Die Gartenlaube (1891)/Heft 23
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Nr. 23. | 1891. | |
Illustriertes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.
Lea und Rahel.
(6. Fortsetzung.)
In die auf Rahels Worte folgende entsetzliche Stille hinein scholl als rettender Laut die helle Stimme der Baronin, die mit ihrer Neugier, Rücksichtslosigkeit und Keckheit sogleich zur Stelle war. Sie sah sich verwundert die Anwesenden der Reihe nach an, sah Frau von Römpker in ihr Spitzentuch weinen, sah Lüdinghausen sowie das eben so seltsam verkündigte Brautpaar gleich Bildern von Stein dasitzen und Rahel kraftlos zusammengesunken.
„Hier giebt es einen Roman,“ sagte sie, „und ich will wissen, welchen. Das ist mein Recht als alte Freundin des Hauses. Römpker, ich soll doch nicht etwa glauben, daß Sie ein Rabenvater gewesen sind und meinen lieben Clairon und unsere Lea nicht zusammenkommen lassen wollten? Hat es deshalb mit Rahel Zank gegeben? Es ist doch wahr und man darf doch gratuliren?“
„Rahel ist sehr voreilig gewesen,“ versetzte Herr von Römpker mit unsicherer Stimme, „ich bitte Sie, ihren Worten vorerst keine Beachtung zu schenken. Rahel ist heute etwas krank, sie ist fieberisch erregt und weiß nicht, was sie thut.“
Diese Antwort war sehr schwächlich, denn sie erklärte keineswegs, weshalb Herr von Römpker selbst eine Rede angefangen hatte, die auf eine Verlobungsanzeige angelegt war. Aber der Rittmeister hatte inzwischen seiner Frau einen strengen, Schweigen gebietenden Blick zugeworfen, und so sagte sie nur noch:
„Dann sollte das arme Kind sich lieber ins Bett legen.“
Rahel stand schwankend auf. Unwillkürlich erhoben sich alle, denn an eine Fortsetzung der Tafel zu denken, wäre eine zu weit gehende, zu martervolle Lüge gewesen.
Der Rittmeister, der bei sich dachte, daß er morgen von Clairon schon alles genau erfahren werde, war jetzt umsichtig thätig, den Freunden seine und seiner Frau störende Gegenwart möglichst unauffällig zu entziehen. Er hielt seine kleine Frau, scheinbar zärtlich, mit eisernem Druck an seinem Arm fest, begann ein Gespräch mit Raimar und schritt langsam mit diesem durch die Zimmerreihe, bis sie außer aller Gehörweite waren.
Lea fühlte zum ersten Male in ihrem Leben, daß die Nähe einer Mutter ein Schutzgefühl geben kann. Kaum daß Frau von Römpker in ihre gewohnte Sofaecke gesunken war, trat Lea neben sie und zog
[374] den Kopf der Sitzenden an sich, ihn mit den Händen umschließend. Doch war mehr Trotz als schutzsuchende Zärtlichkeit in ihrer Haltung. Ihre großen Augen hingen an Clairon, der schweigend auf und ab ging.
Römpkers bange Aufmerksamkeit war hingegen ganz auf Lüdinghausen gerichtet, der stolz aufgerichtet am Tische stand. Kaum verklang des Rittmeisters Stimme, so sprach Lüdinghausen:
„Ich darf um eine Erklärung dieses Vorfalls bitten!“
Er sagte es langsam, seine Stimme klang sehr kühl. Ein feindseliger Hochmuth schien aus seinen Zügen zu reden, er sah Herrn von Römpker mit einem Blick an, vor dessen Kälte dieser zitterte.
„Vor allem ich,“ fiel Clairon ein, „wünsche die Geschichte dieser Verlobungsanzeige zu erfahren; welches Interesse der Herr Landrath daran hat, ist mir nicht erfindlich.“
„Aber meine Herren,“ sagte Römpker, hilflos von einem zum andern sehend, „wollen Sie mir nicht gestatten, mit jedem von Ihnen lieber unter vier Augen zu sprechen? Ich bitte Sie, Herr Landrath, doch mich und Lea den tollen Einfall meiner jüngsten Tochter nicht entgelten zu lassen.“
Clairons Schritt stockte, er sah mit einem Ausdruck zu Lea hinüber, der sein beginnendes Verständniß verrieth. Wären doch wenigstens unter der Gewalt dieses Blickes die guten Geister in Leas Seele wach geworden! Aber sie war auch in diesem Augenblick noch ganz verblendet. Die Grausamkeit des Weibes war in ihr wach geworden, sie freute sich der Demüthigung, welche Lüdinghausen, dieser ernsthafte, feierliche und hochmüthige Mann, gleich erdulden sollte und schon erduldet hatte. In einer seltsamen Verirrung kam es ihr plötzlich vor, als sei er an allem schuld. Anstatt sich zu retten und vielleicht zu reinigen durch ein muthvolles Bekenntniß, schwieg sie.
„Ich,“ entgegnete Clairon mit dem Versuch, in seiner Stimme ruhige Festigkeit zu bewahren, „ich wüßte nicht, was für diskrete Dinge denn vorlägen, die eine Besprechung unter vier Augen nöthig machen könnten. Ich habe vor Monaten um Leas Hand geworben, mag denn auch der Herr Landrath es wissen; wenn ich bis heute noch nicht die Hoffnung aufgab, Lea zu erringen, so kam mir doch die Erfüllung in dieser Form und von Rahels Lippen zu unerwartet, als daß ich sie frohen Herzens hinnehmen könnte.“
Lüdinghausen wußte ganz deutlich, daß in dieser Lage alle Nachtheile auf seiner Seite waren. Seine Fassung hatte ihn keinen Augenblick verlassen. Wohl fühlte er, daß etwas Unlauteres vorgegangen war, zu dessen Opfer man ihn hatte machen wollen, aber noch verstand er den Zusammenhang nicht ganz. Er empfand nur, daß er in Gefahr kommen könne, eine klägliche Rolle zu spielen. Merkwürdigerweise jedoch zweifelte er keine Sekunde lang, daß Rahel ehrlich gehandelt habe, so rücksichtslos ehrlich, wie es nur die Verzweiflung tut, um ein schweres Unrecht zu verhüten. Dies blinde Vertrauen zu dem Mädchen, im Verein mit der besonnenen Beurtheilung seiner Lage, rettete ihn davor, in die Jämmerlichkeit des Getäuschten zu verfallen.
Als Clairon von seiner Werbung um Lea und von den Hoffnungen sprach, die er immer noch nicht aufgegeben habe, kam ein Schein von Leben in Lüdinghausens gleichsam versteinertes Gesicht. Mit der vollendetsten Höflichkeit und einer Ruhe, als handle es sich nicht um den Besitz eines Weibes, sondern etwa um den Vortritt in einer Gesellschaft, sagte er:
„Ich habe keine Ahnung von unserer Nebenbuhlerschaft gehabt, Herr Graf. Selbstverständlich gebe ich unter diesen Umständen dem gnädigen Fräulein das gestern abend erhaltene Jawort zurück und bitte sie, sich nochmals frei zu entscheiden.“
Clairon stieß einen Schrei aus. Er hatte nicht die eisige Fassung des andern. Er hatte geliebt, mit tausend Schmerzen, heißer Leidenschaft und immer neu getäuschter Hoffnung.
„Lea,“ schrie er, „das hast Du gethan? Mir angethan? Mir, den Du liebst? O, ich glaubte, Du spieltest nur mit solchen Gedanken. Du konntest sie zur Wahrheit machen – zur Wahrheit?“
Er schlug beide Hände vor sein Angesicht und stand mit abgewandtem Haupt fassungslos da.
Als Lüdinghausen seine höfliche Redensart vorgebracht hatte – o, Herr von Römpker verstand nur zu gut, daß es ein Abschied war – verbeugte er sich und zog sich zurück. Er wollte nichts mehr hören und wollte dies recht deutlich zeigen. Doch er konnte nicht verhüten, daß Clairons Worte noch sein Ohr erreichten und ihm die ganze Wahrheit verriethen.
Seine Füße waren ihm schwer, sein Athem kurz. Aber er ging aufrecht und mit herbem Angesicht davon und hielt sein Haupt für zu stolz, um es unter einem Schlag zu beugen, den niedere Berechnung gegen ihn geführt hatte.
„Meinen Wagen!“ sagte er kurz zu dem auf dem Flure herumlungernden Ludwig, der vor Neugier umkam, aber fürs Horchen doch zu anständig war. Ludwig, entsetzt vor diesem harten Gesicht, flog davon.
Lüdinghausen ging mit wuchtigen Schritten eine Weile auf und ab. Raimar, der sich mit Rittmeisters im ersten, an den Flur grenzenden Zimmer aufgehalten hatte, mochte das gehört haben. Er kam heraus und that angesichts dieser blassen Züge, dieser ehernen Stirn und dieser stolz geschlossenen Lippen keine Frage.
„Ich fahre mit Ihnen,“ sagte er einfach und sehr entschieden, „ich nehme Sie mit nach Kohlhütte. Mein Wagen kann leer nachkommen. Sie müssen mir noch Gesellschaft leisten.“
Lüdinghausen streckte ihm die Hand hin und umschloß die des Freundes mit festem Griff. –
In dem Zimmer, in welchem sich die Familie Römpker und Clairon befanden, herrschte eine Weile brütendes Schweigen. Herr von Römpker fühlte sich so elend wie noch nie in seinem Leben und er war unaussprechlich böse auf Lea. Er redete sich in der Geschwindigkeit ein, von dem Doppelspiel Leas keine Ahnung gehabt zu haben, denn sonst würde er doch niemals diese Verlobung mit Lüdinghausen gestattet haben.
Ein dumpfes Vorgefühl kam über ihn, daß hier für Lea sehr viel auf dem Spiel stehe. Der Angstschweiß perlte auf seiner Stirn. Wenn nun auch Clairon im Zorn davonging? Der Skandal! Und Lea sitzen geblieben! Natürlich war’s dann für immer aus und sie konnte ihre Tage im Elternhaus beschließen. An die vielen Schwierigkeiten, an die ewigen üblen Launen Leas nur zu denken, war schon entsetzlich.
„Mein lieber Clairon,“ begann er mit seinen liebevollsten Tönen, „daß Lea Sie noch immer liebt, war mir fremd. Warum hat das arme liebe Mädchen sich mir nicht vertrauensvoll geoffenbart? Ich hätte sie dann nicht beredet, Lüdinghausen zu nehmen. Man hätte schließlich zugesehen, ob man Sie beide nicht vereinigen könnte. Eltern scheuen ja zuletzt kein Opfer, wenn es sich um das Glück ihrer Kinder handelt. Aber unsere Lea wollte kein Opfer nehmen, sondern in ihrem Edelmuth lieber eines bringen.“
Herrn von Römpkers Stimme brach vor Rührung. Während er die Ereignisse so gruppierte, glaubte er auch schon, daß sie gerade so verlaufen wären, wie er erzählte.
„Meine Lea!“ rief er und eilte mit ausgebreiteten Armen auf sie zu.
Sie ließ sich von ihm umarmen und küssen, aber ihr Schweigen löste sich nicht.
Frau von Römpker hatte hoch aufgehorcht und fing nun mit dem Ausruf: „Mein armes, selbstloses Kind!“ heftiger an zu weinen.
Clairon richtete sich auf. Er wandte sein Gesicht Lea zu. Als er ihrem großen, starren Blick begegnete, brach seine Fassung nochmals. Er sank auf die Kniee neben ihr und barg sein Gesicht in ihren Kleiderfalten.
„Ich habe Dich so maßlos geliebt,“ murmelte er.
Da ging ein Zittern durch Leas bisher unbewegliche Gestalt, sie neigte ihr Haupt tief, tief, daß ihre Stirn in Clairons Haar tauchte, und flüsterte:
„Robert! Vergieb mir!“
Er sammelte sich, stand auf und legte seine Hand über die Augen. Dann seufzte er schwer und sah sich wie traumverloren um.
Athemlos hingen sie an seinen Lippen und warteten auf ein Wort, ein gutes, versöhnendes Wort der Rettung.
Endlich sprach er leise:
„Es ist wohl am besten, ich gehe jetzt. Ich bedarf der Sammlung, Lea. – Gute – Nacht!“
[375] Es schien. als fasse ihn ein Schwindel.
„Robert!“ rief sie und wollte sich an seine Brust werfen.
Er wehrte sie sanft ab.
„Laß mich! Du wirst von mir hören, morgen – oder wann ich das Rechte erkannt habe, Lea.“
Er hielt ihre Hand fest und sah sie an. Seine ganze Seele mit allem Jammer lag in diesem Blick. So verharrte er lange, lange und ging endlich hinaus.
Er wunderte sich über nichts, auch nicht darüber, daß Ludwig aus eigener Machtvollkommenheit des Rittmeisters Wagen hatte anspannen lassen und daß das Ehepaar schon auf ihn wartete.
Er schwieg still, als die Baronin sagte:
„Mein Gott, wir schleichen uns davon, ohne uns zu verabschieden? Wird Römpker uns das je vergeben?“
Er saß im Wagen seinem Kameraden gegenüber und hielt im Dunkel dessen Hand. Der Rittmeister verstand den Armen. „Schone mich und verlaß mich nicht,“ bat diese klammernde Hand.
Rahel war in ihr Zimmer gegangen. Dort setzte sie sich still auf den Rand ihres Bettes und dachte nach.
Der kurzen und ungeheuren Aufregung war stille Fassung gefolgt.
„Ich konnte nicht anders,“ sagte sie sich. „Es war das Rechte. Sie werden mir danken, daß ich sie vor einer Sünde bewahrt habe.“
Das stellte sich in ihrem Kopf als eine ganz einfache Thatsache dar und sie wunderte sich nur, daß sie den Muth gehabt habe, aufzustehen und ihrem Vater in die Rede zu fallen. Aber sie bereute es nicht.
Sie versuchte, sich die Folgen auszudenken. Ob Clairon und Lea nun sich wirklich vereinigen würden? Wahrscheinlich. Aber das erschien ihr sehr nebensächlich. Das Eine, Große war gewiß: sie hatte Lea aus der Lüge errettet.
Mit all der Liebe und Bewunderung, welche für die Schwester in ihr lebte, versuchte Rahel sich vorzustellen, wie es überhaupt hatte kommen können, daß ein so bedeutendes Wesen sich so in Unwahrheit verstrickte. Es muß alles von dieser unglücklichen Liebe gekommen sein, meinte Rahel entschuldigend. In Leas Herzen mußte jetzt ein klarer und sonnenheller Tag aufgegangen sein und das reine Glück ihr Leben fortan bestrahlen. Das bloße Bewußtsein, aus der Lüge befreit zu sein, erschien Rahel als die Bedingung zum Glück.
Sie horchte ein paarmal, ob keine Stimmen drunten laut würden, obschon sie wußte, daß man hier doch nichts höre. Wie „er“ wohl die Sache aufgenommen hatte? Gewiß, es mochte ihm weh gethan haben, sehr weh. Ob er wohl Lea wahrhaft geliebt hatte? Nun, die Entsagung mußte er tragen, die entehrte sein Leben nicht. Aber in Lügen geküßt zu werden – das wäre Schmach gewesen.
Rahel fühlte sich von einer unaussprechlichen Befriedigung durchdrungen, ihn vor etwas Unwürdigem geschützt zu haben. Sie gestand es sich freudig: dies war der erste, vornehmste Beweggrund ihres Thuns gewesen.
Er würde heute gehen und gewiß niemals, niemals wiederkommen in dieses Haus.
Die Lippen zitterten ihr und vor ihren Augen wurde es thränendunkel. Aber das mußte ertragen sein. Sie lächelte tapfer.
Ein heißer Wunschgedanke zog durch ihre Seele, daß er einst ein echtes, großes Glück finden möge.
So träumte sie lauter gute und stille Gedanken, als sich die Thür aufthat und Lea, von ihren Eltern begleitet, hereintrat.
Rahel vermochte vor Schreck sich nicht zu erheben. Die Ihrigen sahen so erregt und so feindlich aus.
„Ihr seid mir böse?“ fragte sie mit einer Stimme, in welcher Zärtlichkeit und Furcht sich mischten. „Habt Ihr denn nicht verstanden, warum ich es mußte? Gewiß, Du begreifst es doch, Papa?“
„Unerhört und unverzeihlich hast Du Dich benommen,“ brach Herr von Römpker los.
„Ungewöhnlich, Papa,“ sprach Rahel mit sanfter Bescheidenheit. „Das fühle ich tief, und dies allein beschämte mich einige Minuten.“
„Unweiblich!“ rief er heftig.
Rahel wurde dunkelroth. Das hatte man ihr schon einmal vorgeworfen, und es that so weh. Mein Gott – wenn es wahr wäre! Wenn sie vor ihm unweiblich gehandelt hätte!
„Nun,“ sprach Lea mit einer Bitterkeit, die Rahel entsetzt aufschauen ließ, „meine schulmeisterliche Schwester hat erreicht, was sie wollte: Lüdinghausen ist gegangen. Meine Zukunft ist zerstört.“
„Die Zukunft Deines Herzens ist aber doch Robert Clairon,“ sagte Rahel und sah sie fest an; „ich hörte Dich heute durch die Musik ihm Liebesworte sagen, die ich kenne. Du liebst ihn also. Und ihn hast Du doch nicht verloren?“
„Und wenn ich ihn doch verliere?“ fragte Lea in immer steigendem Zorn.
„So hast Du Deine Ehre. Das ist mehr als alles.“
„Ueberlaß die Sorge für meine Ehre mir und Papa,“ höhnte Lea, „wir verstehen das wohl besser zu beurtheilen als Du.“
„Gewiß,“ sagte Rahel leise, „aber diesmal waret Ihr blind und sahet nicht ein, daß Ihr ein Unrecht thun wolltet.“
„Du hast einen Skandal heraufbeschworen,“ jammerte Frau von Römpker, „wir sind unmöglich geworden.“
In Rahels Innerem begann sich’s zu regen. Mit etwas mehr Nachdruck und mit weniger Demuth sagte sie:
„So schnell werden Menschen wie wir nicht unmöglich. Ein Skandal ist ein Nichts gegen die Schändlichkeit, einen Mann wie Erasmus Lüdinghausen zu betrügen.“
„Ah,“ rief Herr von Römpker, „die Liebe und Rücksicht auf die Deinen steht Dir erst in zweiter Linie.“
„In der allerersten. Deshalb bewahrte ich Euch vor Reue.“
„Sie ist noch trotzig! Obendrein noch trotzig!“ rief Lea und ging händeringend auf und ab, so daß die Lampe vor dem Pfeilerspiegel von ihren heftigen Bewegungen aufflackerte. „Unglückskind, was hast Du Dir gedacht, daß nun aus mir werden solle? Die Geschichte spricht sich in der ganzen Gegend herum. Die Dienstboten merken genug. Die schwatzhafte Baronin war zugegen. Ich bin unmöglich – für ewig dem Gespött preisgegeben, wenn ich nicht morgen eine Verlobungsanzeige herumschicken kann.“
„Ja, was hast Du Dir gedacht?“ rief auch Herr von Römpker.
„Meine Lea, meine arme Lea,“ klagte Frau von Römpker, „Deine Jugend ist vernichtet.“
„Und Du selbst,“ fuhr Lea schneidend fort, während Rahel blaß und stumm dasaß, „was soll mit Dir werden? Alle Bekannten werden mit Fingern auf Dich weisen wegen Deines romanhaften Benehmens. Jedermann wird eine Erklärung suchen für den Auftritt, den Du hervorgerufen hast, und schließlich wird man noch gar sagen, Du habest Lüdinghausen gern für Dich selbst gewollt.“
Ihr Auflachen verschlang den wehen Laut, der von Rahels Lippen kam.
„Denkst Du denn,“ sagte Herr von Römpker, „daß Lea noch schwesterlich mit Dir zusammenleben mag und kann nach diesem Vorfall? Muß uns Dein Anblick nicht immer diesen schrecklichen Tag ins Gedächtniß rufen?“
Rahel neigte das Haupt. Ihr war es, als ob alle mit Keulen auf sie einschlugen. Sie wollte wehrlos stillhalten, damit es nur ein Ende nähme.
„Thut es Dir denn gar nicht leid?“ fragte Frau von Römpker.
Da erhob sich Rahel, sah fest der Schwester ins Gesicht und sagte laut:
„Nein!“
„Nun, Papa!“ rief Lea zitternd, „ich darf Dich wohl bitten, daß mir Rahels Anblick für einige Tage erspart bleibt. Wenigstens, bis mein Geschick entschieden ist. Sie oder ich, eine von uns muß dies Haus verlassen.“
Jetzt trat der Streit für Herrn von Römpker aus dem Stadium des bloßen Wortwechsels in ein sehr unbequemes: in das der folgenreichen Forderungen an seine väterliche Gewalt.
[376][377] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [378] Das war ihm schrecklich. Augenblicklich fand er, daß Lea doch wohl ein bißchen zu weit gehe. Rahel hatte sie in eine schöne Patsche gebracht, das ließ sich nicht wegleugnen; aber am Ende war die Tollheit doch nur aus ehrenhaften Absichten entsprungen.
„Kinder,“ sagte er begütigend, „es kann ja noch alles gut werden. Morgen kommt Clairon wieder – er ist doch so gut wie mit Dir verlobt, Lea, und dann wird die Scene vertuscht und Du verzeihst Rahel.“
In Leas Gesicht leuchtete es auf. Ja, ihrer Macht über Robert war sie sicher. Der ließ nicht von ihr.
„Rahel kommt über Nacht gewiß zur Besinnung und bittet Dich morgen um Verzeihung,“ sagte auch Frau von Römpker. „Gott, was für ein Abend! Meine armen, armen Nerven! Ich muß mich niederlegen. Gute Nacht!“
„Ja, mein Kind, wir gehen,“ schloß Herr von Römpker und gab sich viel Mühe, würdig zu sprechen, „mögest Du in Dich gehen und Dein unweibliches und von wenig Familiensinn zeugendes Benehmen aufrichtig bereuen.“
Rahel sprach kein Wort. Sie schrak nur zusammen, als Lea krachend die Thür schloß.
Nun war sie wieder allein. Sie setzte sich mechanisch auf ihren alten Platz. In ihrem Kopf war es ganz wüst.
Was man alles in sie hineingesprochen hatte, tobte in wirrem Durcheinander hinter ihrer Stirn.
Sie konnte gar nichts begreifen. So war also nicht für alle Menschen Recht und Unrecht gleich! Weder ihr Vater noch ihre Mutter noch Lea hatten verstanden, weshalb sie sich dazwischen geworfen! Sie hatte Dank erwartet wie für eine Rettung und man schmähte sie wie eine Missethäterin. Sie – Rahel – sah es als ein Verbrechen an, sich einem Mann mit solcher Lüge auf den Lippen zu vermählen, als ein Verbrechen, dem Meineid gleich, den das Gesetz straft. Und weil die feinverborgenen Meineide vor dem Altar nicht von der weltlichen Strafe erreicht werden, bleiben sie deshalb nicht dennoch strafwürdige Sünde? Aber Lea sah es im Gegentheil als ein Verbrechen an, daß man sie an solchem Meineid hinderte! Lea, ihre bewunderte Lea, in deren Adern das gleiche Blut rann!
Warum?
Und plötzlich sah das arme Mädchen die Wahrheit. Sie sah die Schwester entkleidet von all den schimmernden Gewändern, mit denen blinde Liebe sie geschmückt hatte. Sie sah Lea, wie Lea wirklich war. Von klein an wegen ihrer Schönheit und ihrer drolligen Einfälle von den Eltern und den zahllosen Gästen bewundert, hatte sich ihre natürliche Grazie bald in Koketterie, ihre Drolligkeit bald in Keckheit verwandelt. Rahel erinnerte sich, mit welcher Tyrannei die Schwester die Dienstboten und sie selbst behandelt hatte und was alle damals gelitten. Aber in ihre der Liebe so bedürftige Seele, die obenein vom Bewußtsein eigener Nichtigkeit erfüllt war, kam nie ein Gedanke, daß dieser Zustand unnatürlich sei. Auch sie selbst hatte von Anfang an in Lea eine Vereinigung aller menschlichen Vorzüge erblickt.
Dann wurden sie älter. Die kluge Lea lernte sich selbst erziehen und beherrschen und ward sanfter und gefälliger in ihren Umgangsformen. Heute begriff Rahel, daß nur die Eitelkeit die Erzieherin gewesen.
Diese Eitelkeit Leas war der Götze gewesen, dem das ganze Haus huldigte. Liebenswürdigkeit kleidet gut, so gab Lea sich liebenswürdig. Gefallsucht stößt ab, so verbarg Lea ihre Gefallsucht tief unter sicheren und vornehmen Formen. Sie wollte immer die Erste, die Gefeierte sein. Sie duldete niemand neben sich und hatte durch ihre vordrängende Sicherheit des Auftretens die jüngere Schwester immer im Schatten zu halten gewußt.
Doch dies alles war keine durchdachte Schlechtigkeit. Es geschah ganz unbewußt, daß Leas Eitelkeit sich Leas Klugheit dienstpflichtig machte, um ihre Zwecke zu erreichen. Eine schwächliche Erziehung hatte alle schönen Gaben dieses Wesens entarten lassen.
Nur eine große Liebe, eine glückliche Ehe, ein charaktervoller Mann hätte gutmachen können, was hier verdorben war. Aber Leas Herz war so in Selbstsucht verstrickt, daß es nicht einmal mehr um der Liebe willen eitle und nichtige Gelüste hatte opfern können.
Eine Trauer, die fast dem Entsetzen glich, ergriff Rahel. Ihr war, als habe man ihr die Schwester entrissen, das Wesen, um welches ihre Liebe und ihre Sorge seit vielen Jahren ausschließlich gewaltet. Erst jetzt begriff sie, daß ihr Dasein immer nur den einen Inhalt gehabt hatte: Lea. Und alles war jämmerliche Täuschung gewesen, ihre Bewunderung ein Irrthum, ihre Hingabe Verschwendung. Und alle die treue Liebe hatte nicht einmal ein Fünkchen ähnlicher Empfindung in Leas Brust hervorgerufen. Zum ersten Mal kreuzte die bescheidene Schwester Leas Weg, anstatt wie sonst in Demuth nachzufolgen, und gleich wandte diese sich in harter Feindschaft gegen sie und sagte ihr Worte, Worte …
Rahel weinte nicht. Sie ward immer gefaßter und ruhiger.
Ihr fehlte jene schmiegsame und nie rastende Einbildungskraft, welche Leas väterliches Erbe war. Lea hätte wie der Vater nach so hartem Zwist alsbald mit allen Möglichkeiten gespielt, welche der andere Tag bringen könne. Anstatt klar nachzudenken, hätte sie erst im Zorn gewüthet und sich dann in allerlei erhebende Versöhnungsscenen hineingedacht, bei welchen sie selbst eine rührende und großartige Rolle spielen würde.
Anders Rahel. Ihr Wesen glich einer geraden, starren und unbiegsamen Linie. Es konnte nicht so weich werden, daß es sich in jede beliebige Form gegeben hätte.
So sah sie nur, daß sich eine Kluft zwischen ihr und den Ihrigen aufgethan hatte, die ihrem Charakter gemäß ihr unüberbrückbar erscheinen mußte.
Lea, wie Vater und Mutter zürnten ihr um einer Sache willen, in der sie sich entschieden im Rechte glaubte.
Man hatte ihr gesagt, daß man die nächsten Tage ihren Anblick nicht ertragen würde. Und sie sah und bedachte nur diese eine harte Thatsache. Sie verstand die Ihrigen nicht genug, um zu wissen, daß diese die bedeutungsvollsten Dinge sagen konnten, ohne eine Stunde nachher denselben noch Bedeutung beizumessen. Aus ihrem eigensten Wesen heraus mußte sie solche Worte ansehen wie erzene Denkmale ewiger Trennung.
Und da die Drei gegen sie, die Eine, waren, so hatte sie zu gehen.
Gerade durch den Mangel an jedem leichtbeweglichen Vorstellungsvermögen, an jeder phantasievollen Abenteuerlichkeit kam sie auf den Gedanken, der ihr natürlich war und der anderen romanhaft vorkommen mußte: sie wollte ihr Vaterhaus für einige Tage verlassen.
Geräuschlos ging sie im Zimmer hin und her und packte sich ein Täschchen voll mit nöthigen Gegenständen. Sie schrieb einige Zeilen an ihren Vater, worin sie sagte, daß sie seinen und Leas Wünschen folge und für einige Tage fortgehe. Sie begebe sich zu Onkel Raimar, wohin man ihr Nachrichten senden möge. In dem ganzen Briefchen war kein pathetisches Wort. Die Schriftzüge waren fest, die Fassung knapp und gleich fern von Schuldbewußtsein wie von Unbescheidenheit.
Dann sah sie nach der Uhr, und als sie den Zeiger noch vor zehn stehen sah, wunderte sie sich nicht. Ländlich früh hatte man sich ja an den Abendtisch gesetzt und das Mahl war bald unterbrochen worden.
Sie horchte auf den Regen, der rann noch immer, und sie dachte, es sei besser, einen Knecht zu wecken und anspannen zu lassen.
Aber das Aufsehen – die Verzögerung – und die Todesmüdigkeit der Leute abends – nein, es widerstrebte ihr.
Sie sehnte sich nach der freien Luft, der Kühle im Regen draußen und nach Bewegung. Mit Bedacht wählte sie starke Schuhe und einen dichten Mantel und ging hinaus.
Auf dem Flur war es dunkel, durch das Treppenhaus aber schimmerte noch Licht. Im Eßsaal hörte Rahel noch sprechen und mit Geschirr klappern, die Leute räumten auf.
Daß durch die Büsche noch Licht vom Wirthschaftshof blinkte, fiel ihr auf. Sie wußte nichts davon, daß Lüdinghausen und Raimar des ersteren Wagen benutzt hatten und daß Raimars Fuhrwerk allein folgen sollte. Raimars Kutscher hatte keine Eile, sich von den ihm befreundeten Stallbedienten auf Römpkerhof zu trennen.
Die Gewohnheit, nach dem Rechten zu sehen. war so stark in Rahel, daß sie unwillkürlich stehen blieb und versucht war, nach [379] den Ställen zu gehen. Aber sie unterließ es doch und ging mit ihrem gewöhnlichen, gleichmäßigen Schritt weiter, zum Parkthor hinaus.
Es war so dunkel, wie eine Regennacht im August nur sein kann. Der schreitende Fuß hob sich schwer aus dem aufgeweichten Boden. Den Schleier, welchen Rahel um ihr Gesicht gebunden hatte, mußte sie entfernen, denn er nahm ihr die Möglichkeit, auch nur das Geringste zu erkennen.
Schwarz war alles: die Luft, die Erde, die Bäume, die Wegeslinie. Dennoch hoben sich aus der Dunkelheit zuweilen die Körper hervor, die durch ihren Mangel an Durchsichtigkeit noch schwärzer wirkten als die Nacht selbst. Die Baumstämme am Wege wurden in einer gewissen Nähe deutlich und an ihnen, die sie alle genau kannte, sah Rahel dessen Richtung, die sie auch durch den tastenden Fuß fand, da dieser ein Abirren in den grasigen Rain sogleich fühlte.
Mit einer drückenden Eintönigkeit war der Regen den ganzen Tag herabgefallen, seit einigen Stunden kämpfte ein leichter Wind mit dem Wolkenmeer am Himmel. Rahel hatte den Wind von der Seite und merkte bald, daß ihr Mantel dort naß und immer schwerer wurde. Dabei schritt sie stetig vorwärts.
Bei der Bewegung des Gehens arbeitete das Gehirn doppelt rastlos und frisch. Rahel wiederholte sich immer wieder, was sie schon seit einer Stunde gedacht; aber ganz unmerklich wirkte das steigende Unbehagen ihres Körpers auf ihre Gedanken und stimmte diese immer zaghafter.
Ihre Schuhe waren ganz durchnäßt, das Kleid, welches ihre Hand bisher zusammengerafft hatte, mußte sie loslassen, weil ihr die Finger lahm wurden. Nun schlug der nasse und bald vom Straßenschlamm schwere Kleidersaum um ihre Füße. Sie stolperte zweimal und erschrak jedesmal so, daß ihr Herz rasend kopfte. Davon stieg ihr das Blut zu Kopf und sie hörte allerlei sausende Geräusche, welche ihre erwachende Angst nach außen verlegte und für Wirklichkeit hielt.
Und jäh wußte sie, daß das, was sie hier that, keineswegs einfach und natürlich war, sondern sinnlos und verzweifelt.
Sie blieb stehen und weinte vor Erschöpfung und vor Scham.
Wie lange sie wohl gegangen sein mochte? Sie wußte es nicht. Der Baum, an welchem sie so jammervoll stand, schien ihr der alte Apfelbaum zu sein, welcher auf der Kohlhütter Grenze die Reihe der Ebereschen am Weg unterbrach. Dann lag mehr als der halbe Weg hinter ihr, und „zurück“, das hieß mehr Mühen, Nässe und Dunkelheit überwinden, als wenn sie sich vollends ans Ziel schleppte.
Zurück?!
Rahel zitterte heftig. Hier in dieser bangen Verlassenheit wurde noch eine Stimme in ihr laut, welche sie im Licht ihres Zimmers nicht zur Sprache hatte kommen lassen. Morgen, wenn sie der Schwester wieder ins Auge sehen mußte, würde diese vielleicht noch einmal sagen: „Du wolltest ihn wohl für Dich selbst!“
Dies Wort konnte sie nicht noch einmal hören. Lieber ewig so fortwandern in Angst und Beschwerde.
Sie wollte weiter, allein ihre Füße gehorchten ihr nicht mehr; ihre Kniee zitterten und es fehlte ihr an Willensmacht, dem Körper zu gebieten. Sie lehnte sich gegen den Baumstamm. Daß sie hier nicht stehen bleiben könne, bis der Morgen tage, war der letzte klare Gedanke, der noch mit ihrer fassungslosen Verzweiflung rang. Sie weinte, weinte alle Thränen, die sie seit Monaten zurückgehalten hatte.
Durch das rauschende Getön der im Wind bewegten nassen Baumkrone klang ein dumpfes Rollen. Sie hörte es gar nicht. Sie merkte nicht, daß ein Wagen herankam, und hätte ihn gewiß mit einem stumpfen Blick äußerster Gleichgültigkeit an sich vorbei gelassen.
Aber der Kutscher hatte neben seinem Bock die Laternen brennen, welche seinen Pferden die nächste Wegstrecke beleuchteten und ihr ausstrahlendes Licht auch über die Bäume am Rain gleiten ließen, so daß diese in ausnahmsloser Regelmäßigkeit vor seinem Auge kurz auftauchten und wieder in die Nacht hinter ihm zurücktraten.
„Na nu,“ sagte der Mann und hielt sein Gespann an, als der Schein ihm eine Gestalt unter dem alten Apfelbaum an der Kohlhütter Grenze zeigte.
„Heda, Sie!“ rief er und senkte seine Peitschenspitze auf die Gestalt zu, als wollte er sie antippen, aber die Peitsche reichte nicht so weit.
Jetzt sah er, daß er ein weinendes Weib vor sich hatte. Das wurde ihm denn doch zu bunt, besonders auch, weil sie nicht antwortete und die Hände nicht vom Gesicht nahm. Er fühlte sich von den Zeiten her, da sein Herr Landrath gewesen war, noch immer als „Behörde“ und hatte die Neigung behalten, mit väterlicher Strenge das junge Volk in der Gegend zu ermahnen. Er kletterte vom Wagen und hatte dabei in Gedanken schon ein Dutzend Personen als verdächtig an sich vorübergleiten lassen.
„I, du lieber Himmel! Das kommt mir doch vor, als wenn’s unsere Trine ist. Und bei solchem Wetter treibst Du Dich auf der Landstraße herum? Wohl wieder hinter dem Heini? He, was? Er heirathet Dich doch nicht.“
Der Alte, dem das Wasser von seinem mit Wachstafft bezogenen Cylinder wie eine Traufe vorn herunterfloß, packte Rahel hart am Arm. Er hatte natürlich nur an irgend eine Kuh- oder Küchenmagd von Kohlhütte gedacht.
Als Rahel die Stimme so nahe hörte und den Griff am Arm verspürte, seufzte sie tief auf und erhob ihr Gesicht.
„Ich bin es, Claußen,“ sagte sie leise.
Der gute Mann war für sie ein Stück von Raimar selbst. Seit sie denken konnte, kannte sie ihn.
Claußen taumelte fast zurück. Die Römpkers waren für ihn, nächst seinem Herrn, die am meisten respektheischenden Personen von der Welt. Aber bei einer solchen Gelegenheit ging der Respekt in Erstaunen, Neugier und abfälliger Kritik unter.
„Na, da hört sich einfach allens auf,“ sagte er breit und sah Rahel von oben bis unten an.
„Da bei Ihnen auf Römpkerhof ist ja wohl heute der Deubel los. Erst muß mein Herr hinfahren, bei dem Wetter, wo wir sonst nicht mal ’nen Ackergaul riskieren, geschweige denn die Füchse. Aber es hilft nicht. ‚Claußen,‘ sagte er, ‚auf Römpkerhof ist was Feierliches im Gange.‘ Schön feierlich! Kunterbunt ist es zugegangen. Vom Essen sind sie weggelaufen und mein Herr fährt mit dem jungen Landrath auf und davon. Und hier finde ich das kleine Fräulein!“
Nach einer kleinen Pause, während welcher Rahel ihn matt ansah, fuhr er zögernd fort:
„Soll ich Ihnen nach Römpkerhaf zurückfahren? Es ist ein bißchen viel für die Füchse, in dem Regen …“
„Nehmen Sie mich mit, Claußen,“ bat Rahel schnell, „ich kann auf Kohlhütte bleiben.“
Aus Rücksicht auf seine Pferde unterdrückte Claußen die Bemerkung, ob man sie zu Hause denn nicht vermissen werde. Er knöpfte das Leder los und half Rahel in den Viktoriawagen steigen. Dabei brummte er, daß ihm so eine verrückte Geschichte auch noch nicht vorgekommen sei und daß man besser gethan hätte, allerseits zu Hause zu bleiben, denn er habe bloß Mühe davon, indem er morgen den Wagen zwei Stunden putzen könne.
Er kletterte wieder auf den Bock und fuhr zu.
Rahel barg sich tief in einer Ecke unter dem Verdeck.
Ihre Thränen versiegten. Sie starrte ins Dunkel. So, schien es ihr, lag auch nachtgleich ihr zukünftiges Leben vor ihr.
Sie fühlte sich ganz aus der ruhig sicheren Bahn ihres bisherigen Seins geschleudert und fragte sich verzweifelt, wie das gerade ihr habe geschehen können, die das Ungewöhnliche nie gewollt und nie gesucht habe.
Es hatte ihr immer als etwas so Selbstverständliches geschienen, Wahrheit zu geben und Wahrheit zu fordern.
Und durch diese Forderung hatte sie sich jetzt von ihrem ganzen friedlich stillen Dasein entfernt und war auf die Bahnen des Ungewissen, ja des Zweideutigen gerathen. Denn was sollte die Welt von einem Mädchen denken, das im Zwist mit Vater, Mutter und Schwester allein in die Nacht hinauslief!
„Und dennoch,“ dachte sie mit einer leidenschaftlichen Festigkeit, „dennoch war es recht. Ich durfte nicht leiden, daß man ihn betrog.“
[380]
Die Gräber unsrer großen Musiker in Wien.
Die großen Tonmeister, die in Wien lebten und starben, fanden ursprünglich in den Friedhöfen der Vororte, welche die alte Kaiserstadt umgeben und nun mit ihr vereint das neue Groß-Wien bilden werden, ihre letzte Ruhestätte. Gluck, der Reformator der Oper, wurde im Matzleinsdorfer katholischen Friedhof, Haydn, der Begründer der modernen Instrumentalmusik, im Hundsthurmer, Mozart, der Beherrscher des Opernreichs, im St. Marxer, Beethoven, der Vollender der klassischen Kunst, gleich Franz Schubert, dem romantischen Meister des Liedes, im Währinger Friedhof in die kühle Erde gebettet. Dort ruhten sie Jahrzehnt um Jahrzehnt in ungestörtem Schlummer. Erst die Entstehung des Centralfriedhofs, der sich als ungeheure Todtenstadt eine Stunde entfernt von den Thoren der Lebendigen hinzieht und Ersatz für die allmählich in Wegfall kommenden alten kleinen Friedhöfe gewähren soll, legte den Gedanken nahe, die Reste der großen Tonkünstler, die zu den ruhmreichsten der entschlafenen Söhne Wiens gehören, dahin zu übertragen, damit sie in den Ehrengräbern, die man für sie bereit hielt, beisammen lägen, eine Größe neben der andern.
Nicht vollzählig mehr konnte man sie freilich hier versammeln. Auf Haydns Asche hatten die Fürsten Esterhazy, denen er dreißig Jahre lang als Kapellmeister treue Dienste geleistet, Anspruch erhoben. Sie war im Jahre 1820, elf Jahre nach des Künstlers Tode, nach Eisenstadt in Ungarn übergeführt worden. Und Mozarts Asche, wer wußte sie zu finden? Hat es doch ein wunderlich Schicksal gefügt, daß niemand mit Bestimmtheit die Stätte kennt, da der Schöpfer des „Don Juan“ den letzten Schlaf schläft! Als Mozart starb und sich bei Tausenden von Schulden nur sechzig Gulden in seinem Nachlaß vorfanden, sparte van Swieten, der Freund, welcher der erkrankten Witwe seinen Beistand lieh, den Luxus eines eigenen Grabes: eine Massengruft, die fünfzehn bis zwanzig Särge zu bergen pflegt, nahm die sterbliche Hülle des unsterblichen Meisters auf. Mit einem Kondukt dritter Klasse beerdigte man sie und zahlte dafür 8 Gulden 36 Kreuzer, dazu noch 3 Gulden für den Todtenwagen. Mutterseelenallein ging der große Mozart den letzten Gang. Kein Freund geleitete ihn, als man ihn vor nun fast hundert Jahren, am Nachmittag des 6. Dezember 1791, unter Regen und Schneesturm hinaustrug auf den fernen St. Marxer Friedhof. Einige wenige, die, wie Salieri, van Swieten, Süßmayr – der Vollender des „Requiems“ – und andere, der Einsegnung in der Stefanskirche beigewohnt hatten, kehrten des Unwetters wegen an der Kirche oder am Stubenthor um. Als die Witwe nach ihrer Wiedergenesung das Grab besuchen wollte, vermochte ein mittlerweile neu eingetretener Todtengräber ihr die Stelle nicht mehr anzugeben. Sie war und blieb bis auf den heutigen Tag unbekannt.
Im Widerspruch mit dieser als feststehend geltenden Thatsache befindet sich die neuerliche Mittheilung eines vielgelesenen Wiener Blattes, derzufolge der Todtengräber von St. Marx, ein Verehrer Mozarts, der diesen begrub und nach gethaner Arbeit, wie es heißt, die Grabstelle in seinem Kalender verzeichnete, zehn Jahre später bei Ausschachtung des Massengrabes den Schädel des Meisters, als letzten in der Reihe der darin Geborgenen, an sich genommen und als Reliquie aufbewahrt haben soll. Sein Amtsnachfolger schenkte den Schädel samt Kalender, so heißt es weiter, nachmals dem Kupferstecher Hyrtl in Wien, von dem ihn sein Bruder, der berühmte Anatom Hofrath Professor Hyrtl, erbte, während der dazu gehörige Kalender leider verloren ging und im Nachlaß vergebens gesucht wurde. In Hyrtls Hause in Perchtoldsdorf bei Wien befindet sich gegenwärtig der fragliche Schädel, und der Besitzer, welcher denselben der Stadt Salzburg testamentarisch vermacht hat, zweifelt nicht an der Echtheit desselben, wie er d. Verf. in einem Briefe vom 14. Februar dieses Jahres bestätigte. Laut letzterem brachte jenes Wiener Blatt ganz wortgetreu alles, was Professor Hyrtl von seinem Bruder über den Mozartschädel weiß.
Es ist aber leider – die Autorität des berühmten Gelehrten in gebührenden Ehren! – mit dem, was, wie oben erwähnt, als feststehende Thatsache gilt, nicht in Einklang zu bringen. Denn wenn der Todtengräber von St. Marx wirklich zehn Jahre und länger nach Mozarts Tode noch seines Amtes waltete und dessen Grabstelle genau zu bezeichnen imstande war, wie hätte diese dann, den emsigen Nachforschungen der Witwe des Künstlers, ihres nachmaligen Gatten Nissen und anderer zum Trotz, unbekannt sein und bleiben können? Und wenn der Kalender des Todtengräbers mit Angabe der Grabstätte durch lange Jahre im Besitz des Kupferstechers Hyrtl war, warum hätte sich dieser, während man sich in Wien zu verschiedenen Zeiten, wie in den Jahren 1808, 1841, 1842, 1855 öffentlich aufs angelegentlichste mit der Auffindung von Mozarts Grabe beschäftigte,[1] in ein mit der Pietät für Mozart schwer vereinbares, undurchdringliches Schweigen gehüllt, da dieser Kalender doch allen Kombinationen und Aussagen dritter Personen ein rasches Ende bereiten konnte?
Auf Veranlassung d. Verf. wurden durch gütige Vermittelung des Direktors des Wiener Stadtarchivs, Regierungsrath Weiß, neuerdings umfängliche Nachforschungen angestellt, um den Nachweis zu erbringen, ob der Todtengräber von St. Marx, welcher bei der Beerdigung Mozarts am 6. Dezember 1791 sein Amt versah, thatsächlich (wie Otto Jahn in seiner ausgezeichneten Mozartbiographie und andere anführen) bald darauf durch einen neuen ersetzt wurde, oder ob vielmehr (der Lesart des betreffenden Blattes entsprechend) der damals thätige Todtengräber zehn Jahre danach, also bei Ausschachtung des Massengrabes, und länger noch im Amte war. Leider geben weder die Bücher und Akten der Magistratsregistratur, noch die des Kirchenmeisteramtes von St. Stefan und die Kanzlei des St. Marxer Friedhofs eine Antwort auf diese Frage. Nicht einmal der Name des betreffenden Todtengräbers war daselbst in Erfahrung zu bringen. Dagegen enthalten die Akten des Stadtarchivs über die Säkularfeier der Geburt Mozarts im Jahre 1856 das nachstehende wichtige Protokoll, das vom Magistrat am 25. November 1855 aufgenommen wurde.
Ludwig Rothmayr, Todtengräber am Matzleinsdorfer Friedhofe, giebt an:
- Ich wurde im J. 1804 am St. Marxer Friedhofe geboren, woselbst mein Vater Josef Rothmayr Todtengräber war, der im J. 1809 gestorben ist. Ich verblieb daselbst bis zum J. 1828, während welcher Zeit mein Stiefvater Löffler Todtengräber war, und kam dann als selbständiger auf den Hundsthurmer Friedhof.
- Von dem Grabe Mozarts habe ich nie etwas Bestimmtes gehört; jedoch kann ich mit Gewißheit behaupten, daß das Friedhofskreuz und die Todtengräberswohnung nie verändert wurden. Die Manipulation mit den allgemeinen Gräbern war von jeher dieselbe.L. Rothmayr m. p.
Wann sein Vater auf dem St. Marxer Friedhof angestellt wurde, wußte Rothmayr leider nicht anzugeben. Vierundzwanzig Jahre aber verlebte er, dieser seiner Aussage zufolge, während der Amtsführung seines Vaters und Stiefvaters auf dem St. Marxer Friedhof. Konnte ihm da der nach den erwähnten Mittheilungen angeblich in den Jahren 1801 oder 1802 ausgegrabene Schädel Mozarts, der, wie es heißt, von dem Todtengräber und dessen Nachfolger viele Jahre als „Reliquie“ aufbewahrt wurde, verborgen bleiben, zumal der Kupferstecher Hyrtl, wie er erzählte, bei einem zufälligen, durch ein herbstliches Unwetter herbeigeführten Eintritt in die Todtengräberwohnung dieser Reliquie doch sofort ansichtig wurde? Mußte ferner der Sohn des Todtengräbers nicht auch von der im Hause befindlichen wichtigen Kalendernotiz Kenntniß haben, wenn man dem fremden Gast Hyrtl so bereitwillig Mittheilung davon gemacht haben soll? Genug, an den Thatsachen gemessen, erscheint die [381] Erzählung Hyrtls räthselhaft. So wird es wohl auch in Zukunft bei dem verbleiben, was Grillparzer einst sang:
„Wenn man das Grab nicht kennt, in dem er Ruh’ erworben,
Wen, Freunde, ängstet das? Ist er doch nicht gestorben!
Er lebt in aller Herzen, aller Sinn
Und schreitet jetzt durch unsre Reihen hin,
Der große Meister in dem Reich der Töne,
Der nie zu wenig gab und nie zu viel,
Der stets erreicht, nie überschritt sein Ziel,
Das mit ihm eins und einig war – das Schöne.“
An der Stelle, wo man Mozarts Grab nach dem Zeugniß dreier Personen ungefähr zu suchen hatte, – es war dies gegen den Eingang zu rechts vom Friedhofskreuze, in der fünften Gräberreihe[2] – errichtete die Stadt Wien im Jahre 1859 ein Denkmal, das nun, in Ermangelung der Asche des Gefeierten, auf den Centralfriedhof überging.
Eine trauernde Muse mit Lorbeerkranz, Lyra und Notenblatt (aus dem „Requiem“) darstellend, darunter Mozarts Medaillon, erhebt es sich inmitten des Halbkreises, der die Gräber Beethovens und Schuberts und ein wenig zurückliegend, so daß das Mozartdenkmal es den Blicken des Davorstehenden verdeckt – auch das Grab Glucks umschließt.
Glucks Grab ist das jüngste der den Centralfriedhof weihenden Musikergräber. Die Steinplatte, die es deckt, hat sich erst am 29. September 1890 darauf gesenkt, während Beethovens Gebeine bereits am 22. Juni 1888, diejenigen Schuberts am 23. September desselben Jahres hier die letzte Herberge fanden. Der Denkstein: ein Obelisk mit dem in Erz gegossenen Medaillon Glucks, wurde, vom Matzleinsdorfer Friedhof mit herüber genommen. Er trägt, dem Jahre 1846 entstammend, die seltsame Inschrift: „Im Einhundert dreißigsten und zweiten Geburtsjahre errichtet.“ Durch ein Versehen erhielt sie diese Gestalt. Sie lautete zuerst: „Im Einhundert dreißigsten Geburtsjahre errichtet.“ Da man sich aber verrechnet hatte, wurden die Worte: „und zweiten“ nachträglich noch eingefügt.
Auf der Basis liest man die Worte:
„Hier ruht
ein rechtschaffner deut-
scher Mann, ein eifriger
Christ, ein treuer Gatte,
Christoph Ritter Gluck,
der erhabenen Tonkunst
großer Meister.
Er starb am 15. Novem. 1787.“
Wenige Schritte nur von Glucks Grab entfernt, in unmittelbarer Nachbarschaft des Mozartdenkmals, ragt ein weißer Marmorobelisk empor, eine reichere, edlere Nachbildung des schlichten Sandsteinobelisken, der einst Beethovens Grab auf dem so poetischen, nun leider in der Zerstörung begriffenen Währinger Friedhof bezeichnete. Die Symbole von Tonkunst, Seele und Ewigkeit: eine Leier, ein Schmetterling und die sich zum Ring zusammenschließende Schlange, sind außer dem Namen „Beethoven“ sein ganzer Schmuck. „Wir haben ihm einen Stein setzen lassen,“ schrieb zur Enthüllung desselben im Herbst 1827 Grillparzer, „damit noch unsere Enkel wissen, wohin sie zu knieen haben und die Hände zu falten und die Erde zu küssen, die seine Gebeine deckt. Einfach ist der Stein, wie er selbst war im Leben. Der Name Beethoven steht darauf und somit der herrlichste Wappenschild, purpurner Herzogsmantel zugleich und Fürstenhut.“
Wie auf dem alten Währinger Friedhof, so liegt auch hier Franz Schubert, der Lieder-Beethoven, in nächster Nähe des Meisters, zu dem er im Leben aufblickte wie zu seinem höchsten Ideal, und dem auch im Tode nahe zu bleiben sein letzter Wunsch hienieden gewesen war. Zum Glück ist ihm die plastische Ausschmückung seines Grabes, die an Geschmacklosigkeit ihresgleichen suchte, nicht mit an seine neue Ruhestatt nachgefolgt. Auch die frühere, von Grillparzer herrührende Grabschrift: „Der Tod begrub hier einen reichen Besitz, aber noch schönere Hoffnungen,“ die uns durch Schubert Reichgewordenen als eine unberechtigte, wenig dankbare Klage erscheint, hat, als von der Zeit überholt, keinen Platz daselbst gefanden. Nur der Name Franz Schubert spricht nun zu dem Beschauer und weckt in ihm eine Welt voll Sang und Klang, die Erinnerung an ein Tongenie, das volksthümlich und tiefsinnig, naiv und erhaben, frohgemuth und schwermuthsvoll zugleich alle Stimmungen und Gefühle der Menschenbrust im engen Rahmen des Liedes austönend, unser Volk mit einem Liederschatz beschenkte, um den es alle andern Nationen der Erde beneiden dürfen. Auf dem Relief an seinem Grabe bekränzt die Muse der Tonkunst des Tondichters Büste, während ein Genius zu ihren Füßen ihr Blumen darreicht. Der arme [382] Schubert! So lange er auf Erden wandelte, blühten ihm wenig andere Blumen als die, welche seinem Sang entsproßten. Wie von seinem „Wanderer“ galt im äußeren Sinne auch von ihm selber das Wort: „Dort wo du nicht bist, dort ist das Glück!“ Scheint es doch vorwiegend das Geschick derer zu sein, die uns im Kunstwerk ihr Bestes darbringen, uns die Seele beschwingen zum Flug in eine reinere ideale Welt, daß sie das Leben rauhe, unwegsame Pfade gehen heißt, gleichsam zur Buße dafür, daß es sie mit der Weihegabe des Genies gesegnet hat. Um so mehr erwächst der Nachwelt die Pflicht, durch Liebe, Dank und Anerkennung mit gerechter Hand auszugleichen, was Schicksal und Mitwelt dem Genius schuldig blieben.
Alle Rechte vorbehalten.
Eine Räubergeschichte.
(Schluß.)
Endlich löste sich die qualvolle Spannung. Die Kerle wurden des Gegenüberstehens und Anstarrens müde und kehrten sich brummend ab, dem Festland zu, nachdem der eine noch einmal ganz nah herangeschlichen war und nach Clelias goldenem Reif geschielt hatte. Sie entfernten sich ein paar Schritte, blieben dann nochmals stehen, scheue, finstere Blicke auf uns werfend – und jetzt – ja, unzweifelhaft, sie zogen sich zurück, sie gingen einer um den andern auf den Waldweg zu, den Wildbach hinauf und verschwanden allmählich hinter der Biegung.
Sobald der Bann von uns genommen war, flohen wir eilends nach der Felsennische, und ich bin gewiß, Signora Clelia hat in ihrem Leben noch nie so rasch Toilette gemacht wie an diesem Morgen.
Jetzt erst überlegten wir ruhig, was zu thun sei. Daß wir nicht allein hinter den Banditen her nach San Terenzo zurückkehren konnten, das stand uns sogleich fest. Hier am Strand waren sie doch durch die Nähe der Fahrstraße, vielleicht auch durch das mögliche Auftauchen eines Nachens in Schach gehalten; sollten wir ihnen jetzt wehrlos in das abgelegene Dunkel des Waldwegs folgen? Sollten wir nicht lieber den Weg nach Lerici einschlagen, um dort Hilfe zu holen? Dem aber stand ein anderer Gedanke entgegen. Wir vermutheten nämlich, daß die Unholde eben von dort her gekommen seien, daß auf der einsamen Straße noch andere von derselben Bande lauern möchten.
Unschlüssig setzten wir uns auf die Holzbank vor der Villa Orlandini und warteten, indem wir unsre gelösten Haare trocknen ließen.
Die Sonne stand jetzt über unserem Scheitel, jenes riefe, feierliche Schweigen war eingetreten, das um die Mittagszeit am Meere zu herrschen pflegt. Selbst die Vögel im Park der Maccarani waren verstummt, kein Hundegebell ließ sich mehr vernehmen, nur das leise Klatschen der steigenden Fluth am Ufer.
Endlich wurde auf der Fahrstraße über uns in weiter Ferne eine Gestalt sichtbar; wir verfolgten sie mit gespannten Blicken, sie kam näher, es war ein Mann, der rüstig ausschritt und offenbar San Terenzo zustrebte. Jetzt kam er schon den Abhang herunter und wollte, mit raschem Gruß an uns vorübereilend, den Klippenweg einschlagen. Es war ein Mann in mittleren Jahren, augenscheinlich auch den mittleren Ständen angehörig und von mittlerer Statur, gleichviel, er war ein Mensch von civilisiertem, vertrauenerweckendem Aussehen und trug einen Bambusstock, der zwar keinen Vergleich aushielt mit den Urwaldsknüppeln unserer Banditen, aber immerhin ein Stock war.
Wir riefen ihm zu, daß der Klippenweg des Hochwassers wegen nicht gangbar sei, erzählten unser Abenteuer und baten ihn, uns durch den Waldweg nach San Terenzo zu begleiten.
Der Mann hörte unsere Erzählung mit etwas ungläubigem Lächeln an, war jedoch gern bereit, uns zu begleiten, unser Weg sei ohnehin der seinige.
Während wir langsam den Waldweg hinaufstiegen, unser Beschützer voran und wir ihm auf dem Fuße folgend, entspann sich zwischen mir und Clelia ein leise geführter Streit über die Anzahl unsrer Banditen, da ich dieselbe aufs Gerathewohl auf fünf angegeben hatte, Clelia aber sich nur an vier erinnern konnte. Doch weil ich meiner Sache nicht gewiß war, ließ ich mich leicht zu ihrer Ansicht bekehren.
Als wir um den Waldweg bogen, standen wir alle drei einen Augenblick vor Bestürzung still. Auf einem Baumstumpf saß einer unsrer Briganten, beide Hände um den Stock geschlungen, als habe er auf uns gewartet. Unser Begleiter schritt jedoch vorwärts und wir folgten.
Als wir nahe kamen, erhob sich der Unhold, riß sich den zerlöcherten Hut vom Kopf und grüßte tief und ironisch. Hinter einem Baum trat ein zweiter hervor und bekomplimentierte uns gleichfalls, doch ließen sie uns unangefochten vorüber und folgten erst aus einiger Entfernung.
„Wären wir nur schon bei der Marigola,“ seufzte Clelia, „dort wohnen doch wieder Menschen!“
Unser Begleiter machte ein gleichmüthiges Gesicht und pfiff leise vor sich hin, doch fühlte ich, daß auch ihm nicht geheuer bei der Sache war. Die Befriedigung, ihn so für seinen Unglauben gestraft zu sehen, half mir fast über die eigene Furcht hinweg.
Endlich war die Marigola erreicht, doch, o Schreck! – vor dem sonst immer offenen Hoftor, das nur heute gerade geschlossen war, stand wieder einer von unsern Strolchen. Dieser grüßte nicht, sondern starrte uns nur auf unverschämte Weise ins Gesicht. Und als wir um die Ecke bogen, sahen wir auch den vierten, der langsam vor uns her den Solaro hinunter humpelte.
Gleichviel, wir waren jetzt in der Nähe menschlicher Wohnstätten, da und dort stand schon ein Häuschen am Wege, bald kam das Dörfchen Bagnola in Sicht, und von hier aus waren es nur noch einige hundert Schritte nach San Terenzo. Wohlbehalten kamen wir an, doch erst in der Nähe des Orts verloren wir unsre unheimliche Gesellschaft aus den Augen.
Im Umsehen lief unser Abenteuer von Mund zu Munde. Ueberall wurden wir angehalten, befragt, man bedauerte nur, daß heute nicht der „Tag der Carabinieri“ sei, sonst wollte man der Strolche gleich habhaft werden und ihnen den Respekt vor fremden Badegästen beibringen.
Giacomino kam sehr niedergeschlagen und sagte:
„Es war mir schon lang nicht wohl bei Ihrem Umherstreifen [383] Die Weiber von San Terenzo trauen sich seit Wochen nicht mehr allein aufs Feld zum Grasschneiden wegen der Strolche.“
„So?“ sagte ich gedehnt. „Also wußtet Ihr von ihnen?“
„Ich wußte nur, daß vor einiger Zeit zwei Sträflinge aus dem Zuchthaus von Carrara ausgebrochen sind und sich in hiesiger Gegend umhertreiben sollen.“
„Beim Himmel!“ sagte ich, „warum habt Ihr mich denn nicht gewarnt?“
Der alte Seemann sah mich mit seinen ehrlichen blauen Augen an und sagte ganz harmlos:
„Ja, wenn wir die Badegäste verscheuchen, wovon sollen dann die armen Leute in San Terenzo leben?“
„Auch du, Brutus!“ dachte ich.
Wer dagegen glühende Kohlen auf unsre Häupter sammelte, das war der „Principe“.
Mitfühlend trat er zu der Gruppe heran und sagte:
„Ja, Giacomino wäre verpflichtet gewesen, Sie zu warnen; ich habe es nicht gekonnt. Sie hätten ja sonst glauben können, ich spreche aus Eigennutz.“
Mit der höflichsten Handbewegung lud er uns ein, sein neues Etablissement zu besichtigen. Er führte uns durch seine Cabinen und ging bereitwilligst auf alle Verbesserungen ein, die Clelia vorschlug, wie Spiegel und kleine Fußteppiche, und als wir das Casino verließen, hatten wir beide unsere Karten für den Rest der Badezeit in der Tasche. Von da an badeten wir täglich dort, auch die andern Ueberläufer kehrten zurück und der „Principe“ hielt die ganze Gesellschaft wieder in seinen Vaterarmen.
Noch muß ich berichten, daß ich abends beim Nachhausekommen den Schlosser fand, der soeben einen neuen Riegel an die Hausthür nagelte.
So oft wir aber künftig unser Abenteuer erzählten, entstand zwischen mir und Clelia ein kleiner Streit, ob es eigentlich vier oder fünf Spitzbuben gewesen seien, und seltsamerweise war es jetzt immer Clelia, die auf der letzteren Lesart beharrte und sich dabei auf meine frühere Aussage berief. Ein skeptischer Maler aber, der uns eine noch größere Phantasie zutraute, als wir in Wahrheit besaßen, nannte die Strolche schlechtweg frei nach Falstaff unsre „elf Steifleinenen.“
Die Schutzmannschaft von Lerici war natürlich gleich Tags darauf bei mir und Clelia erschienen, um sich den Vorfall eingehend berichten zu lassen. Von da an sahen wir auch die blanken Uniformen eine Zeit lang täglich in den Gassen von San Terenzo auftauchen. Die Organe der Sicherheit schienen nachträglich ihre ganze Wachsamkeit auf uns vereinigen zu wollen, und wären die „von drüben“ wirklich sittlich so nieder veranlagt gewesen, wie es die öffentliche Meinung in San Terenzo annahm, so hätten sie jetzt vollauf Gelegenheit gehabt, ihren verderblichen Neigungen die Zügel schießen zu lassen. Indessen wurden keine Fälle von Piraterie ruchbar, aber auch von unsern Briganten verlautete nichts weiter.
Der Eifer der Carabinieri mußte bald abgekühlt sein, denn die weißen Federbüsche waren schon nach kurzem nicht mehr zu sehen.
Das ganze Abenteuer schien längst in Vergessenheit begraben, als ich eines Tages aus dem Casino geräuschvoll zu der Festnahme meiner Briganten beglückwünscht wurde.
Noch desselben Tages kamen auch die beiden Braven von Lerici herüber, glühend vor Siegeswonne, und berichteten ihre Geschichte, die ziemlich einfach war.
Als sie sich überzeugt hatten, daß ihre Streifereien in Uniform nutzlos seien, griffen sie zur List. In Verkleidungen, die sie, um Aufsehen zu vermeiden, täglich wechselten, durchforschten sie die Gegend lange vergeblich. Man nahm bereits an, daß sich die beiden Sträflinge ins Ligurische hinüber gezogen hätten, da kamen unsre zwei Carabinieri eines Tags auf den Einfall, als Schnitterinnen das lange Gras in der Vallata zu mähen, einen Korb mit Eßwaaren neben sich. Kaum waren sie am Werk, so brachen aus dem Rohrwäldchen hervor zwei zerlumpte, verwilderte Gestalten, mit langen Messern in den Gürteln und Knotenstöcken in den Händen, und versicherten sich ohne viel Umstände des Eßkorbs. Die vermeintlichen Weiber thaten sehr erschrocken, bis sie ihre Revolver aus den weiten Röcken gezogen hatten, dann riefen sie durch einen Pfiff in die Hände zwei in der Nähe aufgestellte Kameraden herbei und bemächtigten sich der Angreifer, die gleich durch Handschellen festgemacht wurden. Als die Strolche gesäubert und rasirt waren, konnte mit Hilfe der im Besitz der Behörde befindlichen Photographien mit Leichtigkeit bewiesen werden, wer sie waren.
„Es thut mir nur leid, daß ich sie Ihnen nicht vorstellen kann,“ fügte der höfliche Brigadier seiner Erzählung hinzu.
Ich dankte lachend für so viel Aufmerksamkeit, sah aber wohl, daß der Mann noch etwas auf dem Herzen hatte.
Nach einigem Zögern begann er:
„Wir hatten infolge Ihrer Begegnung in der Vallata den Befehl, auf fünf Briganten zu fahnden. Nun sind jedoch aus dem Zuchthaus von Carrara nur zwei entsprungen, und nur von diesen zweien haben wir das Signalement erhalten. Diese sind denn auch festgenommen und überführt, wiewohl sie den Ueberfall in der Vallata hartnäckig leugnen. Wo aber wären die drei andern hingekommen?“
„Ja, das frage ich auch.“
„Sind es denn wirklich fünf gewesen?“ fragte er mit einem kaum merklichen Lächeln. „Sollten Sie sich nicht getäuscht haben? Die Damen waren ja ohnehin über die Zahl nicht einig.“
„Herr Brigadier,“ sagte ich ernst, „ich kann auf vier Briganten einen Eid ablegen. Den fünften lasse ich dahingestellt, denn es könnte sein, daß ich aus Schreck einen doppelt gesehen hätte.“
„Könnten Sie nicht auch zwei doppelt gesehen haben?“
„Nimmermehr!“ entgegnete ich.
Signora Clelia, an die man sich gleichfalls mit der Frage wandte, wurde sehr unmuthig, sie erinnerte sich jetzt ganz genau nicht nur der vier, sondern auch des fünften, den sie eben so deutlich beschrieb wie seine Kameraden, so daß ich über dieser Sicherheit selbst wieder irre wurde und mich am Ende ihrer Aussage anschloß.
Der Brigadier ließ die Frage eilig fallen, er wollte die Signora offenbar durch keinen weiteren Widerspruch reizen, damit die Zahl der Briganten sich nicht noch vermehre.
Die Nachforschungen wurden aufs neue betrieben, doch ohne weiteres Ergebniß. Der größere Theil der Badegesellschaft neigte nun natürlich zu der Ansicht, daß wir in jener Schreckensstunde unter dem Bann einer optischen Täuschung gestanden hätten; wir mußten uns manche Neckereien gefallen lassen und besonders der skeptische Maler versetzte Signora Clelia in hellen Zorn, weil er uns in seinem trockenen Ton dringend rieth, betreffs der Zahl einen Vergleich mit den Wächtern des Gesetzes zu schließen – es sei ja schon Triumph genug, daß jetzt zwei wirkliche Banditen verbürgt und in die Annalen der Geschichte eingetragen seien. – –
Er gab sich für ein Original, dieser Maler, der seinen deutschen Namen Georg Maurer ins Italienische übersetzt hatte und sich jetzt „Giorgio Mauro“ schrieb. Hoch oben im Gebirge hatte er sich in einem alten baufälligen Thurm einquartiert und kam nur, wenn ihn der Hunger trieb, nach Lerici oder San Terenzo herunter; den Rest der Zeit verbrachte er in seiner Einsiedelei – wo er vom Meer nichts sah als einen Streifen am Horizont – unter Kühen, Ziegen und Farbentöpfen. Und das nur der Badegesellschaft wegen, die er haßte, ohne sie zu kennen, denn er behauptete, sie hätte dem Golf schon seine besten Reize wegbewundert, die darum von Jahr zu Jahr weniger würden. Nie malte er einen Gegenstand, der schon andern zum Modell gedient hatte, und ebensowenig konnte er es leiden, wenn ihm jemand bei der Arbeit zusah, weil er versicherte, daß der Genius alsbald von ihm weiche, wenn seine Heimlichkeit gestört werde, und daß dann von Stund an kein Segen mehr bei seinem Werk sei.
Darum wunderten wir uns ein wenig, als wir eines Tages von ihm aufgefordert wurden, ihn in seiner Klause zu besuchen und sein neuestes Bild in Augenschein zu nehmen. Er sei durch Giacominos Erzählung von dem Briganten Giuseppe Suffardi angeregt worden, den Ueberfall einer Postkutsche auf der Magrabrücke zu malen, und habe das Bild für die römische Ausstellung bestimmt. Da wir im Brigantenfache Sachverständige seien, fügte er lächelnd hinzu, halte er große Stücke auf unser Urtheil. Ich sagte ihm auch, soweit es von mir abhing, gern unsern Besuch zu; schwieriger war es, Signora Clelia für die Partie zu gewinnen, die, seitdem sie nicht mehr jeden Tag über Geröll und Klippen nach der Vallata zu pilgern brauchte, gleich wieder in ihre alten trägen Gewohnheiten zurückgefallen war, sich um neun Uhr erhob und gegen Mittag mit ihrer ersten Toilette fertig wurde.
Doch ich fand den Weg zu ihrem Herzen, denn ich erinnerte mich, daß ich in ihrem Zimmer ein niedliches mitgebrachtes Jagdgewehr gesehen hatte, das vorjährige Geschenk ihres Mannes, ein unschuldiges Spielzeug, das bis beute noch keinen Tropfen Blut vergossen hat. Ein zierlicher Jagdanzug befand sich gleichfalls unter [384] ihrem Gepäck, denn das hübsche Köpfchen der Signora warf von Zeit zu Zeit phantastische Blasen auf, die der Gatte geschickt auf das unschädliche Gebiet der Toilette abzulenken verstand.
Ich redete ihr also ein, daß sie sich reizend ausnehmen müßte im kurzen grünen Jagdkleid, das kleine Filzhütchen auf dem Kopf, mit dem Gewehr auf der Schulter in den frischen Morgen hineinwandernd. Das zog; sie freute sich schon auf das halbe Dutzend Vögel, das sie schießen, und auf die Ueberraschung des Malers, wenn sie ihre blutige Beute aus der Jagdtasche hervorholen würde als Zugabe für den Frühstückstisch.
Als wir aber am andern Morgen zeitig aufbrechen wollten, fand sich’s, daß die Patronen fehlten, sie waren bei der Abreise vergessen worden. Indeß durch eine solche Kleinigkeit ließ sich Signora Clelia nicht in ihrem Jagdvergnügen stören – war doch der Schaden ganz auf seiten des Malers.
Büchse und Jagdtasche wurden also dem kleinen Oscarino umgehängt, der uns auch heute begleiten durfte. Die Signora war wirklich zum Entzücken hübsch in dem grünen, nur bis zu den Knöcheln reichenden Röckchen, dem weißen Westchen mit Goldverschnürung und den hohen Stiefelchen von rothem Leder. Sie wußte es auch und dieses Bewußtsein hielt sie kühl, wie hätte sie es sonst bei solcher Temperatur erträglich finden können in Tuchkleid und hohen Schnürstiefeln? Denn natürlich, die Sonne stand schon hoch, wir hatten ja mehr als eine Stunde über dem Suchen nach den Patronen verloren.
Oscarino ließ den Hahn der Büchse klappen und gab drei stumme Salutschüsse ab, als wir endlich das Thürmchen erreicht hatten.
Der Maler, der uns von weitem entgegengekommen war, führte uns unter einem Rebenspalier durch, das schon große Beeren zeigte; dahinter waren Stakete angebracht, an denen sich prächtige rothe Tomaten unten am Boden hinrankten. Wir traten in einen kühlen, gepflasterten Hof, wo unter einem mächtigen Feigenbaum ein paar Stühle aufgestellt waren. Der Maler zog einen der schwerbehangenen Aeste nieder, daß wir die appetitlichen Früchte brechen konnten.
„Das ist meine Küche, mein Speiseschrank und Eßtisch,“ sagte er, während wir uns mit Wonne an dem triefenden rothen Fleisch labten.
Auf der linken Seite des Gehöfts lag noch ein niedriges schuppenartiges Gebäude, wohl ursprünglich ein Stall, das aber jetzt einen höheren Beruf erfüllte. Im Vorbeigehen hatte sich mir nämlich durch das tiefgelegene Fenster, dessen Scheibe völlig ausgebrochen war, ein seltsamer Anblick geboten. Fast die Hälfte des Gelasses nahm ein rohgemauerter Herd mit großem schwarzen Kamin ein, worauf allerlei unerforschliche Gegenstände untergebracht waren, im leeren Raum befand sich ein mehrschläfriges Bett – jedenfalls die Lagerstätte einer ganzen Familie. Daneben saß mit dem Rücken gegen das Fenster ein Mann in wollenem Hemd, mit schwarzem wirren Haar, der einem schreienden Kind große Mengen Brei mit einem Holzlöffel in den Mund stopfte. Ein paar Ziegen spazierten frei durch das Zimmer.
Der Maler führte uns die Thurmtreppe hinauf in sein Atelier, ein hohes, fast leeres Zimmer mit Fenstern nach allen Seiten, wovon aber drei mit alten Shawls und Strohmatten verhängt waren. Eine Staffelei mit einem großen Stück Leinwand, das uns vorerst nur die Kehrseite zeigte, ein paar an die Wand gelehnte Bilder, gleichfalls mit dem Rücken nach dem Beschauer, ein Tischchen, worauf Pinsel und Palette lagen, das war die ganze Ausstattung, denn die Stühle hatte der Hausherr zu unserm Empfang in den Hof getragen.
Er nahm das Bild von der Staffelei, drehte es um und begann im Tone eines Cicerone:
„Hier sehen Sie ein Bild des berühmten Giorgio Mauro, darstellend den Ueberfall eines Postwagens auf der Magrabrücke durch den Briganten Giuseppe Suffardi –“
Er konnte nicht weiter reden, denn Clelia war mit einem Schrei zurückgeprallt.
„Um Gotteswillen! Sehen Sie doch, erkennen Sie ihn?“ rief sie, mich am Arm schüttelnd.
Ich trat nahe an das Bild heran und sagte, im höchsten Grad betreten: „Bei Gott, er ist’s!“
„Was soll das heißen? Wen haben Sie erkannt?“ fragte der Maler, auch seinerseits betroffen.
„Einen unsrer Briganten aus der Vallata,“ sagte ich, „hier der vorderste, der den Pferden in die Zügel fällt –“
Aber Clelia faßte den Künstler am Arm und rief außer sich:
„Reden Sie. Wie kommen Sie zu diesem Gesicht? Wer hat Ihnen zu dem Briganten Modell gestanden?“
„Um Gotteswillen, Signora, beruhigen Sie sich,“ beschwor der Maler. „Hier liegt ein Irrthum vor –“
„Keineswegs,“ sagte ich, „der Kerl ist zu gut getroffen: das sind die buschigen Brauen über den starken Augenknochen – und sehen Sie her – ich müßte lachen, wenn es nicht zu unheimlich wäre – hier ist sogar der durchlöcherte Hut, aus dem der wilde Haarbüschel hängt.“
„Aber das ist ja mein eigener Hut!“ betheuerte der Maler; „ich habe ihn mir zu dekorativen Zwecken so zugestutzt, und das mit dem Haarbüschel ist meine eigenste Erfindung.“
„Gleichviel,“ sagte ich, „wir müssen wissen, wer Ihnen Modell gestanden hat.“
„Nein, das wird zu arg,“ rief nun der Maler. „Mein Modell ist mein eigener Hauswirth, die ehrlichste Haut von der Welt. Er nennt zwar nichts sein eigen als dieses alte Gemäuer, eine Vigne und einen Ziegenstall, der ihm zugleich als Küche und Familienzimmer dient, aber sein Herz denkt nicht an solche Gaunerstreiche. – Hier kommt er übrigens soeben über den Hof! – Nicola! Nicola!“ rief er zum Fenster hinaus.
„Jesus Maria!“ schrie Clelia, „ich will ihn nicht sehen, ich habe noch genug von damals, – lassen Sie ihn nicht herein! – O Gott, in welche Mördergrube sind wir gefallen!“
Sie flatterte wie ein erschrockenes Vögelein in dem Thurmgemach umher, aber das Verbot kam zu spät.
Schon polterte es an der Thür und ein paar Sekunden darauf stand der Unhold vor uns. Er war es, vom Scheitel bis zur Zehe, der erste, der uns damals in der Vallata angeredet hatte. Mir lag noch der dumpfe Ton im Ohr, mit dem er mir „un soldo, Signora!“ zugeraunt hatte. Nur daß er in dem grauen Wollhemd mit Beinkleidern, die ihm zu den Knöcheln herabreichten, und mit Holzschuhen an den Füßen denn doch bei weitem vertrauenerweckender aussah als damals. Das straffe, in langen Strähnen herumhängende Haar und der verwilderte schwarze Bart waren freilich noch abschreckend genug, aber die Augen blickten jetzt mit gutmüthigem und respektvollem Ausdruck, während er grüßte und unter der Thüre auf Befehle wartend stehen blieb. Auch gab ihm die abgezogene rothe Zipfelmütze, die er in der Hand hielt, einen leisen Anflug von Komik, der ungemein ermuthigend auf uns wirkte.
[385]
[386] „Sagt, Nicola, habt Ihr diese Damen schon irgendwo gesehen?“
Unser Unhold stotterte ein verlegenes „Nein“, das aber so aufrichtig klang, daß ich sofort die Ueberzeugung gewann, er erkenne uns nicht.
Ich trat deshalb nahe auf ihn zu, blickte ihm fest in die Augen und sagte:
„Habt Ihr uns nicht vor sechs Wochen drunten in der Vallata, als wir im Bade waren, um ein Almosen angesprochen?“
„O Gott!“ rief er unbedacht, und ein Strahl des Erkennens flog über seine Züge. Er machte auch gar keinen Versuch mehr, zu leugnen, sondern drehte rathlos die Zipfelmütze in den Händen. Endlich stammelte er:
„Signora, ich bin ein guter Kerl – der Herr Maler kann es Ihnen bezeugen, daß ich ein guter Kerl bin, keiner Mücke thäte ich etwas zu leide – – und wäre es nicht, um dem ‚Principe‘, der mein Gevatter ist, einen Gefallen zu thun – wir sollten Sie ja auch nur ein wenig anbetteln, nichts weiter! – Ach, Signora, Sie werden doch einen Vater von fünf Kindern nicht ins Unglück bringen wollen!“
Während er sprach, sahen wir drei uns in die Gesichter. Es zuckte von verhaltenem Lachen um Clelias Mund, die sich abwandte und ans Fenster trat, um das Verhör nicht zu unterbrechen. Nur der Maler schien seinen fragenden Blicken nach den Zusammenhang nicht gleich begriffen zu haben.
„Also der ‚Principe‘ hat Euch zu diesem Streich angespornt?“ fragte ich ernst. „Wißt Ihr, welche Strafe auf dem Vagabundieren und Betteln steht?“
„Ach, Signora!“ jammerte der Mann.
„Was sagte Euch denn der ‚Principe‘?“ forschte ich weiter.
„Signora, ich will alles erzählen; er kam zu mir herauf, denn er bezieht den Ziegenkäs von mir. Da wollte er auch das Zimmer des Herrn Malers sehen und, neugierig wie er ist, dreht er das angefangene Bild auf der Staffelei um.“
„Nicola!“ rief hier der Maler empört, „Ihr wißt, daß ich niemand erlaube, meine angefangenen Bilder zu betrachten.“
„Verzeihen Sie, lieber Herr,“ sagte Nicola in neuem Schreck und schlenkerte seine Hand, als ob er sie verbrannt habe, während er unsicher von einem Bein aufs andere hüpfte. „Ich konnte nichts dafür, und er stellte das Bild auch gleich wieder hin. Sie müssen wissen, daß ich ihm noch ein Stück Geld schuldig bin von damals, als ich die Vigne kaufte – ich zahle ihm zwar regelmäßig den Zins, aber Sie wissen, wer Schulden hat, der ist kein freier Mann, er hätte mir ja die Summe kündigen können! – Also wie er mich da auf dem Bilde sieht, sagt er: ‚Nicola‘, sagt er, ‚so wie Ihr dasteht, könntet Ihr mir einen rechten Gefallen thun‘. – ‚Euch zu dienen‘, sage ich. – ‚Geht einen dieser Tage‘, sagt er, ‚in diesem Aufzug nach der Vallata, nehmt womöglich noch ein paar andere mit.‘ sagt er, ‚die eben so schön sind, und wenn Ihr dort jemand von der Badegesellschaft findet –‘“
Hier konnte Clelia nicht länger an sich halten, sie brach in ein lautes Gelächter aus, in das wir andern einstimmten, auch der entlarvte Räuber, der nun sah, daß das Wetter für ihn günstig war.
„Ich muß gestehen, Nicola, Ihr habt Eure Sache gut gemacht. Ihr saht wirklich einem Spitzbuben zum Verwechseln ähnlich.“
„Ich werde doch wissen, wie ein Brigant aussieht,“ meinte er jetzt, sich in die Brust werfend. „Ich habe nicht umsonst seinerzeit den Feldzug in der Basilikata mitgemacht. Wie viele habe ich da –!“ Er hob die Hände ans Gesicht, als lege er ein Gewehr an die Wange, und machte mit dem Zeigefinger die Bewegung des Abdrückens. – „Ja, fragen Sie nur den Herrn Kapitän unten in der Villa Petriccioli, der war mein Vorgesetzter.“
„Nun, Nicola, was hat Euch denn der ‚Principe‘ als Sündenlohn gegeben?“
„Jedem eine Cigarre, Signora,“ sagte der Mann. „Aber keine von der Regie – um ein solches Gewächs möchte kein Ehrenmann zur Hölle fahren – es waren geschmuggelte,“ setzte er mit strahlendem Gesicht hinzu.
Plötzlich fuhr Clelia mit einer heftigen Bewegung auf ihn zu, daß er fast erschrak.
„Wer begleitete Euch noch? Zu wie vielen waret Ihr?“
„Zwei Matrosen, die unterdessen wieder abgesegelt sind, und mein Schwager, der die Woche über im Arsenal von Spezia arbeitet.“
„Nun, Signor Mauro,“ sagte Clelia, „wenn Sie rechnen können, so rechnen Sie mir gütigst aus, wie viel Strolche es waren.“
„Ich denke, vier,“ entgegnete der Maler kleinlaut.
„Das meine ich auch,“ triumphierte Clelia. „Vier Briganten! Einen haben wir dazu gelogen.“
Der Mann hatte sich einen Augenblick entfernt und kam jetzt mit einer prächtigen Wassermelone zurück, dem einzigen, was sein Haus solchen Gästen anzubieten habe. Wir wollten danken, aber es lag ihm sehr am Herzen, daß wir wenigstens einen Bissen unter seinem Dach verzehren sollten.
Jedes von uns nahm ein Stück, was ihm eine sichtliche Beruhigung gewährte. Den Rest bekam Oscarino, der sich inzwischen mit dem ungeladenen Gewehr der Signora Clelia vergnügt hatte.
Der Heimweg war natürlich sehr heiter. Es hat wohl jederzeit etwas Beschämendes, wenn man eine Gefahr zwar nicht mannhaft, aber doch immerhin bestanden hat, das ganze Abenteuer sich hinterher in eine Posse auflösen zu sehen. Unsere Posse indessen hatte zum Trost eine ernsthafte Wirkung, waren doch durch sie zwei wirkliche Bösewichter ins Garn getrieben worden.
Giacomino wollte zuerst unsrer Mittheilung keinen rechten Glauben schenken. Als er aber nicht länger zweifeln konnte, sagte er achselzuckend:
„Was wollen Sie, wenn einer von Lerici ist, so kann man ihm alles zutrauen.“
„Ja,“ sagte Clelia zu mir gewandt, „und nun weiß ich auch, warum sie ihn hier den ‚Principe‘ nennen. Sie meinen jenes Urbild eines rücksichtslosen Bösewichts, das Macchiavellis Ideal gewesen ist.“
So oft sie aber später unsere Räubergeschichte erzählte, versäumte sie nie, hinzuzusetzen:
„Vier Briganten und nur einer dazugelogen!“
Deutsche Erzieherinnen in England.
Immer wieder erheben sich Klagestimmen über die unerhörte Ausbeutung unerfahrener deutscher Mädchen, die auf das Ausschreiben von Londoner Agenten in deutschen Blättern hin ein Engagement abschließen, um sich dann bei ihrer Ankunft aufs schlimmste enttäuscht und schutzlos in der Riesenstadt zu finden. Entweder war es nur auf Erpressung einer schwindelhaft hohen Gebühr abgesehen, nach deren Zahlung das Mädchen in eine entlegene Vorstadt geschickt wird, um dort von einem Spießgesellen die geringschätzige Auskunft zu erhalten: „Ich habe mit dem Agenten abgemacht, daß ich die Person, welche er schickt, zurückweisen kann, wenn sie mir nicht gefällt. Sie gefallen mir nicht und können morgen früh wieder gehen.“ Oder aber die Stelle ist echt, eine von denen, welche die fetteste Weide für die Agenten abgeben, wo eine armselige, rohe und gefühllose „Herrschaft“ das arme Mädchen mit Arbeit überlastet, ihr Magddienste zumuthet und sie dabei noch hungern läßt. Nach einigen Wochen verzweiflungsvollen Kampfes muß sie doch ablassen – und der Agent hat die Stelle aufs neue zu besetzen. Es sind schlimme Schilderungen, die uns in durchaus zuverlässigen Berichten von Mädchen vorliegen, die dem Eintritt in die Stelle keine persönliche Erkundigung vorangehen ließen: Ausnutzung durch anstrengende Handarbeit nach vielen Lehrstunden, Hungermahlzeiten, großentheils in trockenem Brot und etwas gekochtem Fleisch bestehend. Auch die schlechtbezahlten Stellen in kleinen Privatschulen mögen oft arg genug sein: in einer derselben hatten drei Lehrerinnen zusammen ein Zimmer, einen Waschapparat und ein Handtuch! Thee und Butterbrot um fünf Uhr war die letzte Mahlzeit am Tage, während der Unterricht bis tief in den Abend fortging. Das ist, man kann es den deutschen Mädchen nicht oft genug wiederholen, das Schicksal von vielen, welche ohne tüchtige Kenntnisse, einzig auf ihr Deutsch vertrauend, mit schlechtem Französisch und „ein bißchen Klavierspiel“ sich aufmachen, um in England Gouvernanten zu werden!
Sie alle wissen nicht, daß keine gute englische Familie oder Schule eine Lehrerin anstellt, ohne sie gesehen zu haben. Sie wissen ferner nicht, daß zur Anstellung in einer solchen gründliche, durch gute Zeugnisse bestätigte Kenntnisse gehören: alle Realien, vollkommenes Französisch, Musik, womöglich noch Zeichnen und außerdem, wie Fräulein Koenig in ihrem für alle Betheillgten sehr lesenswerthen Buch „Authentisches über die deutsche Erzieherin in England“ (London, J. Kolkmann) ausführt, noch manches, was eigentlich ihr natürliches Besitzthum sein sollte. Es fehlt der Bewerberin zuweilen an den gewöhnlichsten guten Manieren. Die Gesetze der feinen Sitte sind in Deutschland noch nicht so allgemein bindend, als sie sein sollten, man übt sie in Gesellschaft und vor Fremden, um sich zu Hause leicht ein bißchen gehen zu lassen. Was Wunder, daß das junge Mädchen dann in dem formenstrengen England nicht als Lady angesehen und behandelt wird! Von ihr sollen die Kinder gute Haltung, taktvolles Benehmen lernen, die Pfarrers-, oder Beamtentochter aus der Kleinstadt aber kann mit ihrer deutschen Gemüthlichkeit allein diesen Anspruch nicht decken, fühlt sich infolge dessen geringschätzig behandelt, wird empfindlich und unglücklich – der Konflikt ist fertig! Hier liegt eine zweite große Quelle des Gouvernantenleids in England.
[387] Aber es wäre weit gefehlt, wollten wir solche Fälle als allgemeine Regel ansehen. Eine große Anzahl tüchtig geschulter und fähiger Erzieherinnen wirkt in englischen Familien und hat es nicht nöthig, ähnliche Klagen zu führen. Sie fühlen sich umgeben von der Achtung, die der Engländer thatsächlich jedem taktvollen und sicheren Benehmen zollt, sie benützen die vielberufenen Abendstunden, wo die Familie sehr begreiflicherweise unter sich allein sein will, zu der so nothwendigen geistigen Weiterbildung und erleben es oft genug, daß gerade infolge ihrer eigenen ruhigen Zurückhaltung ihr Verhältniß zum Hause mit der Zeit ein wirklich freundschaftliches wird.
Sie alle aber haben auch für den Fall der Stellenlosigkeit einen mächtigen Schutz und Anhalt in dem von einer hochverdienten früheren Erzieherin, Fräulein Helene Adelmann, seit 1879 begründeten „Deutschen Lehrerinnenheim“, London, Wyndham Place 16, das außer vorübergehender Unterkunft und Verpflegung für den Krankheitsfall die einzig sichere und aussichtsvolle, von den englischen Damen bereits hochgeschätzte Stellenvermittelung bietet. An diese Anstalt verweisen wir alle Mädchen, die nach England gehen wollen, indem wir ihnen zugleich eine Rede des Fräulein Adelmann über das leichtsinnige Annehmen einer Stelle durch Agentenvermittelung im Auszuge mittheilen.
„Da sagt sich so manche,“ so führt Frl. Adelmann aus, „‚ach was, wenn ich nur festen Fuß gefaßt habe, dann werde ich mir schon weiter helfen.‘ ‚Festen Fuß fassen‘ – heißt das etwa in eine Stelle kommen, in welcher man sich überarbeiten muß und Hunger zu leiden hat? Wie viele Klagebriefe erhalten wir von solchen Lehrerinnen! Jetzt im Unglück wollen sie schnell Vereinsmitglied werden und den Karren, den sie so gedankenlos in den Sumpf hineingeschoben, von uns herausgezogen haben. Wie schwer ist es, eine zweite Stelle zu erlangen, wenn die erste englische Referenz schlecht ausfällt! Da heißt es trotz aller vortrefflichen deutschen Zeugnisse, ob mit Recht oder Unrecht: ‚für England unbrauchbar.‘ Unser Rath ist daher immer: fort, so schnell als möglich! Nicht erst eine Referenz verdienen wollen. Vereinsmitglied sein ist ja Gott sei Dank für Engländer schon ein gutes Zeugniß. Aber ist es leicht möglich, jetzt schnell Mitglied zu werden? Englische Zustände zwingen uns, daß auch wir die Leute erst sehen müssen, ehe sie als Mitglieder aufgenommen werden können. Diese Bestimmung unserer Satzungen wird von allen, die englische Verhältnisse nicht kennen, angefeindet, hat sich aber in zehn Jahren glänzend bewährt, seit sie nach dreijähriger Erfahrung von uns für dringend nöthig befunden wurde. Und selbst wenn die persönliche Vorstellung möglich ist, da heißt es, ein scharfes Examen bestehen, alle Papiere und Zeugnisse in vollster Ordnung haben! ‚Machen Sie die Aufnahme in den Verein leichter!‘ sagt manchmal eine mitleidige Dame. Als ob wir damit aus einer untüchtigen Lehrerin eine tüchtige machen könnten! Nein, hier heißt es, die Pflicht im Auge behalten, an das große Ganze und an die Kinder denken, deren Mütter eine gute Lehrerin von uns verlangen. Das Vertrauen der Engländer in unsern Verein darf nicht erschüttert werden. Im Vaterland wird ja auch niemand angestellt, der seine Prüfung nicht bestanden hat! Wir nehmen aber auch ungeprüfte Lehrerinnen auf, sobald sie befriedigende Nachweise über ihre Lehrthätigkeit liefern können.“
Der Schluß aus allen diesen Ausführungen ist leicht zu ziehen: es entschließe sich kein Mädchen ohne ganz tüchtige, gut beglaubigte Kenntnisse, nach England zu gehen, sie vertraue nicht einer Agentur in Deutschland, welche, wenn auch von anständiger Gebahrung, doch die Londoner Verhältnisse nicht genügend kennt, sondern melde sich sofort bei dem „Verein Deutscher Lehrerinnen“ an und rechne die kleine Summe für den Eintritt in denselben zu den nothwendigen Reisespesen! Dann können auch zärtlich besorgte Eltern ihr Kind ruhig ziehen lassen; deutsche Fürsorge nimmt es drüben in Empfang und steht ihm rathend zur Seite, bis durch den Verein das ersehnte Ziel der ersten Stellung erreicht ist. Die aufopferungsvolle Thätigkeit der Damen Adelmann und Gaudian ist bis jetzt durch stets wachsenden Erfolg belohnt worden, eine Menge deutscher Erzieherinnen dankt ihnen ihr Fortkommen in England.
Blätter und Blüthen.
Mondnacht am Volta. (Zu dem Bilde S. 376 und 377.) Wir haben schon einmal unsere Leser in das Hinterland des deutschen westafrikanischen Schutzgebietes Togo, nach der Bismarckburg im Adeliland, geführt. Nachdem wir den Küstenstrich durchwandert hatten, rasteten wir in der Gebirgslandschaft, mitten unter einer im Fetischglauben versunkenen Bevölkerung. Dringen wir von dort noch weiter in das Innere vor, so gelangen wir auf einen Theil der Hochebene des Westsudan, einen weitausgedehnten Kessel, dessen Gewässer in dem Voltaflusse abströmen.
In diesem Gebiete überwiegt die Savanne mit niedrigem starren Grase; Affenbrotbäume sind häufig im Busch vertreten; hier wächst der Schibutterbaum, und die Tamarinde und der Wollbaum spenden in den Ortschaften den Schatten. Je weiter nach Norden man vordringt, desto mehr nimmt die Fruchtbarkeit ab, und in den Landschaften Grussi und Muschi ist es schon schwer, dem Boden etwas abzuringen.
In den letzten Jahren durchzogen deutsche Forscher jene Gebiete und François lernte auch hier den schlimmen Einfluß des Islam kennen. Aufgehetzt durch die Mohammedaner, setzten ihm die Grussi alle möglichen Schwierigkeiten in den Weg, rüsteten sich zum Angriff und hatten sich schon in seine Sachen getheilt, bevor sie dieselben hatten. „Bei dem achtzehntägigen Marsch durch ihr Gebiet,“ heißt es in dem Berichte des Reisenden, „konnte ich nur mit dem Gewehr im Arme gehen und schlafen, jeden Augenblick eines Ueberfalls gewärtig. Das Schlimmste war, daß sie uns keine Lebensmittel verkauften und wir, zu Skeletten abgemagert, matt und schwach wurden.“
Auf dieser Hochebene betrug die höchste gemessene Temperatur 37°, die geringste 21° C. Die Abkühlung in der Nacht war viel unbedeutender als an der Küste. Das Wasser der Flüsse wie das Cisternenwasser war daher lau, der Dakafluß z. B. hatte im Juni 1888 eine Temperatur von 28° C. Auch der Feuchtigkeitsgehalt der Luft wird immer geringer, je weiter man nach Norden vordringt. Hier versagte die Spencerjagdflinte François’ ihren Dienst, weil das Oel durch die trockene Luft aufgesogen war. Aus demselben Grunde blieb in Gambaga seine Spieluhr stehen. Eine Tafel Chokolade, die er bis dorthin gebracht, hatte wohl ihre Form behalten, doch war alle Feuchtigkeit derart herausgesogen, daß sie beim Anfassen zu Mehl zerfiel.
Der Volta, der etwas weiter nördlich entspringt, ist hier bereits ein 150 bis 200 Meter breiter Fluß, der aber während der Trockenzeit stellenweise ganz wasserlos ist. Fälle und Stromschnellen machen ihn auf dieser Strecke unschiffbar. Bis dahin heißt er auch der „Weiße Volta“, der sich in seinem weiteren Laufe mit dem „Rothen Volta“ zu dem Amu oder dem Volta vereinigt. Wenige Meilen unterhalb der Vereinigung dieser beiden Arme liegt die Stadt Salaga mit etwa 10 000 Einwohnern. Sie besteht aus einer Ansammlung meist kreisrunder Gehöfte, mit unregelmäßigen Straßen und großen Marktplätzen. Die Straßen werden nie gereinigt, obwohl aller Unrath auf sie geworfen wird, und der Schmutz ist hier so gräßlich, daß selbst der einheimische Sultan vor ihm floh und seine Residenz in Pembi, eine Stunde südöstlich von Salaga, baute. Trotzdem ist Salaga unstreitig der bedeutendste Ort der Gegend, der Knotenpunkt für den Handel des oberen Volta, ja des ganzen Nigergebietes. Salaga liegt etwa 30 Kilometer von dem Flusse entfernt, der von hier ab schiffbar wird, aber nur auf eine kurze Strecke bis zu der Ortschaft Kratschi, wo ihn ein Wasserfall unterbricht.
Von Kratschi bis zur Mündung, die im englischen Schutzgebiete liegt, kann der Fluß von flachgehenden Fahrzeugen befahren werden, er hat bereits eine Breite von 250 Metern, aber immerhin ist es wegen der Stromschnellen und Sandbänke schwierig, Boote oder gar kleine Dampfer glücklich hindurchzubringen. Kratschi ist gleichfalls eine Handelsstadt, mit etwa 5000 Einwohnern, die zumeist vom Stamme der Ashanti sind.
Die Scenerie der Uferlandschaft wird jetzt anmuthiger. Unser Bild zeigt uns die Aussicht auf den Volta von einem kleinen, zwei Stunden südlich von Kratschi gelegenen Dorfe. Fr. Leuschner, der Maler unseres Bildes, schildert nach eigener Anschauung den Blick von einer nahen Hügelkette: „Es ist dieses Panorama zu vergleichen mit der Aussicht, die man vom Brauhausberge in Potsdam über die Havelseen hat, auch eine andere Stelle am Volta erinnert an unsere Mark, so daß man glauben könnte, man stände auf den Müggelbergen und schaute hinab auf die dortige Seenplatte.“ Die Ostseite des Flusses ist hier mit einem Galeriewald eingesäumt, im Westen dehnt sich eine weite Baumsavanne aus, eine parkartige Landschaft, in welcher zahlreiches Wild umherschweift, Antilopen, Büffel, Elefanten, und in welcher sogar Leoparden und Löwen hausen. Auch das Leben im Flusse ist ein reges; schon die Flußpferdschädel, die in den Dörfern als Sitze benutzt werden, weisen darauf hin, daß dort jene Dickhäuter nicht selten sind.
Fr. Leuschner führt uns sein Landschaftsbild am Volta in der magischen Beleuchtung einer Vollmondnacht vor. „Die Hitze des Tages,“ schreibt er selbst, „hat einer angenehmen Kühle, die sich allerdings noch immer auf 25° C. stellt, Platz gemacht. Die Ruhe und Stille der Natur ringsherum wird nur selten durch den Schrei eines Nachtvogels oder eines Affen unterbrochen – aus der Ferne klingt der melodische Gesang einer Karawane herüber. Sobald ein leiser Luftzug weht, rauschen die mächtigen Palmen auf, und wie ein Flüstern und Erzählen von den Wundern der Schöpfung geht es durch die Stille der Nacht. Magisch spielt das Mondlicht auf den Palmen und den breiten Blättern der Bananen, dazu der südliche Sternenhimmel! – wahrlich, es ist eine so feierliche und ernste Stimmung, die den Europäer inmitten der schönen Wildniß beschleicht, daß er sich schwer loszureißen vermag, um sein Zelt aufzusuchen, während die Schwarzen noch die halbe Nacht hindurch bei einem Schoppen Palmwein plaudern.“ *
Wallensteins Werbung um Isabella von Harrach. (Zu dem Bilde S. 385.) Es war im Jahre 1617, als der kaiserliche Obrist Wallenstein, nachdem er mit Lorbeeren geschmückt aus dem Kriege der Oesterreicher gegen Venedig zurückgekehrt war, sich um die Hand der Gräfin Isabella von Harrach, der Tochter des mächtigen Günstlings der Hofburg, bewarb. Wallenstein war schon vorher verheirathet gewesen, mit einer älteren Witwe Lucrezia Nekyssowa von Landeck, welche bei ihrem Tode 1614 ihm große Besitzungen in Mähren hinterließ. Da ihm damals auch von seiten eines Onkels 14 Güter zugefallen waren, so konnte er für einen der reichsten Standesherren der böhmisch-mährischen Lande gelten. Was ihm noch fehlte, war die Hofgunst, und gerade diese suchte er durch seine zweite Heirath sich zu erwerben. In der That wurde er bei der Hochzeit vom Kaiser in den Grafenstand erhoben. Aus unserem Bilde geht indeß hervor, daß er seinen ehrgeizigen Bestrebungen hier kein schmerzliches Opfer zu bringen brauchte: denn die junge Gräfin Isabella ist eine stattliche und reizende Erscheinung, und bei den Verhandlungen, welche der energische Kriegsmann mit dem einflußreichen Hofherrn führt, hatten Liebe und Schönheit den Vorsitz. Es sind noch Briefe von der jungen Gräfin Wallenstein vorhanden, die von ihrer zärtlichen Neigung zu dem Gatten Zeugniß ablegen. Schiller hat sie als den versöhnenden Genius des Feldherrn in den späteren Jahren, zur Zeit seines Abfalls vom Kaiser, geschildert. †
[388]
Die Paroledame von Rostock. Der strenge Ernst des militärischen Dienstes muß es sich ab und zu gefallen lassen, daß gleich dem Grasbüschel an der starren Festungsmauer das Blümlein Humor an ihm emporwuchert und ihm ein gut Theil seiner finsteren Schroffheit benimmt – ohne daß dadurch das feste Gefüge der Mauer, „Disziplin“ genannt, sich lockern würde. Einen anmuthigen Beleg zu diesem Satze hat unser Bildchen festgehalten: es stellt uns die „Paroledame von Rostock“ dar, deren Tod kürzlich von den Zeitungen gemeldet wurde.
Es war ein merkwürdiges, einzigartiges Verhältniß, welches zwischen dieser Dame, dem Fräulein Adelheid Mahn, und den in Rostock liegenden Bataillonen des mecklenburgischen Füsilierregiments Nr. 90 bestand. Kein Tag verstrich, an welchem nicht Fräulein Mahn bei der mittäglichen Paroleausgabe erschien und sich dort die für den Dienst des nächsten Tages ausgegebenen Befehle von den Feldwebeln mittheilen ließ, um dann am folgenden Morgen beim Antreten dieser oder jener Compagnie zugegen zu sein. Nicht Regen noch Sturm noch Schnee vermochten sie von diesem Gange abzubringen, und wenn irgend ein bedeutenderes militärisches Schauspiel stattfand, eine Parade oder eine Besichtigung, wenn die Truppen zum Manöver abrückten oder von demselben nach Hause zurückkehrten, — niemals fehlte Fräulein Mahn unter den Zuschauern.
Ja, als zu Anfang dieses Jahres die Garnison von Rostock die Quartierhäuser in der Stadt aufgab und die neue Kaserne bezog, da wechselte auch die „Soldatenmutter“ ihre Wohnung, um den geliebten Füsilieren nahe bleiben und an ihrem täglichen Leben und Treiben fortdauernden Antheil nehmen zu können. Die Rekruten wie die alten Mannschaften, der jüngste Lieutenant wie der gestrenge Regimentskommandeur, alle kannten die anhängliche, in ihrer Bescheidenheit niemand lästig fallende Dame und erwiesen ihr gerne jede Aufmerksamkeit; und als sie starb, da schmückte das Regiment ihren Sarg mit Kranzspenden, die Offiziere und Unteroffiziere gaben ihr das letzte Geleite nach dem Friedhof und die Militärkapelle spielte einen Choral über dem offenen Grabe der getreuen „Paroledame“.
Wie die merkwürdigen Beziehungen zwischen der Verstorbenen und ihrem Regimente allmählich entstanden, darüber fehlt uns sichere Kunde. Die geschäftige Legende aber füllt die Lücke aus und erzählt, daß einst, als die vierundsiebzigjährige Greisin noch ein hübsches junges Mädchen war, sie eine tiefe Neigung zu einem schmucken mecklenburger Krieger faßte, daß aber leider, wie so oft im Leben, „aus der Geschichte nichts wurde“. So sei es gekommen, daß sie die Liebe, welche bei dem Einen ihre Erfüllung nicht finden sollte, auf den ganzen Stand übertrug — und ihm hat sie auch die Treue gewahrt bis zum Tode.
Frauen- und Männersprache. Zu unserem Artikel in Nr. 1 erhalten wir durch die Güte eines Lesers eine interessante Ergänzung. Die Zweitheilung der Sprache nach dem Geschlechte des Redenden bestand nicht bloß bei dem Stamme der Kariben in der westindischen See, sondern eine entsprechende Einrichtung besteht heute noch in Japan. Ja, es giebt dort sogar eine Dreitheilung, insofern gewisse Wörter und Ausdrücke für gewöhnlich nur von Männern, andere nur von Frauen, wieder andere nur von Kindern gebraucht werden. Die Männersprache gilt für derber, die Frauensprache für feiner und höflicher. Will der Mann also höflich reden, dann bedient er sich der Frauensprache, während die Kindersprache im Munde des Erwachsenen den Eindruck der Schwächlichkeit hervorrufen würde. Ueberhaupt muß der Japaner, welcher für feingebildet gelten will, in der Wahl seiner Worte sehr vorsichtig sein und sich
sorgfältig nach dem gesellschaftlichen Rang dessen richten, mit dem er spricht.
Nesselgift. Analogien, Aehnlichkeiten zwischen dem Thier- und
Pflanzenreiche giebt es vielfach, und eine solche besteht auch zwischen den Brennhaaren der Nesseln und den Giftzähnen der Schlangen. Beide sind spitzige Röhrengebilde, die auf einer Giftdrüse sitzen. Der Vergleich geht aber noch tiefer. Nicht nur das Werkzeug, welches das Gift anbringt, auch das Gift selbst ist in beiden Fällen ähnlich. Wohl besteht das Nesselgift zum größten Theil aus Ameisensäure, die ätzend auf die Haut wirkt, aber diese ätzende Substanz scheint nur dazu berufen zu sein, den Hautpanzer zu durchbrechen, um einem anderen weit schlimmeren Gifte Eintritt in die unteren Hautschichten zu erzwingen. Nach gründlichem Verbrennen mit Nesseln entstehen nämlich Röthungen, Anschwellungen und heftige Schmerzen, wie sie durch reine Ameisensäure nicht hervorgerufen werden, und dies zeigt uns schon, daß die Nesseln
noch ein besonderes Gift hervorbringen, das in kleinsten Mengen wie das Schlangengift wirken kann. Unsere Brennnesseln sind noch unschuldiger Natur; sie strafen
unsern Angriff nur durch ein unangenehmes Jucken und Brennen; aber in
den Tropen wachsen gefährlichere Arten. In Indien ist z. B. die feingekerbte Nessel (Urtica crenulata) heimisch, deren Berührung wenig Röthe
und keine Geschwulst, aber dafür einen furchtbaren Schmerz erzeugt, der
sich bald über das ganze Bein oder den ganzen Arm, je nach der Berührungsstelle, erstreckt und selbst eine Art Starrkrampf erzeugt. Diese
schmerzlichen Empfindungen lassen nur langsam während einer ganzen
Woche nach. Aus Java und aus Timor sind Arten wie die Urtica
stimulans und Urtica urentissima bekannt, deren Gift ähnlich dem
Schlangengifte selbst nach Jahren schmerzliche Rückfälle hervorruft. Daß
Wasser kein Mittel zur Linderung der Nesselverbrennung ist, sondern die
Schmerzen nur noch erhöht, dürfte allgemein bekannt sein. *
Inhalt: Lea und Rahel. Roman von Ida Boy-Ed (6. Fortsetzung). S. 373. – Frühlingspfade. Bild. S. 373. – Mondnacht am Volta. Bild. S. 376 und 377. –
Die Gräber unsrer großen Musiker in Wien. Von La Mara. S. 380. Mit Abbildungen S. 381. – Eine Räubergeschichte. Von Isolde Kurz (Schluß). S. 382. Mit Abbildungen
S. 382 und 384. – Wallensteins Werbung um Isabella von Harrach. Bild. S. 385. – Deutsche Erzieherinnen in England. S. 386. – Blätter und Blüthen: Mondnacht am Volta.
S. 387. (Zu dem Bilde S. 376 und 377). – Wallensteins Werbung um Isabella von Harrach. S. 387. (Zu dem Bilde S. 385.) – Die Paroledame von Rostock. Mit Abbildung.
S. 388. – Frauen- und Männersprache. S. 388. – Nesselgift. S. 388.
Freude an der schönen Natur, am Leben des Waldes und seiner Bewohner, ein tiefes Verständnis für die Herrlichkeiten dessen, was das „Freie“ dem empfindenden Menschen bietet, dabei ein freier Blick und eine seltene Gabe der Darstellung finden in diesem Werke ihren Ausdruck. Aber nicht nur ein ästhetisches Interesse gewährt dasselbe, sondern auch ein wissenschaftliches. Denn der Verfasser hat die Thiere des Waldes viele Jahre hindurch beobachtet und er bringt über deren Leben und Treiben viel Neues in Form lebhaft erzählter, ansprechender Geschichten.
Für Förster, Jäger und Jagdfreunde, sowie überhaupt für alle Naturfreunde, bildet der stattliche Band das schönste und passendste Festgeschenk.
- ↑ Siehe „Vaterländische Blätter“, Wien, 1808; „Wiener Theaterzeitung“ vom 24. Nov. 1841; „Wiener Zeitung“ vom 6. Dez. 1841; „Wanderer“ vom 27. Jänner 1842; Gräffers „Kleine Wiener Memoiren“ I. Serie, S. 227 (Aloys Fuchs); „Illustr. Familienbuch“, 1852; Ritter v. Lucam, „Die Grabesfrage Mozarts“. Wien, 1856.
- ↑ Nissen, der Biograph Mozarts (Leipzig, Breitkopf u. Härtel, 1828) und Gatte seiner Witwe Konstanze, schreibt: „Zu der Zeit, wo Mozart starb, wurden nach Angabe des Todtengräbers die Leichen in der dritten und vierten Reihe vom Kreuze an, welches auf dem St. Marxer Kirchhofe steht, begraben.“ Damit stimmt die Aussage zweier alter Musiker, Freystätter und Scholl, die Mozart noch gekannt hatten, bei Lucam („Die Grabesfrage Mozarts“ , Wien, 1856) überein.