Küsten wird auch der in Europa eigens für Neger destillierte schwefelsaure Schnaps höchst selten verschleppt; der Neger trinkt also Einheimisches!
Afrika erzeugt Wein und Bier, nur daß Rebenblut und Malz zu keinem von beiden verwendet werden. Die verschiedenen Arten von Palmen und Bananen, Hirse u. dergl. bilden hier den Rohstoff.
Daß der Palmwein aus dem Safte bereitet wird, der aus den abgeschnittenen Blüthenstengeln der Oel- oder Kokospalme hervorquillt, ist bekannt; daß er wie das Lichtenhainer Bier schmeckt, ist gleichfalls schon oft berichtet worden; ist er alt, so soll er auch an den Champagner erinnern. Wir wollen aber hier vor allem eine andere Sorte von kolonialen Getränken ins Auge fassen, die man aus den Bananen gewinnt.
Die Banane, das Riesenkraut der Erde, das bis zu fünf Meter hoch wird und meterlange Blätter treibt, ist jedem wenigstens vom Hörensagen bekannt; einige ihrer Arten kann man ja auch als Ziergewächs auf unsern Rasenplätzen beobachten, Sie schießt hier hoch empor, trägt indessen keine Früchte, da hierzu unser Sommer viel zu gemäßigt ist; aber die gurkenähnlichen Früchte tauchen mitunter im Schaufenster feiner Delikatessenwaren-Handlungen auf – und wer etwas dran wenden mag, der kann sich an dem mehlreichen Geschmack derselben ergötzen, ohne durch die Wildnisse Afrikas wandern zu müssen.
Aus diesen Früchten wird der heutige Wein und das heutige Bier des inneren Afrika bereitet, welches als „Pombe“ in ganz Deutsch-Ostafrika bekannt ist.
Wie es bei uns viele Bierarten giebt, so kennt man auch in Afrika verschiedene Sorten des Generalgetränks. Alle aufzuzählen, das wäre eine mühselige und wenig dankbare Arbeit. Wir ziehen es vor, unsere Leser in ein schönes Reich zu führen, dessen Grenzländer sich in dem Viktoriasee spiegeln, nach Uganda, wo die Menschen unsern lustigen Musensöhnen gar nicht philisterhaft vorkommen würden, denn – die Waganda haben eine ausgesprochene Studenten-Ader. Sie haben eine alte tiefe Abneigung gegen das Wassertrinken, und viele von ihnen rühmen sich, daß seit ihrer frühesten Jugend nicht ein Tropfen Wasser über ihre Lippen gekommen sei. Da sind wir also im richtigen Land, um Bierstudien anzustellen. Wir übertreiben nicht. Als Emin Pascha nach Rubaga zu „Kaiser“ Mtesa zog, da schrieb er in sein Tagebuch: „’S ist die reine Bierfahrt, von Dorf zu Dorf oder vielmehr von Biertopf zu Biertopf geht der Marsch.“
In einem solchen Lande ist die Brauerei im größten Schwang. Alles braut hier: Mann, Weib und Kind. Der englische Arzt Felkin hat die verschiedenen Sorten beschrieben; und zwar unterscheidet er zwischen Bananenbier und Bananenwein. „Mubisi“, ein kühler Bananenwein, wird nach seinen Angaben folgendermaßen bereitet: ein großes Loch wird in den Boden gegraben, mit Bananenblättern ausgekleidet, mit unreifen Früchten gefüllt und mit Matten und Erde bedeckt gehalten, bis die Früchte ganz „reif“ geworden sind. Die Bananen werden dann gespalten und mit feinem Heu vermischt in einem großen bootähnlichen Holztrog, der an einem Ende eine Abflußröhre hat. Nach Beifügung von ein wenig Wasser wird das Ganze mit der Hand oder mit kurzen Holzstäben durcheinander gemengt, dann der Trog mit Bananenblättern bedeckt, worauf die Mischung eine bis zwei Stunden stehen bleibt. Nach Ablauf dieser Frist wird sie herausgenommen und durch Grassiebe in große Flaschenkürbisse gegossen; sie ist dann für den Gebrauch fertig und stellt ein süßes, nicht berauschendes, angenehmes Getränk dar.
Da gerade diese Sorte in Massen getrunken wird, so erklärt sich von selbst, warum Emin in Uganda und Unjoro nur wenig Betrunkene gesehen hat.
Läßt man aber diesen „Mubisi“ drei Tage stehen, so macht er eine Gährung durch und bildet dann ein leicht säuerliches, erfrischendes Getränk, das stark berauscht. Dieser Wein wird alsdann „Muënge“ genannt. Zieht man ihn auf Flaschen ab und läßt diese, gut verkorkt, an einem kühlen Orte mehrere Monate stehen, so erhält man einen Schaumwein, der stark an Champagner gemahnt.
Aus dem „Mubisi“, der Hauptsorte, läßt sich aber noch mehr machen. Setzt man ihm eine größere oder kleinere Menge gekochter Hirse hinzu, läßt die Mischung in großen irdenen Töpfen zwei bis drei Tage stehen, wobei man sie von Zeit zu Zeit umrührt, so entwickelt sich ein Bier, welches, je nach dem Verhältniß des Hirsezusatzes, mehr oder weniger berauschend wirkt.
„Auf Lager“ werden diese Getränke nicht bereitet; sie werden gleich verbraucht, und wenn sie zum Verkauf kommen, sind sie überhaupt verhältnißmäßig theuer. Den Wein trinkt man entweder aus Bechern von Kürbisschalen oder saugt ihn aus Kürbisflaschen durch lange, sehr hübsch gearbeitete Röhrchen. Das untere Ende dieser Röhrchen bildet zugleich ein Filter für die trübe Flüssigkeit.
Für gewöhnlich werden weitere Stoffe, die etwa den Geschmack ändern sollen, zu keinem dieser Getränke hinzugefügt. Ausnahmen giebt es aber überall, und „Kaiser“ Mtesa hat sich eine solche seinem Leibarzt gegenüber erlaubt, welchen Posten eine Zeit lang der Missionsarzt Dr. Felkin, ein Freund Emins, bekleidete.
Dieser gab dem Mtesa eines Tages zwei Flaschen, deren eine ein Wasser zum Abwaschen enthielt, und sagte ihm ausdrücklich, daß es nur äußerlich, anzuwenden sei. Darauf ging der [219] Arzt nach Hause. Da kam ihm ein Page mit einem Kruge Bananenwein nachgelaufen. Der „Doktori“ solle den Wein versuchen, richtete er aus, und ihm mittheilen, ob der Kaiser den Wein trinken dürfe. Der „Doktori“ kostete, sein Begleiter, ein Missionär, trank den Rest aus und die Erlaubniß wurde dem Herrscher ertheilt, da es eine leichte Weinsorte war. Aber dem Missionär bekam der Trunk schlecht, er hatte einen Anfall von Seekrankheit zu überstehen, denn Mtesa hatte das Waschwasser in den Wein gethan, um zu erfahren, ob es auch innerlich wirke.
Europäischer Branntwein kam vor Jahren den Nil aufwärts tief in das Herz Afrikas hinein. Nach den Berichten Schweinfurths gab es in den Seriben (Niederlassungen) der Sklavenjäger am oberen Nile Festtage, wenn die Spiritusfässer aus – Breslau ankamen. Die Sendungen trafen jedoch nicht immer regelmäßig ein, und so dachten die Nubier auf eine Aushilfe. Ein alter ägyptischer Beamter richtete aus Töpfen, Thonröhren u. dgl. eine recht antik aussehende Destillation ein, in der er einen abscheulichen Fusel aus Hirsekorn bereitete. Mit der Zeit fand er viel Nachahmer, und die Branntweinbrennerei blühte in den Provinzen Emins, der bitter darüber klagte, daß die treulosen Beamten das Korn zum Branntweinbrennen verwandten, während im Lande Hungersnoth herrschte.
Die Bekenner des Propheten, der den Wein verbietet, die Araber, verstehen auch in Uganda aus Bananen eine Art Schnaps zu erzeugen, ohne daß sie damit einen besonderen Erfolg bei den Negern erreichen würden, welche ihr Nationalgetränk der mohammedanischen Erfindung vorziehen.
Afrika ist demnach, wie wir aus dieser kurzen Skizze ersehen können, mit „geistigen Getränken“ hinlänglich versorgt. Zur Ausfuhr eignen sie sich nicht, aber sie haben in den letzten Jahren viele unserer Landsleute im deutschen Schutzgebiet nach schwierigen Märschen erfrischt; denen, die im Augenblick auf sie angewiesen sind, wollen wir im Geiste zurufen: „Wohl bekomm’s!“ C. F.
Das Kaiser Friedrich-Denkmal bei Wörth. (Zu dem Bilde S. 205.) Dort, wo das bescheidene Gerinsel der Sauer die Straße von Weißenburg nach Wörth durchschneidet, an jener Stelle, wo die ersten glänzenden Waffenthaten in dem großen Kampfe um Deutschlands Einheit geschahen, dort wird sich das Reiterstandbild Kaiser Friedrichs auf hochgeschichtetem Gestein erheben.
Das Auge des Siegers von Wörth blickt über das blutgetränkte Feld. Von Weißenburg kommt er herangesprengt, scharf pariert er sein Roß auf der Felskuppe eines kräftig ansteigenden Plateaus, mit der Rechten weist er hinüber nach Fröschweiler, jenem letzten Flecken hinter Wörth, der noch genommen werden mußte, um den Sieg zu vollenden.
Genau an derselben Stelle, wo Kaiser Friedrich, damals noch „Unser Fritz“, der Kronprinz, am 6. August 1870 dem Entscheidungskampf beiwohnte – etwa in der Mitte zwischen Wörth und Dieffenbach – wird sich das Denkmal erheben, und im Herbst 1895, wenn gerade ein Vierteljahrhundert seit jener weltgeschichtlichen That verrauscht ist, wird es vollendet sein.
Der Schöpfer des Denkmals ist der Bildhauer Max Baumbach in Berlin. Der Felsblock, auf dem das Reiterstandbild sich erhebt, ist so angelegt, daß er den Eindruck erweckt, als ob er die natürliche Krönung der umliegenden Hügellandschaft wäre. Der erste Entwurf hatte noch einen stilisierten Sockel, den man aber der natürlichen Wirkung zuliebe aufgegeben hat.
Der Kronprinz ist in feldmäßiger Ausrüstung dargestellt: Infanteriewaffenrock, hohe Reiterstiefel, Kavallerieschleppsäbel, Feldmütze, den Krimstecher an der Seite. Der Ausdruck des Feldherrn ist voll gebändigter Erregung, man merkt es diesen gemeißelten Zügen an, daß der Kopf kühl überlegt, während das Herz pocht. Die Reiterfigur wird 5½ Meter hoch werden, der felsige Unterbau etwa 7 Meter, das Ganze also 12½ Meter. Roß und Reiter werden aus Bronze gegossen, der Felsaufbau wird aus dunkelrothem elsässischen Sandstein bestehen.
An der Vorderseite des mächtigen Piedestals hat der Bildhauer eine gemauerte Plattform von einfachen Linien angebracht. Zwei markige germanische Kriegergestalten, die sich die Hand reichen, stehen darauf. Das sind Nord- und Süddeutschland. Sie verbinden sich zu Schutz und Trutz vor dem Wappenschilde von Elsaß-Lothringen. Ueber diesem Wappenschilde breitet der deutsche Aar schützend seine Schwingen. Zu Füßen des Nordgermanen lehnt der alte Sachsenschild, das älteste kriegerische Symbol der norddeutschen Stämme; zu Füßen des Südgermanen kauert der bayerische Löwe.
Dieses ganze Denkmal erhebt sich auf einer gemauerten Terrasse von 42 Metern Länge und 30 Metern Tiefe. Zwei breite Aufgänge führen vom Erdboden auf die Terrasse hinauf.
Max Baumbach ist ein Schüler von Reinhold Begas. Weiteren Kreisen bekannt wurde er durch seine prächtigen humorvollen Hermen und durch seine stimmungsvolle Gruppe „Das Gebet“, welche ihm viel Auszeichnung brachte. Er ist noch ein junger Mann und gewiß noch zu manchem schönen Werke berufen.
Der Brieftaubensport. Wo sind die Zeiten hin, in welchen die Taubenpost regelmäßig die neuesten Nachrichten vermittelte, wo Brieftauben in der Kaufmannsstube, an der Börse, in der Zeitungsredaktion eine wichtige Rolle spielten? Der Telegraph machte die Taubenpost entbehrlich, und lange Jahre hindurch bildete die Zucht der Brieftauben nur eine Liebhaberei, der sich verhältnißmäßig wenige Leute widmeten. Und heute? In Deutschland allein befassen sich mit ihr Tausende von Liebhabern, der Staat besitzt seine eigenen Züchtereien, und die Zahl dieser geflügelten Boten dürfte augenblicklich bei uns gegen 100 000 betragen!
Die Belagerung von Paris bildete einen Wendepunkt in der Entwicklung des Brieftaubenwesens. Denn die Brieftauben allein wußten den eisernen Belagerungsgürtel erfolgreich zu durchbrechen und trugen hoch durch die Lüfte auf ihren Schwingen Staatsdepeschen, Privatbriefe und Postanweisungen an ihren Bestimmungsort. Seit jener Zeit hat man in allen Ländern Europas der Sache eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet und überall hat die Armeeverwaltung sich mit den Liebhabern in rege Verbindung gesetzt; denn in Zukunft werden im Kriegsfalle auch die Tauben mobil gemacht werden.
Dem Anfänger auf diesem Gebiete fehlte bis jetzt ein zweckmäßiges, von wirklich sachverständiger Seite geschriebenes Handbuch über die Pflege und die Zucht der Brieftauben, sowie über deren Ausbildung und Verwendung zu militärischen Zwecken. J. Hoerter, der langjährige Geschäftsführer der verbundenen Vereine deutscher Brieftaubenliebhaber, hat unter dem Titel „Der Brieftaubensport“ (Leipzig, E. Twietmeyer) ein solches Handbuch herausgegeben, das auch auf weitere Kreise seine Anziehungskraft ausüben wird.
Die Naturforscher werden dem Verfasser dafür Dank wissen, daß er auch die genauere Beobachtung des Orientierungssinnes sowie des Fluges der Tauben in Anregung bringt; denn in dieser Beziehung harrt noch eine große Anzahl wissenschaftlich wichtiger Fragen ihrer Lösung. Ebenso sollten der Landwirth und der Staatsmann dieses Buch zu ihrer Belehrung zur Hand nehmen, denn unsere künftigen Depeschenträgerinnen erfreuen sich noch lange nicht des nöthigen Schutzes und sind auf Grund einer vielfach veralteten Gesetzgebung in mancher Beziehung zu sehr – vogelfrei!
Ein besonderes Kapitel ist den Bestrebungen gewidmet, welche auf Einführung der Brieftauben in den deutschen Kolonien ausgehen; das Brieftaubenhaus in Kamerun ist nach einer Photographie abgebildet. Hoffen wir, daß die rege Thätigkeit der deutschen Brieftaubenfreunde von immer besseren Erfolgen begleitet sein werde. *
Schiller und Goethe in neuem Gewand. Die letzten Jahre haben in der „Cotta’schen Volksbibliothek“ dem deutschen Volke eine Ausgabe seiner Klassiker gebracht, die an Billigkeit nichts zu wünschen übrig ließ und den Schätzen unserer Geistesheroen den Weg auch in das bescheidenste Heim eröffnete. So hübsch diese kleinen Bändchen sind, so mußten sie sich doch in ihrer äußeren Ausstattung auf ein bescheidenes Maß beschränken, damit der Hauptzweck, ein möglichst billiger Preis, gewahrt bleibe. Um nun aber dem Geschmack derer entgegenzukommen, welche sich in ihrer Klassikerbibliothek einen kleinen Luxus leisten können, welche die Führer unserer Litteratur gern in einem recht stattlichen Gewand auf ihrem Bücherbrett sehen möchten und beim Lesen das Bedürfniß fühlen, daß alle Aeußerlichkeiten, Druck, Papier etc., gleichsam feiertägliche Stimmung verbreiten, um diesen entgegenzukommen, hat die Cotta’sche Verlagsbuchhandlung eine neue Groß-Oktav-Ausgabe von Schiller und Goethe veranstaltet, die auch einem auspruchsvollen Schönheitssinn genügt. Die einzelnen Bände ähneln denjenigen der Liebhaberausgaben, ohne doch deren Preise auch nur entfernt zu erreichen. Wir zweifeln nicht, daß die neue Ausgabe bald mancher Familienbibliothek als stattlicher Schmuck sich einreihen wird.
Kleiner Briefkasten.
P. Fr. in Hamburg. Mit Freuden erfüllen wir Ihre Bitte, unsere Leser darauf aufmerksam zu machen, daß Marianne Kunhardt, Lehrerin am Waisenhause zu Hamburg, ein Festspiel für Kinder unter dem Titel „Kolumbus“ verfaßt hat, dessen Reinertrag für die Cholera-Waisen bestimmt ist (Verlag von Lübcke und Hartmann in Lübeck).
Fr. Holst in Wien. Besten Dank für die uns nachträglich eingesandten 10 fl. ö. W. Wir haben dieselben alsbald an das Nothstandskomitee für die armen Weber der Grafschaft Glatz weitergesandt.
Leipzig, ohne Namen, mit 5 Mark „für den armen Unglücklichen in Freiberg“. Wir bitten um gefl. Angabe Ihrer Adresse, da wir Ihnen Mittheilungen zu machen haben.
H. Fr. in Artern. Wir sind sehr erfreut über die begeisterte Aufnahme, welche Rud. v. Gottschalls „Landwehrlied“ in der Komposition von H. Ungewitter gefunden hat. Ihre Glückwünsche geben wir gerne an den Dichter und an den Komponisten weiter.
[220] Letzte (IV.) Quittung über die Beiträge
Es gingen ferner ein:
Schüler zu Niostoy 5 ℳ 95; verw. J. P., Freiburg 3 ℳ; F. Sch., Cincinnati (1 Dllr.) 4 ℳ 15; aus Berlin 1 ℳ; Inenieursgattin L. Roth, München 5 ℳ; Sammlung im Familienkränzchen d. C. Hofmann, Dresden 9 ℳ; J. Briegleb, Pfeddersheim 3 ℳ; Luischen, Heidelberg 2 ℳ; Mrs. Frank Hopkins, St. Joseph, Mo. 17 ℳ; C. Scheffler. Buchau b. Glashütte 3 ℳ; A.-Z, Jena 20 ℳ; aus Oppung 10 ℳ; E. C ...ö, Dresden 100 ℳ; aus Arthur u. Alfreds Sparkasse, Dresden 2 ℳ; G. H., Nürnberg 5 ℳ; Uhrmacher E. Gehri, Freiburg 1 ℳ; -m-ö, Braunschweig 2 ℳ; „Alzey“ 1 ℳ 20; W. u. E. Gleininger, Magdeburg 3 ℳ; Herbert, Würzburg 10 ℳ; Hauptmann a. D. Holtz, Prenzlau 10 ℳ 5; Familie Kannenberg-Groß-Renz, Daber 12 ℳ; A. Haamann, Berlin 3 ℳ; Geschwister Malz, Meerane 5 ℳ; Anna Otto, Magdeburg-Buckau 1 ℳ; Witwe, Ziegenhals 1 ℳ; Lehrer Grote, Brockhausen 1 ℳ; Annemarie, Lengefeld 1 ℳ; Freiburg i. Br. 1 ℳ; „Kränzchen“, Mainz 1 ℳ 25; A. Schneider, Ludwigsburg 2 ℳ; F. Werner, Potsdam 1 ℳ; Carl, Hans u. Fritz Weniger, London 10 ℳ; C. K., Kolmar 5 ℳ; B. Z., Königsberg i. Pr. 1 ℳ 70; Dr. Frey, Jassy 5 ℳ 3; F. W., Leutershausen 1 ℳ; M. A. Meuchner, Selb 1 ℳ; J. Köpke, Berlin 50 ℳ; Lehrer-Familie Krüger, Heinrichsdorf 2 ℳ; Dr. Gumser, München 10 ℳ; Landbaumeister O. Hülle, Dresden 10 ℳ; F. M., Ansbach 5 ℳ; P. K., Ansbach 4 ℳ; Ergebn. einer Sammlung d. Marie Unger, Elbing 9 ℳ 50; Förster Hilow, Gribnow u. Lehrer Sauermann, Konarschin 4 ℳ 80; Wwe. A. Rausch, Königsberg 3 ℳ; H. Fiedler, Berlin 2 ℳ; C. Giesecke, Eickendorf 5 ℳ; M. Kirsten, Gotha 3 ℳ; A. Otto, Fulda 5 ℳ; Inspektor Florey, Grimma 10 ℳ 5; Rabenhorst, Zittau 10 ℳ; A. B., Charlottenburg 3 ℳ; Leser der „Gartenlaube“, Lyons, Iowa (5 Dllrs.) 20 ℳ 65; H. J., Penzig 1 ℳ; J. W. u. A. Z., Schwendi 2 ℳ; M. L. S. C. C. L., Frankfurt a. M. 1 ℳ; J. H., Laichingen 50 Pf; „Ungenannt“ mit 7 Kindern 1 ℳ; Leserin der „Gartenlaube“, Wien (1 fl) 1 ℳ 70; Fr. Guggenberger, Mediasch (1 fl) 1 ℳ 70; J. Werner, Lyck 3 ℳ; Scharnetzky, Sternberg, N. M. 3 ℳ; Abonnent, Seinstedt 3 ℳ; M. B., Schöningen 1 ℳ; Freudemann, Berlin 10 ℳ; G. Holzkampf, Berlin 3 ℳ; Ergebn. einer Sammlung d. Pfarrer Preuner, Schrozberg 34 ℳ 20; Hermine Hartmann, Tonyrag 16 ℳ 95; Bertha Kerger, Obornik 1 ℳ; P. B., Betzenrod 1 ℳ; Dina Dirigl, London 5 ℳ; „Eine, die sich freut“, Krefeld 1 ℳ; Apotheker L. Egenter, Altshausen (1 Coup.) 3 ℳ 50; Albrecht, Klostermansfeld 3 ℳ; Wwe. Ritter, Klostermansfeld 3 ℳ; A. Sch., Straßburg 5 ℳ; O. G., stud. med., Dessau 20 ℳ; Postexpeditor Hübsam’s Kinder, Oberlauringen 5 ℳ; A. R., Bünde (1 Coup.) 2 ℳ; 1 Zeitzer Primaner 2 ℳ; „Kleine Christgabe“, Salzwedel 10 ℳ; Waltershausen 60 Pf; ges. von einer bräutl. Witwe, Freienwalde 3 ℳ 40; „Wenig aber herzlich“, Barmen 30 Pf; Monogramm „E“, St. Petersburg (5 Rbl.) 10 ℳ; ges. d. Lehrer Herbst, Singhofen 16 ℳ 55; Schüler d. 2. Klasse d. Knabenschule, Lennep 14 ℳ; Hilfslehrer O. Rauch, Rosenheim 4 ℳ 50; Lehrer L. Schubert, Aken 2 ℳ; A., Lüneburg 50 Pf; aus Breslau 1 ℳ; ges. in einer Damengesellschaft, Straßburg 6 ℳ 50; M- L-. Woem (10 fl.) 17 ℳ; „Süddeutsche“ z. Z. in Rußland 2 ℳ; langjährige Abonnentin B. U., München 40 Pf; A. B., Berlin 1 ℳ; N. N., Kassel 2 ℳ; S. S., Colmar 1 ℳ 50; Gebr. Heicke, Chicago (2 Dllrs.) 8 ℳ 20; C. S. u. Töchterchen, München 5 ℳ; Frau H. L. Klippel, Nieder-Ingelheim 5 ℳ; „Ungenannt“, Weiden 4 ℳ; Tau, Zschopau 3 ℳ; Rendant Müller, Radis 5 ℳ; C. Siele, Crossen 3 ℳ; Mimmi Kindler, Potsdam 3 ℳ; „Christkind“, Burgbrohl 8 ℳ; E. Volz, San Franzisco 8 ℳ 24; Oberlehrer O. Hebel, Corbach 12 ℳ; ges. am Stammtisch im Schwan, Schleiz 15 ℳ 5; Tante Johanna, Mainz 1 ℳ; aus Hannover 2 ℳ 40; Wiethaus u. Suntheim, Brüssel 20 ℳ; Erich, Hugo u. Alfred Pritzius, Kriegsfeld 1 ℳ; F. H. B., Batley 49 ℳ 20; aus der Sparkasse v. 2 schwergeprüften Mädchen, Salzungen 2 ℳ; Miß Burdon, Castle-Eden 25 ℳ 50; Bertha, Ida u. Anna Hofmann, Altenkundstadt 10 ℳ; 2. Sammlung am Stammtisch im Schwan, Schleiz 21 ℳ 55; ges. bei einigen Bekannten d. Elisabeth Hildsheimer, Seckenheim 3 ℳ; Minna Lieber, Lieberose 1 ℳ 70; Herbert u. Walther A., Bruchsal 3 ℳ; Montag-Tischgesellschaft, Bahnbof Gablonz 3 ℳ 38; von einem alten Junggesellen u. einer alten Jungfer, Haynau 3 ℳ 5; H. Creutzfeld, Parchim 5 ℳ; K. W., Lawrence, Mass. 8 ℳ 24; Geschw. Sch., Wolkenberg 10 ℳ; Johannes Pollmar, Großenhain 10 ℳ; L. Usener, Wiesbaden 10 ℳ; Schuhmacher G. Wilhelm, Dresden 1 ℳ; aus Marie, Irma u. Alfreds Sparbüchse, Memmingen 1 ℳ; aus Beuthen (Oder) 40 Pf; M. T., Worms 1 ℳ; aus der Sparkasse v. Julius, Max, Fanny u. Fritz Wertheim, Graaff Reinet, Cape Colony 20 ℳ; Familie J. u. Frl. A., Augsburg 6 ℳ; Jul. Eick, Herford 3 ℳ; 2 Beamte des Proviant-Amts, Schleswig 1 ℳ 50; Sammlung in Hohenbergen 2 ℳ; 3 glückliche Kinder, Mauche 6 ℳ; Maria Palm, Fort Washington, New-York City (2 Dllrs.) 8 ℳ 20; Mrs. J. Holdenbach, Rio Vista, Calif. 50 ℳ; R. O., Th. H., A. T., Meißen 5 ℳ; aus New-York (2 Dllrs.) 8 ℳ 20; Fräulein L. Sachs, Pleß 1 ℳ 50; Beitrag der Deutschen in Butler County, Nebraska, einges. d. R. Piller, David City 440 ℳ 75 (und zwar: Reinhold Piller 5 $ ,- Minna Piller 1 $, Adolph Piller 50 c., Frida Piller 50 c., Reinhold Piller jr. 50 c., Willy Piller 50 c., H. Dittmar 50 c., Nick. Meisenburg 1 $ 25, Nick. Steiner 1 $, Christian Strübing 5 $, John Schweser 1 $, Nick. Helgoth 2 $, Chas. Thiesen 1 $, Johanna Oehme 25 c., Frau Adolph Oehme 1 $, Aug. Schoenfeld 1 $, Louis Schmidt 3 $, Adolph Nietsche 50 c., H. M. Stoddar 50 c., Aug. Meyer 1 $, Vincenze Becker 50 c., Margaretha Mose 50 c., Mrs. L. Berdrow 50 c., John Klostermann 5 $, Jacob Thomas 50 c., Geo. Schweser 3 $, R. A. Benuette 1 $, Geo. Etting 3 $, Wm. F. Quade 2 $, John Albright 1 $, Thos. Wolf 1 $, D. G. Sabin 50 c., Herman Johnson 1 $, Peter Birgel 2 $, Heller Schmidt 1 $, Chas. Reisdorf 1 $, Nick. Schmidt 1 §, Wm. Hanner 50 c., Nick. Birkel 1 $, John Heins 1 $, Detlef Buck 1 $, H. Höft 50 c., Louis Fehls 1 $, J. H. Hahn 1 $, Jacob Brandt 50 c., Theodor Brandt 75 c., H. J. Cropenhoft 1 $, H. Knop 50 c., Friedrich Dallüge 50 c., Ernst Hinze 50 c., Henry Borcher 50 c., Louis Brandt 1 $, Fred. Ostermeier 75 c., Jacob Glock 50 c., Adolph Vlothe 50 c., Albert Höft 1 $, John Höft 1 $, John Höft 1 $, Joachim Schmidt 2 $, Christ. Schmidt 2 $, Herman Ficke 2 $, Knott Abbott 1 $, John Kosh 1 $, Joseph Kosch 1 $, Alois Kosch 1 $, Fred. Hengeler 1 $, Herman Wagner 1 $, Johann Feldmann 1 $, Johann Daro 1 $, E. J. Cupleau 1 $, Ditrich Meyer 1 $, Henry Hünsche 1 $, John Poppe 1 $, Carl Eilts 1 $, Bertha Daro 50 c., Jos. Veckeman 2 $, Herman Heins 1 $, Gebrüder Diers 50 c., Peter Scheffer 50 c., Fritz Durre 1 $, Joh. Konke 75 c., Jost Schroeder 2 $, John Remmers 50 c., Conrad Muntz 1 $, Conrad Muntz 1 $, Herman Dalluge 1 $, Pluchman 50 c., Harm Onnen 50 c., Ferd. Berner 25 c., C. Zierke 50 c., Dick Dreken 25 c., Rudolph Nuttelmann 1 $, Paul Köpke 50 c., Hyo Feldmann 50 c., Wilhelm Eilts 50 c., Wm. Glingeman 25 c., Hillern Hillerns 50 c., J. Hillerns 50c., Geo. Schaaf 1 $, Christ Rathjen 1 $, C. A. Beethe 50 c., Louis Klingemann 50 c.); Lehrer C. Trau, Weisenau 1 ℳ; A. u. M. W., Paschkowitz 2 ℳ; H. M., Chicago, Ill. 10 ℳ 30; Bez.-Sekretär W. Eiselt, Auscha 3 ℳ 38; Elfriede, Elise, Martha u. Käthe, Breslau 3 ℳ; Frau Dilliani, Berlin 3 ℳ; E. Laur, Weimar 3 ℳ; „Wenig, aber gern“, E. Kl. 3 ℳ; Geschwister Hauptmann, Dresden 4 ℳ; O. A. Schmidt, Redihost 1 ℳ 69; Käthe Jaehne, Teuchern 3 ℳ; C. S., Bernburg 3 ℳ; „Als Dank für Ganghofers Klosterjäger“, Braunschweig 5 ℳ; Max u. Martha Philipp, Chemnitz 10 ℳ 5; ges. am Sylvester-Kränzchen des Vereins Eichenkranz, Kamenz 20 ℳ 52; von einer Bayerin 10 ℳ; L. Keßler, Wesel 2 ℳ; Frau Bertha Strauß, New-York 38 ℳ 20; Rechtsanwalt Lurz, Zabern 10 ℳ; Eugenie Holleck, Antonienhütte 5 ℳ; Kurt, Erich, Viktor u. Hans aus ihrer Sparbüchse, Innsbruck 6 ℳ 76; Dienstmädchen Rosa u. Luzi, Innsbruck 1 ℳ 69; Leseverein zu Schönborn b. Mittweida 12 ℳ 50; Haas, Baruch u. Co., Los Angelos, Calif. 8 ℳ 20; C. Wippermann, Präsident des Gesangvereins Virginia, Richmond 210 ℳ 70; B. Hubermann, Bromberg 3 ℳ; aus der Sparbüchse von Ida, Elly u. Adolf, Amsterdam 1 ℳ 50; W. J., Altwied 5 ℳ; Frau B. R., Stettin 3 ℳ; Leserin der „Gartenlaube“ u. deren 3 Kinder, Breslau 5 ℳ; 2 junge Mädchen aus dem Queisthal 1 ℳ 50; eine kleine Gabe aus München 1 ℳ; J. M. Pinker, Dubuque, Iowa 10 ℳ; Th. R., Marienwerder 5 ℳ; Leserin der „Gartenlaube“, Vilbel 1 ℳ; „Ungenannt“, Gießen 5 ℳ; A. Tragl, Böhm.-Leipa (2 fl.) 3 ℳ 40. R. Weidlich, Berlin 2 ℳ 05; Frau A. Rockstroh mit Tochter, Nordhausen 30 ℳ; Nanette Bettelstolz, Flensburg 10 ℳ; „Scherflein aus Schweinfurt“ 5 ℳ; von einem Unbekannten 1 ℳ; Fr. H., Barmen-Rittershausen 10 ℳ; R. Heidsieck, Amsterdam 15 ℳ; B. W., Windsbach 3 ℳ; C. F., Konstantinopel 5 ℳ; ges. durch Lehrer E. Tröster, Mechelroda 5 ℳ; Frau Marie Schmidt, Milkel 10 ℳ; von mehreren Damen, d. L. L., Braunschweig 14 ℳ; Gutsverwalterin E. L. bei Moskau (1 Rbl.) 2 ℳ; Schüler u. Lehrer, Damerau 4 ℳ; Gabelsberger Stenogr. Verein „Franzxaver“, Heddersdorf 6 ℳ; Hanna Große, Pittburgh 14 ℳ; Oberstabsarzt Dr. Duddenhausen, Itzehoe 6 ℳ; Gertrude Uhlfeldner u. einige Freundinnen, Seattle, Wash. 10 ℳ 31; aus Grete u. Robert Mohrs Sparbüchse , Wien (10 fl.) 16 ℳ 85; Alexander Slebarski, Bczeszce (2,50 fl.) 4 ℳ 18; „Abonnentin“, Riga 2 ℳ 05; Erlös für weibl. Handarbeiten, von jungen Damen, Buttstädt 10 ℳ; J. Hottendorf, Szczekowa 3 ℳ; Frau v. F., Züllichau 3 ℳ; Fr. u. Hermine, Dresden 3 ℳ; S. Volker, Barsinghausen 2 ℳ; „Helene den Cholera-Waisen“ (1 Dollar) 4 ℳ 10; Ergebniß einer Sammlung unter den Beamten in den Bureaux des Königl. Eisenbahn-Betriebsamtes (Stadt- u. Ringbahn), Berlin 37 ℳ 70; ges. von Frl. Detree, Hielscher u. Kretschmer, Liegnitz 4 ℳ 22; 2 Schwestern, Leutershausen 1 ℳ; F. Rothenstadt 6 ℳ; M. M., Rothenstadt 4 ℳ; „Karl et Fritz“ 5 ℳ; F. W. & B., Bernau 3 ℳ; J. Hudlak, Trautenau 2 ℳ 01; aus einer Kindersparkasse, Herry St., (2 Rubel) 4 ℳ 10; A. W., München 1 ℳ; 2 Witwen, Glatz 2 ℳ; Cantor Müller, Meuselwitz 3 ℳ; G. W., B. (Finnland) 10 ℳ; „Für arme Cholera-Waisen“, H. 2 ℳ; J. H., Leipzig 5 ℳ; Erna, P. 3 ℳ; Wm. Hahman, Altona, Pa. 20 ℳ; Frau Franke, Metz 5 ℳ; Martha Brocks, Waldheim 5 ℳ; Frau verw. Steueraufseher Goldhahn, Zwenkau 3 ℳ; F. M., Elmshorn 3 ℳ; Ergebn. einer Sammlung i. d. evang. sächs. Gemeinde, Wurmloch 16 ℳ 88; Margarethe Raabe, Königsberg 10 ℳ; vom Benefiz einer Schauspielerin, Heiligkeuz 1 ℳ 69; aus Dresden 5 ℳ; ein Brautpaar, Gelsendorf (3 fl.) 5 ℳ; R. S., Chicago (1 Dollar) 4 ℳ 10; H., Marktredwitz 1 ℳ; aus Gretchen u. Rosel’s Sparbüchse, Meißen 2 ℳ; aus Jülich 2 ℳ; Th. Hartmann, St. Petersburg (4 Rbl.) 8 ℳ 30; aus Schweina 5 ℳ; einige Leser der „Gartenlaube“, Landshut, Schl. 7 ℳ; aus der Sparbüchse des zu früh verst. Söhnchens Carl, Bistritz 5 ℳ 06; E. G., Ludwigshafen 5 ℳ; N. L–d., Stromstadt (5 Kr.) 5 ℳ 50; aus den Sparbüchsen von Kindern u. Sammlung im Freundeskreise, Abonnentin, Gumbinnen 8 ℳ 05; H., Wallwitz 20 ℳ; Anton Schmid, Landsberg 4 ℳ; ges. bei der Deutschen Colonie zu Genf (ca. 100 Geber) 300 ℳ; „Wenig aber von Herzen“, Leutershausen 1 ℳ; M. Wegener, Berlin 2 ℳ; F. S., Iden 6 ℳ; aus Rudolstadt 50 Pf; W. H., Warfleth 3 ℳ; „Abonnentin“, Düsseldorf 3 ℳ; Paulchen Geißler, Hannover 1 ℳ; Jenny Geißler, Hannooer 2 ℳ; „aus Passau u. München“ 10 ℳ; W. A. B. u. Frau, Verden 10 ℳ 05; L. S., Barmen 10 ℳ; Frau Freytag geb. Manger, Dmitrofsky (2 Rbl.) 4 ℳ 24; einige Mitglieder des Sängerbundes Bautzen, d. J. Gäth 7 ℳ 50; Fräulein Scheurich, Frankfurt a. O. 50 ℳ; H. Schweizermüller, Döbeln 5 ℳ; „von einigen Kindern“ d. d. Deutsche Gesellschaft, New-York 24 ℳ; K. W., Eberswalde 3 ℳ; Ueberschuß eines Konzertes des Deutschen Vereins, Woolwich (6 Pf. Sterl.) 122 ℳ 45; C. T. u. Frau, Marienbad (1 fl.) 1 ℳ 65; aus Lüneburg 1 ℳ 50; H. H., Prag (50 kr. Briefm.) 80 Pf.; M. K., Dülken 1 ℳ; F. Hammer, Neuß 1 ℳ 50; Leser der „Gartenlaube“, Löbau 15 ℳ; Ida, Hohenzieritz 2 ℳ; „Verein Lustig“ (8 kleine elfjähr. Mädchen), Stettin 8 ℳ 10; Th. K., Tübingen 5 ℳ; Fritz Lenkitsch, Memel 35 Pf; Ortsverein Wittgensdorf 23 ℳ.
Gesammtergebniß der Sammlung: 13 638 Mark 13 Pfennig.
Sendungen mit Kleidern, Wäsche, Spielsachen etc. gingen ein von Carl Hofmann in Dresden, Frieda Gärtner in Cöthen, Baurath Bennegger in Diedenhofen, N. N. in Riedlingen, Frau Renck in Frankfurt a. M., Clara Schmidt in Wunsiedel, Marg. Lindner in Sohra, Tony Neubert in Dresden, Anna Krausmann in Heidelberg, Frau Marie Voigt in Roßleben und ? (Name unleserlich), Poststempel Mühlhausen (Kr. Pr. Holland).
Hiermit schließen wir unter herzlichem Dank unsere Sammlung. Zugleich theilen wir allen freundlichen Gebern mit, daß wir die eingesandten Kleider, Spielsachen etc. sowie die Summe von
Inhalt: Freie Bahn! Roman von E. Werner (12. Fortsetzung). S. 201. – Die Gefangenen von Cholmogory. Von Eduard Schulte. S. 204. – Das Kaiser Friedrich-Denkmal für das Schlachtfeld von Wörth. Bild. S. 205. – Nicht lügen! Humoreske von Hans Arnold. S. 208. – Neuigkeiten. Bild. S. 209. – Korfu. Schilderung in Wort und Bild von Gustav Conz. S. 212. Mit Abbildungen S. 201, 213, 214, 215, 216 und 217. – Koloniale Getränke. Von C. F. S. 218. – Blätter und Blüthen: Das Kaiser Friedrich-Denkmal bei Wörth. S. 219. (Zu dem Bilde S. 205.) – Der Brieftaubensport. S. 219. – Schiller und Goethe in neuem Gesand. S. 219. – Kleiner Briefkasten. S. 219. – Letzte (IV.) Quittung über Beiträge für die Cholera-Waisen in Hamburg. S. 220.
Die Verlagshandlung wendet sich an Alle, welche die Werke unserer Dichter-Heroen nicht nur in möglichst billigen Ausgaben, sondern auch in besonders würdiger, schöner Ausstattung zu besitzen wünschen; sie bietet in neuen vornehmen Ausgaben zu billigem Preis
Mit Einleitungen von Karl Goedeke.
Schiller’s Sämtliche Werke in 16 Bänden.
Auf korrekten Text dieser neuen Ausgaben ist der größte Werth gelegt; dieselben haben unter Berücksichtigung der neuesten Forschungen eine sorgfältige kritische Bearbeitung erfahren. Weitere Vorzüge der neuen billigen Groß-Oktav-Ausgaben sind:
Die meisten Buchhandlungen nehmen Bestellungen entgegen und senden auf Verlangen den ersten Band zur Ansicht. Zur Subskription ladet ein