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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum: 1882
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: commons
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[437]

No. 27.   1882.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.


Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Bob Zellina.
Novelle von Karl Theodor Schultz.

Der Commerzienrath Zellina ließ sich heute schon zum zweiten Male von seinem Sohne in das Speisezimmer führen. Im Grunde wohl, um seinen Appetit durch den Anblick der bereits auf dem Credenztische servirten kalten Schüsseln ein wenig zu reizen, vorgeblich allerdings behufs letzter Inspection der Tafel. Obgleich auf dieser blos fünf Gedecke lagen, zierte ein mächtiges silbernes Schiff die Mitte derselben, und aus zwei neben diesem Prunkstücke stehenden Blumenständern zog ein süßer Duft von Heliotrop durch den Raum. Das Zimmer hatte etwas Anheimelndes, so recht zu langen Sitzungen Einladendes. Und doch machte außer der Tafel und ihren hochlehnigen Stühlen nur das riesige Büffet, eine Truhe und der Ofen, dessen Kacheln braun in braun Geschichten des alten Testaments in launigen Darstellungen zeigten, sein Ameublement aus; freilich hatten die Wände hohes eichenes Getäfel; ein paar nachgedunkelte Blumen- und Fruchtstücke hingen darüber, und die mattblaue Farbe der sammtenen Portièren, der Vorhänge und Polsterbezüge der Stühle, stand in wohlthuender Harmonie dazu. Augenblicklich waren überdies die Vorhänge trotz des kaum begonnenen Nachmittags niedergelassen, und die beiden Astrallampen der Meermaid an der Decke wie die Kerzen auf den Armleuchtern des Büffets bereits angezündet. Es ging gleichsam ein Strom zitternden Lichtes von dem Silberschiffe und dem Krystall der Tafel aus, der nur in dem reichen Laubwerke der Blumenständer zur Ruhe zu kommen schien.

Der Commerzienrath, welcher am Credenztische stehen geblieben war und mit fast zärtlicher Miene eine Terrine mit Straßburger Gänseleberpastete betrachtete, sah nun auch nach der Tafel hinüber und sagte zu dem Sohne, der träumerisch vor sich hinblickte:

„Ist auch das Sträußchen für Alma nicht vergessen worden?“

„Vergessen?“ fragte Robert oder vielmehr Bob, wie ihn das ganze Haus, selbst alle Bekannten desselben mit dem Schmeichelnamen nannten, den ihm die verstorbene Mutter gegeben; „Du hattest doch mich dafür verantwortlich gemacht.“

„Nun ja!“ begütigte der Vater; „gestern wurden Jemand die Wechsel für Kronaus auch schon Morgens anvertraut und kamen trotzdem erst Abends –“

„Aber doch noch völlig zur Zeit!“ unterbrach Bob nicht ohne Ironie. „Außerdem: höchst gleichgültige Wechsel und letzte Rosen für Fräulein Alma – das ist wahrhaftig ein Unterschied.“ Er hob den neben einem Gedecke liegenden Strauß von Rosenknospen und Orangenblüthen in die Höhe und fuhr, ihn dem Vater reichend, fort: „Friedrich und ich haben alles Beste zusammengesucht, was im Garten und Treibhause zu finden war. Der arme Friedrich wurde ganz elegisch, als auch die jungen Orangenbäume mit ihren ersten Blüthen darankamen.“

„O, das glaube ich gern,“ erwiderte der Commerzienrath, indem er die Blumen zurückgab. „Doch die Bäume treiben ja wieder neue Blüthen – die jungen wie die alten, und selbst der älteste Baum darf das noch, und seine Blüthen duften um nichts weniger stark und würzig, als die irgend eines Springinsfeld. Nur der große, unsterbliche Mensch – der darf Nichts davon –“

Er nickte vor sich hin.

Bob trat in rascher Bewegung an ihn heran: er sprach dabei nicht, sah nur mit fragender Theilnahme in die Augen des Vaters, welche dieser nachdenklich zu ihm aufgeschlagen hatte.

„Das klang fast sentimental,“ bemerkte der Commerzienrath mit einem Lächeln, das jedoch mehr ein Zucken seiner schmalen Lippen war. „Dergleichen Anwandelungen wirst Du jetzt öfters erleben – überhöre sie stets! Man möchte sich eben zuweilen mit seinen sechszig Jahren noch nicht ganz im alten Register fühlen – trotz der weißen Haare und seines malitiösen Rückgrats. Es sticht und züngelt da heute wieder, als dürfe uns auch nicht einmal diese letzte Freude gelassen werden.“

Er wies mit der zitternden Hand nach der Tafel.

„Willst Du Dich nicht gleich auf Deinen Platz setzen?“ bat der Sohn. „Ich glaube – es fuhr ein Wagen vor, das werden Rulands sein.“

„Nein, Bobby,“ versetzte der Vater kopfschüttelnd; „so ganz läßt sich der Alte noch nicht als Invalide behandeln. Alma hat sich neulich über uns Beide gefreut, fand die Figuren so ähnlich, selbst noch den Ausdruck unserer Augen – das Vergnügen müssen wir ihr heute wieder machen. Gieb mir nur den Arm; für einige Momente stehe ich noch kerzengerade neben Dir. Dann freilich heißt es: still das Feld geräumt!“ Einem Seufzer gleich verklangen die letzten Worte.

Während die Männer langsam nach der Thür zum Wohnzimmer schritten, sagte der Commerzienrath in seiner scherzenden Weise, die aber doch diesmal einen Ton des Ernstes durchfühlen ließ:

„Und nimm Dich heute zusammen, Bob! Ein Haus ohne Frauen, ohne junge Frauen bleibt einmal triste; daran läßt sich nichts deuteln oder davon nehmen. Erinnere Dich, schon Franz von Valois fand einen Hof ohne Frauen wie

‚Ein Jahr, das nicht des Frühlings Wonne kennt,
Gleich einem Frühling, der vergaß,
Mit Rosen sich zu schmücken!‘

[438] und dieser Valois war ein Prakticus. Unsere gute Lossen, die mir in jüngster Zeit noch viel verschlossener und egoistischer als früher vorkommt, kann durchaus nicht mitzählen. Also weg mit der Zaghaftigkeit! Du bist jetzt über vierzehn Tage hier, warst bereits vier- oder fünfmal, und sage stundenlang mit Alma zusammen; dennoch habe ich trotz öfteren Beobachtens noch nicht das kleinste Anzeichen entdecken könnten, daß ihr Deine Gesellschaft, wie man so sagt – gefährlich sei. Das muß anders werden; ich an Deiner Stelle hätte ihr das Herzchen längst bis in die Goldaugen gejagt. Die schimmern aber und blitzen immer noch in alter Klarheit, ohne jenes weiche Feuer, das sie erst entzückend – ah –!“

Mit einem Laute des Schmerzes verstummte der Commerzienrath und lehnte sich schwer an die Brüstung der Thür.

Bob, der sehr blaß geworden, vergaß bei diesem halben Aufschrei des Vaters jede Vertheidigung und fragte besorgt, ob ihm durch irgend Etwas zu helfen wäre. Er dankte aber für Alles und versuchte sogar, als sich jetzt die gegenüberliegende Thür öffnete und die Gäste, von der Ehrendame des Hauses, Frau von Lossen, geführt, eintraten – diesen allein entgegen zu gehen.

Alma Ruland, in dem Lieblingscostüme des Pathen Commerzienrath, einem bordeauxrothen Kleide mit gleichfarbiger, enganliegender Sammetweste, von der sich die kostbare Goldkette mit Medaillon, welche ihr der Pathe am Tage der Confirmation umgehängt hatte, doppelt funkelnd abhob – eilte in jugendlicher Hast, Bob’s Verbeugung blos durch ein leises Neigen des Hauptes erwidernd, auf den Commerzienrath zu und suchte sich in ihrer herzlichen Art vor Allem zu vergewissern, ob ihm das vorgestrige Diner bei Kronau’s auch gut bekommen wäre. Der geschmeichelte Pathe durfte sie darüber beruhigen und fuhr, ihr dankbar die Hände drückend, fort:

„Aber Sie? Ist Ihnen die Langeweile unter all den Alten gleichfalls leidlich bekommen? Ich fürchtete schon, wir würden Sie bei der heutigen Wiederholung entbehren müssen.“

„Unter all den Alten?“ lächelte Alma. „Herr Geheimrath, Ihr Herr Sohn dürfte damit –“

„Ach, Bob!“ fiel der Commerzienrath mit scheinbarer Geringschätzung ein. „Der gehört schon voll zu uns alten Herren: sehen Sie sich ihn nur einmal genauer an! Wenn ich Sie nun auf’s Gewissen früge, bekämen wir sicher wieder eins Ihrer herzhaften ,Ja‘ zu hören.“

„Was das für Annahmen sind!“ mischte sich der Regierungsrath Ruland in das Gespräch, welcher dem Freunde vorher nur flüchtig die Hand gereicht und dann mit Frau von Lossen weiter geplaudert hatte. „Bob’s achtundzwanzig Jahre zu uns zu rechnen!“

„Ich werde freilich bald neunundzwanzig,“ sagte Bob möglichst trocken, warf dabei jedoch einen raschen Blick auf Alma.

Diese, so plötzlich zum Mittelpunkt der kleinen Gesellschaft gemacht, hätte sich lebensgern mit etwas Geistreichem aus der Affaire gezogen; da ihr momentan aber nichts dergleichen einfiel, versicherte sie einfach, daß sie von Jugend auf an die Gesellschaft und Umgebung älterer Leute gewöhnt sei, und ihr diese ganz so sympathisch wie Ihresgleichen wäre.

„Charmant herausgezogen!“ bemerkte Frau von Lossen spitz, vielleicht sogar ein wenig malitiös. „Fräulein Alma will es mit keinem der beiden Theile verderben! Und das ist keine geringe Lebenskunst.“

„Bis zu welchen Jahren rechnen Sie übrigens diese Ihresgleichen?“ fragte Bob mit nervöser Lebhaftigkeit.

„O – bis fünfundzwanzig!“ erwiderte Alma, dem Pathen zunickend.

„Da haben wir es,“ rief dieser, gab jedoch keine weitere Erklärung seines Ausrufes, da ein Diener Frau von Lossen meldete, daß angerichtet werden könne.

Das Wort elektrisirte stets den alten Gourmand. So nahm er auch jetzt hastig den Arm des Freundes und befahl zu seinem Sohne gewandt:

„Die Jugend voran!“

Am oberen Ende der Tafel stand in vornehmer Einsamkeit, gleich einem Thronsessel, ein großer, auf’s weichste gepolsterter Armstuhl: zu diesem hatte Ruland den Commerzienrath zu führen, welcher gerade beim Diner nichts so nöthig fand, als freie Bewegung der Arme.

Nachdem derselbe Platz genommen und sich bequem zurecht gerückt hatte, begann seine Laune auch bald eine wahrhaft glückliche zu werden, und er beschwingte die Unterhaltung förmlich durch zündende Anekdoten oder sonstige heitere Episoden aus seinen respective Freund Ruland’s jüngeren Jahren. Nebenbei waren die Austern aus Milton gekommen; die Fasanen hatte Böhmen geliefert; auf den Dessertschalen lagen die unvergleichlichen Früchte von Kiew, und der Steinberger von 1857 wie der Chambertin mundete nicht weniger als der Champagner von Ay, dieser prickelnde, markige Trank.

Es war daher nur selbstverständlich, daß die beiden älteren Herren am Schlusse des Diners höchst animirt geworden und es angenehm fanden, sich mit einer Havana in’s Arbeitszimmer des Commerzienrathes zurückzuziehen, bis der Kaffee, den Frau von Lossen immer selbst bereitete, fertig wäre. Alma und Bob, nachdem sie diesem liebenswürdigen Geschäfte eine lange Weile zugesehen hatten, traten, von einer Bemerkung Frau von Lossen’s dazu angeregt, auf einen Balcon heraus, der nach der Gartenseite des Hauses lag.

Die Sonne mußte im Untergehen sein: sie hatte in den fernen, sich bereits gelb färbenden Landpartien jenen wundersamen rothen Schimmer entzündet, der im Herbst an Alpenglühen mahnt. Auch das Meer, welches den äußersten Horizont umsäumte, verschwamm schon in Duft und Schatten; nur die Segel eines großen Schiffes erschienen noch röthlich angehaucht.

Alma hatte sich ganz in eine Ecke des Balcons gedrückt und schien in Sinnen verloren – wenigstens kam das ihrem Partner so vor. Er blickte darum still die Allee hinunter, welche jenseits des großen Rondels, das sich vor der Mittelfront der Villa in geschmackvollster Teppichgärtnerei ausbreitete, nach dem Meer zulief. Den letzten Theil der Allee bildeten Ahornbäume, deren Laub ganz vergilbt war, und Bob’s Blicke schwelgten mit halb unbewußter Freude in diesem Strom von Gold, der so harmonisch in das dämmernde Blau des Meeres überging.

Auch Alma sah endlich nach der Allee hinüber und sagte, indem sie dabei auf die Statue eines knieenden Knaben zeigte, die inmitten des Rondels stand:

„Wie hübsch hebt sich heute die dunkle Bronze meines Lieblings von dem frischen Grün ab, das auf seiner Schale liegt! Was kann das für ein Gewächs sein?“

Bob zuckte leicht die Achseln.

„Sie haben aber Recht! – Das Grün ist von seltener Frische – beinahe Maigrün. Ich werde mich bei Friedrich erkundigen.“

Der Gedanke an Friedrich brachte ihn auf ihr heutiges gemeinsames Straußbinden; er sah unwillkürlich auf Alma’s Hände. Diese hielten jedoch keinen Strauß; der mußte vergessen auf der Tafel liegen geblieben sein.

Er lächelte bitter. den Strauß vergessen zu können! Aus diesem Empfinden heraus meinte er in etwas mühsam klingendem Scherze:

„Uebrigens wieder eine Illustration zu Ihrer Vorliebe für Ihresgleichen“

Sie sah ihn fragend an.

„Maigrün gehört doch zu achtzehn Jahren,“ erläuterte er mit unsicherem Blick.

Alma wandte sich halb ab und versetzte kühl:

„Sie sind ein böser Nachträger; schon während des Essens mußte ich Sie ein- oder zweimal –“

„Bitte, höchstens einmal!“

„Unbedingt jetzt aber das zweite Mal mit einer ganz harmlos gemeinten Bemerkung gleichsam Fangball spielen hören! Das wird –.“

„Zu viel! wollen Sie sagend“ fiel Bob erregt ein. „Wenn mir das nun immer von Neuem einfällt, einfallen muß, da ja so viel – Alles davon abhängt.“

Er war Alma näher getreten und sah sie mit einem Ausdruck an, der für sie etwas Erschreckendes zu haben schien, sie jedenfalls zu einer Bewegung veranlaßte, als möchte sie sich noch weiter von ihm entfernen.

Und doch erschien sie gerade in ihrer Besorgniß reizender als je. Der rothe Wiederschein der untergehenden Sonne erhöhte wunderbar die Farbenwirkung ihrer errötheten Wangen; die braunen Augensterne flimmerten in ihrem Goldglanz, wie der [439] Commerzienrath deren feuchtes Aufleuchten nannte, ja bis in die schwere Pracht des Haares flog das Roth der Wangen scheinbar hinauf – hernieder: wie roth leuchtend lagen die ringelnden Locken auf dem Sammet und in den Spitzen des Anzuges.

Ueber Bob ging ein Schauer hin; seine Augen tranken unersättlich die Schönheit des Mädchens, und Alma empfand das plötzlich und mußte in dem Gefühle ihrer Macht lächeln.

Selbst Bob begriff, trotz seiner Verwirrung, den Grund dieses Lächelns. So sagte er, als ob es gar keines weiteren Erklärens bedürfe:

„Sie fühlen, wie es um mich steht. Darum seien Sie gütig und fragen Sie sich auf’s Gewissen – nein! nicht auf’s Gewissen! Da hätte auch der Verstand mitzusprechen, und den nüchternen, kalten Gesellen wollen wir nicht über uns entscheiden lassen. Nur Ihr Herz, unser Tiefstes, Heiligstes mag Sie berathen. Alma, meine süße, einzig –“

Sie entzog ihm die Hand, welche er ergriffen hatte, und rief mit anfangs bebender, bald aber fester Stimme:

„Nein – nein! Ich habe – ich darf mich da mit Nichts berathen. Was würde Ihr Herr Vater –“

„Mein Vater? Er liebt Sie ja zärtlich. Nur er hat mir den Muth gegeben –“

„Allzu überraschend kommt es,“ unterbrach ihn Alma wie im Selbstgespräch. Dann sah sie zu ihm empor und fuhr leise, jedoch mit eigenthümlicher Schärfe fort. „Ich lebe mit meinem Vater so zufrieden; was er will, will ich – was mir Freude macht, ist wohl auch ihm lieb und angenehm. Noch mit keinem Gedanken habe ich an ein Aufhören dieses Lebens gedacht. Und so im Augenblick – wär’ es mir ganz unmöglich, das fassen zu sollen!“

Sie faltete dabei die Hände in so lieblich rathloser Weise, daß Bob dieselben wieder ergriff und stürmisch rief:

„Nichts weiter? Nur Ihr Vater steht meinen heißen Wünschen im Wege? – Vergeben Sie!“ bat er dann, indem er sich gewaltsam zu beherrschen versuchte, da Alma’s zitternde Hände ihm die tiefe Erregung des geliebten Mädchens verrieten. „Ich will Ihnen wenigstens beweisen, daß ich kein Egoist bin, aufhören kann, von mir und meinem Hoffen zu sprechen, so schwer ich auch darunter leiden werde, von Ihnen nichts – nichts über mein Schicksal gehört zu haben – Ich scheine ja nur zurückhaltend; Ihre liebe Nähe macht mich befangen. Aber glauben Sie es nur: noch kein Ton in mir hat den Klang der Jugend verloren; ich weiß, daß ich noch Alles besitze, um da Gluth wie Treue und Glück zu geben, wo ich – liebe, anbete.“

Die beiden letzten Worte hatten seine Lippen unvernehmbar herausgestoßen. Trotzdem wußte Alma ja nun Alles und überlegte eben klopfenden Herzens, ob sie – um ein Ende zu machen – wirklich preisgeben müsse, was sie noch Niemand, sich selbst kaum gestanden, als plötzlich ihr Vater in die Thür des Balcons trat. Zwar wollte er sich sofort wieder zurückziehen, doch gab sie das nicht zu, sondern rief wie erlöst:

„Ja! Hier bin ich, lieber Vater.“

Bob trat zurück und ließ sie stumm an sich vorüber eilen. Sogar etwas wie ein Lächeln fand sich, da er hörte, wie ihr Vater schalt, daß er ihr stets die Sträuße nachtragen müsse.

Als Bob später in’s Zimmer kam, hielt sie denn auch seinen Strauß nachlässig in der Hand.




Nach dem Diner pflegte der Commerzienrath noch spazieren zu fahren. Er machte auch heute keine Ausnahme von dieser Regel und ließ es sich dabei nicht nehmen, seine Gäste vorher nach Hause zu bringen. Trotz des weiten Umweges (man war auf einen von Alma bei Tische geäußerten Wunsch an einer kürzlich aufgestellten Statue vorüber gefahren) und trotz des Commerzienraths bester Laune hatte dieser sich nicht die geringste Neckerei Bob und Alma gegenüber erlaubt: er mußte bemerkt haben, daß irgend Etwas zwischen ihnen vorgefallen war, was noch der Klärung bedurfte.

Alma hatte ihm innerlich für diese Rücksicht gedankt, jetzt aber endlich mit dem Vater allein, empfand sie nur das eine Verlangen, Alles vom Herzen zu sprechen. So erwartete sie dessen Rückkehr in’s Wohnzimmer mit wahrhaft brennender Ungeduld und flog ihm, sobald er die Thür seines Arbeitscabinets öffnete, mit einem Ausruf der Freude an die Brust.

„Mein liebster Vater, wie dankte ich Dir – als Du mich erlöstest!“

„Wovon?“ fragte dieser gelassen.

„Von Bob! Er wollte wohl – er schien mir –“

„Nun, was?“

„Es war eine förmliche Erklärung,“ flüsterte Alma, noch wie verängstigt aufsehend.

„Und warum hast Du ihm nicht gleich Dein Jawort gegeben?“

„Aber –“

„Du konntest doch annehmen, daß ich Nichts gegen Eure Verbindung einzuwenden hätte?“

Alma sah verwirrt zu Boden; dann sagte sie mit schüchterner Abwehr:

„Ich muß Dich nicht verstehen. Du weißt doch sicherlich –“

„Ich weiß nichts,“ entgegnete der Vater kurz, „als daß Bob Zellina weit und breit die beste Partie ist und jedes Mädchen sich glücklich zu schätzen hätte, seine Gattin zu werden.“ Milder, beinahe überredend, setzte er dann hinzu: „Kind, sei mir vernünftig! Ist Bob nicht wahrhaft liebenswürdig, jung, ein eleganter, vornehmer Mann? Dabei voll Wärme, ja Feuer? Darf man mehr verlangen? Die Solidität des Hauses gar nicht in Anschlag gebracht!“

Es wäre mit dem Aufzählen solcher guten Dinge wohl noch eine Weile fortgegangen, wenn der Rath nicht wahrgenommen hätte, daß Alma kaum mehr zuhörte, ihre Gedanken mindestens irgendwo in der Ferne schweifen ließ.

Der Vater mußte diese Ferne kennen; denn er wiederholte, indem er die Stirn runzelte, sein Lieblingswort. „Sei mir vernünftig, Kind!“ noch einmal und strenger, als vorher.

Alma sah ihn wieder an, als müßte sie sich überzeugen, daß er im Ernst spräche; dann wandte sie sich mit einer ihrer gewöhnlichen, ruhig graziösen Bewegungen ab und schritt nach dem Pfeilertische, auf welchem die Lampen standen.

„Mache noch kein Licht an!“ sagte der Rath, während er sich in einer Ecke des Sophas niederließ. „Es dämmert ja kaum. Komm’, setze Dich zu mir! Ich glaube, daß wir auch hierbei in aller Gemüthlichkeit das Richtige finden werden, wie man es stets gefunden hat.“

Gehorsam, nur mit einer gewissen Reserve folgte Alma diesem Wunsche, that jedoch, als bemerke sie die Handbewegung des Vaters, neben ihm Platz zu nehmen, nicht, und wählte den nächsten Sessel.

Nach einer kleinen Pause, in welcher der Rath still zum Fenster hinaus aus einen Zug goldener Wolken gesehen hatte, der blaß und blasser wurde, begann er von Neuem:

„Zuerst wollen wir von Dir sprechen – nachher komme ich heran.“

Alma blickte auf.

„Ja,“ fuhr er fort, „diesmal geht mich Etwas ganz direct an. Mit Dir nun muß ich es heute machen, wie ich es in meiner Studentenzeit zu thun pflegte, wenn ich Secundant war – natürlich in einem durchaus ernsten Duell. Dann suchte ich mir vor Allem darüber Gewißheit zu verschaffen, ob einer der Contrahenten so tief gekränkt wäre, daß Blut fließen müßte. War das der Fall, so ließ ich dem Duell seinen Lauf; handelte es sich aber blos um leichte, äußere Ehrenschmisse, dann brachte ich in der Regel die rührendste Versöhnung zu Stande. Begreifst Du, wie diese Art zu handeln auch bei Dir verwendbar ist?“

Alma schwieg.

„Ich kann eben gleichfalls fragen: Fühlst Du Dich schon bis in’s Herz getroffen, oder ist es vor der Hand noch, um in meinem Jargon zu bleiben, ein äußerer Schmiß?“

Der Rath lachte behaglich.

„Dein Jargon –“ sagte Alma.

„Antworte mir noch nicht!“ unterbrach sie der Vater, „ich sehe, daß Dir meine trotzdem sehr gute Art und Weise nicht gefällt – also ohne Umschreibungen! Natürlich hatte ich bereits in Misdroy bemerkt, wie Du mit Herrn von Hollfeld öfter als mit den übrigen Officieren plaudertest, daß er sich uns gern anschloß und so weiter. Ich hielt es daher für meine Pflicht, über ihn Erkundigungen einzuziehen, und als ich nur das Beste in jeder Beziehung zu hören bekam, legte ich Eurem Verkehr keine Hindernisse in den Weg, von denen ich so wie so nichts hatte. [440] Hindernisse reizen gerade zu Compromittirungen – Wenn ich übrigens vorher sagte, daß ich nur Bestes gehört, so bezieht sich das blos auf die moralischen und meinetwegen geistigen Eigenschaften des jungen Herrn – an Vermögen besitzt er dagegen weniger als nichts, nämlich noch einige Schulden seiner verstorbenen Eltern, die er sich von seinem Gehalt abzutragen bemüht.“

„O wie ehrenwerth!“ rief Alma.

„Gewiß – höchst ehrenwerth!“ bestätigte der Rath, seine moquante Stimmung unterdrückend; „doch für einen zärtlichen Vater, der sein Kind auch äußerlich gut versorgt wissen möchte, kann dergleichen eine Partie durchaus nicht wünschenswerther machen. Dabei gehört er noch zu den Secondelieutenants, welche ihre Hintermänner, nicht einmal die Vorderleute zählen, und hat, wie er ja selbst sagte, auch keinerlei nennenswerthe Vermögensaussichten. Daß wir aber nur von meinem Gehalte leben und für uns gleichfalls auf der weiten Welt nicht die kleinste Erbschaft in Sicht, das ist Dir doch nicht unbekannt? Was denkt Ihr Euch also – wenn das Ganze eben kein Getändel, oder Ihr überhaupt schon bis zu einem Darüberdenken gekommen seid, was immerhin wahrscheinlich, da er Dich jetzt auch hier zu treffen weiß, neuerdings, wie mir scheint, sogar Fensterparaden macht? Dächtet Ihr etwa auf einander zu warten – im günstigsten Falle also fünfzehn bis sechszehn Jahre? Und ich schlösse unterdeß die Augen – meinst Du wirklich stark genug zu sein, Dich von den Zinsen der paar tausend Thaler, mit denen ich eingekauft bin, so recht kümmerlich durchzubringen – eigentlich, was man sagt, zu vegetiren?“

„Sprich nicht von Deinem Sterben!“

„O, ich denke ja in keiner Weise daran!“ rief der Rath wieder mit leisem Lachen, „Du sollst gleich schlagend überzeugt werden, wie wenig es der Fall ist! Bei einem Abwägen von Für und Wider müssen aber alle möglicher Weise eintretenden Verhältnisse berücksichtigt werden. Ich bitte nun also um volle Wahrheit! Daß ich bisher discret gewesen bin und Dich, obgleich man, wie Du siehst, Alles durchschaute, weder in Warnungen bevormundet, noch zum Vertrauen gezwungen habe, wirst Du hoffentlich anerkennen. Ich hätte es auch noch länger mit angesehen – warum Dir Deine Jugend nicht gönnen? Doch seit sich Bob so offenbar um Dich bewirbt, unterliegt Alles selbstverständlich anderen Gesichtspunkten. Räumst Du mir das ein?“

Alma ergriff mit beiden Händen des Vaters herabhängende Rechte und sagte flehend:

„Ich bin Hollfeld aber – gut – sehr gut! Und er ist noch zur Kriegsakademie einberufen, wodurch er eine viel raschere Carriere macht.“

„Wann ist diese Ordre gekommen?“

„In voriger Woche.“

„Und Du hast mir nichts davon gesagt?“

„Er wollte es Dir persönlich bei seinem Abschiedsbesuche mittheilen.“

„So bald geht er fort?“

„Schon übermorgen.“

„Im großen Ganzen,“ erklärte der Rath nach einigen Augenblicken der Ueberlegung, „ändert diese Einberufung übrigens wenig. Um ein paar Jahre – angenommen, er käme in den Generalstab – verringerte sich die Wartezeit allerdings; was bedeutete das aber? Alt und grau würdet Ihr doch, bevor an eine Vereinigung zu denken wäre. Außerdem traue ich, offen gestanden, ihm noch eher als Dir eine solche Treue zu. Es ist bei – leidlich hübschen Mädchen eine alte Erfahrung, daß der Abwesende leicht Unrecht hat.“

„Ich liebe Paul, wie er mich liebt!“ rief Alma ungestüm, „und ich könnte gar nicht weniger treu sein als er.“

„Schön!“ erwiderte der Vater vollständig ruhig. „Es bedarf ja momentan noch keines bestimmten Entschlusses; lassen wir unsere Ansichten vor der Hand also neben einander bestehen! Nur das Eine will ich Dir noch sagen, das ich vorher schon andeutete, was mich eben persönlich betrifft. Du bist mir ja stets eine liebe Tochter gewesen, sorgst vortrefflich für mich – ich entbehre fast nichts. Dennoch kann natürlich eine Tochter auf die Dauer niemals eine Gattin ersetzen, und so gedenke ich denn mich wieder zu verheiraten.“

„O mein Gott!“

Kaum hörbar war Alma’s Ausruf gewesen, doch hatte ihn der Rath verstanden. So sagte er mit all der Schärfe, welche ihm mitunter eigen war:

„Irgend einer Kritik über mein Handeln, weißt Du wohl, liebe ich nicht ausgesetzt zu werden. Ich bin mir auch heute bewußt, Alles auf’s Reiflichste erwogen zu haben, jedes Darübersprechen und besonders ein Daranherummäkeln könnte nur ganz unnöthige Verstimmungen hervorrufen, die doch nichts ändern würden. Ich bitte Dich also, Dir den Gedanken zurecht zu legen, Dein kleines Regiment hier recht bald mit einer neuen Mutter – ja, ja! einer sogenannten Stiefmutter – theilen zu müssen.“ Der Rath stand auf. „Du kennst Deine künftige Mutter, und wirst darum meine Wahl um so mehr billigen: es ist Frau von Lossen.“

„Frau von –“ Alma stockte, den Vater wahrhaft erschrocken anstarrend.

„Lossen!“ vollendete dieser kalt. – „Ich muß noch einen Ausgang machen; wenn ich zurückkomme, hoffe ich Dich von Deinem wohl nur freudigen Schrecken erholt zu finden. Adieu!“

Damit nahm er Hut und Stock.

(Fortsetzung folgt.)




Land und Leute.

Nr. 50.0 Spielzeug aus der Höhe.
Bilder aus dem Grödener Thale von Heinrich Noë.

Alles Körperliche hat sein Wiederspiel im Geistigen. Auf dieser Wahrnehmung, zu der auch ohne den Fittig mächtiger Einbildungskraft vorgedrungen wird, beruhen Lehrmeinungen, deren Propheten es ihrer Zeit ein Kleines däuchte, mit ihrer Hülfe Gott, die Welt, sich selbst und Alles zu erklären. Auch auf die Natur und das Menschenleben in dem „köstlich frischen“ Grödener Thale, in welches wir unsere Leser heute führen, darf dieser Satz angewandt werden.

Von unseren Gelehrten wissen wir, daß einst über Thälern der Alpen, auf deren Gründen jetzt der feurigste Wein heranreift, viele tausend Fuß dick und tief die Rinde graublauen Gletschereises lagerte. Die Pflanzen und die Thiere, welche damals am Rande des Eises in den Thälern lebten, haben sich, als andere Lüfte über diese ihre Welt hereinbrachen, auf die winterlichen Höhen zurückgezogen. Menschen und ihre Rede sind aus der Tiefe vertrieben und in rauhe Hochthäler gedrängt worden.

Als die Römer in das Alpengebirge Rhätiens[1] gelangten, unterwarfen sie dessen Insassen und zwangen ihnen ihre Sprache auf. Wo irgend ein Stamm der Barbaren sich mit dem Volke Latiums vereinigte, entstand alsbald durch diese Mengung eine jener Sprachen, die wir heutzutage nach ihrem durchschlagenden Hauptinhalt romanische nennen. Deren giebt es aber nicht fünf oder sechs, wie man uns in den Schulen gelehrt, sondern mehr als hundert; denn allenthalben wurde das Latein in anderer Gestalt, in verschiedenartiger Abänderung und in mancherlei Anpassung der bisherigen Muttersprache eingemengt.

Zu einer solchen romanischen Sprache bequemten sich denn auch die Bergvölker zwischen den Quellen des Inn und Rhein und den Ufern der Etsch und Piave. Ein romanisch redendes Volk wohnte im früheren Mittelalter vom Gonlasee bis in’s baierische Gebirge hinein und von Graubünden bis zu den Dolomiten von Ampezzo. In diese zusammenhängende Reihe wurden aber bald germanische Keile eingetrieben. Baiern, Alemannen und Trümmer anderer deutscher Stämme drangen in die besten der Thäler. Die „Romanen“ unterwarfen sich, nahmen die Sprache der Eindringlinge an oder verschwanden. So sind im grünen Inn- und Eisakthal nur an Namen von Gehöften, Waldstücken und Fluren die Spuren der Vergewaltigten haften geblieben – in allem Uebrigen ist das Land deutsch geworden, als ob es nie anders gewesen wäre.

Wie einst mit der Aenderung von Luft und Wetter die Thiere und Pflanzen jener tieferen Thäler sich in der alten

[441] 

St. Ulrich im Grödener Thal in Südtirol.
Nach der Natur gezeichnet von R. Püttner.

[442] Heimath nicht mehr behaglich fühlten und nur dort weiter gediehen, wo keine Umwandlung zu verspüren war, so geschah es auch mit den Menschen. Eine der breitesten Lücken, welche die germanische Sturmfluth in den zusammenhängenden Ring der Rhätier einriß, deren Rede sich mit dem Latein der alten Eroberer verquickt hatte, ist diejenige, die zwischen dem Engadin und den Gebirgen des Eisakthales klafft. Dort ist aus der alten Val Venosta das heutige Vintschgau und aus dem romanischen Pauzanum, Bolsanum, das deutsche Bozen geworden. Die Rhätier haben deutsch reden gelernt – oder sie gedeihen drinnen in den Hochthälern, auf den Matten unter den bleichen Dolomitbergen. Dort hausen sie heute noch, die „Ladins“.

Das anziehendste aller ladinischen Thäler ist Gröden, das bei Waidbruck zwischen Brixen und Bozen in’s Eisakthal ausmündet und sich nach oben, wo seine Wasser zusammenrinnen, in große Kalkwüsteneien hinein verästelt. Es ist schön, grün, wasserreich, von wundervollen Bergen umringt, unter denen die grünende, von zahlreichen Heerden und munterem Sennervolk belebte Seiseralpe obenan steht. Wer dieses herrliche Stück deutscher Erde nicht gesehen, den mögen von der Wahrhaftigkeit unseres Lobes die trefflichen diesem Artikel beigefügten Püttner’schen Zeichnungen überzeugen.

Im unteren Theil des Thales haben sich die Ladins nicht erhalten. So weit wärmere Luft reicht und Fruchtbäume stehen, hat auch der Verkehr seine Wellen herein geworfen. Die Zunge des Verkehrs aber ist deutsch. An dieser Seite des Gebirgs hängen die Ladins an Zirben und Fichten. Ihre Sprache gehört zur Alpenflora.

Die Ladins sind in ihren eigenen Augen, gleich den Rumänen, die echtesten aller Abkömmlinge des Römervolkes. Jetzt schnitzen sie dort oben, hoch in ihren Berghäusern, von denen viele so weit über das Meer aufragen, wie Brocken oder Schneekoppe, einen nicht geringen Theil der Spielwaaren, welche in hercynischer Tiefebene das Christkind seinen deutschen Schützlingen bringt.

Das ist so zugegangen. .... Doch wozu ein geschichtlicher Excursus? Es ist ebenso wenig auf Jahr oder Tag hinaus festzustellen, wann die Grödener anfingen, ihre Spielwaaren zu schnitzen, wie es von den Berchtesgadenern oder Oberammergauern bekannt ist, oder wie man weiß, wer in Mittenwald die erste Cither gemacht hat. Packen wir die Sache von ihrer sinnlichen, malerischen Seite!

Ich habe in meinem „Deutschen Alpenbuch“ (Glogau, Flemming) gesagt: „Jetzt war der Abstieg zum Ladinergebiet erreicht. Weit schaute das Auge auf die blauen Gipfel von Cadore, in die fernen Corridore, die nach Wälschland hinabführen zu den Palästen des Venediger Landes. Dort grünt der Lorbeer, rauschen die Brunnen und stehen weiße Bilder – hier oben aber, auf der armen Höhe, liegen Zirbenklötze, mit Zweigen zugedeckt. ‚Das werden Rösser,‘ sagt der Führer. Das heißt, es kommen Männer herauf, welche die Hölzer mit fortnehmen und daheim Pferde und ähnliches Spielzeug daraus schnitzen. Bald fällt vielleicht das Licht des Weihnachtsbaumes in festlicher Stube auf die Rösser, die jetzt noch in diesen Klötzen eingeschlossen sind.“

Ich setze nunmehr andere Bilder hinzu.

Am Abhang von St. Christina, wo der Wasserfall gegen die vielblumigen Wiesen herabstäubt – im Angesicht des Langkofel, um den langsam die Wolken wandeln, gehen gebückte Gestalten, Weiber und Kinder. Sie beugen sich unter Tragkörben. Unter dem Tüchlein, welches oben über den Korb gebreitet ist, schauen Füße von Thieren, Schellenkappen von Hanswursten heraus. Sie „liefern ab“. Der „Verleger“ unten in St. Christina oder St. Ulrich ist es, dem sie zuschleppen, was während der letzten Woche daheim, bei Sonnenschein oder bei Lampenlicht, von Alt und Jung aus dem Holze herausgearbeitet worden ist.

Nicht selten sind es auch die Bilder des gekreuzigten Erlösers oder von Heiligen, die da langsam von mühseligen Menschen am Rande der Felswände dahin getragen werden.

Wieder ein anderes Bild!

Es ist Mitternacht. Mit mächtigerem Rauschen (wie das scheinbar oder in Wirklichkeit zur Nachtzeit alle Wasser thun) zwängt sich der Thalbach den Engpässen entgegen. Der deutsche Bauer drunten im Eisakthale liegt schon seit Stunden in den Federn, nachdem er sich, wenn nicht müde gearbeitet, doch müde gebetet hat. Hier glänzen helle Punkte, hinauf, weit hinauf an den Matten bis unter die grauen Wände hin. Es sind nicht Glühwürmer im Nadelwald; es sind nicht Feuer der Hirten. Hier brennen die Lampen, und hinter den Lampen sitzen die Menschen mit ihren Messern. Da häufen sich Hügel von ganz rohen Schafen, Hunden, Kühen und Ziegen, die alle im Handumdrehen gemacht werden und für deren eines nicht einmal ein ganzer Kreuzer als Entgelt abfällt. Da wachsen die Gliederpuppen und die Wiegenpferde aus Blöcken von Fichten- und Föhrenholz heraus.

Es geht hier allenthalben umgekehrt zu, wie bei den „Verwandlungen“ des lateinischen Dichters. Hier tritt die menschliche Gestalt aus dem Holze heraus, während sich bei dem Poeten so oft die hüllende Rinde eines Baumes hinter der verfolgten Nymphe schließt und ihre emporgestreckten Arme als lange Aeste gegen den Himmel schauen.

Wieder ein Bild! Hoch oben auf der Bergwiese glänzt ein weißes Haus, auf der Sonnenseite des Thales. Es ist ein mühsames Gehen dort hinauf, auf den schmalen Wiesenwegen, zwischen den Gerstenfeldern hindurch – wenn die mittägige Sonne sich an die jähen Halden legt. Dort oben im sauberen Hause wohnt ein gerühmter Bildschnitzer. Bei ihm finden wir lebensgroße Gestalten der heiligen Geschichte – vielleicht auch Jagdstücke, kunstvolle Becher. Der Schnitzer ist der vornehmste unter den Arbeitern oben. Er schafft nicht für einen „Verleger“; er braucht keinen Vermittler zwischen seiner Arbeit und denjenigen, die ihrer bedürfen. An ihn wenden sich Gemeinden und Pfarrer, die ihre Kirchen verschönern wollen. Gleichwohl kommt seiner Behausung das Aussehen einer kleinen Fabrik zu – denn die Brüder und anderen Gehülfen im größeren Raume beschäftigen sich als „Faßmaler“. Schon der Leimgeruch der Farben, die Ausdünstung der Lacke deutet uns an, was diese treiben. Hier malen sie dem heiligen Johannes seinen schönen, mädchenhaften, etwas hektischen Teint und die goldblonden Haare an; dort umgeben sie den Wundenrand eines Märtyrers mit blutigem Carmin. Man findet da Gesellschaften in golden und silbern strahlenden Gewändern von ganz seltsamen Geberden und Stellungen, welche die Gestalten gegen einander einnehmen.

Auch die Unglückstafeln, an denen das Hochthal ein ziemliches Bedürfniß hat, werden vom Faßmaler angefertigt. Er stellt die Begebenheit dar und liefert auch den Text, und zwar je nach Wunsch in italienischer oder deutscher Sprache; denn zur Schriftsprache hat sich das Grödenische noch nicht zu erheben vermocht. Es ist, nebenbei gesagt, sehr schwer, einen Brief in dieser Sprache sich zu verschaffen. Außer dem Curaten Vian, der eine Grammatik geschrieben, sind nur von ein paar Sprachforschern kleine Texte im Ladin veröffentlicht worden. Auch mit ihrem Gott reden die Ladins nicht in der Muttersprache. Es wird deutsch, zumeist aber italienisch gepredigt, und wer etwa bei einer Procession den Weibern zuhört, die mit ihren hohen schwarzen Wollmützen, denen blaue Bündchen als Zierrath angeheftet sind, betend einhergeschritten kommen, der wird sich bald überzeugen, daß es die angelernte Kirchensprache ist, in welcher sie die Formeln hersagen.

Die Häuser in Gröden sind zumeist sauber, aber als die schönsten muß man, wie leichtbegreiflich, die der „Verleger“ gelten lassen. Die „Verleger“ sind es, welche das meiste Geld haben. Insam und Prinoth werden heute als erste „Firma“ genannt. Das wichtigste aller Verlegerhäuser ist aber das von Purger, für die Geschichte des Thales wenigstens; hat es doch zum ersten Mal der Grödener Arbeit Gebiete über dem Meere erschlossen. Purger war der erste große Kaufmann im Thale. Ihm ist es zu danken, daß die Grödener eine Straße haben. Denn, es darf daran erinnert werden: früher mußten sie mit ihren Tragkörben den Abgrund umgehen, in welchem der Thalbach zum Eisak vorbricht.

Längs des natürlichen Weges, den das Wasser vorzeichnet, konnten sie nicht hinauskommen. Es ist dort eine Klamm hinter der anderen, und die Traufen der angeschmetterten Wellen im untern Lauf des Thalbaches, der als ein langhingestreckter Wasserfall gelten kann, sprühen hoch in den Schatten der Felsen hinein. Da mußten sie hoch oben herumklettern, die Träger, über Laien und St. Peter, und weit über den Porphyrwall hinsteigen, der dem Thale vorgelagert ist. Sie waren zu steigen genöthigt, um in die Tiefe zu kommen. Purger erklärte es für seine Aufgabe, der Mühsal abzuhelfen, aber er hatte ohne die Staatsweisheit jener Tage gerechnet. Es darf nicht Straßen bauen, wer da will, wer sie zu nützen trachtet und den Bau selbst zahlt. Vier, fünf Reisen nach Wien, der allunterthänigsten Vorstellungen vor den höchst Gewaltigen, der Bücklinge und Bitten bedurfte es, bis den armen Grödenern [443] gestattet wurde, in ihre eigenen Taschen zu greifen und sich auf ihre Kosten einen Weg nach den Stationen des Verkehrs anzulegen. Ohne Purger krabbelten die Kraxenträger noch heute über das Joch. Selten vermeldet, wie wir wissen, eine ruhmredige Gedächtnißtafel den wahren Namen desjenigen, den man als den Urheber des Werkes ansehen sollte. Meist erscheint in Goldlettern der Name irgend einer Person, die gar nichts oder vielleicht nur durch die Mühe einer Unterschrift mit demselben ein wenig zu schaffen hatte. Purger’s Name aber ist dort, am Felsen unter Pontifes, mit Recht eingegraben, und alle Vorübergehenden müssen des Mannes gedenken. Wenn die Buchstaben der Inschrift längst unleserlich geworden sind, wird man im Thale noch vom „alten Purger“ erzählen. Er hat seine Heimath erschlossen. Auch in anderer Hinsicht bleibt sein Andenken geehrt. Es fiel ihm nicht bei, das Mark der Grödener auszunutzen. Der Gegensatz von Geld und Arbeit wurde damals den armen Schnitzern nicht empfindlich. Purger wäre es nie in den Sinn gekommen, durch schlechte Nahrungsmittel, durch verfälschte Milch einen Theil des ausgezahlten Lohnes wieder in die eigene Tasche zu bringen.

Der Anfang und Fortgang der Grödener Schnitzerei hat viele Aehnlichkeit mit der Geschichte der Mittenwalder Geigenindustrie. Es ist in Gröden nicht so gegangen, wie beispielsweise in Partenkirchen-Oberammergau, wo durch das Auftreten eines einzigen Mannes künstlerisches Leben in Fluß kam und die Arbeit urplötzlich aus dem Bereiche gewöhnlichster Hausindustrie in den des Geschmackes hinüber gehoben wurde. Gröden hatte keinen Michael Sachs, wie das baierische Hochland. Erst in neuester Zeit hat die österreichische Regierung, um Jahrzehnte hinter den Nachbarn nachhinkend, durch Errichtung einer Schnitzschule darauf hinzuwirken angefangen, daß nicht die Grödener Arbeit durch geschmackvollere Leistungen der Mitbewerber allenthalben aus dem Felde geschlagen werde.

Die Holzschnitzerei in Gröden begann im Laufe der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. Zuerst erstreckte sie sich nur auf Rahmen, Kraxenträger schleppten diese Holzrahmen über den Berg hinaus, und war der Vorrath ihres Tragkorbes erschöpft, so kehrten sie um. Allgemach wurde ein solcher Verkehr zu umständlich und lästig. Es lohnte sich nicht mehr, mit so geringen Vorräthen weite Reisen, wie nach Preußen und Rußland, zu machen, und so ließen sie sich an entlegenere Orte Waaren nachführen. Es entstanden Depots, Niederlagen.

Die Nachfrage nach den billigen Erzeugnissen wurde immer größer, und allmählich thaten sich Männer im Thale selbst auf, welche Waaren zusammenkauften oder auf Bestellung anfertigen ließen, Verleger. Ein Beispiel aus dieser Periode des Grödener Handels bietet uns Dominicus Mahlknecht. Als junger Bursche begann er mit seinem Tragkorbe zu hausiren, sammelte nach und nach Geld an und wurde Großhändler. Als er starb, berechnete man sein Vermögen auf eine halbe Million Gulden.

Wie bei aller Betriebsamkeit, so nimmt auch in den Grödener Schnitzwaaren die Nachfruge ab und zu. Eines der besten Jahre war 1868. In diesem Jahre betrug das Gewicht der von Gröden ausgeführten Schnitzereien 8000 Centner, ihr Werth 600,000 Gulden. Während der siebenziger Jahre bemerkte man fühlbaren Rückgang. Dermalen hingegen werden die Spielsachen aus Gröden wieder viel begehrt. Der Arbeiter ist nicht verlegen um Absatz, und er ist es, welcher vom Verleger gesucht wird – nicht umgekehrt, wie es wohl schon in schlimmeren Zeiten der Fall war. Gleichwohl dürfen die Grödener nicht vergessen, daß sie gefährliche Nebenbuhler haben. So lange in den Kunsthandlungen Innsbrucks die schönsten Stücke von dem, was dort als „tirolische Schnitzwaare“ feilgeboten wird, nicht von ihnen herrühren, steht ihrem Ehrgeize noch ein weites Feld offen. Auch ist es vielleicht unnöthig, daß sich die Verleger auf ihre Kosten bereichern, und könnten sie es den Ampezzaner Filigran-Arbeitern nachmachen, welche sich zu einer Genossenschaft zusammengethan haben.

Unter den Männern, welche sich um den Fortschritt des Grödener Kunstgewerbes verdient gemacht haben, muß der dermalige Zeichnungslehrer Herr Sotriffer erwähnt werden. Er wohnt neben der Kirche zu St. Ulrich, im Angesicht des gewaltigen Grödener Wahrzeichens, des Langkofel. Seine Behausung bietet schöne Aussicht, sein Gespräch Einblick in die Geschichte des Thales Gröden und die Mannigfaltigkeit seiner Natur. Gelegentlich sei erwähnt, wie sein Name zu denjenigen gehört, an welchen man die beliebte Germanisation der romanischen Namen zu studiren vermag. Sotriffer kontmt her von sotto ripa, das heißt unter dem Hang, Rain, und wäre demnach mit Unterrainer zu übersetzen. Dieser Name ist zu vergleichen mit Aldosser, Welponer, Pineiter, die von al doss, val bona, pineto abgeleitet sind und etwa mit Bühler, Gutthaler, Fichtner verdeutscht werden könnten.

Nachdem ich so viel über die Grödener und ihre Schnitzereien gesagt, gestatte ich mir einige Worte über ihre Wohnstätten.

Wären die hohen Schrofen nicht, die steil in das obere Thal abfallen, so möchte sich der Wanderer beim ersten Anblick in irgend eines der Thäler des baierischen Voralpengebirges versetzt glauben. Allgegenwärtiges Grün von Nadelholzwäldern und Wiesen und dazwischen verstreut weiße Häuser. In der That verrathen die romanischen Grödener, in ihrer Weise zu wohnen, nicht die geringste Verwandtschaft mit den italienischen Nachbarn. Diese letzteren lieben es nicht, sich in vereinzelten Häusern anzusiedeln. Sie ballen ihre Wohnstätten zusammen und das feste Mauerwerk ihrer Dörfer gleicht einem heruntergekommenen Theile der nächsten besten Stadt. Die Ladins aber folgen dem germanischen Triebe, der schon den römischen Schriftstellern der Kaiserzeit auffiel. Romanisch dagegen ist die Theilnahmlosigkeit an der Verschönerung des eigenen Heims durch die Pflanzenwelt.

Wohl sind hier die Lüfte rauh – aber in noch rauheren Thälern des deutschen Hochlandes fehlt nie das wenn auch noch so dürftige Gärtchen vor der Schwelle mit der flüchtigen Zier seiner Mohnblumen, Päonien oder Astern. Darum kümmert sich aber der Grödener nicht. Im Herbste 1881 beispielsweise werden wohl die meisten Fremden kopfschüttelnd bemerkt haben, wie mitten im Dorfe St. Ulrich, in welchem die Verleger so schöne Häuser stehen haben, der ansehnliche Raum nördlich vom Adlerwirthshause, gegen den Purger’schen Palazzo hin, ausschließlich von Disteln und nur von Disteln bedeckt war – ein weiter Distelacker, so dicht von diesen Stachelgewächsen bedeckt, als ob die Bewohner von ihnen und nicht von ihrer Arbeit oder von Brodfrüchten leben müßten.

Bädeker’s verdienstvolles Handbuch zählt alle Zugänge in’s Thal auf. Fahrbar ist nur der durch die Klammen des Thürsenbaches, deren Wasser- und Felsansichten gewiß von John Bull zu gering geschätzt werden, wenn er sagt, daß „ihre Scenerie sich kaum zur Größe erhebt“. Herr H. J. Meyer in Leipzig dagegen befindet sich im Rechte, wenn er in seinen „Deutschen Alpen“ Gröden ein „köstlich frisches Thal“ nennt.

Freilich ist es ein ganz anderes Ding, sich dem Grödener Thale über irgend eines der Jöcher zu nähern. Sie sind alle leicht zu begehen, bis oben hinauf mit Gras, zum Theil auch mit Bäumen, bewachsen. Wer da oben geht, sieht die Pracht der Dolomite. Er staunt die Größe ihrer Steilwände, die Zerrissenheit ihrer Zacken, noch mehr aber vielleicht die Kühnheit der Menschen an, deren Fuß sich nicht durch die Schrecknisse abhalten ließ, mit welchen die Geister der Gipfel sich gegen menschliche Annäherung vertheidigen. Was da gewagt wird, das möge die Erzählung der Frau Antonie Santner, die eine Nacht auf dem Langkofel zugebracht hat, andeuten. Ich habe dieses wundersame Abenteuer in meinem „Bozener Führer“ mitgetheilt.

Einen lehrreichen Gegensatz bietet der Pflanzenwuchs des unteren und des oberen Thales. Dort unten, in den von jäh abstürzenden Wassern durchtosten Engen, hängt die Traube von luftigem Pfahldache und werfen Nußbäume und Kastanien ihre Schatten über den silbrigen Schaum. Dort oben, im Langthal, wo die letzten Trümmer von Wolkenstein stehen, gedeiht die Legföhre um schneeweißes Geröll. Kein Wunder – denn bis zur letzten Gaststätte, Plan, (dessen freundliches Wirthshaus gepriesen sei) hebt sich das Thal um ungefähr 1200 Meter.

Wer Grödens Hochkare und Schneefelder, seine von so wunderlichen Sagen belebten Felseinöden, seine stäubenden Bäche und dunklen Fichtenwälder in einer Bildergallerie vereinigt suchen will, der lasse sich von Franz Moser in Bozen eine Sammlung der Lotze’schen Photographien kommen! Noch besser freilich, wenn er dem folgt, was ich ihm in meinem Abschiedsworte anrathe.

Die „Gartenlaube“ hat schon Sätze ist Sprachen entlegener Erdtheile gebracht, aber noch keinen im hinschwindenden Idiome der Rhätoromanen. Mein Gruß sei also in dieses gewandet, indem ich sage: Je cunascia velga mia tutas las stredes che meina della bella val de Gherdeina. U les truepes d’autri m’ unito! Das heißt verdeutscht: Ich kenne schier alle Wege, die in’s schöne Grödener Thal führen. Mögen recht viele Andere mir nachfolgen!




[444]

Volkswirthschaftliche Zukunftsaufgaben.

Nr. 1.0 Personenporto im Eisenbahnverkehr der Zukunft.

Die Idee, den Menschen gewissermaßen als Frachtgut zu behandeln, ihn bei dem Verkehr auf Eisenbahnen in der gleichen Weise zu befördern wie Güter, tauchte schon früher von Zeit zu Zeit in einzelnen Köpfen auf. So erzählte die „Gartenlaube“ schon in den sechsziger Jahren ihren Lesern, daß ein Engländer auf dem Pariser Hauptpostamt erschienen sei und gefragt habe, wie viel wohl ein Brief, eben so schwer wie seine Person, nach London kosten würde. Nachdem er gewogen und ihm eine erhebliche Summe genannt worden war, verlangte der Sohn Albions, mit Freimarken beklebt und nach London gesandt zu werden.

Tritt bei diesem Vorgange die Idee der Personenbeförderung als Postfrachtgut noch in sehr primitiver Form auf, so kommt folgende Erzählung amerikanischer Blätter dem Zweck schon viel näher.

Ein Mann in Chicago, als excentrisch bekannt, verlangt von einem Eisenbahndirector, von Chicago nach Philadelphia als Frachtgut spedirt zu werden. Der Director erklärt das nicht für unmöglich, doch zerschlagen sich die Verhandlungen, da der Petent nur den Frachtsatz von zwei Dollars zahlen, der Eisenbahndirector aber den Personentarif angewendet haben will, was Jener für eine Ungerechtigkeit erklärt. Er beschließt, dem Director zu beweisen, daß er Unrecht hat, läßt eine große Kiste machen, gut ausstatten, legt sich hinein und wird als Frachtgut aufgegeben. So fährt er eine ziemliche Strecke auf Philadelphia zu, bis er sich durch Geräusch verräth, worauf die Kiste geöffnet und er auf Personenbillet nach Chicago zurückgeschickt wird. – Wäre er nicht entdeckt worden, so wäre er für den Frachtsatz gefahren.

Die „Ladins“ im Grödener Thal in Südtirol.
Nach der Natur gezeichnet von Richard Püttner.

Der Gedanke, von welchem der Mann ausging, war der folgende: Warum soll die Bahnverwaltung für die Beförderung einer Last von meinem Gewichte einen verschiedenen Tarif erheben, wenn sie in verschiedener Form zum Transport gelangt? Wenn sie dem Menschen einen größeren Comfort bietet, als dem Gut, das sie einfach in die Ecke des Waggons wirft, so muß sie es doch erst werfen und dann wieder hervorholen lassen, hat Schreibereien und Scheerereien aller Art, während der Mensch keinen weiteren Anspruch an sie stellt, als im Waggon aufgenommen zu sein, und alles Uebrige selbst besorgt. Daß diese Anschauung einen berechtigten Kern birgt, wird sich kaum leugnen lassen. Von einem durchaus ernsten Standpunkte versuchte im Jahre 1865 ein Engländer, Raphael Brandon, die Frage des „Passagierportos“ zu lösen. Nach seinen in der Broschüre „Railways and the Public“ niedergelegten Anschauungen sollte der Passagier als Brief behandelt und durch das gesammte Gebiet des vereinigten Königreiches zu einem und demselben bestimmten niedrigen Fahrpreise befördert werden. „Eine Dreipence-Marke,“ berichtete im Jahre 1865 die „Gartenlaube“, „soll nach dem Vorschlage Brandon’s den Reisenden von London nach dem Krystallpalaste von Sydenham wie nach der äußersten Spitze von Schottland in dritter Wagenclasse befördern. Wer sich der zweiten Wagenclasse bedient, soll eine Sechspence-Marke, und wer sich den Luxus der ersten Classe gönnen will, eine Schillingsmarke zu lösen haben.“[WS 1] Durch sorgfältige Rechnungen hat Brandon nachgewiesen, daß diese Neuerung die Eisenbahnen Englands keineswegs schädigen, sondern bei naturgemäß zunehmender Personenfrequenz der Bahnfahrten die Einnahmen derselben sogar bedeutend erhöhen würde.

Die Hauptbedingung, an welche Brandon die Verwirklichung seines Projectes knüpfte, war die Verstaatlichung sämmtlicher englischen Eisenbahnen, aber sein genialer Gedanke fand unter seinen Landsleuten keinen Anklang, und wurden seine Vorschläge von dem englischen Parlamente einfach ad acta gelegt. In Deutschland sollen Anregungen zur Ausführung dieser äußerst wichtigen Idee bereits vor einer Anzahl von Jahren von Seiten des um das deutsche Verkehrswesen so hochverdienten General-Postmeisters Dr. Stephan durch eine Denkschrift gegeben worden sein.

Die von Brandon erwähnte Hauptbedingung ist inzwischen in Deutschland zur Thatsache geworden, indem der größte Theil unserer Bahnen in den Besitz des Staates übergegangen ist, und so erscheint es wohl an der Zeit, aus dieser Thatsache, gegen welche aus politischen und volkswirthschaftlichen Gründen sonst Manches einzuwenden wäre, den möglichsten Vortheil zu ziehen und die Einheitlichkeit der Bahnverwaltungen zur Erweiterung und Erleichterung des Verkehrs im Brandon’schen Sinne zu benutzen.

Der heutige Stand der Personenbeförderung auf Eisenbahnen in Deutschland charakterisirt sich kurz in Folgendem. Gewöhnlich existiren vier Wagenclassen; das Fahrgeld ist im Vergleich zu dem Tarif anderer Länder billig. Immerhin ist es aber theuer genug, um der weit überwiegenden Mehrzahl der Einwohner zu verbieten, andere als die allernothwendigsten Reisen zu machen, ganz kurze Strecken ausgenommen. Die pecuniären Folgen dieses Zustandes werden durch die statistische Notiz, daß der Personentransport auf den preußischen Staats- und unter Staatsbetrieb stehenden Privatbahnen [445] im Jahre 1875 2,500,000 Mark mehr gekostet hat, als er einbrachte, in das klarste Licht gestellt. Im günstigsten Falle ließe sich annehmen, daß das Ergebniß der übrigen Bahnen diese Mindereinnahme ausgleicht, soviel steht jedoch unter allen Umständen fest, daß der Personenverkehr auf Eisenbahnen zur Verzinsung des Capitals nichts beiträgt, daß vielmehr der Güterverkehr allein die Verzinsung decken muß.

Hier fällt sofort die so sehr nahe liegende Parallele mit dem Briefverkehr in’s Auge. Unsere Generation erinnert sich noch sehr gut der Zeit, in welcher ein Brief aus Amerika in die Thaler hinein kostete, wo eine arme Familie durch ein Schreiben eines amerikanischen Angehörigen in große Verlegenheit gesetzt werden konnte und in der That gesetzt wurde, weil das zur Bestreitung des Portos nöthige Geld nicht vorhanden war. Heute aber geht bekanntlich eine Postkarte für zehn Pfennig nach San Francisco und nach Japan. Hätte man vor Einführung unseres einheitlichen Portotarifs die jetzigen Zustände als erreichbar hinstellen wollen, man wäre für irrsinnig gehalten worden. Es sei ferner daran erinnert, daß vor Einführung des einheitlichen Zehnpfennigportos bei uns, als Briefe innerhalb zehn Meilen zehn, innerhalb zwanzig Meilen zwanzig, darüber hinaus dreißig Pfennig kosteten, die stärksten Befürchtungen ausgesprochen wurden, daß die Postverwaltung durch die Portoherabsetzung ein großartiges Deficit haben werde; heute weiß Jedermann, daß diese Preisverminderung der Post ungeahnte Ueberschüsse liefert. Um der Post das ehemalige Porto eines Briefes von Deutschland nach Amerika zu ersetzen, müssen heute fünfundzwanzig geschrieben werden, und siehe da, es werden mehr als das Doppelte geschrieben.

Die Seiseralp in Südtirol.
Nach der Natur gezeichnet von Richard Püttner.


Was bei der Postverwaltung geschehen, läßt sich aber bei der Passagierbeförderung auf Eisenbahnen und anderen Beförderungsmitteln ebenfalls thun und wird voraussichtlich die gleichen Resultate zeitigen.

Man muß ja dabei noch beachten, daß der Brief, der eine ganze Strecke zu durchwandern hat, durch eine Menge Hände geht, daß ein Werthbrief irgend welcher Art auf seiner Reise sogar unzählige Mal gewogen, gebucht und übergeben wird, während der reisende Mensch keinerlei Kosten der Beaufsichtigung und Controlle verursacht, sobald man sie ihm erläßt, was, wie das Beispiel der Berliner Stadtbahn beweist, ganz gut sich macht.

Der einzige erhebliche Einwand, daß die Neuerung eine bedeutende Einbuße an Einnahmen im Gefolge haben werde, scheint in keiner Weise stichhaltig zu sein, weil das Bedenken, die Erleichterung des Verkehrs werde doch nicht so viele Mehrreisen zur Folge haben, daß der Ausfall an den jetzigen hohen Billetpreisen ausgeglichen wird, den in ähnlichen Verhältnissen gemachten Erfahrungen widerspricht. Auch hier ist zuerst auf die Briefpost hinzuweisen.

Derjenige, dem es bei den früheren Briefportotaxen auf Geld nicht ankam, schrieb Briefe, wann es ihm beliebte; ebenso reist heute zu jeder Zeit der Reiche; derjenige, welcher mit seinen Mitteln haushalten mußte, schrieb früher nur, wenn es nothwendig war; ebenso wie er heute nur reist, wenn die Nothwendigkeit [446] es erfordert; der Arme correspondirte früher entweder gar nicht, oder doch nur überaus selten, wobei er sich noch ein Opfer auferlegen mußte, und genau in demselben Falle befindet er sich heute dem Reisen gegenüber.

Nachdem nun eine zwanzigjährige Erfahrung gezeigt hat, daß die einheitliche billige Tarifirung des Postportos die soeben charakterisirten Unterschiede in der Correspondenzfähigkeit aufgehoben hat, daß alle Theile der Bevölkerung die Annehmlichkeiten des brieflichen Verkehrs in gleicher Weise genießen können und in der That sich zu Nutze machen und daß in Folge dieser einheitlichen billigen Tarifirung die Post erst zu dem Verkehrsmittel geworden ist, welches sie heute darstellt und von dessen möglicher Ausdehnung man vorher keinen Begriff hatte; nach allem Diesem ist in der That nicht abzusehen, warum nicht die gleiche Maßregel bei dem Personenverkehr auf den Eisenbahnen die gleichen Folgen nach sich ziehen soll. Dafür, daß nach Einführung eines billigen Fahrpreises die Anlässe zum Reisen sich mehren, soll nur angeführt werden, daß, abgesehen von den Besuchsfahrten in Feiertagswochen und Ferienzeiten, der Kaufmann in vielen Fällen statt eines mehrmaligen Briefwechsels, der den Abschluß eines Geschäftes um Wochen verzögert, lieber in einem Tage durch persönliche Rücksprache die betreffende Angelegenheit regulirt. Man denke an den Amerikaner, der, wie kürzlich die Zeitungen meldeten, die Reise von seiner Heimath nach Hamburg machte, um eine Stunde mit einem Geschäftsfreunde zu conferiren und eine Sache zu ordnen, wegen deren er bereits Monate lang vergebens correspondirt hatte.

Es sei ferner darauf hingewiesen, daß die Einführung besserer Verkehrsmittel stets die Verkehrsfrequenz je nach der Bequemlichkeit des neu Eingeführten gehoben hat.

Jeder Bewohner einer großen Stadt hat sich aus eigenem Anschauen überzeugen können, daß die Omnibusse, sobald sie zweckmäßige Linien befuhren, gute Geschäfte machten, daß die später als die Omnibusse gebauten Pferdebahnen einen großartigen Verkehr vermittelten, an den vor zwanzig Jahren noch kein Mensch dachte, und der Berliner endlich sieht mit Erstaunen, wie viele Leute täglich die Stadtbahn, ein ganz neues Verkehrsmittel, benutzen, während die Pferdebahnen immer noch, ebenso wie die Omnibusse, gefüllt sind und glänzend bestehen.

Wollen wir die Rentabilitätsfrage des Passagierportos praktisch prüfen, so müssen wir zunächst in annähernder Weise zu constatiren suchen, wie groß wohl nach Einführung des einheitlichen Tarifs die durchschnittliche Fahrstrecke sein wird.

Man irrt in jedem Falle, wenn man vermeint, daß die Billigkeit des Tarifs veranlassen werde, daß nunmehr die Leute vorzugsweise weite Strecken durchreisen werden; die Billigkeit und Bequemlichkeit des Transportes wirkt auf alle Entfernungen gleichmäßig ein. Beweis hierfür ist der Stadtpostverkehr in Berlin, welcher in die Millionen geht, wiewohl der Brief innerhalb der Stadt ebenso thener ist, wie bis nach der österreichisch-türkischen Grenze. Daß aber dem so ist, ist nur ganz natürlich; denn man schreibt eben zu jeder sich bietenden Gelegenheit, und die meisten sich bietenden Gelegenheiten müssen sich ja in der Nähe finden. Man betrachte sich die Verhältnisse in der Provinz.

Jede Kreisstadt bildet einen Centralpunkt, wiederum concentriren sich alle Interessen der Provinz in deren Hauptstadt, und so wird sich, einige Welthandelsplätze ausgenommen, der Verkehr im Briefwechsel, wie beim Reisen, immer als ein provinziell localer herausstellen, und die Hälfte der Entfernung der Hauptstadt von den Grenzen der Provinz als Durchschnittsdistanz anzunehmen sein.

Diese ist mit 120 Kilometer nicht zu gering bemessen, und nun können wir das Exempel construiren. Ein gewöhnlicher Zug, welcher täglich 60 Kilometer hin- und dieselbe Strecke zurückfährt, verursacht, laut einer fachmännischen Berechnung, das ganze Jahr hindurch gegen 45,000 Mark Kosten, die doppelte Entfernung also 90,000 Mark, und jeder einzelne Zug, da im Ganzen während eines Jahres gegen 730 Züge gehen, rund 120 Mark. Nun setze man den Fahrpreis unserer heutigen dritten Classe auf 1 Mark fest, so sind, da ein Waggon dieser Classe 50 Personen befördert, 2½ Waggon zu besetzen, um die Kosten zu decken, bei einem Fahrpreis von nur 50 Pfennig 5 Waggons. Man ersieht hieraus leicht, daß an der Rentabilität der Neuerung kaum zu zweifeln ist, um so weniger als heute Jedermann im Stande ist, sich eine Vorstellung von dem Verkehr, welcher sich entwickeln würde, zu machen.

Es läßt sich nicht leugnen, daß die Einführung des einheitlichen Personentarifs bedeutende Aenderungen im Eisenbahnbetriebe zur Folge haben würde, und wir wollen auf einige der zunächst liegenden eingehen. Vor allen Dingen würde die vierte Wagenclasse aufhören, da für dieselbe kein Bedürfniß mehr vorhanden sein würde. Viele Länder kennen gar keine vierte Classe, und so würde das Verschwinden derselben in Deutschland kein Schaden sein. Andererseits würde die Umwandlung der dadurch entbehrlich gewordenen Wagen in solche dritter Classe sofort dem gesteigerten Bedürfniß abhelfen.

Ebenso könnte die erste Classe aufhören, weil dieselbe, allzu luxuriös eingerichtet, unnütze Kosten verursacht. Es ist bekannt, daß in anderen Ländern die erste Wagenclasse unserer zweiten entspricht. Der Verkehr der Berliner Stadtbahn, welche nur zweite und dritte Classe besitzt, zeigt die Entbehrlichkeit der ersten und vierten. Dabei macht sich in demselben Verkehre, wiewohl er sich nur in Groschen bewegt, die merkwürdige Erscheinung bemerklich, daß Niemand, der sonst dritter Classe zu fahren gewohnt ist, an die Benutzung der zweiten denkt. Ist aber Jemand zu vornehm, um mit anderen Leuten zusammen zu fahren, so mag er sich ein Coupé allein miethen oder sich einen Salonwagen halten und diesen, gleich den Schlafwagen, gegen theures Entgelt mit einrangiren lassen.

Ein weiterer Punkt ist die Aenderung der Controlle. Die Bezeichnung der zu durchfahrenden Strecke auf den Fahrscheinen ebenso wie sonstige Bemerkungen würden aufhören; man würde die Billets so kaufen, wie heute Briefmarken. Die Anzahl praktischer Vorschläge, wie die Controlle einzurichten sei, ist dabei Legion. Man kann, wie es bei der Berliner Stadtbahn der Fall ist, Niemanden ohne Billet auf den Perron und vom Perron lassen. In Frankreich darf Niemand den Bahnhof verlassen, ohne sein Billet abzuliefern. In den Vereinigten Staaten geht ein Beamter durch den fahrenden Zug und verkauft die Billets etc.

Wie Eingangs bemerkt, ist es die Verstaatlichung der preußischen Bahnen, welche der Idee des einheitlichen Personenportos die Ausführungsfähigkeit giebt. Die Ausdehnung des Systems auf das ganze deutsche Reich scheint uns aber auch nicht großen Schwierigkeiten zu unterliegen; denn so gut wie die Reichspost es zu Stande gebracht hat, den Zehnpfennigtarif mit den nicht ihrer Verwaltung unterstehenden süddeutschen Postanstalten und sogar mit der österreichisch-ungarischen Post aufrecht zu erhalten, kann es auch die Verwaltung der preußischen Eisenbahnen thun, und der Weltpostverein mit seinem Zwanzigpfennigtarif, der doch noch viel größere Schwierigkeiten zu überwinden hat, macht die Probe auf das Exempel; denn in ihm ist der Durchgangsverkehr enthalten.

Es scheint kaum nöthig, auf die Vortheile, welche die Einheitlichkeit des Personentarifs auf Eisenbahnen nach sich ziehen würde, näher einzugehen, denn sie liegen auf der Hand. Wir begnügen uns daher, diese Vortheile in Kürze zu charakterisiren.

In erster Reihe würde dem Staate, als dem Besitzer der Eisenbahnen, aus einem Verkehre, der bisher seine Verzinsung nicht zu decken vermochte, eine großartige Einnahmequelle erwachsen, welche, zuerst zum Ausbaue des Bahnnetzes verwandt, immer neue und größere Einkünfte liefern würde. Das Publicum würde dagegen aus der Verkehrserleichterung den Vortheil der leichten Bewegungsfähigkeit und alle aus derselben resultirenden Ergebnisse, die in engem Rahmen sich überhaupt nicht detailliren lassen, ziehen.

Sicherlich wird jeder Leser dieser Zeilen sich den Nutzen, den er persönlich bei der neuen Einrichtung genießen kann, vergegenwärtigen, und damit wäre der Zweck, den der Verfasser dieses Aufsatzes verfolgt, erfüllt, nämlich die Frage der einheitlichen Normirung des Personentarifs auf Eisenbahnen in der großen Masse zur Discussion zu bringen, da es sicher ist, daß eine Frage, welche die Interessen so vieler Millionen innig berührt, wenn sie einmal zur Besprechung gelangt, nicht mehr ruhen kann, bis sie ihre Lösung gefunden hat.

So wollen wir denn hoffen, daß das deutsche Volk sich den Ruhm erwerben wird, eine wirthschaftliche Neuerung, deren Einführung unseres Erachtens unausbleiblich ist, in ihrer ganzen Wichtigkeit zu erfassen und zur Durchführung zu bringen.
Max Karfunkel.     


[447]

Drei Goethe-Lieder.[2]


1.0 Märzmorgen.

Wolkenloser,
Erwachst du schon?
Alles ist Farbe,
Duft und Ton,
Seit die Erde
Dem Morgenroth
Stirn und Wange
Zum Kusse bot.

Harrest du meiner,
Junge Gluth,
Wo im Schimmer
Die Höhe ruht?
Ja, mein Hügel,
Ich folge dir;
Keine Blume noch
Schenkst du mir;

Aber Eine,
Die nenn’ ich mein:
Himmlisches Mädchen,
Ich denke dein.
Muse, Geliebte,
Wie nenn’ ich dich?
Seele, Leben,
Erfülle mich!

Segne nur sie,
Du erstes Grün!
Das ist Fülle
Für alles Blüh’n;
Tränke sie ganz
Mit Einem Zug,
Und die Erde
Hat Lenz genug.


2.0 Bei seinem ersten Lied.

Wie duften am Raine
Keim und Sproß,
Draus ihm Fülle
Des Wesens floß,
Das er im ersten
Lied ergoß!

Von Werderufen
Aus jeder Kluft
Wie Festgewoge
Erfüllt’s die Luft,
Wie Geisterstimmen
Den Sonnenduft.

Selber zwischen
Der Dorne Haft
Hat sich treibender
Bildung Kraft
Aus dem Gestrüpp
Emporgerafft.

Unter den Tritten
Wie quillst du froh,
Schwellendes Grün!
Wo strömst du, wo,
Athem der Erde,
Und duftest so?

Bist du der Segen
In Keim und Sproß,
Draus ihm Fülle
Des Wesens floß,
Das er im ersten
Lied ergoß?


3.0 Sesenheim.

Was in Liedern die Welt bewegt,
Ländliche Lüfte, ihr habt’s erregt,

Sah des liebenden Jünglings Glüh’n
Die Geliebte wie Frühroth blüh’n,

Wenn, in ihre Gestalt versunken,
Wärmstes Leben der Gast getrunken,

Und die Pulse des Busens trafen
Ihm die Stirn, wo die Genien schlafen,

Daß ihm’s rauschte von ihrem Rocken,
Wie Gesänge und Ruhmesglocken.

Rosige Finger, was mögt ihr spinnen,
Heldinnen oder Königinnen,

Wenn dem ahnenden jungen Blut
Solch ein Starker im Arme ruht?

Denkt ja Kronen und Kränze nur
Ewig ein schönes Kind der Flur,

Und in Paläste zum Fürstenweib
Träumt sich in Hütten der süße Leib.

Spinne, sinne Gespinnst und Traum –
Süß ist selber der Täuschung Schaum.

Wär’s auch sterbend, Du hast gesiegt,
Diesen König im Arm gewiegt.

Und ihr Lüfte, verkündet nur,
Daß ein seliges Kind der Flur

Unvergeßliches Schicksal spann,
Als er in ihren Armen sann.

J. G. Fischer.




Der Letzte der drei Sturen.

Ein Capitel aus der Geschichte Schwedens.

Es ist nicht blos das germanische Blut, das mit dem Reiz der Stammverwandtschaft unsere Theilnahme für die Völker der skandinavischen Halbinsel erwärmt; sagt uns doch die Geschichte nur allzu deutlich, daß die Grade der Stammverwandtschaft, die uns mit unseren nordischen Nachbarn verbinden sollten, so wenig wie die mit den Holländern, Vlamingen und Schweizern uns verbindenden, geeignet waren, die bittersten Feindseligkeiten zwischen ihnen und den Deutschen des „Reichs“ zu verhindern. Uns zieht mit gleicher Macht, wie das nicht zu schwächende Gefühl des Stolzes auf den germanischen Geist der nordischen Völker, die Erhabenheit und Großartigkeit an, in welcher dieser Geist, wie von der Natur des Landes erzogen, dort in einzelnen Gestalten und in Thaten der Gesammtheit zum Ausdruck gekommen ist. Die gewaltige Phantasie, welche die Erscheinungen der nordischen Götterwelt, den Inhalt der Edda, erzeugt hat und in Sage und Dichtung waltet, drang mit ihrem Feuer auch in die Eigenschaften der Volksseele und vor Allem in die Leidenschaften, welche das Ungewöhnliche im Völkerleben ermöglichen.

Dieses Ungewöhnliche und häufig Großartige des menschlichen Denkens und Handelns tritt in der Geschichte der drei germanischen Völker des Nordens uns so anheimelnd und anziehend entgegen. Und auch dort, wie bei uns, sind es die trübsten Zeiten, aus welchen die größten Charakterbilder hervorragen.

Zu diesen trübsten Zeiten für die nordischen Reiche, besonders aber für Schweden, gehörten die 127 Jahre (von 1397 bis 1524), während welcher die Calmarische Union in das Gegentheil ihrer ursprünglichen Bestimmung umschlug. Als nämlich der letzte Schwedenkönig aus dem Geschlecht der Folkunger 1374 bei Bergen ertrunken und sein Gegenkönig Albrecht von Mecklenburg bei den „Großen“ des Reichs in Ungnade verfallen war, boten diese der Wittwe des Königs Hakon von Norwegen, welche, als Tochter des Königs Waldemar von Dänemark, nach dem Tode ihres Vaters, ihres Gatten und ihres Sohnes bereits Königin von Norwegen und Dänemark war, auch die schwedische Krone an, und Margaretha, ein zum Herrschen geborenes Weib, die sich den Namen der „Semiramis des Nordens“ erwarb, setzte auch diese dritte Krone auf ihr schönes Haupt.

Was mußte dem Wunsche der Königin und dem Vortheil der drei Staaten näher liegen, als eine feste Vereinigung derselben zu einer großen Macht? Diese sollte nun durch jene Union bewirkt werden, welche zu Calmar im Juli 1397, natürlich wie alle fürstlichen Verträge, „für ewige Zeiten“ geschlossen wurde. Wäre dieser Beschluß aus einem Entschluß der Völker hervorgegangen, so möchte ihm vielleicht eine friedlichere Dauer vergönnt gewesen sein. Er war aber ein Ausfluß der Herrschgier und der Selbstsucht der „Großen“, welche schlechten Eigenschaften, durch den Stammesstolz der germanischen Völker unterstützt, der Zwietracht und dem Kampfe Thür und Thor öffneten. Denn wie in Dänemark und Norwegen, so bestanden im Mittelalter auch in Schweden als politische Factoren ein freier Bauernstand, der Adel, die katholische Geistlichkeit und das Königthum. Die in fest abgegrenztem Eigenthum sitzenden, willenstüchtigen, schwertbereiten, eifersüchtig über altem Herkommen und alten Freiheiten wachenden Erbbauern wogen so schwer wie der Adel und die im Wesentlichen zu ihm stimmende Geistlichkeit – die höchsten geistlichen Würden fielen ja naturgemäß Mitgliedern der edelsten Geschlechter zu. Was das Königthum betrifft, so war es Wahlkönigthum, wurde indeß für gewöhnlich als erbliches behandelt. Wirkliche Herrscher waren oft doch nur jene Reichsverweser, welche an der Spitze jedes einzelnen Reiches mehr die eigene Nation gegen den Fürsten, als diesen gegen die Nation vertraten. Letzteres aber wurde zur Tugend und mußte als patriotische That gepriesen werden, seitdem dänische Könige als Unionsfürsten die Regierung auch in Schweden behaupteten und nicht selten dort wie in einem eroberten Lande verfuhren. Da erhoben die Reichsverweser sich zu Reichs- und Volks-Erlösern von dem fremden Druck; als solche aber glänzten in

[448]

Sten Sture stirbt auf dem Eise des Mälarsees am 3. Februar 1520.
Nach dem Oelgemälde von C. G. Hellqvist.

[449]  WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [450] Schweden die Glieder der Familie der Sture, eines Heldengeschlechts, von welchen drei Männer und eine Frau ein Schmuck der Geschichte Schwedens sind.

Da nun in der Gegenwart, seitdem das neue deutsche Reich einen festen Kern der germanischen Welt bildet, auch in den ehedem nicht immer freundlichen Beziehungen zu unseren nordischen Stammesgenossen eine Wandlung eingetreten ist und die Sympathien der Deutschen sich mehr denn je zu ihnen hinwenden, so werden unsere Leser auch gern einen Blick auf die Geschichte derselben und namentlich auf jenes Heldengeschlecht werfen, dessen tragisches Ende wir in Hellqvist’s vortrefflichem Bilde zeigen.

In dem Kampfe, der, nach Margarethens Tode, gleich gegen den ersten dänischen Unionskönig, Erich von Pommern, ausbrach, wußte der Reichsverweser Karl Knudson[WS 2] Bonde sich nach vielen Kämpfen, Siegen, Niederlagen und neuen Erhebungen die Königskrone zu erringen und bis an sein Ende zu behaupten. Unter ihm traten zuerst die Sture auf, die sich so hohes Verdienst um ihn erworben, daß er seinem Neffen Sten Sture die Regierung als „Reichsverweser“ übertrug. Mit dieser Ehre begnügten sich alle Sture, Keiner von ihnen griff nach der Krone.

Den Anspruch, sich König von Schweden zu nennen, hatte damals Christian der Erste von Dänemark, und laut der Union von Calmar war auch die Wahl seines Nachfolgers an seine Nachkommenschaft gebunden. Allein weder vermochte er für seine Person diese Ansprüche gegen Sture durchzusetzen, noch zu verhindern, daß die Schweden seinen bereits als Nachfolger anerkannten Sohn Johann, als sie dessen müde wurden, einfach für abgesetzt erklärten und ihren Willen mit den Waffen in der Hand unter Sten Sture’s Führung behaupteten.

Nachdem dieser bei Jönköping gestorben war, wie ein Gerücht will, in Folge von Gift, hielt sein Freund, Svante Sture, von einem andern Zweige des Geschlechts, als Reichsverweser den Kampf gegen König Johann aufrecht. Mit seinem Kriegscameraden, dem Bischof Hemming Gadd, schlug er sich fast ununterbrochen mit dem Feinde herum, hochverehrt vom Volke, mit dem er wie mit seines Gleichen scherzte, am meisten aber von den Soldaten, unter[WS 3] denen die Rede ging, daß er eher sich seiner Kleider beraube, als einen Tapfern unbelohnt lasse. Daß bald Bann und Acht auf ihm ruhten, kümmerte weder ihn, noch den greisen Haudegen von Bischof. Da starb er plötzlich zu Westeräs Anfangs Januar 1512, während der Berathung wegen einer neu entdeckten Silbergrube. Die Bergleute bemächtigten sich des Schlosses von Westeräs, ließen in aller Stille von Freunden das Stockholmer Schloß besetzen und schrieben im Namen des Verstorbenen einen Brief, welcher die sämmtlichen Landesbewohner aufforderte, seinen Sohn, Sten Sture den Jüngeren, als Nachfolger in der Reichsverweserschaft anzuerkennen.

Das Volk und der jüngere Adel waren für seine Wahl; der Reichsrath und der alte Adel dagegen erklärten sich für Erich Trolle, einen gelehrten würdigen Herrn, von dem man hoffte und wünschte, daß er sich mit Dänemark einigen möge. Nach vielen vergeblichen Verhandlungen beschied endlich der Reichsrath das Volk auf den 18. Mai 1512 nach Upsala. Dort erklärte der Erzbischof Jacob aus dem Markte der Menge, der Rath hätte sich für Erich Trolle als Reichsverweser entschieden. Bauern riefen: die Trolles wären von dänischer Art, man wolle sie nicht. Zur selben Zeit hatte Sten Sture aus der Morawiese, der eigentlichen Wahlstatt, schon die Bauern für sich gewonnen, und er behielt den Sieg. Am 23. Juli gaben die Gegner nach, und durch ein großes Fest auf dem Schlosse zu Stockholm feierte man seine Erwählung.

Inzwischen starb König Johann, dessen Beliebtheit wohl hätte noch zum Frieden geneigt machen können, und der ebenso gefürchtete wie verhaßte Prinz Christian (die Geschichte nennt ihn „den Bösen“) wurde im Juli 1513 von den Dänen und Norwegern als König anerkannt; doch die schwedischen Gesandten zogen sich wegen ihnen noch mangelnder Vollmacht zurück. Zwar wurde die Wahlcapitulation als auch für Schweden gültig ausgefertigt; auch schien man dort angeknüpften Verhandlungen zufolge zum Nachgeben geneigt; doch zogen sich dieselben, jedenfalls unter Sten Sture’s Einfluß, hin, bis sie plötzlich ein jähes Ende erreichten.

Der Erzbischof Jacob von Schweden war dänischer Parteigänger, ein alter schlauer Herr, der eines Tages seine Würde wegen der Last der Jahre niederlegte und Sten Sture mit unschuldigem Gesichte den augenblicklich in Rom weilenden Sohn Erich Trolle’s, Gustav Trolle, zum Nachfolger empfahl. Sten ließ sich täuschen; er gedachte auf diese Weise eine feindliche Familie sich zu gewinnen — kurz, Gustav Trolle wurde zum Erzbischof gewählt.

Mit dem neuernannten Erzbischofe kehrte aber ein unversöhnlicher Feind der Stures und ein hochmüthiger Priester zugleich heim. Während der Reichsverweser Anstalten traf, ihm in Stockholm einen feierlichen Empfang zu bereiten — ließ Gustav Trolle sich bei Bischofstuna an das Land setzen und ging in das erzbischöfliche Schloß Stäket, wo er sich weigerte, dem Reichsverweser die Huldigung zu leisten, da er nur den Papst als Herrn anerkenne. Jeden Vermittelungsversuch wies er ab; an Lande hieß es allgemein, er wolle offen für Christian eintreten, dessen Verhältnis zu Dyveke (das „Täubchen von Amsterdam“) und ihrer Mutter Sigbrit dem geistlichen Herrn kein Bedenken zu verursachen schien, und daß er Schloß Stäket zu befestigen begann, machte die Sache erst recht wahrscheinlich.

Sten Sture setzte nunmehr den alten Erich Trolle, den falschen Rathgeber, auf dem Stockholmer Schloß fest und schickte Belagerungstruppen vor Stäket. Der Erzbischof, welcher auf die dänische Hilfe vergeblich gerechnet und nun sich nachgiebig zeigte, wurde vor eine Volksversammlung in Stockholm geladen, wo man ihn für einen Hochverräther erklärte und absetzte, auch die Schleifung von Stäket beschloß. Der Erzbischof, der den Muth gehabt, zu erscheinen, berief sich vergeblich darauf, daß der Papst ihm bei seinem Abgang von Rom nicht nur alle vergangene, sondern auch alle künftige Schuld vergeben habe. Er entwich nach Stäket zurück, wo ihn endlich auch die Besatzung verließ. So ergab er sich in sein Schicksal und ging in ein Kloster; hinter ihm rissen die Sieger die Befestigungen von Stäket bis aus den Grund nieder.

Inzwischen rüstete Christian selbst, langte nach Pfingsten 1518 vor Stockholm an und schlug vor der Stadt ein Lager auf. Die Belagerung mißlang jedoch; denn als er dem Reichsverweser zu einer Schlacht entgegenzog, erlitt er bei Bränekyrka eine Niederlage und eilte in das Lager vor Stockholm zurück, aus welchem Sten Sture die Dänen auf ihre Schiffe trieb. Da aber zum Auslaufen der Wind fehlte, so knüpfte der König Verhandlungen an, und Sten Sture beschloß, ihm goldene Brücken zu bauen, versorgte ihn mit Lebensmitteln, und nur die Stockholmer hielten den Unvorsichtigen ab, sich selbst in das Bereich des Löwen zu begeben. Da erklärte Christian, er wolle selbst nach Stockholm kommen, wenn man ihm Geiseln für seine Sicherheit böte. Sechs junge Männer aus den edelsten Geschlechtern wurden ihm gesandt, darunter Gustav Wasa. Plötzlich erwachte ein günstiger Wind, und Christian segelte mit den Geiseln nach Dänemark. Ein Schrei der Entrüstung ging durch das Land.

Zu gleicher Zeit traf die Kunde ein, daß Papst Leo der Zehnte Bann und Interdict über Schweden verhängt und König Christian beauftragt habe, dem Befehl der Kirche mit den Waffen Nachdruck zu geben.

In Schweden merkte man nichts von dem Spruch, und der Gottesdienst ward nach wie vor gehalten. Aber man rüstete; denn König Christian rüstete auch. Anfangs des Jahres 1520 brachen die Dänen unter Führung Otto Krumpe’s in Schweden ein, welcher den Bannspruch an allen Kirchthüren anschlagen ließ. Auf dem Eise des Sees Aesunden]bei Bogesund (jetzt Ulricahamm) trafen sie mit Sten Sture zusammen.

Ehe es zur Schlacht kam, sank der Reichsverweser, von einem unglücklichen Schuß getroffen, zusammen und mußte aus der Schlachtlinie getragen werden. Man schaffte ihn nach Stregnäs, und das schwedische Heer zog sich, von den Dänen verfolgt, auf den Verhau im Walde Tiweden zurück. Ein Verräther führte die Dänen hinter den Verhau; die Schweden wurden blutig geschlagen, und in scheußlichen Uebelthaten kühlten die Sieger ihre Wuth ringsumher. Sobald Sten Sture das vernahm, ließ sich der Schwerkranke in einen Schlitten setzen und nach Stockholm schaffen, um die Vertheidigung der Hauptstadt in Stand zu setzen. Als der Schlitten über den Mälarsee fuhr, kam der Tod über den tapfern Reichsverweser. Mitten auf dem See hielt der Schlitten; in stillem Gebet standen dort die Männer, die ihn führten, vor der Leiche eines der besten Schweden.

Es war der 3. Februar, da dies geschah.

Die Leiche Sten Sture’s ward nach Stockholm gebracht und seiner Gattin Christina Gyllenstjerna übergeben, welche dieselbe in der Franziskanerkirche beisetzen ließ.

Diese Frau, des Gatten würdig, war die einzige, welche den [451] Kopf oben behielt, um den Widerstand gegen die Dänen weiter zu organisiren. Während die Haufen im Lande sich sammelten und führerlos wieder zerstreuten, während der Rath einen elftägigen Waffenstillstand benutzte, um zu Upsala, der Beredsamkeit Gustav Trolle’s weichend, seinen Frieden mit Christian zu machen, befestigte sie Stockholm, zog Lübecker Schiffe und Truppen an sich und ließ die Dänen herankommen. Parlamentäre wurden mit Schüssen empfangen.

Aus Mangel an Lebensmitteln mußten die Belagerer sich auf eine möglichst geringe Anzahl reduciren. Im Mai kam Christian selbst herüber; er und seine Anhänger boten Alles aus, um den Namen König Christian im Lande populär zu machen, den Guerillakrieg der Bauern zu beschwichtigen, die Uebergabe von Stockholm zu erreichen. Bei einer Gesandtschaft, die er in die Stadt schickte, war selbst der alte Hemming Gadd Fürsprecher für ihn.

Endlich gab Christina nach, gegen den Willen der Bürgerschaft. Der König entsagte feierlich allen Rachegedanken, versprach nach den Bestimmungen der Calmarer Union zu regieren, verbürgte Christina zwei finnische Besitzungen und den ungestörten Besitz der Güter ihres Gatten; im September zog er in Stockholm ein und bekräftigte seine Versprechungen bei der Krönung mit Eid und Abendmahl.

Wie er diese Versprechungen gehalten, ist bekannt. Jener 8. November, der dritte Tag der auf die Krönung folgenden Feierlichtkeiten, ist in der Geschichte als das „Stockholmer Blutbad“ verzeichnet. Ein ehemaliger Barbiergesell, der als Verwandter der Dyveke eine Rolle als Rathgeber des Königs übernommen, soll den Mordgedanken angeregt haben, während der Erzbischof Gustav Trolle mit einer Anklage gegen seine einstigen Richter den Vorwand geben mußte. Christina Gyllenstjerna wies zur Entlastung das Document vor, in welchem einstimmig die Stände mit Unterschrift den Erzbischof abgesetzt — damit aber lieferte sie nur die Namen der Opfer, welche als „Empörer wider die Kirche“, sonach als „Ketzer“ ergriffen und dem Henker überliefert wurden. Als vierundzwanzig Leichen verbrannt wurden, riß man die Ueberreste Sten Sture’s nebst denen eines verstorbenen Kindes von ihm aus der Gruft in der Franziskanerkirche und warf sie mit auf den Scheiterhaufen. Und nun zog das Blutgericht in das Land hinaus; auch Hemming Gadd fiel ihm in die Hände. Ueber sechshundert Menschen, die Vornehmsten und Besten, weil sie Schweden mit Leib und Seele waren, fielen der Rache des Dänen zum Opfer.

Christina mit den Kindern wurde nebst anderen Edelfrauen gefangen nach Dänemark geführt. Der Friede zu Malmö 1523 gab ihr die Freiheit wieder. Mit ihr kehrten die Kinder Sten Sture’s zurück, sein Sohn Svante Sture zu seinem Unglück; denn Erich der Vierzehnte, der Sohn Gustav Wasa’s, opferte ihn einem jener Wahnsinnsanfälle, welche nur die Bauerntochter und Königin Katharina Mans zu beschwören vermochte: er ward im Jahre 1567 nebst zwei Söhnen hingerichtet.

König Christian’s treulose That war auch seine letzte auf schwedischem Boden gewesen; er ist seitdem nie wieder nach Schweden, von da an aber auch Schweden nie wieder unter Dänemark gekommen. Gustav Wasa, der einst als Geisel Geraubte, wurde der Rächer dieser schweren Zeit und machte der Union von Calmar durch den Malmöer Receß von 1524 auch für „ewige Zeiten“ ein Ende.




Ein getreues Herze wissen!

Novelette von Anton Ohorn.

Der Frühling ist gekommen. An dem Bache im Thal wiegen sich weiße Anemonen auf schlankem Stengel, und Himmelsschlüssel mit gelbem Glast läuten dazwischen mit den kleinen, freundlichen Blüthenglocken. Die alten Weiden tragen silbergraue Kätzchen an den tief herabhängenden Zweigen, und kleine Knaben und Mädchen brechen unter Lachen und Singen die für sie erreichbare Ruthen ab für den kommenden Palmsonntag. Die Luft geht lau durch die Thalung; der Himmel ist klar und der goldene Sonnenglanz sickert frühlingswarm nieder. Am Abhang der Hügelkette liegt die kleine Stadt mit weißen Häusern und rothen Dächern und ein grauer Kirchthurm sieht drüben empor, seltsam geformt wie eine unförmige Knopper und mit blinkendem Kreuz.

Das Thal herauf kommt ein Wandersmann, jung, aber mit bleichen Wangen. Die Wandertasche hängt ihm zur Seite; er stützt sich auf den kräftigen Stock, und wie er nun stehen bleibt, hält er die weiße Hand über die Augen, um sie gegen das Sonnenlicht zu schützen, und blickt nach der Stadt. Sein Gewand ist dunkel und eigentlich wenig modisch, auf dem Kopfe trägt er einen breitkrämpigen Hut und um den Hals das Collare, das Abzeichen der katholischen Priesterschaft.

Wie er an den Knaben und Mädchen vorbeischreitet, grüßen ihn Alle mit lautem: „Gelobet sei Jesus Christ!“, und die Mädchen kommen heran, ihm die Hände zu küssen, was er beinahe ängstlich abwehrt.

Auf dem weißen mit Bäumen besetzten Fußwege, der nach der Stadt leitet, geht ein Menschenpaar ihm entgegen: ein alter Herr mit weißen Haaren, aber frischem Gesicht, mit dem strammen festen Gang des ehemaligen Militärs, Arm in Arm mit einem Mädchen in lichten Gewändern. Der junge Wanderer erkannte sie Beide, den alten Rittmeister Günther, der im Städtchen oben die freundliche Villa mit dem großen Garten beim Peters-Thor besitzt, bei dem er häufig aus- und eingegangen, bevor er ein Ordensmann geworden, und dessen Tochter Eva, seine Jugendgespielin.

Sie waren Nachbarskinder und hatten mit einander gelacht und geweint nach Kinderart und hatten Mann und Frau gespielt, im Sommer Blumen gepflückt und Kränze gewunden, im Winter mit Schneeballen nach einander geworfen, bis die Gesichter frostig angehaucht und die Hände glühend wurden. Seitdem waren Jahre in’s Land gegangen; er hatte in einer entfernten Stadt die Schule besucht und nur während der Ferien Eva gesehen und sich jedesmal gewundert, wie sie größer und schöner geworden war und scheuer und fremder zugleich. Dann war er nach eigener freier Wahl in den Orden des heiligen Benedict eingetreten, dessen Jünger seine Lehrer an dem Lyceum gewesen, und kam nun nach dreijähriger Abwesenheit zum ersten Male und als „geistlicher Herr“ nach der Heimath.

Das schlanke schöne Mädchen mit den sammetnen, frischen Wangen, den großen Rehaugen, die nach ihm herschauten, und den dunklen, glänzenden Haaren war Eva, und es gab dem jungen Cleriker einen seltsamen Stich im Herzen, als er sich dies sagte, und gleich darauf ärgerte er sich über seine eigene Erregung und wollte, sich selbst zu strafen, mit stummem Gruße vorübergehen. Wie er aber den breiten Hut zog und seine weiße, leuchtende Stirn leicht gegen das Paar verneigte, rief der Rittmeister:

„Holla, Reinhold, Gott willkommen ! Wir haben Sie erst für morgen erwartet.“

Er streckte ihm schon die Hand entgegen und sah dem jungen Wanderer so freundlich und so tief in die Augen, daß dieser nicht wortlos vorübergehen konnte und erwiderte:

„Ich wollte auch morgen erst kommen, aber die Sehnsucht ließ mich nicht rasten, und ich gedachte, meine Eltern zu überraschen. — Es ist Ihnen doch immer wohl gegangen, Herr Rittmeister?“

„Danke, danke! Eva läßt es mir ja an nichts fehlen.“

Der junge Theologe wollte eigentlich die so Gepriesene, die unmittelbar neben ihm stand, ignoriren. Nun mußte er sich ihr doch zuwenden; denn sie streckte ihm mit dem unbefangensten Lächeln die schlanke behandschuhte Hand entgegen, und ehe er noch überlegen konnte, hatte er seine Rechte mit derselben vereinigt. Das war nur eine Secunde lang gewese; dann flog eine brennende Gluth über sein bleiches Gesicht, und mit schweigendem Gruße wollte er weiter gehen.

„Heute sollen Sie uns entkommen,“ sagte der alte Soldat; „denn Vater und Mutter wollen Sie auch genießen, aber — nicht wahr? — morgen Mittag sind Sie unser Gast.“

Das klang so militärisch kurz, und es wäre wohl auch unhöflich gewesen, wenn er hätte ablehnen wollen. Er nahm dankend an, und als ob der Boden ihm unter den Sohlen brenne, eilte er vorwärts, während seine Lippen halblaut das Wort der Regel murmelten: [452]Feminas videre non prohibemini, sed eas appetere vel ab ipsis appeti velle, criminosum est.“ („Frauen zu sehen, soll euch nicht verboten sein, aber sie begehren oder von ihnen begehrt werden wollen, ist ein Verbrechen.“)

Ihm wurde heiß, sodaß er den Hut von der Stirn nahm, und doch war die Temperatur des Tages nicht so hoch. Er hätte doch lieber nicht zusagen sollen, und bei seinem innern Zwiespalt dachte er daran, sein Wort wieder zurückzunehmen und sich zu entschuldigen.

Er betrat die Gassen des Städtchens und schritt über den kleinen Markt, wo zwischen den Pflastersteinen das Gras herauswuchs und auf welchem die Kirche stand; er entblößte das Haupt, als er an derselben vorüberging. Die Leute aber öffneten die Schiebefenster in beinahe allen Häusern, und eine Nachbarin flüsterte es der andern zu, als ob es ein Geheimniß bleiben sollte:

„Forbach’s Reinhold ist da,“ und die andere sagte darauf: „Er ist hübsch geworden — das wird ein schöner Pater,“ während ein junges, naseweises Backfischchen vielleicht hinzufügt: „Schade um ihn!“

Fast ganz an dem alten Peters-Thore mit seinen seltsamen, gothischen Zacken, einem Reste aus der Zeit, wo das Städtchen sich reichsfrei nannte, steht ein stattliches Haus mit einem Kaufmannsladen zu ebener Erde, und über dem üblichen hölzernen Citronenkranze ob der Eingangsthür steht mit solider Fractur die Firma: Gabriel Forbach. Hier war der junge Benedictiner zu Hause und war noch dazu der einzige Sohn. Er hatte anfangs Kaufmann werden sollen, die Mutter wollte aber einen Studenten aus ihm machen, und so hatte der Vater gesagt: „Meinetwegen!“, und Reinhold war auf das Lyceum zu den Benedictinern gekommen. Zwei seiner Lehrer waren bigotte, übereifrige Männer und suchten unter den Schülern Proselyten zu machen für ihren Orden; durch Talent und Fleiß ausgezeichnete Jünglinge waren ihnen zumeist verfallen, an sie hingen sie sich mit der Gier des Vampyrs und suchten aus ihren Herzen alle Weltlust und alles Streben nach irdischem Glücke herauszusaugen. So war es bei Reinhold gekommen, und seine Eltern waren mehr erstaunt als erfreut gewesen, als er ihnen seinen Entschluß mittheilte. Der Vater war indeß ein kurzer, resoluter Mann und hatte wiederum gesagt: „Meinetwegen; denn des Menschen Wille ist sein Glück,“ und die Mutter hatte sich getröstet an dem mütterlichen Stolze, der in katholischen Familien so viel daheim ist, einen „geistlichen Sohn“ zu besitzen.

Nun saßen die drei Leute um den gedeckten Tisch in der Wohnstube neben dem Laden; die Mutter nöthigte zu essen und der Vater sah dem Sohne in’s Gesicht.

„Junge, Du bist recht blaß. Wenn Du Dich nicht ganz behaglich fühlst bei der Regel des heiligen Benedict, dann ist mir’s lieber, wenn Du nach etwas Anderem greifst und den schwarzen Rock an den Nagel hängst.“

„Nein, Vater, ich bin ganz zufrieden und wünsche mir nichts Besseres.“

Es war Reinhold, als ob er in dem Augenblicke eine Lüge gesprochen hätte, und doch fühlte er, daß er seiner Ueberzeugung nach nicht anders sagen konnte. Der Alte schüttelte mit dem Kopfe und ging nach seinem Comptoir; die Mutter hatte gleichfalls zu thun, und der junge Benedictiner blieb allein in dem Gemache. Er trat an das Fenster und sah hinaus. Da drüben stand die Villa des Rittmeisters mit ihrer umgrünten Veranda. Wilder Wein wuchs an den weißen Wänden hinauf und rankte sich um die Fenster. An dem einen derselben bewegte sich die schneeige Tüllgardine, und ein Mädchenkopf trat wie ein plastisch-schönes Bild zwischen den Rahmen. Der Kopf, um welchen sich das wellige Haar wie eine duftige Wolke legte, war gesenkt und die Augen hefteten sich wohl auf eine tiefer liegende Arbeit. Reinhold konnte den Blick nicht von dem Bilde abwenden; er stand in der Mitte der Stube und stützte sich mit beiden Händen fest auf die Tischplatte: Ob es wohl doch ein anderes Glück geben mochte, als jenes in der regula S. P. Benedicti? Ob auf jenen sanft gerötheten Wangen, in jenen jetzt niedergesenkten Mädchenaugen nicht auch ein ewigaltes Evangelium geschrieben stand, das da gepredigt ward, so lange Menschen gehen auf der Erde, und das darum auch ein Ausfluß der Gottheit sein muß?

Eva blickte in diesem Momente auf, sie schien herüberzuschauen, und Reinhold ließ jählings die Tischplatte los und murmelte: „Apage, Satanas! Herr, führe mich nicht in Versuchung!“ Er wendete sich ab von dem Fenster und schritt in dem Gemache auf und nieder; ihn faßte Scham und Reue über seine Gedanken, und er beschloß, am nächsten Morgen durch eine Beichte sich frei, durch die Communion sich stark zu machen. Er wollte darum heute schon den Pfarrer besuchen und griff nach seinem Hute.

Als er vor die Thür trat, merkte er, wie der Mädchenkopf über der Straße drüben sich zwischen den grünen Rebenranken zum offenen Fenster herausbeugte, aber er grüßte nicht und sah nicht hin, und als ob er einen großen Sieg über sich selbst errungen hätte, fühlte er mit einem Male wieder die Brust weit und frei und leicht.

Das Pfarrhaus stand in der Nähe der Kirche auf dem grasbewachsenen stillen Marktplatze; das Wasser plätscherte vor demselben in dem hölzernen Röhrbrunnen; ein verwittertes Heiligenbild stand auf dem altmodischen Giebel, und neben dem großen braunen Eingangsthore war eine Steinbank.

Es hatte etwas Idyllisches, das alte Pfarrhaus, von außen sowohl wie von innen: die Flur war breit, mit rothen Ziegeln belegt, und geschwärzte Heiligenbilder hingen an der weißen Wand; zu der geöffneten Hofthür aber nickten die Sträucher des Gartens herein mit ihrem jungen Grün.

Eine ältliche, freundliche Frau mit weißer Haube und Küchenschürze begrüßte den Jüngling zuerst:

„Ach, Herr Reinhold, das ist schön, daß Sie zuerst zu uns kommen; ich habe Sie heute schon vorbeigehen sehen mit Ränzchen und Stecken; der Herr Pfarrer wird sich freuen, wenn Sie ihn aufsuchen; er ist in seiner Studirstube.“

Sie hatte die Hand an der saubern Schürze abgewischt und streckte sie ihm mit jener vertraulichen Freundlichkeit entgegen, die sie dem jungen Theologen zeigen kannte: er war ja als Knabe und als Schüler oft und oft nach der Pfarre gekommen, und die Jungfer Gertrud hatte ihm manchen Leckerbissen aus der Küche aufgehoben. Er drückte ihr denn auch herzlich die Hand und ging nach einigen freundlichen Worten die weißgetünchten Steintreppen hinauf. Ueber einer braunen massiven Thür stand: „Der Herr segne deinen Eingang!“ und hier trat Reinhold ein. Das Gemach war freundlich trotz seiner geschwärzten alterthümlichen Möbel; das machten vielleicht die schneeweißen Fenstergardinen, oder die Bilder an den Wänden, oder die Gypsbüsten auf dem alten geschnitzten Bücherschranke, die gleich guten Genien herabsahen: Schiller, Goethe, Lessing. Der Theologe, welcher den Lessing in seinem Studirzimmer hat, ist ein Priester, welcher nicht schlecht sein kann und gewiß seines Amtes im Geiste und in der Wahrheit waltet; es gehört nur mitunter Muth dazu, als geistlicher Herr sich zu Lessing zu bekennen.

Auf dem Sopha mit schwarzer Lehne und braunen Polstern saß ein alter Herr mit grauen Locken über der hohen, schönen Stirn und mit einem Paar wunderbar klarer, geistestiefer Augen. Er hatte seine Lectüre weggelegt und den jungen Standesgenossen mit herzlichem Wort auf den Sitz neben sich niedergezogen. Und so wie es der Vater Reinhold’s gethan, so sah auch er dem Jüngling forschend in’s Gesicht, und wie jener sprach er:

„Du bist recht blaß, Reinhold.“

Der junge Benedictiner fühlte, wie er jetzt roth ward.

„Vielleicht von dem Studium der letzten Wochen, Herr Pfarrer, vielleicht von der Reise — mir ist ganz wohl.“

„Du bist also zufrieden?“

„Ich bin es.“

„Wohl Dir, mein Sohn, daß Dir der Druck des Priesterlebens bisher erspart geblieben ist, aber kommen wird er noch, wenn Du ein guter Hirte und kein Miethling werden willst, und dann sorge, daß er Dich nicht niederbeugt. Was sagen denn Deine Lehrer von dem da?“ Er deutete nach dem Bilde Lessing’s.

Reinhold erhob das Auge; dann sagte er etwas verlegen in Ton und Miene:

„Ein Atheist! Ein Frevler am Heiligthume der positiven Kirche!“

Ein wehmüthiges Lächeln spielte um den Mund des Greises:

„Sie sind also heute noch, wie ehedem. Sieh, Reinhold, ich bin gemaßregelt worden, weil ein Protestant mein bester Freund war, mit dem ich täglich verkehrte und von welchem ich trotz der Ermahnung des Consistoriums nicht lassen mochte, weil ich keinen [453] Menschen kannte, der mehr als er die Liebe zu Gott und seinen Nächsten im Herzen trug und in Thaten übte; ich bin abermals gemaßregelt worden, weil ich einem Juden ein ehrliches Begräbniß schaffte innerhalb der katholischen Friedhofsmauer und nicht wollte, daß der arme, ehrenwerthe Mann, den ich fünfzehn Jahre kannte, irgendwo im freien Felde verscharrt werde wie ein Missethäter. Meine Schulfreunde sind Pröpste und Domherren — ich habe die arme Pfarrstelle hier, aber meinen Lessing habe ich mir nicht nehmen lassen, und ich denke, daß ich da oben“ — er deutete zum Himmel — „vielleicht eher mit meinem Juden und Protestanten zusammentreffen werde, als mit manchem Propst und Canonicus. Mehr als in den Scholasten steckt in dem Buche ‚Nathan der Weise‘, das Dir Deine Lehrer verketzern und verbrennen möchten. Ich aber sage Dir das Wort, das Augustin vor seiner Bekehrung vernahm: ‚Tolle, lege!‘ — Nimm und lies!“

Entwischt!
Nach dem Oelgemalde von H. Karow.


Er nahm ein Büchlein von dem Tische, unscheinbar gebunden und abgerissen an den Blättern, und sagte:

„Ich schenke Dir das Buch, auch wenn es Dir schon längst bekannt sein sollte. Lies es noch einmal, ohne Vorurtheil und mit Aufmerksamkeit, und dann wirf es wieder in den Winkel — wenn Du kannst!“

Reinhold stand wieder vor dem braunen Thor und hielt die Hand auf der Tasche, in welche er das kleine Buch gesteckt hatte; die Worte des Pfarrers hatten einen seltsamen Sturm in ihm erregt; sie klangen so ganz anders, als die Vorträge seiner Lehrer, und wenn er sich prüfte, zu wem ihn sein Herz und seine Ueberzeugung von Meinungsredlichkeit mehr hinziehe, so neigte sich die Schale zu Gunsten des weißhaarigen Priesters in dem alterthümlichen Pfarrhause.

Das Buch brannte ihm wahrhaftig auf dem Herzen, und er eilte seiner Wohnung zu. Der Abend dämmerte herein; der Lampenschimmer grüßte aus den Fenstern der Villa Günther, und in weichen Moll-Accorden klang die Variation eines alten Liedes herab:

„Es waren zwei Königskinder,
Die hatten einander so lieb.“

Reinhold war den Abend über schweigsam, sodaß der Vater halb Verstimmung, halb Mitleid empfand und ihm immer klarer ward, daß sein Sohn nicht ganz so glücklich sei, wie er sich und Anderen es vorredete. Dieser zog sich unter dem Vorwande der Müdigkeit bald auf sein Zimmer zurück, das nach dem Hofe hinaus lag, wo ihn weder Licht noch Ton von der Nachbarvilla stören konnte, und begann zu lesen in dem Buche Lessing’s.

Seine Lehrer hatten ihm niemals den „Nathan“ in die Hand gegeben; er fühlte zum ersten Mal den Flügelschlag des großen Genius, und Stunde um Stunde verrann; die Lampe vor ihm brannte trüb und qualmend, aber seine Wangen glühten; seine Augen leuchteten; sein Herz pochte lebhaft bewegt — nein, so sprach kein Atheist, kein Gottesleugner oder Heiligthumsschänder; warum hatten ihm seine Lehrer das angethan und das freie Manneswort eines edlen Geistes ihm verleumdet?! — Erst gegen Morgen schlief er ein, und im Traume sah er die Büste Lessing’s vor sich, wie sie im Studirzimmer des alten Pfarrers sich befand, und mit den klaren, verständnißtiefen Augen des Priesters schien ihn der Dichter des „Nathan“ zu betrachten.

[454] Palmsonntag! Die Glocken läuteten; festlich gekleidete Leute gingen nach der Kirche auf dem Markte, und Knaben und Mädchen liefen mit Palmzweigen durch die Gassen und schwangen sie hoch in den Händen, und die Frühlingssonne schimmerte über dem Städtchen. Am Hochaltar der Kirche flammten die Kerzen, und der Weihrauch umhüllte das Bild der mater dolorosa sowie den greisen Pfarrherrn in seinem glitzernden Ornate und seinen Akolythen, den jungen Benedictiner Reinhold. Er trug das weite Almutium über dem dunklen Ordensgewand, und die Leute waren sehr erfreut und erbaut, ihn statt des gewöhnlichen Ministrantenjungen am Altare dienen zu sehen.

Der Pfarrer hatte die Leidensgeschichte Christi vorgelesen; das Wunder der Verwandlung beugte Aller Kniee zur Erde nieder, und leise und zagend begann die Orgel wieder mit ihren gemüthstiefen Tönen. Fromme Geigen nahmen die seltsam weiche Melodie auf, und nun setzte eine Menschenstimme ein, metalltönig und glockenrein, und sang, was einst Jerusalems Bewohner gesungen bei dem Einzuge des Herrn: „Benedictus qui venit in nomine domini — Gebenedeit, der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna dem Sohne David’s!“

Es war eine Frauenstimme, und Reinhold durchschauerte es im tiefsten Herzen. Der weiche Hauch des Orients schien ihn zu umwehen, die Palmen zu rauschen über seinem Haupte; er sah im Geiste den Mittler in den Straßen der heiligen Stadt, reitend auf dem Füllen einer Eselin, und in diese frommen Gefühle hinein traf wie ein greller Blitzstrahl der Gedanke: das ist Eva’s Stimme. Die Röthe stieg ihm in’s Gesicht; sein Denken schweifte ab von dem heiligen Dienst; er versäumte es, die Kniebeugung des Priesters mitzumachen, und ärgerte sich wieder über seine Zerstreutheit, sodaß er verstimmt aus dem Gotteshause fortging.

Die Leute vor der Kirche grüßten ihn so ehrfurchtsvoll wie den Pfarrer selbst, und sie hatten ihn doch als kleinen, wilden Jungen unter ihren Augen aufwachsen gesehen; es kam ihm vor, als verdiene er diese Ehre nicht, und rasch, mit gesenkten Augen, ging er dem Elternhause zu.

Noch immer war er im Zwiespalt, ob er nicht Mittags sich bei dem Rittmeister entschuldigen sollte, aber des Vaters ernstes Wort und der Mutter Zureden entschied, und so ging er hinüber nach der grünumrankten Villa. Der alte Soldat war heiter, Eva unbefangen, freundlich, und so gab sich auch Reinhold dem Augenblick hin, und die harmlose Gemüthlichkeit des Studenten brach bei ihm durch. Da hob der Rittmeister sein Glas:

„Sie hätten doch nicht in die Kutte kriechen sollen, Reinhold. Sie wären ganz der Kerl gewesen, einmal ein Mädel glücklich zu machen — indeß, ’s ist vielleicht gut so, wenn auch einmal solch wackeres Blut in’s Pfaffenthum schlägt.“

Er stieß mit dem jungen Theologen an, der aber erschrak und fand mit einem Mal, daß sein Benehmen nicht seinem Stande gemäß gewesen sei; er wurde ernst und schweigsam. — Der Rittmeister hob die Tafel auf und zog sich zurück zu seinem Mittagsschläfchen.

Die jungen Leute blieben allein. Reinhold hatte sich entfernen wollen, aber das wäre unhöflich gewesen, und so blieb er, und das unbefangene Wesen des Mädchens, ihr nichtssagendes und doch anmuthiges Plaudern gab ihm Fassung und Stimmung wieder. Das Pianino stand in der Nähe des Fensters; einladend winkten die weißen Elfenbeintasten, und er bat Eva, zu spielen oder zu singen. Sie ließ sich nicht bitten; ohne Ziererei setzte sie sich an das schöne Instrument, und Reinhold ließ sich in dem Fauteuil nieder und sah, wie die weißen, schlanken Finger die volltönigen Accorde griffen. Sie sang, und wunderbar ergriff es den jungen Theologen; er hatte sich nicht getäuscht — das war dieselbe glockenklare Stimme, welche in der Kirche das „Benedictus“ gesungen. Es war eine ungemein einfache, volksthümliche Melodie, von welcher Paul Flemming’s altes, schönes Lied getragen wurde:

„Ein getreues Herze wissen,
Hat des höchsten Schatzes Preis;
Der ist selig zu begrüßen,
Der ein treues Herze weiß;
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze,
Denn ich weiß ein treues Herze.“

Jeder Ton und jedes Wort schlich sich ihm hinab in die tiefste Seele, langsam, aber mit zwingender Gewalt, und es drängte ihn hinaus in die laue Frühlingsluft. Er mußte fortgehen, und wenn man ihn auch für ganz unhöflich gehalten hätte.

Ein getreues Herze! Wo hatte er ein solches, außer bei Vater und Mutter und bei dem weißhaarigen Pfarrer, aber wenn der Tod ihm diese nahm, dann stand er allein, allein. Es war ihm seltsam weh an dem Abend des Palmsonntags und doch wohl zugleich; er war zärtlich und gesprächig mit seinen Eltern, als wollte er sich dankbar bezeigen, daß ihre Herzen noch für ihn und mit dem seinen schlugen. Er saß bis spät in die Nacht mit ihnen zusammen, und von der Villa herüber klangen die Töne des Instruments, bald jauchzend, bald klagend, als ob auch dort eine Seele ihr innerstes Fühlen aussprechen wollte.

Die Passionswoche war angebrochen. Reinhold wich dem Anblicke Eva’s aus; sein Gemüth versenkte sich tief in die schmerzlichen Geheimnisse der Passion des Herrn; nur manchmal hörte er wie ist tiefster Seele die schlichte Melodie des Liedes von Paul Flemming; wie aus weiter Ferne klang es zu ihm heran mit schmeichelndem Locken; dann schüttelte er das Haupt, ergriff sein Brevier und versuchte, zu beten. Einmal hatte er indeß auch Lessing’s „Nathan“ wieder zur Hand genommen und hatte im dritten Aufzug den siebenten Auftritt gelesen, das ewigschöne Evangelium der Toleranz.

Der Gründonnerstag und Charfreitag, an welchen die katholische Kirche Alles aufbietet, um durch Feierlichkeit und Seltsamkeit der Ceremonien auf das Gemüth der Gläubigen zu wirken, da in schwarzbehangener Kirche keine Glocke klingt und keine Kerze brennt, außer den matten Lichtern am Grabe des Erlösers — sie ließen Reinhold ganz aufgehen in seinem Berufe, und er amtirte, soweit ihm gestattet, an der Seite des greisen Pfarrers.

Es war am stillen Freitag, Nachmittag in der vierten Stunde. Der Himmel war trübe, und feiner Regen sprühte nieder — das Städtchen war still, todtenstill. Da kam das Dienstmädchen aus der Pfarrei mit verweinten Augen und schluchzte es mehr heraus, als sie es sprach:

„Der Herr Pfarrer ist todt.“

Reinhold sprang entsetzt von seinem Sitze auf; er glaubte nicht recht gehört zu haben; er war bis vor Tische mit dem väterlichen Freunde zusammen gewesen — aber es war bittere, ernste Wahrheit: ein Schlagfluß hatte dem theuren Leben ein plötzliches Ende gemacht; um die dritte Stunde Nachmittags war er entschlafen.

Reinhold eilte nach dem Pfarrhause. Weinend kam ihm die bejahrte Wirthschafterin entgegen und führte ihn in das trauliche Studirzimmer. Trübe sah der graue Tag durch die Fenster herein; auf dem Tische flackerte unsicheren Scheins noch immer die Sterbekerze, und auf dem alten braunen Sopha lag der todte Pfarrer mit seinem gewohnten milden, freundlichen Gesichtsausdruck. Hier hatte der Tod wenig verändert, und das geschlossene Auge konnte ebenso gut das Zeichen ruhigen Schlafes sein. Reinhold faßte nach einer der auf der Brust liegenden Hände des Todten; sie war kalt und steif, und ihn überlief ein nie gekanntes Gefühl des Schauers; er tauchte seine Fingerspitzen in das kleine Weihwasserbecken und sprengte mit dem heiligen Naß dem Verstorbenen über das Gesicht, daß einige Tropfen wie große, helle Thränen darauf haften blieben; leise schluchzte die alte Gertrud in ihre vor die Augen gepreßte Schürze.

„Schlaf wohl, Du guter, wackerer Mann! Deine Thaten werden vor dem Throne Gottes für Dich zeugen. Gesegnet sei Dein Andenken!“ sagte der junge Benedictiner halblaut, Gertrud aber drückte ihm die Hand und sprach mit verhaltenem Weinen:

„Ja, er war gut, mehr als die Leute es wissen und zu wissen brauchen; die Armuth wird bitterlich weinen an seinem Sarge, aber am meisten habe ich verloren. Sie kennen es noch nicht aus Erfahrung, was es heißt, ein getreues Herze wissen.“

Reinhold zuckte zusammen; er dachte an das Lied von Paul Flemming, und die alte Haushälterin fuhr fort:

Sehen Sie, ich habe den Todten da gekannt, wie er noch ganz jung war, als einen frischen Studenten, und ich habe ihn lieb gehabt — heute kann ich’s ja wohl sagen, und wie er so daliegt, mag er’s immerhin hören. Wir waren Nachbarskinder und sind mitsammen aufgewachsen. Seine Mutter war eine fromme Frau, die durchaus einen geistlichen Sohn haben wollte, und Gustav hat das Opfer gebracht; die alte Frau hat’s nie erfahren, wie’s ihm manchmal schwer geworden ist, aber mir hat er’s erzählt, wenn er in die Ferien kam, wie geistlos sein Studium, wie beschränkt und engherzig seine Lehrer und Mitschüler seien. Er war eben einer von denen, welchen das überlieferte Wort [455] nicht genug that. Sie haben ihn gerade darum auf den schlechtesten Stationen als Cooperator herumgeschickt, und die Haare sind ihm grau geworden, ehe sie ihm die kleine Pfarre hier gaben. Derweil war ihm Mutter und Vater gestorben und ich hatte meine Eltern auch verloren. Ich war eine alte Jungfer geworden, nicht weil ich keinen Mann hätte bekommen können, sondern weil ich keinen haben mochte — ich wußte wohl, warum — und da hab’ ich selber bei ihm angefragt, ob er mich als Wirthschafterin gebrauchen könne. Er hat ‚Ja‘ gesagt, und so lebe ich denn an die zwanzig Jahre unter seinem Dache, und hab’ ihm gethan, was ich ihm an den Augen absehen konnte, und er hat’s auch gewußt, wie lieb ich ihn gehabt.“

Gertrud beugte sich zu dem Todten nieder, küßte ihn auf die Stirn, und eine Thräne fiel auf seine erstarrte Wange hart neben den Weihwassertropfen, und verlief sich mit diesem in eins. Welcher von beiden war geweihter?

Reinhold stand vor der Pfarre, aber das Herz war ihm zum Zerspringen voll; die schlichte Erzählung Gertrud’s hatte seine Seele in ihren tiefsten Tiefen aufgewühlt. Was hatte er in den wenigen Tagen seines Aufenthalts in der Heimath nicht Alles empfunden! Und Alles rüttelte mächtig an dem Bau, den die Lehrer in seiner Brust errichtet. Die Philosophie des Lebens trat in schneidenden Gegensatz zu jener der Scholasten; der Gedanke, daß man Gott auch dienen könne ohne Brevier und Ordenskleid, brach sich Bahn in Reinhold’s Seele.

Er wanderte im Abenddunkel um das Städtchen und ließ das Gewitter in seinem Innern ausstürmen; durchnäßt vom Sprühregen kam er zum Petersthor herein, aber er sah auch diesmal nicht nach den Fenstern der Villa Günther empor. — Er las auch heute wieder bei nächtlicher Lampe den „Nathan“, und das Buch wurde ihm immer lieber — es war so das Vermächtniß eines theuren Todten.

Am anderen Tage versah er wieder sein Akolythenamt; ein Cooperator aus der Nachbarschaft fungirte an des Pfarrers Stelle, aber er übte die heiligen Gebräuche so flüchtig und handwerksmäßig-mechanisch, daß Reinhold darüber empört war und es vorzog, am Abende, bei der Feier der Auferstehung, neben seinen Eltern in dem Kirchenstuhle zu sitzen. Die Kirche glänzte im Schein der vielen Kerzen; Weihrauchwirbel dampften um die Altäre, und Pauken und Trompeten kündeten vom Chore den Sieg des Erlösers über Tod und Grab. Und aus dem Jubelsturm der Instrumente klang die schöne Frauenstimme wieder heraus:

„Lobsinge, Herz, dem Jubeltag!
Auch Du wirst auferstehen.“

Da war es Reinhold mit einem Male, als ob eine Fessel gesprungen wäre, die ihm um Haupt und Herz lag; er hätte mitjauchzen mögen mit der silbernen Stimme, und doch hielt er den Athem an wie in süßer Beklemmung.

Auferstehung! Er fühlte, wie sein Herz sie feierte, und er drückte die Hand des Vaters, der ihn verwundert ansah.

Nach der Kirche sprach er mit dem alten Rittmeister, der ihn bat, für den Ostersonntag wieder sein Gast zu sein, und Reinhold nahm die Einladung an.

Der Osterfesttag, an welchem nach dem Volksglauben die Sonne drei Sprünge macht, brach an mit Glanz und Licht. Der Cooperator celebrirte das Hochamt, Reinhold aber stand in einer dunklen Ecke der Kirche und dachte an den todten Pfarrer und betete still für sich hin. Ihm war seltsam selig zu Sinne, und freundlicher als je grüßte er alle Leute, als er die Kirche verließ.

Am Mittag saß er mit dem Rittmeister und Eva zu Tische, und fröhlich ging das Gespräch hin und her; auch des Todten im alten Pfarrhause wurde gedacht, und es that Reinhold wohl, als er dessen unbeschränktes Lob hörte. Auch diesmal zog sich der alte Officier zurück zu seinem Mittagsschläfchen und ließ die beiden jungen Leute allein.

Da kam eine merkwürdige Befangenheit über Reinhold; es wollte ihm nicht einfallen, was er sprechen sollte, und auch das Mädchen war wundersam still. Und er bat, wieder zu singen, dasselbe Lied, welches sie am Sonntag Palmarum gesungen hatte.

Sie willfahrte, aber ihre klare Stimme vibrirte heute. Er saß nicht fern von ihr und sah ihr in’s Gesicht; der Sonnenschein flimmerte auf ihren glänzenden Haaren; ihre weißen Hände lagen auf den Tasten, und leise hob und senkte sich ihre Brust; sie sang mit der einfachen Volksmelodie wieder das Lied vom treuen Herzen.

Reinhold saß regungslos, nur in den Augen stand ihm ein feuchtes Glänzen, als die letzte Strophe durch das Zimmer klang:

„Sein Vergnügen steht alleine
In des Andern Redlichkeit,
Hält des Andern Noth für seine,
Weicht nicht, auch bei trüber Zeit;
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze;
Denn ich weiß ein treues Herze.“

Der letzte Accord verklang; Eva ließ die schlanken Hände gefaltet in den Schooß niederfallen; einen Augenblick war es tiefstill in dem Gemache, sodaß man das Athemholen der beiden jungen Leute hören konnte; dann blickte Eva auf und sah mit den großen, freundlichen Kindesaugen herüber nach Reinhold. Der aber wußte nicht, wie ihm geschah; er wußte auch kaum, was er that, aber er lag in demselben Momente vor der Gespielin seiner Jugend auf den Knieen und barg sein glühendes Gesicht in den Falten ihres Gewandes; dann hob er das Antlitz und lachte und weinte in einem zu ihr empor und flüsterte: „Meine liebe Eva!“

Und die weißen, zitternden Mädchenhände legten sich auf seine Stirn und beugten ihm sachte das Haupt zurück, zwei braune, flimmernde Augen blickten in die seinen, und zwei rothe, süße Lippen sprachen: „Ein getreues Herze wissen!“ — —

Am Ostermontag trug man den alten Pfarrer zur letzten Ruh; die Sonne leuchtete ihm in’s Grab voran, und die ersten Frühlingsvögel zwitscherten hinein in den Choral der Glocken und der Sänger. An dem Erdhügel aber standen Reinhold und Eva bei einander; er trug jedoch nicht mehr das Collare, das Abzeichen der katholischen Theologen.




Blätter und Blüthen.

Auch ein Sclave des Tabaks. Meine Erzählung datirt aus dem letzten Kriege gegen Frankreich. Für ihre volle Wahrheit verbürge ich mich und kann „noch lebende“, glaubwürdige Zeugen beibringen.

Ich stand als Officier bei der Feldartillerie des vierten Armeecorps. Bei meiner Batterie befand sich ein alter, bereits achtzehn Jahre dienender Trompeter. Sturm, so hieß er, war eine bekannte Persönlichkeit im ganzen Regimente; denn schon sein Aeußeres hatte etwas in die Augen Fallendes. Wenn ich sage, er sah etwa so aus wie ein in preußische Artillerieuniform gesteckter Turco, so glaube ich, ihn am besten gemalt zu haben. Sein Teint war stark gebräunt; seine Augen blitzten wie Steinkohlenperlen, und sein schwarz-brauner Schnurrbart hing ihm in zwei dicken Wulsten bis zum vierten Waffenrockknopfe auf die Brust herab.

Wenn die Batterie in den längeren oder kürzeren Ruhepausen, die ja in jedem Kriege eintreten, zuweilen bespannt exercirte und der „alte Sturm“, wie er allgemein im Regimente genannt wurde, auf seiner hellbraunen Stute Sahra, mit seinem langen im Winde flatternden Barte bei der Batterie hin und her jagte und seine Signale scharf und schneidig in die Luft schmetterte — dann achteten die müßig zuschauenden französischen Einwohner nicht auf die schmucken Officiere, nicht auf die galoppirenden Pferde und nicht auf die blanken über den harten Angerboden dahindröhnenden Feuerschlünde — Aller Blicke hingen nur an dem martialischen, wie ein finsterer Dämon dahinsprengenden alten Sturm.

Dieser originelle Mann war aber nicht nur ein firmer Trompeter und tüchtiger Reiter, er war auch ein allezeit lustiger und schneidiger Feldsoldat. Diese Eigenschaft wurde ihm bei der Batterie um so höher angerechnet, als man wohl wußte, daß er ein „zahlreicher“ Familienvater und nicht hervorragend glücklich verheiratheter Gatte war. Deshalb erfreute er sich auch der Achtung aller seiner Vorgesetzten und Cameraden, und die Officiere behandelten ihn mehr freundschaftlich als streng dienstlich.

Sturm war ein in jeder Beziehung nüchterner Mensch. Ich habe ihn während des ganzen langen Krieges nur ein einziges Mal betrunken gesehen — damals allerdings ordentlich! Es war am Geburtstage unseres Heldenkaisers. Da Sturm es zu Ehren seines obersten Kriegsherrn gethan hatte, so konnte ihm deswegen gewiß Niemand gram sein.

Eine Leidenschaft aber besaß Sturm, und diese war geradezu beispiellos. Er war ein Schnupfer — Schnupfer in der eminentesten Bedeutung dieses Wortes! Der liebe Gott hatte ihn auch, damit er sich diesem Genusse in ergiebigster Weise hingeben konnte, mit einer gewaltigen Adlernase ausgestattet, aus der zur Noth zwei, jedenfalls aber anderthalb gewöhnliche Nasen gemacht werden konnten. Er schnupfte täglich zwei Loth, das ist — für Nichtschnupfer bemerkt — ein ganz enormes Quantum.

Dementsprechende Dimensionen hatte denn auch seine Dose, vom Lieutenant G. „der Torfkasten“ getauft. Ich selbst schnupfte damals noch nicht und habe mir erst später das Schnupfen angewöhnt zu Ehren eines lieben Freundes, der mich mit einer kostbaren Dose beschenkte, aber ich nahm doch, um Sturm damit mein Wohlwollen auszudrücken, ab und zu [456] eine Prise bei ihm, was wohl des Tages mehrmals vorkam, da ich als Führer des ersten Zuges vorn beim Hauptmann ritt, in dessen unmittelbarer Nähe wieder Sturm als erster Trompeter sich aufzuhalten hatte.

Daß unser Held sich beim Ausrücken aus der Garnison mit einer ganz gehörigen Munition an Schnupftabak versehen hatte, braucht wohl nicht erwähnt zu werden.

Wir waren etwa in der Gegend von Soissons angekommen, als Sturm plötzlich einsilbig wurde. Sein langer dunkler Bart hing noch schlechter als gewöhnlich in den Mundwinkeln herab; Sturm sah aus, als ob er bittere Erlebnisse gehabt hätte; er saß nicht, wie sonst, straff im Sattel; er hing auf seiner Sahra wie ein erschossener Mann.

„Was ist Ihnen, Sturm,“ rief ich ihm zu, als wir Morgens anspannten, „sind Sie krank?“

„Herr Lieutenant, der Schnupftabak ist alle geworden,“ antwortete er mit einer wahren Grabesstimme.

„Nun, die Sache wird wohl nicht so schlimm werden,“ meinte ich „vielleicht können wir irgendwo welchen kaufen oder uns schenken lassen.“

Nur ein trübes, ungläubiges Lächeln war seine Erwiderung. Er mochte das ihm bevorstehende Schwere wohl schon ahnen — in der That war trotz aller Bemühungen keine Prise aufzutreiben. Wir näherten uns jetzt Paris; die Einwohner der Ortschaften, durch welche wir zogen, waren größtenteils geflüchtet; die Kaufläden durch Requisition bereits gänzlich geleert oder durch Gesindel aller Art und Marodeurs, die vor unserem Eintreffen die Gegend vor Paris besonders belebten, ausgeplündert. Von da ab wurde Sturm nachlässig, träumerisch, energielos, unzuverlässig — kurz, der alte schneidige Soldat war aus ihm verschwnuden; ja, mehr als einmal mußte er von dem sonst allezeit gegen ihn gütigen Batteriechef hart angefahren werden, was bei Sturm etwas Unerhörtes war. Das plötzliche Versiegen der Quelle langjährigen Genusses hatte den alten Trompeter, wie der Hauptmann sich ausdrückte, „demoralisirt“!

So lagen wir nun schon mehrere Wochen vor Paris, und noch immer war keine Aussicht auf Beendigung des Feldzuges. Sturm hatte sich nicht wieder ermannen können; er blieb, was er seit Pensionirung seines „Torfkastens“ war, „demoralisirt“.

Da wurde eines Tages bekannt gemacht, daß die Feldpost auch Briefe schwereren Gewichtes und kleine Paketsendungen an die im Felde stehenden Truppen befördern dürfe. Frau Sturm, die sonst nicht übertrieben zärtliche und aufmerksame Gattin des alten Haudegens, hatte aber gewußt, womit sie ihren theuren Ehegemahl am meisten erfreuen konnte. Sie schickte umgehend ein einpfündiges Paket seiner Leibprise Bolongaro — „Balloncaro“ — wie Sturm ihn nannte!

Am Abend des Eintreffens jener bedeutungsvollen Sendung — es mochte wohl schon einhalb elf Uhr gewesen sein — lag ich in meiner comfortablen Villa in Montmorency bereits im Bett, als plötzlich hastige, schwere Tritte die Treppe heraufklirrten, in wilder Hast die Thür aufgerissen wurde und eine lange dunkle Gestalt in das Zimmer stürmte.

Bei dem hellen Mondlichte erkannte ich sofort den alten Sturm.

„Was ist los, Sturm, Alarm?“

„Nein, nein, Herr Lieutenant, meine Alte hat eine frische Prise geschickt. Ich wollte nur eine kleine Probe davon bringen.“

In seiner namenlosen Freude hatte der alte vortrefflich erzogene Soldat alle Subordinationsrücksichten vergessen, hatte sich nicht melden lassen, war, ohne zu klopfen, in der Nacht bei mir eingedrungen und stand nun in höchster, freudiger Erregung mit einem Tassenköpfchen voll „Balloncaro“ vor meinem Bette.

Am folgenden Morgen erzählt mir der Futtermeister, dem Sturm wohl seine Aufmerksamkeit gegen mich mitgetheilt hatte:

„Wollen der Herr Lieutenant es wohl glauben? Sturm hat sich gestern Abend gar nicht zu Bett gelegt, sondern sich auf die Treppe gesetzt und bis heute Morgen zum Futterschütten ‚geprist‘!“

Von nun an war Sturm wieder der beste Trompeter und Soldat, den sich die Batterie nur wünschen konnte.
J[WS 4]. A.




C. G. Hellqvist. Dieser Name des in seinem Vaterlande sehr berühmten schwedischen Malers ist auch den Lesern der „Gartenlaube“ wohl bekannt, da wir schon mehrmals Gelegenheit hatten, unser Blatt mit Holzschnittreproductionen seiner trefflichen geschichtlichen Gemälde zu schmücken. Wir erinnern hier nur an das fesselnde Bild „Die Strafe der Prälaten“ (Jahrg. 1880 S. 692 und 693), welches den schimpflichen Einzug des Bischofs Sunanwäder und des Propstes Kunt in Stockholm im September 1526 darstellt und welches sich jetzt im Musenm zu New-York befindet. Indem wir heute unsern Lesern ein anderes hervorragendes Werk des Künstlers (vergl. Seite 448 und 449) vorführen, das ebenfalls der schwedischen Geschichte entnommen ist und den im Hauptblatte ausführlich geschilderten tragischen Tod des Reichsverwesers Sten Sture des Jüngeren auf dem Eise des Mälarsees zur Anschauung bringt, glauben wir, durch die Veröffentlichung nachstehender biographischer Notizen nur einen schon lange gehegten Wunsch der Freunde unseres Blattes zu erfüllen.

Carl Gustav Hellqvist wurde im December des Jahres 1851 zu Kungsör, einem kleinen Dorfe an der Südwestspitze des Mälarsees, geboren. Schon früh zeigte sich in dem lebhaften Knaben die Neigung, alles, was er sah, nachzuzeichnen und Holzfiguren zu schnitzen. Um diesen rohen Gebilden seiner kindlichen Phantasie Leben zu geben, suchte er sich auf alle möglichen Weisen Farbstoffe zu verschaffen, mit denen er seine Producte bemalte. Dies veranlaßte wohl den Vater Hellqvist’s, den inzwischen zwölf Jahre alt gewordenen Jungen zu einem Stockholmer Maler in die Lehre zu geben.

Damit begann für den Künstler die harte Schule des Lebens, in welcher schließlich das Talent des Jünglings alle Hindernisse besiegte. Nach vollendeter Tagesarbeit zeichnete er bis spät in die Nacht hinein und lieferte Illustrationen für mehrere Zeitschriften, um sich die Mittel zum Besuch der Stockholmer Kunstakademie zu verschaffen.

Dieses Ziel zu erreichen, gelang ihm schon mit seinem sechszehnten Lebensjahre, und bald hierauf malte er ein Bild „Auffindung der Leiche Gustav Adolph’s“, das im Holzschnitte reproducirt wurde und die Kunstakademie veranlaßte, den strebsamen und talentvollen Künstler durch Stipendien zu unterstützen. Im Jahre 1875 errang er sich mit dem Bilde „König Gustav Wasa tritt in die Versammlung der sich gegen ihn verschwörenden Bischöfe“ den höchsten Preis der Akademie, und erhielt später das große Stipendium des schwedischen Staates.

Nach einem längeren Aufenthalte in Paris kehrte Hellqvist 1877 nach Stockholm zurück und ging noch in demselben Jahre nach München, wo er sich bis jetzt aufhält. Hier entstanden auch seine in der „Gartenlaube“ reproducirten Bilder.

Das neueste große Gemälde Hellqvist’s: „Die Brandschatzung der Stadt Wisby aus der Insel Gotland“ ist gegenwärtig auf der internationalen Kunstausstellung zu Wien ausgestellt.




Laienhülfe bei Erforschung von Gewittererscheinungen. Die alljährlich wiederkehrenden, oft mit Hagelschlag und anderen verwüstenden Erscheinungen verbundenen Gewitter sind noch so wenig erforscht, daß man bis jetzt keinen klaren Einblick in die Entstehung und Bewegung, sowie das Wesen derselben hat erlangen können. Darum haben auch die zahlreichen meteorologischen Stationen es sich zur Aufgabe gemacht, über diese Naturerscheinung die genauesten Beobachtungen anzustellen und so ein Material zu sammeln, auf Grund dessen man die Bildung der Gewitter mit der größten Sicherheit voraussagen könnte. Der Schaden an Eigenthum wird zwar hierdurch schwerlich verhindert werden können, aber solche Vorhersagen würden genügen, um bei rechtzeitiger Warnung wenigstens Menschenleben zu hüten, da ja die Erfahrung bewiesen hat, daß diesem oft gerade dort Gefahr droht, wo man es kaum erwartete.

Das königlich sächsische meteorologische Institut zu Chemnitz, welches von Herrn Dr. Paul Schreiber geleitet wird, richtet nun in dieser wichtigen Angelegenheit folgende Aufforderung an die Einwohner Sachsens und der angrenzenden Länder:

„Es ist erwünscht,“ schreibt uns der oben genannte Herr, „daß in jeder Stadt und jedem Dorfe und jeder sonstigen bewohnten Ortschaft wenigstens eine Person sich bereit finden könnte, welche sofort nach einer Gewittererscheinung Meldung nach Chemnitz (Adresse: „Meteorologisches Institut in Chemnitz“) gelangen lassen wollte. Nur wenige Worte genügen. ‚Heute fand um die oder die Stunde ein Gewitter statt,‘ das hat für uns schon großen Werth. Wenn dabei aber noch angegeben wird, woher das Gewitter kam, wohin es zog, ob es stark regnete, blitzte und donnerte, woher der Wind vor, bei und nach dem Gewitter kam, welche Zerstörungen angerichtet wurden, so wird dies natürlich um so dankbarer begrüßt werden.

Auf eine Correspondenzkarte läßt sich so ein großes, wichtiges Material zusammenbringen. Aber auch die einfachere Form genügt, und selbst wenige Worte, welche nur das Factum melden, sind erwünscht. Wer sich fern von seiner Heimath befindet, auch er sollte die Gelegenheit, einige Worte auf eine Correspondenzkarte zu werfen und an das meteorologische Institut zu senden, nicht vorüber gehen lassen. Hauptsache ist dabei stets Ort und Zeit. Es möge Niemand glauben, daß die Meldung aus einem andern Orte kommen würde und er dieselbe deshalb unterlassen könne. Es hat sich nämlich gezeigt, daß die Gewittererscheinungen sich oft auf kleine Bezirke beschränken, daß gewisse Gegenden häufig von ihnen betroffen werden, während andere nahe Striche mehr verschont bleiben. Deshalb können nicht genug Beobachtungen eingesandt werden. Die Meldungen werden in unserem Institut auf geeignete Weise verarbeitet und die erreichten Resultate sobald wie möglich zur allgemeinen Kenntniß gebracht werden. Zur Erreichung meines Zweckes muß ich mich an die Redactionen der Zeitungen unsers Landes wenden und dieselben um Unterstützung bitten. Es ist ja die Tagespresse bei uns eine Macht geworden, mit deren Hülfe sich manches wird erreichen lassen, was sonst unmöglich erschien.“

Indem wir diese Aufforderung des Herrn Dr. P. Schreiber auf das Wärmste unterstützen, hoffen wir, daß der in Sachsen und den benachbarten Ländern wohnende Theil unserer Leser sich dieser wenig mühevollen, aber sehr wichtigen und ehrenden Mitarbeiterschaft an der Lösung einer wissenschaftlichen Frage gern und gewissenhaft unterziehen wird. Wir hoffen aber auch, daß andere meteorologische Institute dem Vorgange der Chemnitzer Wetterwarte folgen werden, und erklären uns gern bereit, die betreffenden Adressen an dieser Stelle zur Kenntniß unserer Leser zu bringen. — Es geschieht im Allgemeinen selten, daß Gelehrte vom Fach die große Masse des Volkes zur Mitarbeiterschaft einladen, wo dies aber gewünscht wird, dort sollte das Volk der Aufforderung in gewissenhaftester Weise Folge leisten; denn die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung gereichen schließlich der gesammten Nation zum Nutzen.




Entwischt! (Mit Abbildung S. 453.) Es ist schade, daß man sich nicht in der Seele dieses versteckten Kerls mitfreuen kann und darf — dazu steht gegenwärtig das Vagabundenthum in zu starker, empörender Blüthe — und das ist der einzige Fehler des Bildes. In anderen Zeiten und unter anderen Umständen wurde das Gegentheil stattfinden. Hätten wir ein Bild aus wildbewegter Zeit und in dem plötzlich der Gefahr Entgangenen einen sogenannten „politischen Verbrecher“ vor uns, so schauten auch wir dem davonreitenden Gensd’armen mit dem Lächeln der Genugthuung nach und freuten uns mit dem Geretteten. Wir — sage ich — denn wir setzen voraus, daß unsere Leser allezeit zu denen gehört haben, welche dem Siege der Reaction keine Kränze wanden. In dem vorliegenden Fall bringt uns die Stoffwahl des Künstlers um dieses angenehme Mitgefühl. Dagegen steht es uns frei, zu bewundern, wie stark oft die Fuchsnatur im Menschen ausgebildet ist, und das ist das Interesse, das wir an der gelungenen Darstellung des im Getreideschober verborgenen Schlaumeyers nehmen.


Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Das heutige Graubünden, Tirol, Vorarlberg und baierische Hochgebirge.
    Die Red.
  2. Der Dichter nennt diese Strophen „Goethe-Lieder“, weil sie (an Goethe’s fünfzigjähriger Todtenfeier zu Stuttgart gesprochen) sich in Ton und Stil der Dichtweise des Altmeisters von Weimar anschließen und zum Theil (2 und 3) auch an ihn richten.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gemeint ist der nicht 1865, sondern 1868, S. 735 f, gedruckte Bericht „Der Mensch als Poststück
  2. Vorlage: Kundson
  3. Vorlage: unten
  4. Die Großbuchstaben J und I sind nicht zu unterscheiden.