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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1866
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[401] No. 26.
1866.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Gefangen.[1]
Von A. Ewald.


Margarethe: Er kommt!
Faust: Ach Schelm, so neckst Du mich!
 Treff’ ich Dich!
Margarethe: Bester Mann! von Herzen lieb’ ich Dich.


Mein Steckenpferd ist die Anatomie. Sie hat die sichersten Grundlagen, sie hat keine Geheimnisse, sondern klare, sogar der Anschauung faßbare Gesetze; im Uebrigen bin ich der Allopathie aus demselben Grunde zugethan. Von jeher besaß ich für meine Wissenschaft zu viel Interesse und fand in ihr zu viel Beschäftigung, um daneben noch andere Zwecke zu verfolgen. Ohne rechts und links zu sehen, habe ich mich immer nur der Medicin gewidmet, die Politik hat mich selbst 1848 nur vom Standpunkte der Psychiatrie berührt, die Religion hat mir keine Scrupel gemacht; mein bescheidener Glaube ist doch am Ende so viel werth, wie das schönste Dogma. Damit hab’ ich’s denn sehr glücklich getroffen, denn ich curire Heiden und Christen, Bettler und Fürsten und nütze beständig mir und meiner Wissenschaft.

In einem Punkt sah es freilich bedenklich aus. Die Medicin ist eine Wissenschaft, die sich wenig mit andern Herzenskrankheiten beschäftigt, als physischen Erweiterungen und Verknöcherungen. Auch waren die Bekanntschaften, zu denen sie mich führte, nicht eben solche, die mich von einer andern als der ärztlichen Seite her beschäftigen konnten. Die schöne Welt ist, das versichere ich, zu einem großen Theile eine kranke Welt, und meistens in Folge verkehrter Erziehung und Gewöhnung. So ein kleines Mädchen in seiner Zartheit und Feinheit, mit seiner körperlichen Empfindlichkeit und geistigen Empfindsamkeit ist ein reizendes Ding und ganz zum Verhätscheln geschaffen. Von hundert Müttern und Vätern widerstehen keine zehn der Versuchung, das liebe Geschöpf körperlich und geistig gründlich zu verwöhnen; es wird eingewickelt in Tücher und Pelze und gefüttert mit Kuchen und Confect, seine lebhafte Phantasie wird gleichfalls mit Zucker genährt, jeder Wunsch wird erfüllt, jeder Laune wird nachgegeben; zuletzt ist der Engel so vollkommen, daß er dieser irdischen Welt nicht mehr angehört. Blutarm plagt er sich mit ewigen Unpäßlichkeiten, Nerven und Krämpfen, Zahnweh und Magenleiden, gehen und stehen kann er nicht, aber tanzen desto besser, und bei seiner Kränklichkeit ist er unleidlich und folgt dem Arzte nicht. Da verliebe sich ein Doctor! Wir Aerzte sind überhaupt so glücklich, von unserem Berufe selbst immer genöthigt zu werden, das Leben von der realen Seite zu nehmen. An jedem unserer Freunde und Freundinnen lernen wir am besten Krankheiten und Schwächen kennen und, weil Krankheiten und Schwächen vielfach aus Schuld entspringen, auch die Fehler und Laster. In Geist und Gemüth können wir freilich noch nicht mit Sicherheit hineinblicken, aber die Leiber können uns nichts verschweigen. Ja, hat ein Herr Patient uns einmal in die Beschaffenheit seines Innern blicken lassen müssen, dann hält er’s in der Regel gar nicht mehr für der Mühe werth, etwas zu verstecken, sondern macht den Arzt zum Vertrauten. Wie manche Schönheit hat vor unseren Augen einen ekelhaften Flecken, wie manche Liebenswürdigkeit wird uns zur Widerlichkeit! Ich bin überzeugt, wir beurtheilen die Menschen sehr richtig, aber wir erkaufen unser Urtheil sehr theuer, denn ein Bischen poetischer Illusion und sogar gründlicher Täuschung ist auf dieser Welt nicht wohl zu entbehren, und daß wir’s nicht entbehren können, wissen wir Aerzte leider am besten.

Dieser Schleier der Illusion ist vor Allem für das Familienleben ersprießlich. Fast überall giebt es da Dies oder Jenes zu beklagen; am glücklichsten leben die, welche am nachsichtigsten gegen einander sind; in das Innere mancher Ehen thut der Arzt einen Blick, bei dem er das Gruseln lernen kann, selbst Ehen, die für glücklich gelten, zeigen sich oft im stillen Frieden der Häuslichkeit sehr trübselig und wenig anziehend. Das ist gar selten, daß Eins mit dem Andern in voller Uebereinstimmung lebt und Eins das Andere fördert und erhebt. Ich war demnach auf dem besten Wege, ein Bruder Hagestolz zu werden, und hätte mich mit Freudigkeit in dieses Schicksal ergeben. Im Rathe der Götter war’s aber anders beschlossen.

Als lediger und wohlsituirter Mann hatte ich so zu sagen ganze Regimenter von Amazonen, jedoch heirathslustiger, zu bestehen, die Mütter waren die Aufmerksamkeit selbst, die Töchter bestrebten sich, mir zu gefallen, und zierten sich um so mehr und thaten um so gebildeter, die glücklichen Väter secundirten. Es regnete Einladungen in Häuser voll edler Weiblichkeit; die meisten dieser Angriffe, ja fast alle, schlug ich ab, ich wäre sonst vor der Zeit fett geworden, denn man wollte mir gründlich zeigen, was Küche und Keller leisten könnten. Die schönen Töchter wurden krank, damit ich gerufen werden konnte; für die meisten ihrer Krankheiten hat die Wissenschaft noch keine Lehre und keinen Namen gefunden, in der Regel war’s Kopfweh, Mattigkeit. Und wie [402] liebenswürdig konnten diese Patienten sein und wie niedlich standen ihnen die zierlichen Morgenhäubchen, die faltenreichen Negligékleider und die kleinfüßigen Saffianschuhe, die kokett unter dem Rocke hervorguckten! Jedes Weib ist geborene Schauspielerin, man könnte sie alle miteinander von der Wiege gleich auf’s Theater schicken, wenn sie sich nur dann auch gäben, wie sie sind, und nicht so zu sagen überschauspielerten, d. h. zehn Rollen auf einmal darstellten! Zuweilen deutete auch eine ehrbare Matrone darauf hin, es sei doch für manche Krankheiten sehr unangenehm, einen unverheiratheten Arzt beizuziehen; ein solcher stehe der Familie etwas fern. Ich verstand vollkommen, – daß sie eine Tochter hatte.

Bei diesem Kriege sind, wie beim wirklichen, die Kriegslist und der diplomatische Betrug erlaubt. Alles vereinigt sich und jedes Mittel gilt, eine Tochter zur Frau zu machen. Allein ich fand auch Bundesgenossen, denn außer jeder Einzelnen standen mir die Uebrigen wieder gegen diese bei, indem sie die weithin treffende Kraft ihrer vernichtenden Artillerie bethätigten. So blieb ich beschirmt und fühlte keine Rührung im Herzen.

Eines Tages besuchte ich einen Maskenball. Das war noch eine Gelegenheit für mich, meinem Vergnügen nachzugehen, denn bei gewöhnlichen Bällen, konnte ich den Verfolgungen der liebenswürdigen Schönen nicht entrinnen. Ich hatte mich möglichst unkenntlich gemacht und erlaubte mir, etlichen Damen, die sich im Gegentheil möglichst bemüht hatten, sich kenntlich zu machen, ihre Liebenswürdigkeit gegen mich mit Spöttereien zu vergelten. Sie hatten keine Idee davon, wer hinter der Maske stecken möge, denn als Arzt war ich, woran natürlich Niemand zweifeln wird, stets die Liebenswürdigkeit selbst; sie glaubten, es müsse irgend ein gänzlich Unbekannter sein, der sich solche Freiheiten herausnahm, und flohen vor mir in die fernsten Ecken. Ich amüsirte mich höchlich darüber und äußerte dies, wie ich glaubte, unbeobachtet, gegen einen Bekannten. Gleich darauf aber redete mich eine schlanke Rococofigur, die wie zufällig am Arme einer Andern an mir vorüberging, mit einem Vers an, der ungefähr lautete:

„Am Tageslicht erscheinst Du spröde,
Die Maske zeigt Dich nicht so blöde,
Sie demaskirt Dich nur als schnöde.“

Etwas verblüfft, faßte ich mich doch schnell und die gute Laune gab mir sogar eine poetische Antwort ein oder wenigstens eine gereimte, denn die Poesie kann ich nicht als meine Gabe rühmen. Ich sagte:

„Uebel, schöne Maske, that ich
Und Verzeihung hoff’ ich blos;
Deine Güte, das errath’ ich,
Ist ja sicher nur zu groß.“

Sogleich war auch ihre Antwort fertig, sie entgegnete:

„In der Hoffnung, sonst im Leben
Ueberall Dir auszuweichen,
Kann ich heute Dir vergeben
Und die Hand zum Frieden reichen.“

Mir ging dabei etwas der Dampf aus und meine poetische Begabung hatte ich mit der ersten Antwort schon stark erschöpft. Es war mir daher sehr lieb, nach dieser Friedenserklärung wieder zur Prosa übergehen zu können. Inzwischen hatte ich mir auch diese jugendliche Dame aus vorigem Jahrhundert etwas näher betrachtet. Es war eine zierliche Gestalt, schlank und doch rundlich, mittelgroß, ein reizendes Köpfchen, von dem ich freilich der Larve und des Puders wegen nichts als wenige Contouren wahrnehmen konnte. Ich hatte keine Ahnung, wo mir dieses Dämchen begegnet sei, auch die Stimme, die sie übrigens verstellte, schien mir nicht bekannt. Neugierig, wer diese Sappho sein möge, reichte ich ihr meinen Arm und führte sie im Saale umher. Recht kokett hing sie sich ein, steigerte meine Neugier und plagte mich mit tausend Neckereien. Offenbar war sie fein erzogen, allerliebst war ihr Humor. Wer mochte es nur sein? Ich bekam’s nicht heraus. Um wenigstens einen Theil ihres Gesichts sehen zu können, reichte ich ihr, an’s Büffet tretend, ein Glas Champagner; sie trank es aus auf meine ‚Zukünftige‘, hielt sich aber den Kinnbart fest zu, so daß ich nicht mehr sehen konnte, als vorher. Ich führte sie weiter und frug: „Sehe ich Dich wieder, schöne Maske?“

„Willst Du’s denn, Herr Weiberfeind?“

„Nun, ich meine blos dann und wann!“

„Sehr schmeichelhaft. Aber ich wünsche Dich durchaus nicht zu sehen. Denn ich bin nicht gern krank.“

„Als ob ein Arzt nur Kranke sehen könnte!“

„Du hältst doch jedes weibliches Wesen für eine Kranke.“

„Desto lieber ist’s mir, einmal ausnahmsweise eine Gesunde zu sehen.“

„Aber ich fürchte mich, einen Doctor zu sehen, der mich wie eine Kranke behandelt und ein mechanter Mensch ist. Adieu bis auf’s Todtenbett!“

Und plötzlich löste sie sich aus meinem Arme, mischte sich unter eine dichte Masse und verschwand, ich bekam sie nicht wieder zu Gesicht, obwohl ich eifrigst nach ihr suchte.

So ein Erscheinen und Verschwinden hat etwas Ueberirdisches, Feenhaftes, und die unbekannte Sappho wurde meine stille Fee; sie kam mir nicht mehr aus dem Sinne. Wo ich nur hingerufen wurde, spähte ich nach ihr aus, in jeder Gesellschaft suchte ich sie. Nirgends fand ich etwas Aehnliches. Zu meinen gewöhnlichen Kreisen konnte sie nicht gehören, hin und wieder aber war ich fast in jedes Haus der Stadt gekommen.

Beinahe ein halbes Jahr war vergangen, schon wurde die Erinnerung schwächer, schon glaubte ich, das Opfer einer boshaften Mystification gewesen zu sein. Woher wußte ich denn, daß meine Dame jung und hübsch war, wie ich meinte? Konnte ich mich nicht auch darüber getäuscht haben, daß ich sie für fein erzogen und gebildet hielt? Es wollte nur aber doch nicht zu Sinne, daß ich mich so geirrt haben sollte, und Eins war jedenfalls auffallend und sprach dagegen: Niemand wußte von der Begegnung, Niemand hatte erfahren, daß ich’s gewesen war, der so vielen Schönen fatale Herbheiten gesagt hatte und auf den sie sehr aufgebracht waren. Das bedeutete etwas. So verschwiegen ist keine Dame, die nicht liebt, die sich nur den Spaß macht, einen Mann zu mystificiren. Aber wie konnte ich damit zusammenreimen, daß sie mich so wenig suchte, ja umgekehrt vermied?

Da ward ich eines Abends zu einem alten pensionirten Major gerufen. Ich traf den Mann bedenklich krank an einer Lungenentzündung, die selten, am wenigsten beim Alter des Majors, gefahrlos ist. Ich verordnete einige Mittel und empfahl vor Allem Ruhe und sorgfältige Pflege. Der Major wies auf ein Mädchen; seine Tochter sei dazu doch wohl genug. Erst dadurch wurde ich auf das Mädchen aufmerksam, das ich vorher für eine Dienstperson gehalten hatte, denn es war mehr als einfach angethan. Sie erröthete, da ich meine Augen auf sie richtete. Ich frug, ob ihre Kräfte ausreichen würden. Sie erwiderte, das verstehe sich von selbst und sie werde ihren Vater nicht von Fremden pflegen lassen. Die Antwort gefiel mir; ein echtes Soldatenkind, dachte ich im Stillen, auch schien mir die Stimme nicht unbekannt, aber ich war zu sehr mit dem Kranken beschäftigt, um darauf zu achten, und das Mädchen stand zu sehr in der Tiefe des spärlich beleuchteten Zimmers, als daß ich seine Gestalt und Züge genau hätte in’s Auge fassen können. Ich schärfte meine Vorschriften noch einmal nachdrücklich ein und empfahl mich. Als ich im Wagen saß, fiel mir die Stimme wieder ein und einen Augenblick dachte ich an meine Maske, aber ich mußte gleich wieder bei einem Patienten vorfahren und hatte keine Zeit, den Gedanken weiter zu verfolgen.

Am andern Tage wiederholte ich meinen Besuch beim Major. Es hatte sich mit ihm ein wenig gebessert und nach einem kurzen Verweilen stand ich im Begriffe, mich zu entfernen, da ich noch viele Patienten zu besuchen hatte, als die Tochter des Majors noch eine Frage an mich richtete. Sie war heute etwas sorgfältiger als gestern, aber immer noch bescheiden gekleidet. Wieder und bestimmter mußte ich der Maske gedenken. Aber wie sollte dieses Mädchen, das ich mich außerdem gar nicht gesehen zu haben erinnerte, auf den Einfall gerathen sein, mit mir Maskenscherz zu treiben? Halb verwundert, halb neugierig sah ich ihr bei meiner Antwort fest in’s Auge; sie erröthete und blickte zu Boden. Die ganze Erscheinung hatte etwas Frappantes, das meine Erinnerung immer lebendiger erregte. Es war ganz die Figur meiner Maske, so frisch mußte deren Trägerin sein. Eine offene Stirn, ein helles braunes Auge, volle braune Flechten, ein rother Mund voll kleiner weißer Zähne, eine leichte und graciöse Haltung, eine blühende Gesichtsfarbe, ein lustiges ungefüges Stumpfnäschen.

Dies Mal wurde ich meinen Gedanken nicht so schnell los, er ging mir beständig im Kopfe herum, und es war ja auch wieder ein neues Räthsel, eine neue Spannung. Unwillkürlich machte ich dem Major ein paar Besuche mehr, als durchaus nöthig [403] war, obgleich es sich mit ihm besserte und ich keine Zeit zu verlieren hatte. Therese empfing mich anfangs munter und freundlich, dankbar für meine Bemühungen um den Vater, aber immer mit einiger Zurückhaltung, so daß mir eine vertrauliche Annäherung unmöglich war. Immer hatte ich mir vorgenommen, den Maskenball zu erwähnen, und immer wurde das Gespräch abgelenkt, immer stand mir Therese zu fern, als daß ich auch nur scherzweise eine Andeutung wagen durfte, welche ihr unangenehm sein konnte. Als ich später wieder kam, fand ich sie oft nicht zu Hause. Endlich erhielt ich eines Tags ein anständiges Honorar zugeschickt; der Major schrieb dabei: er glaube jetzt nicht mehr der ärztlichen Hülfe zu bedürfen und halte es für seine Pflicht, meine kostbare und Vielen gewidmete Zeit nicht weiter in Anspruch zu nehmen. Ich sagte ihm dafür Dank und bat um die Erlaubniß, mich zuweilen nach seinem Befinden erkundigen zu dürfen. Der Major konnte das nicht wohl ablehnen, aber ich merkte wohl, es war nicht ganz nach seinem Wunsche. Ich sollte also wegbleiben. Und das geschah.

Inzwischen hatten Bekannte mich beim Major ein- und ausgehen sehen. Der Eine sagte, von Dem treffe das Wort zu: „Schulden wie ein Major“, der Andere nannte ihn einen sonderbaren Kauz. Mich hatte der Mann höchst anständig bezahlt; ich erkundigte mich nach seinen Verhältnissen und erfuhr nun Folgendes:

Allerdings hatte der Major vor einigen Jahren ziemliche Schulden gehabt; es war aber weniger ihm selbst zur Last zu legen, als vielmehr seiner Frau, welcher er die Wirthschaft vollständig überließ und die doch der Sache nicht Herr war und sich durch Rang und Würde für verpflichtet hielt, ein großes Haus zu machen. Für diese Verpflichtung langte freilich das Gehalt nicht, allein die Frau Majorin wollte trotzdem nichts von Einschränkung wissen, verrieth ihrem Gemahl nicht, daß es da und dort fehlte, und fuhr in ihrer Wirthschaft fort bis an ihr seliges Ende. Nun fanden sich ein paar Tausend Thaler Schulden und der Major meinte, darunter ersticken zu müssen. Indeß Therese nahm sich der Sache an und brachte es durch alle möglichen Einschränkungen dahin, daß die Last jetzt nach drei Jahren fast abgetragen war. Man sagte mir, sie vermeide ungeachtet ihrer Jugend alle größeren Gesellschaften, trage sich stets höchst einfach und lege sich überhaupt alle möglichen Entbehrungen auf, damit ihr Vater nicht von seiner gewöhnten Lebensweise ablassen müsse.

Mit diesen Nachrichten nahm mein Interesse an dem jungen Mädchen nicht wenig zu, aber ebenso mein Zweifel, ob Therese es gewesen, die mich am Maskenball angesprochen hatte. Woher hätte sie mich früher kennen sollen? Auch mußte ich aus der Zurückhaltung die sie jetzt gegen mich beobachtete, schließen, daß sie kein tieferes Interesse für mich fühle. Nun, dachte ich, auch gut, es muß ja nicht sein! Aber es wurde mir doch etwas schwer, diesen Gleichmuth zu behaupten, und meine Gedanken kehrten immer wieder zu ihr zurück. Und dazu kam, daß ich mitten in meinen nüchternen Bestrebungen der jungen Dame auf der Straße mehr als früher begegnete und ihr Gesicht, rosig wie das Morgenroth, in die Dämmerung meiner Gefühle helle Strahlen warf.

Indessen, was konnte ich thun? Mit einer Liebeserklärung in’s Haus fallen? Etwa gar einen Korb holen? Das dünkte mir zu tragisch. Ich befolgte die Lehre, die dem Arzt oft durch’s Leben eingeprägt wird: man muß der Natur ihren Lauf lassen.

Es verflossen etliche Monate. Da wurde ich wieder zu meinem Major gerufen; die Krankheit war doch nicht so spurlos an ihm vorübergegangen, seine Gesundheit hatte einen Stoß erlitten, von dem er sich nicht wieder erholte. Ich erkannte alsbald die Symptome der Brustwassersucht, und der Major selbst fühlte sich dem Tode verfallen. Ich suchte den Kranken hinzuhalten und zu erleichtern, aber er ging rasch seinem Ende entgegen. Seine Tochter pflegte ihn wieder mit einer seltenen Treue und liebevollen Gewissenhaftigkeit. Ich sah meine Freude an ihr, mit jedem Besuche wurde mir nachdenklicher zu Muthe – ich dachte darüber nach, ob ich etwa verliebt sei. Aber oft sah ich auch die trüben Blicke des Vaters bekümmert auf ihr ruhen. Eines Tages, als sie von ihm wegging, machte er seinem Herzen gegen mich Luft. Er fühle, wie es mit ihm zu Ende gehe, und dann werde Therese allein auf der Welt stehen, sie habe so zurückgezogen gelebt, daß sie allen seinen früheren und vermögenderen Freunden fast unbekannt sei; nur mit einer Freundin verkehre sie und deren Eltern würden sie nicht bei sich aufnehmen können. Um ihn habe das Kind jedes Glück verdient und doch stehe ihr eine einsame und entbehrungsvolle Zukunft bevor. Wie schrecklich sei es doch, aus dem Leben zu scheiden, ohne für sein Kind, sein einziges Kind gesorgt zu haben! Als er seufzend schwieg, war mein Entschluß gefaßt; Mitleid mit dem bekümmerten Vater gab den Ausschlag, während ich sonst vielleicht länger geschwankt hätte. Aber ich ward mir nicht so schnell über die Wendung klar, die zu nehmen sei, und mochte auch dem Vater nicht bestimmt entgegentreten, ohne der Tochter gewiß zu sein. Um Zeit zu gewinnen, tröstete ich: wenn er seiner Therese auch keine Glücksgüter hinterlasse, so habe er ihr doch eine Erziehung gegeben, welche ihr Glück mehr sichere als Hab und Gut.

„Für eine andere Welt,“ erwiderte der Major bitter, „auf Erden gilt nur irdisches Vermögen.“

„Doch nicht immer,“ sagte ich, „meiner Wertigkeit z. B. nicht. Ich nähme sogar keine Reiche.

„Seltene Uneigennützigkeit!“ versetzte sarkastisch lächelnd der alte Herr, „aber um so werthvoller, da Sie überhaupt nicht heirathen!“

„Das steht wohl nicht geschrieben. Was sagten Sie wohl dazu, Herr Major, wenn … kurz und gut, wenn Ihr schönes Töchterchen mein Herz gerührt hätte?“

„Ah, ah, Herr Doctor,“ entgegnete er verletzt, „das ist kein Scherz für einen Sterbenden!“

Nun mußte ausgesprochen werden, was ich zurückzuhalten gedacht hatte.

„Nein, nein,“ wiederholte ich, „es ist mein völliger und heiliger Ernst.“

Zweifelnd sah er mich an. Ich erklärte nochmals, es sei mein Ernst.

„Haben Sie denn,“ frug er darauf, „das Herz meiner Tochter gewonnen?“

„Ja,“ mußte ich erwidern, „das weiß ich nicht.“

„Nun,“ äußerte der Major, „ohne ihre Einwilligung verfüge ich nicht über ihre Hand. Ich halte nichts davon, wenn man die Tochter versorgt, ohne daß deren Herz dabei ist, aber ich werde mich darüber freuen, wenn sie Ihre Frau werden will.“

„Ich habe also,“ schloß ich, „Ihre Einwilligung, mehr verlange ich nicht. Im Gegentheil müssen Sie mir versprechen, ihr von unserer Unterhaltung nichts mitzutheilen. Nur aus ihrem Herzen darf die Antwort kommen.“

„Das ist ganz meine Meinung,“ sagte der Major und reichte mir darauf die Hand.

Wie sollte ich aber der Tochter beikommen? Der Moment war höchst ungünstig. Das Schmerzenslager eines Dahinsterbenden, eines Vaters ist doch wahrlich der schlechteste Platz für eine Liebeswerbung; eben so gut könnte Einer auf dem Meere spazieren gehen. Und überdies dünkte es mich, als würde ich das Ding so ungeschickt wie möglich anfangen. Die Liebe macht uns etwas tölpelhaft, und zwar so, daß wir zugleich das unangenehme Bewußtsein der Tölpelhaftigkeit besitzen. Indessen ich überlegte mir’s und faßte mir ein Herz. Da es mir nicht passend erschien, in diesem Moment mit süßer Liebeslispelei hervorzutreten, so glaubte ich, vom praktischen Standpunkt ausgehen zu müssen. Ich setzte mich zu ihr an den Nähtisch und frug, was sie von ihres Vaters Krankheit halte. Sie brach in Thränen aus und antwortete: „Sie wollen mich darauf vorbereiten, daß es mit ihm zu Ende geht.“

„Ich glaube,“ sagte ich, „es Ihnen nicht länger verhehlen zu können.“

„Das ist hart,“ versetzte sie, „erführe ich es nicht bald genug im Augenblicke, da er mich verläßt? Wollen Sie mir den Muth nehmen, ihn zu pflegen?“

„Nein, wie können Sie so etwas denken? Aber ich mußte Ihnen sagen, daß Sie Ihre Zukunft in’s Auge fassen.“

„Was hilft es mir,“ erwiderte sie, „ein paar Tage früher daran zu denken? Ich sorge mich auch darum nur ein paar Tage länger, ohne etwas thun zu können.“

„Das wäre wohl richtig,“ versetzte ich wieder, und in diesem kritischen Moment war mir nicht ganz wohl zu Muthe, „das wäre wohl richtig, wenn Sie nicht doch etwas thun könnten.“

„Was?“

„Nun, wenn ich Ihnen Jemanden vorschlüge, durch den Ihre Zukunft …“

„Ah, ah!“ unterbrach sie mich erröthend und unwillig.

[404] „Rund heraus,“ erklärte ich jetzt entschlossen, „wenn ich selbst Ihnen meine Hand anböte.“

Sie stand stolz auf und sagte scharf: „Sie wählen Ihre Zeit recht passend und zu diesem Zwecke war’s freilich nöthig, daß Sie mich davon unterrichteten, wie es um meinen Vater steht; denn das macht Ihren Antrag unwiderstehlich.“

Das war mir doch etwas zu viel und auch ich gerieth in den Harnisch.

„Denken Sie, gnädiges Fräulein,“ sagte ich grimmig, „was Ihnen beliebt, aber es läge wohl nicht minder nahe, zu glauben, daß ich jetzt mit meinem Antrage hervortrat, um Ihrem Vater noch eine schwere Sorge vom Herzen zu nehmen und ihn noch um seinen Segen zu bitten. Da Sie so wenig im Stande scheinen, mich zu verstehen, so betrachte ich mich als abgewiesen. Ihren Vater werde ich noch besuchen, damit er nichts davon gewahr werden möge, daß sein Wunsch nicht in Erfüllung geht.“

Ich ergriff Stock und Hut, warf mich in den Wagen und fuhr nach Hause. Mein Ingrimm ließ mich lange nicht einschlafen und als ich früh erwachte, blieb ich sehr gegen meine Gewohnheit halb träumend liegen. In diesen Morgenbetrachtungen erschien mir die Sache doch etwas anders als am Abend vorher. Erstens stellte sich die ungnädige Schöne meiner Phantasie jetzt höchst anziehend dar. Sie war doch in der That sehr hübsch und ihre zornige Aufwallung that ihrer Schönheit keinen Eintrag. Ich sah das glänzende Auge blitzen, die schlanke Gestalt schien wie gewachsen, die bebende Lippe sprach wie geflügelt. Zum Andern aber begann ich zu begreifen, daß die Form, die ich so schlau gewählt zu haben meinte, recht ungeschickt und verletzend gewesen war und daß, trotz der fatalen Situation, hier, wie überall im Leben der gerade Weg der richtige und die Sprache des Herzens die wahre gewesen wäre. Ich dachte indessen, in meine Hagestolzideen zurückfallend: wer weiß, wozu’s gut ist! und beschloß, keinen neuen Versuch zu wagen.

Während ich noch mit solchen Gedanken im Bette lag, wurde die Glocke geläutet. Ein Bote holte mich zum Major; es gehe sehr schlecht mit ihm, ich möge doch ja recht schnell kommen. Ich zog mich an und folgte, noch dämmerte der Morgen kaum, in der Krankenstube war Licht. Therese stand in dem Zimmer, das ich durchschreiten mußte, um in jene zu gelangen. Ich verbeugte mich kurz und wollte vorübergehen, als sie mich zögernd anredete: „Herr Doctor … bitte! … seien Sie mir nicht bös … ich war nur augenblicklich verletzt …“ Sie faßte nach meiner Hand, die ich ihr bereitwillig überließ, indem ich antwortete: „Nicht ganz mit Unrecht, ich hatte es dumm genug angefangen, ich habe das Werben noch nicht gelernt; statt vom Herzen zu sprechen, das mich zu Ihnen drängt, schwatzte ich von den traurigen Umständen, die Sie bewegen sollten, sich mir zu vertrauen.“ Ich hatte noch nicht vollendet, als Therese weinend ihre beiden Arme um meinen Hals schlang. Trotz meiner Ungeübtheit in ähnlichen Situationen, verstand ich ohne Mühe, was dies bedeutete, und fand mich mit Ergebung in die Umstände; auch hinderte mich als einen in der Anatomie Wohlbewanderten das zweifelhafte Licht in der Stube nicht daran, die Gegenden zu finden, welche man zu küssen pflegt. Wir mochten in dieser Beschäftigung die Geduld des alten Herrn ein wenig auf die Probe gestellt haben; er ächzte laut.

„Wollen wir mit einander vor den Vater treten?“ bat Therese.

Jetzt überfiel mich eine kleine Angst. Sollte sie meine Hand blos ihres Vaters willen annehmen? Ich frug sie leise; aber sie lächelte und verneinte es, als ich meine Frage wiederholte, sehr entschieden. Hätte ich noch mißtraut, so mußte ich mich bei der rührenden Scene, die nun folgte, eines Andern überzeugen. Als Therese in ihrer wunderlich einfachen Weise zum Major sagte: „Der Doctor will mich heirathen; ist Dir’s recht?“ vergaß er auf einige Minuten seiner Schmerzen und legte tief bewegt unsere Hände ineinander. Allerdings war er kränker, als den Tag zuvor, aber die Tochter hatte offenbar in dem Wunsche, mich bald wieder zu sehen, etwas übertrieben, und ich, der es sonst einem Patienten sehr übel vermerkte, mich unnütz vor meinen gewöhnlichen Ausgängen zu belästigen, ich war dies Mal nicht eben bös darüber, verschwendete vielmehr während der nächsten acht Tage bis zum Tode des Majors viel Zeit an seinem Bette. War nun die Gelegenheit eine sehr sonderbare für den Abschluß einer Verlobung gewesen, so war sie um so günstiger für die Liebe; denn ich durfte mit meiner Freundin so lange beim Kranken sitzen, als ich wollte, und hatte das dankbare Amt eines Pflegers und Trösters, und je verlassener Therese sich fühlte, desto inniger schloß sie sich mir an.

Der Major starb. Die ernste Trauerzeit verstrich und allmählich kehrte meine Braut wieder zu ihrer jugendlich frischen Heiterkeit zurück; ja nach und nach kam ein rechter Schalk zum Vorschein. Lange schon hatte sie mich damit geplagt, an unserem Hochzeitstag wolle sie mir etwas erzählen, daß ich schaudere, und mich auf meine Fragen, ob sie doch die Maske gewesen, lachend bis zur Hochzeit vertröstet. Ich war wirklich neugierig geworden. Was erfuhr ich nun, als wir nach der Trauung und einem Frühstück mit einigen Bekannten in den Wagen stiegen, um eine kleine Hochzeitsreise zu machen?

Kurz vor dem Maskenballe ging Therese mit ihrer Freundin Laura Mengs eines Tags spazieren; ich fuhr an ihnen vorbei.

„Sieht er nicht aus,“ sagte Laura, „als ob ihn die ganze Welt nichts anginge? Er soll ein ausgemachter Hagestolz sein; er könnte die reichsten Partieen machen, die Goldfischchen schwimmen ihm nur so zu, aber er behandelt alle so, als wollte er sagen: ‚Ihr seid meine Patienten, gut, aber damit Basta!‘“

„Ja,“ antwortete mein Schlauköpfchen, „da mag er ganz Recht haben, er wird seine Leute schon kennen, und da sie ihm nachlaufen, so weicht er vor ihnen aus. Ich würde das ebenso machen.“

„Nun,“ gab Laura zur Antwort, „wenn die Mädchen vor ihm ausweichen, so würde er sich erst recht nicht um sie kümmern.“

„Es käme darauf an,“ entgegnete Therese wieder.

Und was beginnen die Mädchen? Sie wetten miteinander, Therese soll mit mir auf dem Maskenball – ein guter Bekannter hatte zufällig verrathen, daß ich ihn besuchen wolle – oder bei sonst einer Gelegenheit ein Gespräch anknüpfen und sich dann von mir zurückziehen. Sie behauptete, ich würde sie aufsuchen und heirathen. Wenn ich sie heirathe, so bekommt sie, wenn es fehl schlägt, bekommt Laura – was? – zwei Tafeln Chocolade! Ja, um zwei Tafeln Chocolade wurde meine würdige Person verwettet. Ist’s nicht schauderhaft? Und der Spaß war gelungen und ich war im Besitz der Dame, weil es ihr beliebte, mit ihrer Freundin zu wetten! Wahrlich, es wurde mir himmelangst, es fröstelte mich ordentlich. Aber es kam noch ein Bekenntniß hinterdrein.

Therese hatte mich schon oft vorbeifahren sehen und nebenbei von meinen Curen gehört. Ein Arzt ist überhaupt für ein Frauenzimmer ein Beglücker der Menschheit, ein Märtyrer christlicher Aufopferung, ein Sieger über Leben und Tod. Die schöne Equipage stach meinem Schatz in die Augen, mein Ruhm schallte ihr in die Ohren, denn eitel war auch mein Schätzchen ein wenig, sonst hätte sie nicht zu Eva’s Geschlecht gehören müssen; meine sonstige Persönlichkeit fand gleichfalls Gnade vor ihren Augen, und so war jene curiose Wette zugleich ein schlauer Vorwand, um einmal in meine Nähe zu kommen. Jedes Frauenzimmer kann, auch in der Leidenschaft und wo das Herz mitspielt, mit klügster Berechnung, mit zähester Beharrlichkeit handeln. So meine Maske, da sie wahrnahm, daß eben ihre kühle Manier mich reizte und daß ich nach ihr suchte, als sie mir entwischt war. Ihr eigenes Verlangen wuchs freilich ebenfalls, je länger eine zweite Gelegenheit zum Verkehr auf sich warten ließ, aber dessen ungeachtet beobachtete sie auch dann, als die Krankheit ihres Vaters mich mit ihr zusammenführte, dieselbe Regel, mir durchaus nicht entgegen zu kommen, und das um so mehr, als sie bemerkte, daß ich immer eifriger wurde, je mehr sie sich mir entzog; ja sie war, als sie meine deutlich hervortretende Leidenschaft gewahrte, ihres Sieges gewiß, voller Uebermuth die Veranlassung gewesen, daß ihr Vater mir zu verstehen gab, meine Besuche seien nicht mehr nöthig, und sie behauptete, sich höchlich darüber amüsirt zu haben, wenn ich nachher durch die Straße fuhr und nie versäumte, hinauf zu grüßen, was mir übrigens kaum noch erinnerlich ist. Bei der zweiten und tödtlichen Krankheit des Majors dachte sie natürlich nicht mehr so geflissentlich an’s Ränkeschmieden, aber ihr System hielt sie doch fest. Als ich mit meiner Werbung hervortrat, hatte sie vielleicht noch unbewußt unter Mitwirkung ihres Planes gehandelt, obschon es ihr auch keine Freude machen konnte, mich so steif wie von einem Geschäft sprechen zu hören, wo sie dachte, ich würde ihr auf meinen Knieen Liebe schwören. Da ich aber davonging, erhielt sammt dem Herzen das System einen Stoß und die Planmacherei war zu Ende.

[405]

Die Landwehr am Düsselgraben in Düsseldorf.
Nach der Natur aufgenommen von A. Nikutowski.

[406] Es packte mich doch ein wenig, daß ich alter Knabe trotz aller Erfahrungen, trotz aller Vorsicht, so in’s Netz einer Planmacherin gegangen war, aber ich mußte trotzdem mitlachen, wenn die junge Frau ein Mal über’s andere ausrief: „Ja, ja, ich habe Dich gefangen und Du hast’s gar nicht gemerkt!“ und sich vor Lachen ausschütten wollte. Ferner kann ich nicht leugnen, daß mir für den Frieden meiner Zukunft überaus bange wurde, als ich hörte, bis zu welchem Grade von schlauer Consequenz meine Dame es gebracht hatte. Ich muß auch gestehen, daß sie wirklich Manches durchsetzt, was besser unterbliebe, wenn man alle Gesetze der Logik und Vernunft gelten läßt. Indessen, dazu ist das schöne Geschlecht nicht von der Vorsehung bestimmt, uns Männer zu heiliger, unverrückbarer Vernunft zu erziehen, und wir können schon damit zufrieden sein, wenn sie nur insofern ihren Zweck erfüllen, daß sie unser irdisches Dasein mit einem Bischen Liebe und lustiger Tollheit schmücken. Ich bin damit sogar vollkommen zufrieden und, wenn möglich, mehr als vollkommen. Denn die Schellenkappe klingelt nicht minder schön, als das Geläute der Kuhheerde im Walde, man muß sie nur zu tragen verstehen, daß sie hübsch klingelt. Ja, ich bin zufrieden, denn was sie auch treibt, hat eine Art, daß man gern zusieht, und so lass’ ich sie gern schalten und walten, indem ich mir nur die Oberherrschaft vorbehalte, und wenn sie einmal mir etwas abgewinnt, so freue ich mich mehr über die schlaue Liebenswürdigkeit, die sie dabei aufwendet, als ich über den Mangel an Weisheit traure, zu dem sie mich bringt.

Ja, ich habe ein ungeheures Glück gehabt. Denn eine Frau, klug wie eine Schlange, sanft wie eine Taube, munter wie eine Lerche, gesund wie eine Dorfamme (das weiß ein Arzt vorzüglich zu schätzen!) und – vor allen Dingen – ohne Vater und Mutter, Vettern und Basen, und arm wie eine Kirchenmaus, das ist das Beste, was man finden kann Sie hat keine Freude, als mit mir, das Geringste, was ich ihr schenke, ist ihr ein Glück; gebe ich ihr ein neues Kleid, so freut sie sich darüber wie ein Kind, aber gewiß zieht sie das alte an, um das neue zu schonen. Verlasse ich das Haus, so nimmt sie von mir so zärtlichen Abschied, als wär’s auf Lebenszeit; kehre ich von meinen Gängen und Fahrten zurück, so empfängt mich eine warme Stube und ein warmer Mund und ich stecke in Schlafrock und Hausschuhen, ehe ich’s recht weiß, denn bequem soll ich’s haben, meint sie, nach meinen täglichen Strapazen. Eins befürchtete ich anfangs, daß nämlich ihre dichterischen Bestrebungen nicht sehr zum Heile des Hauses gereichen möchten, und ich hätte doch ihr Dichten nicht verdammen können, denn sie hat ein ganz hübsches Talent. Aber bald kamen gewisse Sorgen, und es mußte viel genäht und gestrickt werden, und statt in Versen dichtet die kleine Frau jetzt, wie es sein muß, in Werken der Wirthschaft, daß Alles schimmert und flimmert, klingt und singt. Unser Hauswesen kommt mir vor wie eine Idylle, obwohl ich kein Daphnis bin und keine Chloe Theresen gleicht.

Gern hätte ich sie hierher mitgenommen, damit sie das liebe alte Jena und Euch, alte Knaben, kennen lerne. Aber gewisse Umstände waren mir hinderlich. Als ich ihr sagte, was mich hierher führe, lachte sie gerade heraus und band mir’s auf die Seele, daß ich auch wahrhaft erzähle, wie sie mich gefangen habe. Die aber, meinte sie, die hier zusammen kämen, um ihr Wort zu lösen, das müßten wunderliche Käuze sein, sie möchte wohl hinter der Wand stehen und horchen und sich ausschütten vor Lachen.

Diese Diebin kann ich Euch nicht verschweigen und Ihr würdet ihr verzeihen, daß sie uns auslacht, wenn Ihr dabei die weißen Zähnchen und die Grübchen in ihren Wangen sähet.




Scenen und Bilder aus Feld- und Lagerleben.
1. Einberufen.


„Der Wehrmann ersten Aufgebots, Peter Schmitz, wird hiermit in seine Heimath beurlaubt und hat sich so einzurichten, daß er am Montag den 14. Mai Morgens zehn Uhr unfehlbar auf dem Exercirplatze in Düsseldorf eintrifft, widrigenfalls“ etc.

„Himmel …!“ rief der Materialwaaren-Handlungsgehülfe, während er die Einberufungs-Ordre, die der wohlbeleibte Polizeisergeant ihm überreicht hatte, mit einer Gebehrde des Unmuths auf den Ladentisch warf. „Seit fünf Jahren habe ich den Kuhfuß nicht mehr getragen und nun in dem Augenblick, in welchem ich im Begriff stehe, ein eigenes Geschäft zu gründen und die Braut heimzuführen –“

„Still gestanden! Nicht raisonnirt!“ gebot der Hausknecht, der in diesem Augenblick in den Laden trat. „Glauben Sie vielleicht, Sie seien der Einzige, für welchen der Generalmarsch geschlagen wird?“

Ein Lächeln bittern Hohns glitt über das blasse Antlitz des hageren Jünglings, durch dessen Rechnung Gott Mars so grausam einen Strich gezogen hatte. „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen,“ erwiderte er, „der Spott ist billig.“

„Erlauben Sie, ich werde Sie am 14. Mai begleiten und getreu bei Ihnen ausharren, bis wir mitsammen heimkehren dürfen,“ fiel der Hausknecht ihm in’s Wort, während er ihm einen Zettel überreichte.

Peter Schmitz blickte erstaunt auf. „Der Landwehr-Unterofficier Jakob Schulz wird hiermit – – – ah, Sie sind Unterofficier? Das hatte ich noch nicht gewußt.“

„Na, Sie werden es nun nicht mehr bezweifeln können! Das Blatt hat sich gewendet, heute können Sie mir noch befehlen, am Montag dagegen werde ich Ihnen zeigen, wo Barthel den Most holt!“ setzte er gutmüthig lächelnd hinzu.

Peter Schmitz, ließ wehmüthig das blonde Haupt sinken, er legte die Feder, die er hinter den Ohren trug, hin, band die Ladenschürze ab und ging in’s Comptoir, um seinem Principal das Schicksal, welches ihn betroffen hatte, mitzutheilen.

„Das ist fatal, sagte der Materialwaarenhändler, als er einen Blick auf die Einberufungsordre seines Gehülfen geworfen hatte. „Ich wollte Ihnen die interimistische Führung meines Geschäftes übertragen, denn, wie Sie sehen, bin ich ebenfalls einberufen.“

Er schob bei diesen Worten einen Schein, der vor ihm lag, seinem überraschten Gehülfen hin.

„Sie sind wenigstens Gefreiter, während ich Gemeiner bin,“ fuhr er fort, „also erhalten Sie pro Tag einen Silbergroschen Zulage und der Wachtdienst ist für Sie nicht so unangenehm, wie für mich.“

„Und der Hausknecht Unterofficier!“ seufzte Schmitz.

Der Materialwaarenhändler zuckte die Achseln. „Daran ist nun einmal nichts zu ändern,“ sagte er ruhig, „indeß glaube ich kaum, daß man Sie bei der Fahne behalten wird; Sie sehen ja aus, als ob Sie schon Ihr Testament gemacht hätten. Lassen Sie sich untersuchen; ich bin überzeugt, man wird Sie wieder entlassen.“

Das war ein schwacher Hoffnungsschimmer, der plötzlich in die dunkle Nacht fiel. Peter Schmitz übertrug die Sorge für den Detailverkauf dem Hausknecht, über den er heute noch gebieten konnte, und eilte zu seiner Braut, um sie zu trösten und bei ihr Trost zu holen. Da wurde gar mancher Plan entworfen, aber unter all’ diesen Plänen befand sich nicht einer, der ausgeführt werden konnte.

„Ich werde Dich begleiten und selbst mit dem Major sprechen,“ seufzte Marie.

„Wozu könnte das nützen?“ erwiderte Peter. „Ich habe keine Gründe zur Reclamation.“

„Deine angegriffene Gesundheit …“

„Es ist Sache der Aerzte, darüber zu entscheiden.“

„So werde ich mit dem Arzt reden.“

„Er würde Dir die Thür zeigen.“

„Aber was soll ich denn thun?“

„Nichts; was die Schickung bringt, ertrage“

„Auch wenn die Oesterreicher Dich erschießen?“

„Nicht jede Kugel trifft.“

„Ich wollte ruhig sein und geduldig mich in Alles fügen, wenn ich nur wüßte, daß Du mit heiler Haut zurückkehrtest,“ sagte die Braut. „Laß Dich im ersten Treffen gefangen nehmen –“

[407] Purpurgluth übergoß die Wangen des jungen Mannes; diese Zumuthung kränkte seine Ehre.

„Nimmermehr!“ rief er. „Der erste Schritt ist der schwerste; ist man über ihn hinweg, so geht’s schon besser. Wenn es denn sein muß, in Gottes Namen, dann auch tapfer darauf los.“

Marie schüttelte mißbilligend das Haupt. „Ich wende dagegen nichts ein,“ sagte sie, „aber mir zu Liebe könntest Du doch versuchen, durch Reclamation oder körperliche Untersuchung Dich frei zu machen.“

„Ich will’s versuchen,“ erwiderte Peter Schmitz, „eine Reclamation fruchtet nichts, da ich keine Gründe habe, aus welche ich mich stützen kann, dagegen hoffe ich durch die Untersuchung als dienstuntauglich bezeichnet zu werden.“

Der Montag brach an, Peter Schmitz nahm von seiner Braut Abschied und wanderte zum Bahnhofe.

„Seht die Häringsseele!“ donnerte eine Stimme ihm entgegen, als er in den Wartesaal trat. „Na, Er hat sich wohl vorgenommen, zu simuliren? Wird Ihm schlecht bekommen, guter Freund; die Kriegsgesetze spaßen nicht.“

Jakob Schulz, der ehemalige Hausknecht, war es, der sich erlaubte, in diesem Tone den entrüsteten Jüngling anzureden, während die zahlreich versammelten Cameraden sofort einen Kreis um die Beiden schlossen.

„Sehe schon, was dem schlappen Kerle fehlt!“ fuhr der Hausknecht fort, ohne den drohenden Blick seines ehemaligen Vorgesetzten zu beachten. „Ihm ist noch kein Licht aufgegangen, er hat noch kein Oel auf die Lampe gegossen. Gieße Er diesen Krätzmannshäuser hinter die Binde, dann wird’s Ihm wohl werden und Er hört die Engel im Himmel pfeifen.“

„Nehmen Sie die Flasche,“ flüsterte der Materialwaarenhändler, der sich unter den Umstehenden befand, seinem Commis zu; „mit den Wölfen muß man heulen und unser Hausknecht ist augenblicklich unser Vorgesetzter.“

Mechanisch ergriff der Jüngling die Flasche. Er that einen herzhaften Zug, der den ganzen innern Menschen erwärmte und durch das raschere Wallen des Blutes den schweren Druck vom Herzen wälzte.

„So noch Einer unter Euch sich befindet, der dieser Cur bedürftig ist, möge er vortreten!“ rief Schulz. „Ich verlange als Honorar für meine Bemühungen nur, daß er die Flasche wieder füllen läßt.“

„Hier ist Stoff genug!“ entgegnete ein elegant gekleideter junger Mann, während er dem Unterofficier einen Krug überreichte. „Echter Münsterländer.“

Jakob Schulz blickte fragend den freundlichen Spender an.

„Herr Lieutenant?“ fragte er.

„Gott bewahre,“ fuhr der junge Herr fort, „ich bin Gemeiner, aber drüben an der Thür steht unser Compagnieführer.“

„Donnerwetter, das ist ja der Buchbinder, der uns die Düten liefert!“ sagte Schmitz überrascht. „Der ist Officier?“

„Er hat sein Officierexamen schon vor zehn Jahren gemacht und das Officierpatent im Jahre 1859 erhalten,“ erwiderte der Materialwaarenhändler.

Jakob Schulz hatte den Krug entkorkt und nach einem kräftigen Zuge dem nächsten Nachbar überreicht.

„Lauter Münsterländer, lauter Geldverschwender!“ sang er, dann sich hoch emporrichtend, rief er: „Stillgestanden! Rechts und links schwenkt zum Kreise, marsch!“

Willig führten die Anwesenden den Befehl aus, der Spiritus hatte seine Wirkung schon gethan.

„Leute, wir sind zu der Fahne des stehenden Heeres einberufen,“ begann der ehemalige Hausknecht, während er gravitätisch an den Spitzen seines rothen Schnurrbartes drehte. „Weshalb? Das weiß wohl Niemand, aber im Grunde ist’s auch gleichgültig, wir sind einberufen und wir folgen dem Ruf als stramme Soldaten, nicht als schlappe Schwammklöpper, denen es, wie der ehemaligen Reichsarmee, nicht darauf ankommt, ob sie heute oder morgen das Quartier erreichen. Also stramme Haltung, Kopf in die Höhe, Brust heraus! Ich bitte mir aus, daß in Ordnung und geschlossenen Reihen eingerückt wird! Wollt Ihr Euch nicht schon jetzt an Disciplin gewöhnen, was soll es später geben?“

Ein donnerndes Hoch war die Antwort aus diese improvisirte Anrede.

„Unterofficier Schulz soll unser Führer sein!“ riefen Einige und die Uebrigen stimmten ihnen bei.

„Ich nehme die auf mich gefallene Wahl an, Kinder,“ erwiderte Schulz mit herablassendem Kopfnicken. „Wer führt einen Stock bei sich?“

Sofort erschienen ein Dutzend Stöcke über den Köpfen der Versammelten.

„Wohlan, sucht den größten aus und bindet ein weißes Taschentuch an ihn, auf daß wir eine Fahne haben, die uns voranweht,“ fuhr der Unterofficier fort. „Aber hoch zu Roß muß Euer Führer an der Spitze sein, wer will mir den Liebesdienst erzeigen?“

Ein stämmiger Metzgergeselle trat vor.

„Bon, ich will Ihm die Ehre erzeigen, auf dem Bahnhofe in Düsseldorf meldet Er sich. Lieber wäre es mir gewesen, wenn Er sich dazu gemeldet hätte, Peter Schmitz, Er hat so oft auf mir geritten, daß Er mir nun wohl auch erlauben könnte, einmal auf Ihm zu reiten.“

Die Glocke läutete, die Thüren zum Perron wurden geöffnet. Jakob Schulz machte dem Posten, auf den er erhoben worden war, Ehre; er trug dafür Sorge, daß Niemand, sei es wissentlich oder unwissentlich, zurückblieb, er warnte die, welche bereits allzutief in die Flasche geblickt hatten, und reichte den zur Hälfte noch gefüllten Krug allen denen, in deren Gesichtszügen er las, daß sie sich mit dem eisernen Walten des Geschicks nicht befreunden konnten. Und als der Zug sich in Bewegung setzte, war es wieder Jakob Schulz, der das alte Volkslied: „Muß i denn, muß i denn zum Städtle hinaus“[WS 1] anstimmte und gar manches bedrückte Herz durch den Vers: „Ueber’s Jahr, da ist meine Zeit vorbei“ aufrichtete.

Inzwischen machten die Flaschen und der gespendete Krug gar fleißig die Runde, und als der Zug an der ersten Station hielt, versäumte Niemand, seine Flasche wieder füllen zu lassen. In Düsseldorf angekommen, versammelte Schulz seine Mannschaften um sich.

„Angetreten! Stillgestanden! Man führe mein Roß vor! Rechts um! Marsch!“

Jakob Schulz saß stolz auf den Schultern des Metzgergesellen; Peter Schmitz, der bereits seine Braut, sein eigenes, noch zu gründendes Geschäft, seine blaue Ladenschürze und die Häringstonnen vergessen hatte, trug die Fahne. In wohlgeordneten Reihen marschirten die Reservisten und Landwehrmänner hinter ihrem Führer; sie hatten sich, Dank dem Geiste, der in sie gefahren war, in das Unvermeidliche gefügt und nur wenige befanden sich noch unter ihnen, die an die Fleischtöpfe Aegyptens zurückdachten. Es war eine stille, einsame Straße, in der Jakob Schulz plötzlich „Halt!“ commandirte. Er schwang sich von seinem Sitz herunter und warf einen Blick des Wohlwollens über die Köpfe seiner Cameraden.

„Nach diesen Strapazen und Mühen, liebe Kinder, dürfen wir uns eine kurze Ruhe erlauben,“ sagte er, während er auf das Schild einer Bierbrauerei zeigte.

„Aber es ist bereits zehn,“ wandte der Fahnenträger ein.

„Wäre ich nicht so gutmüthig, wie ich es leider stets gewesen bin, würde ich Ihm augenblicklich drei Tage Arrest dictiren, Er Sacramenter!“ donnerte der Unterofficier. „Denkt Er vielleicht, Er stehe noch hinter der Schnupftabakwage? Binnen fünf Minuten hat Jeder sein Glas geleert und dann geht’s weiter, verstanden?“

„Zu Befehl.“

„Er treibt mir’s zu bunt,“ flüsterte Schmitz seinem ehemaligen Principale zu.

„Lassen Sie ihn,“ erwiderte der Spender des Münsterländers, „wir kommen höchstens fünf Minuten zu spät und bei solchen Gelegenheiten darf Niemand den Spaß verderben.“

Jakob Schulz hatte nicht ohne tieferen Grund seiner Mannschaft diese Erholung erlaubt. Er war mit dem Schenkmädchen befreundet und unter den obwaltenden Umständen hielt er es für rathsam, die alte Freundschaft zu erneuern, bevor ein gefährlicher Nebenbuhler ihm zuvorkam. Nach einem Aufenthalt von fünf Minuten marschirte die kleine Schaar wieder ab. Als sie auf dem Exercirplatze anlangte, ließ der Unterofficier seine Mannschaft aufmarschiren. Der Regen goß in Strömen, nichtsdestoweniger hatte eine unübersehbare Menschenmenge sich eingefunden, um ihre Neugierde zu befriedigen. Einige Compagnien Infanterie hielten den Platz besetzt, die Zuschauer mußten sich hinter den Canal, der den Exercirplatz von der Allee trennt, zurückziehen.

[408] „Stillgestanden!“ commandirte Jakob Schulz, den das zweibeinige Roß gehorsam vom rechten zum linken Flügel trug.

„Nehmt die Richtung auf, Ihr Sacramenter! Er da, ich glaube, Er ist zu Hause Oekonom gewesen, will Er nicht so gut sein und den übermäßigen Bauch etwas einziehen? Da soll der Kuckuck eine genaue Richtung aufnehmen! Der dritte Mann mit der langen Nase zurück! Der Schneidergeselle auf dem linken Flügel vor! Er kann sich noch immer hinter seinem Nebenmann verstecken, wenn die Kugeln pfeifen.“

Jakob Schulz schien anfangs vorzuhaben, sich auf seinem zweibeinigen Roß dem Commandeur des Landwehrbataillons vorzustellen, der kaum hundert Schritte entfernt sich mit den Officieren unterhielt und das Treiben der kleinen Schaar nicht bemerkte, aber er zog es vor, den Metzgergesellen von seiner Pflicht zu entbinden und auf des Schusters Rappen sich dem gestrengen Herrn zu nähern.

„Melde mich zur Stelle,“ sagte er, als er vor dem Major stand, „ein Unterofficier und sechsundzwanzig Mann.“

Der Blick des Majors ruhte mit Wohlgefallen auf der kräftigen Gestalt des ehemaligen Hausknechts.

„Sie sind Unterofficier?“ fragte er.

„Unterofficier Jakob Schulz.“

„Und Sie haben diese Leute hierher geführt?“

„Zu Befehl, Herr Oberstwachtmeister!“

„Na, Alles in Ordnung hergegangen?“

„Alles. Es befinden sich nur noch Einige unter ihnen, die ihrer Mutter Vorrathsstube nicht vergessen können.“

„Sind Sie verheirathet?“ fragte der Major lächelnd, der an dem Manne Gefallen zu finden schien.

„Nein, aber ich war Hausknecht.“

„Hm, dann wird Ihnen die Einberufungsordre keinen Kummer bereitet haben.“

„Mir nicht, aber meinem Principal und seinem Herrn Commis, die Beide als Gemeine demüthigst in meiner Corporalschaft den Wechsel der Dinge empfinden werden.“

Der Major winkte. „Treten Sie ein mit Ihrer Mannschaft, „sagte er; „Sie scheinen Humor zu besitzen.“

„Zu Befehl, Herr Oberstwachtmeister,“ erwiderte der Unterofficier, „der Humor hilft über Alles hinweg.“

Peter Schmitz verließ seinen Principal nicht, er folgte ihm auf Schritt und Tritt, war doch der Materialwaarenhändler die einzige befreundete Seele, die er unter der großen Menge besaß. Aber vor ihm, hinter ihm und neben ihm standen auch noch Leute und er konnte ihnen nicht verbieten, daß sie ihn zur Zielscheibe ihres mitunter derben Spotts wählten. Seitdem der leichte Rausch verflogen war, hatte der Muth des jungen Mannes wieder einer gelinden Verzweiflung Raum gegeben, er gedachte seiner Braut, die mit fieberhafter Ungeduld seiner Rückkehr harrte. Er klammerte sich an die Hoffnung, daß man ihn dienstuntauglich erklären werde, wie der Ertrinkende sich an den Strohhalm klammert, durch den er sein Leben zu retten hofft.

„Wie steht’s?“ fragte Schulz, der, während die Namen verlesen wurden, bald mit diesem, bald mit jenem Cameraden einige Worte wechselte. „Ist der Muth Ihnen schon wieder entfallen?“

„Mir scheint, Sie haben den Humor auch schon verloren,“ erwiderte Schmitz.

„Bah, glauben Sie, er sei erzwungen gewesen? Halten Sie den Kopf oben; durch Ihren Trübsinn ändern Sie die Sache nicht, durch den Humor gewinnen Sie ihr eine heitere Seite ab, und das ist schon viel werth. Sie waren ja vorhin so vergnügt!“

„Das that der Münsterländer,“ sagte der Materialwaarenhändler.

„Ach ja,“ fuhr Schmitz fort, „leider ist der Krug geleert und auch in meiner Flasche findet sich kein Tropfen mehr, aber ich will die Flasche drüben füllen lassen.“

„Zurück!“ rief der Infanterie-Sergeant, als Schulz den Versuch machte, den Platz zu verlassen. „Sie müssen hier bleiben, bis es dem Bataillon erlaubt wird, die Quartiere aufzusuchen.“

„Lieber Freund, ich komme ja wieder,“ wandte Schulz ein. „Ich will nur die Flasche füllen lassen, denn sehen Sie, wenn der Mensch auswendig naß wird, soll er es auch inwendig werden, weil er es sonst nicht auszuhalten vermag.“

Der Sergeant schüttelte den Kopf; Schulz trat zurück.

„Das ist unangenehm,“ sagte er, „aber der Mensch soll in den Zeiten der Noth nicht verzagen.“

Er blickte sich um; jenseit des Canals standen die Zuschauer noch immer. Der Unterofficier besann sich nicht lange, er hielt die leere Flasche empor und schleuderte sie darauf über den Canal hinüber.

„Wollte die Infanterie Sie nicht durchlassen?“ fragte in diesem Augenblick ein bärtiger Landwehrmann den Unterofficier.

„Nein, Niemand darf den Platz verlassen,“ erwiderte Schulz.

„Aber drüben ist meine Frau.“

„Wo?“

„Sehen Sie dort auf der anderen Seite des Canals die beiden Frauen? Ich muß zu ihr; sie hat den weiten Weg gemacht, um noch einmal Abschied von mir zu nehmen.“

„So versuchen Sie’s.“

Der Landwehrmann ging; er kehrte gleich darauf mißmuthig zurück, und zwar in demselben Augenblick, in welchem die gefüllte Flasche des Unterofficiers über den Canal zurückgeworfen wurde.

„Nun?“ fragte Schulz, während er seinem ehemaligen Vorgesetzten die Flasche reichte.

„Man will mich nicht durchlassen.“

„So müssen Sie sich gedulden.“

„Das ist hart, sehr hart.“

Schulz zuckte die Achseln. „Können Sie schwimmen?“ fragte er.

Der Landwehrmann bejahte.

„Na, der Canal ist doch wahrhaftig nicht so breit wie der Rhein und naß sind Sie ohnedies bis auf die Haut.“

Der Landwehrmann nickte zustimmend und sprang, ehe die Soldaten es verhindern konnten, in den Canal. Er schwamm hinüber, umarmte seine Frau und kehrte nach wenigen Minuten auf demselben Wege zurück.

„Sehen Sie, das nenne ich Muth,“ sagte Schulz, „aber nun geben Sie Acht, unser kleines Contingent wird verlesen.“

Das Bataillon war formirt, der Major forderte alle Diejenigen, die sich dienstuntauglich hielten, auf, vorzutreten.

Peter Schmitz und dessen Principal befanden sich unter denen, die dieser Aufforderung Folge leisteten.

Der Unterofficier blickte ihnen, als sie zur Caserne abmarschirten, in welcher der Arzt ihrer harrte, kopfschüttelnd nach.

In der Seele Peter’s war die Hoffnung neu erwacht; er glaubte in diesem Augenblick selbst, ein unheilbares Uebel zu besitzen. Er war einer der Ersten, welche untersucht wurden. Der Arzt blickte ihn eine geraume Weile forschend an.

„Wo fehlt’s?“ fragte er kurz angebunden.

„In der Brust,“ erwiderte Peter leise mit zitternder Stimme.

„Hm, unter Hundert, die sich zur Untersuchung melden, leiden in der Regel neunundneunzig an Schwindsucht,“ fuhr der Arzt fort, während er bedächtig eine Prise nahm. „Sie haben wohl auch die Schwindsucht?“

„Ich glaube, ich habe sie schon vor einigen Jahren einmal gehabt.“

„In der That? Ah, wenn Sie damals curirt wurden, wird man Sie auch jetzt curiren können.“

„Aber ich fühle mich vollständig unfähig, einen weiten Marsch zu machen,“ wandte Schmitz ein, „ich habe stets Seitenstechen und Brustschmerzen, Athemnoth und Husten.“

„Sie armer Schelm!“ spottete der Arzt, während er die Brust des jungen Mannes untersuchte.

„Man hat mir schon oft gesagt, daß ich an der Schwindsucht leide,“ fuhr Peter, durch die Antwort des Arztes, in der er den Spott nicht herausfand, ermuthigt, fort; „ich sehe auch stets leidend und angegriffen aus.“

„Lieber Freund, man legt weniger Werth auf den Anstrich, als auf den soliden Bau,“ erwiderte der Arzt. „Haben Sie Familie?“

„Meine Eltern und zwei Brüder.“

„Keine Frau?“

„Nein, aber ich gedenke in der nächsten Zeit zu heirathen.“

„Dann trösten Sie sich mit denen, die Weib und Kinder zurücklassen müssen, und marschiren Sie getrost mit.“

Betroffen blickte Peter’ den Arzt an. „Ich bin also tauglich?“

„Wäre Jeder so tauglich wie Sie, dann würden die Lazarethe weniger in Anspruch genommen werden.“

„Aber ich habe auch schon an Rheumatismus gelitten.“

Der Arzt öffnete die Thür. „Unterofficier, führen Sie den Mann zum Bataillon zurück,“ sagte er kurz angebunden, „und [409] was Sie betrifft, so rathe ich Ihnen, keine weiteren Versuche anzustellen, das Leben im Lazareth kann unter Umständen sehr unangenehm gemacht werden.“

Die Hoffnung war geschwunden, die Braut Peter’s harrte vergeblich der Rückkehr ihres Verlobten. Aber die Cameraden sollten keine Ursache haben, ihn abermals zur Zielscheibe ihres Spottes zu wählen; Peter Schmitz trat mit erhobenem Haupte und einem Lächeln auf den Lippen, welches seinem Denken und Fühlen allerdings fremd war, in die Reihen zurück. Vorzüglich fürchtete er die beißenden Bemerkungen des ehemaligen Hausknechts, indeß enthielt dieser sich des Spotts.

„Fehlgeschlagen?“ fragte Schulz.

„Ja, ich hatte es nicht erwartet,“ erwiderte Peter mit erzwungener Ruhe; „nun mir aber der Arzt gesagt hat, daß ich körperlich gesund sei, will ich gerne die Muskete tragen.“

Der Unterofficier zuckte die Achseln, er wußte, wie er diese Antwort zu nehmen hatte. Die Quartierbillets wurden jetzt ausgegeben; Schulz und Schmitz erhielten eine Anweisung auf ein sogenanntes Massenquartier, in welchem fünfundvierzig Mann gespeist und beherbergt werden sollten.

„Wenn Sie den Principal noch einmal sehen und ihm Grüße mitgeben wollen, so kommen Sie heute Abend an den Bahnhof,“ sagte Schulz im Laufe des Nachmittags zu seinem Cameraden, „ich habe gehört, er sei wieder entlassen und werde mit dem vorletzten Zuge heimkehren.“

„Entlassen?“ Der Neid regte sich in der Seele des Jünglings.

Als die Beiden am Abend zum Bahnhof kamen, stand der Zug schon zur Abfahrt bereit, der Materialwaarenhändler saß bereits im Coups zweiter Classe und blickte stillvergnügt den blauen Dampfwölkchen seiner Cigarre nach.

„Wie haben Sie das nur angefangen?“ fragte Peter unmuthig.

„Lieber Freund, es ist die einfachste Sache von der Welt, ich bin so glücklich, eine Krampfader zu besitzen.“

„Eine Krampfader? Davon habe ich nie etwas gewußt.“

„Glauben Sie, ich sei verpflichtet gewesen, das an die große Glocke zu hängen?“ erwiderte der Materialwaarenhändler. „Gehen Sie getrost mit; vorläufig haben Sie nichts zu verlieren, ich werde Ihre Braut von Ihnen grüßen und Sie, soviel ich kann, unterstützen. Adieu!“

Der Inspector gab das Zeichen, die Locomotive pfiff, der Zug setzte sich in Bewegung. Peter Schmitz blickte ihm nach, bis der letzte Waggon seinem Blick verschwunden war, dann kehrte er, Arm in Arm mit dem ehemaligen Hausknecht, in sein Quartier zurück.
E. A. K.




Ein Tag in Bukarest.


Als in der in der Geschichte Rumäniens ewig denkwürdigen Nacht vom 11. Februar 1866 unter dem kühnen Handstreich einiger Verschworener in Bukarest die Regierung des Fürsten Kusa zusammengebrochen war, befahl die Statthalterschaft am andern Morgen, die Buskarie, das Straf- und Untersuchungsgefängniß in Bukarest, zu öffnen und genau zu untersuchen. Und was fand man dort? Man fand unter einer Bande von Gesindel und Spitzbuben, welche wegen aller möglichen gemeinen Verbrechen verurtheilt waren, einige fünfzig Männer vor, welche niemals vor einem rumänischen Gerichtshofe gestanden, sondern sich nur des Verbrechens der „Mißlichkeit“ oder „Mißliebigkeit“ gegen die Kusa’sche Regierung schuldig gemacht hatten, sowie man fast hundert Räuber und Diebe nicht vorfinden konnte, welche wegen Mordes, Raubes, Diebstahls, Erpressung und Nothzucht rechtskräftig von rumänischen Tribunalen zu langwierigen Kerkerstrafen verurtheilt waren, obschon die Gefängnißverwaltung sie in den Präsenzlisten sämmtlich als anwesend aufgeführt hatte. Der Befund war recht charakteristisch für eine Regierung, welche in den sechs Jahren ihres Bestehens aus der Unterschlagung, aus dem Diebstahl von Staatsgeldern, aus der Verderbniß der Beamten in der Justiz und in allen Fächern der Verwaltung, aus der Vernachlässigung aller volkswirthschaftlichen Interessen des Landes, aus der täglichen Verletzung aller constitutionellen Freiheiten, aus der Vergewaltigung aller sich ihr widersetzenden Elemente und einer grundsätzlichen Liederlichkeit ein förmliches Geschäft gemacht hatte. Die Geschichte jener unglücklichen Länder an der untern Donau, welche man heute nach ihrer staatlichen und politischen Vereinigung mit dem uralten Namen ihrer eigentlichen Bewohner, die ihre Abstammung von der lateinischen Race, von den Römern, herleiten, mit dem Namen „Rumänien“ bezeichnet, ist so voller Gewaltthaten aller Art wie die Geschichte weniger Völker in Europa; aber selbst in dieser Leidensgeschichte Rumäniens bildet die Regierung Johann Kusa’s ein Blatt, welches in Verderbniß Epoche machen kann. Die Buskarie in Bukarest hat die Opfer dieser Regierung gesehen, sowie sie heute den mächtigsten Minister und ersten Günstling des vertriebenen Tyrannen in ihre Mauern aufgenommen hat. Cäsar Liebrecht, gewesener Kammerdiener, Kellner, Kuppler, dann Generalpostmeister und Generaldirector des Telegraphenwesens in der Moldau und Walachei, Major in der Armee, besonderer Liebling und Günstling Kusa’s, während seiner sechsjährigen Regierung der mächtigste Mann und der größte Spitzbube Rumäniens, büßt dort seine zehnjährige Kerkerstrafe ab, zu der er wegen zahlloser gemeiner Verbrechen nach dem Sturze seines Beschützers verurtheilt worden ist. Eine rächende Nemesis waltet seit mehr als einem halben Jahrhundert in der Geschichte Europas; sie hat auch Cäsar Liebrecht getroffen.

In Begleitung eines Freundes, des Generalinspectors der Straßen und Wegebauten in der Walachei, Herrn Weirach’s, eines jener Pioniere deutscher Cultur und Civilisation im östlichen Europa, dem ich während meines kürzlichen Aufenthalts in den Donaufürstenthümern für meine Studien der dortigen Verhältnisse außerordentlich viel zu verdanken habe, wanderte ich durch die holprigen Straßen von Bukarest, um einen Besuch in der Buskarie zu machen. Die Buskarie befindet sich am südlichsten Ausgangspunkte der großen Stadt, welche bei einer Einwohnerzahl von zweimalhunderttausend Menschen mit ihrer ausgedehnten orientalischen Bauart, mit ihren Gärten, wüsten Plätzen, weitläufigen, dörflichen Vorstädten vielleicht einen größeren Flächenraum als Paris einnimmt, in der Nähe jener großen Casernen, welche Kusa auf einer Bodenerhöhung erbauen ließ, um sie nöthigenfalls als Zwing-Uri gegen die aufrührerische Stadt zu verwenden. Unser Spaziergang führte uns durch einen großen Theil der sonderbaren Stadt, welche in ihrer Bauart, in ihrer Lebensweise, in ihren Genüssen und in ihren Lastern den Orient und den Occident in sich vereinigt.

Da war von einer gewissen Regelmäßigkeit in der Straßenanlage nur im Innern der Stadt die Rede, aber selbst auch hier standen einstöckige Baracken, wie man sie in allen orientalischen Städten sieht, neben im modernen europäischen Geschmack aufgeführten Palästen, deren vergoldete Fensterbalcone zwischen reizenden Gartenanlagen mit duftigen Rasenplätzen, bunten Blumenbeeten und eleganten Springbrunnen und prächtigen Baumgruppen im Reflex der orientalischen Sonne schimmerten, zwischen Trümmerhaufen niedergerissener und verfallender Gebäude und am Rande wüster Plätze, deren Boden nicht einmal geebnet war. Eine Kirche im byzantinischen Geschmack war soeben fertig geworden; aber man hatte nicht einmal die Baracken und das Gerümpel fortgeräumt, welches ihre Seiten in der häßlichsten Weise entstellte. Tiefe Pfützen standen mitten in der Straße; Trottoir fehlte meist gänzlich, oder, wo es ausnahmsweise vorhanden, war es so schmal wie ein Gedanke, oder so holprig wie ein Knüppeldamm.

Wir betraten einen großen, mit schattigen Bäumen bepflanzten Hof. Ringsum erhoben sich prächtige Gebäude mit säulengetragener Vorhalle. Die prächtigen Gebäude bildeten das große Spital, welches der Fürst Brancowan erbaute und reich dotirte. In der Errichtung und Gründung von Wohlthätigkeitsanstalten hat sich die rumänische Aristokratie immer ausgezeichnet. Kaum hatten wir den weitläufigen Gebäudecomplex auf der andern Seite verlassen, so standen wir auf einem wüsten Platze, dessen Ränder die Trümmer eines klosterartigen Gebäudes bedeckten, während sich in seiner Mitte eine sonderbare, kleine Capelle erhob, in deren sonderbar geformten Säulen und mit bunten Bildern und Stuccatur bedeckten Wänden ein bestimmter Baustil ganz unerfindlich war. Es waren die Trümmer eines Klosters, mit dessen Abbruch man sich beschäftigte, um die ehemals geheiligten Räume als Baustellen zu verkaufen. Ein mit vielem Geschmack angelegter Garten umgab [410] eine im byzantinischen Stil gebaute Kirche mit glänzender, metallener Kuppel. Es war die Kirche des heiligen Demeter; der blühende Garten war bis vor Kurzem ein wüster Kirchhof gewesen. Aber gerade der Kirche gegenüber war ein großer Platz mit Trümmerhaufen bedeckt. Ein Speculant hatte die Baracken gekauft, welche dort standen, um sie niederzureißen und Häuser dafür zu bauen. Das Geld war ihm ausgegangen, und jetzt konnte der wüste Platz vielleicht Jahr und Tag in demselben Zustande bleiben. Nun, das sind Contraste, denen man in den Städten des Orients überall begegnet! Durch eine Reihe von engen Durchgängen und schmutzigen Höfen zwischen den Häusergruppen, von deren Existenz ich gar keine Ahnung hatte, führte mich mein Begleiter plötzlich in die Hauptstraße von Bukarest, in die Straße Podu mogoschen. Die Trümmerhaufen, die Baracken, die wüsten Plätze waren auf einmal wie durch einen Zauberschlag verschwunden; beide Straßenfronten trugen ein ganz europäisches Kleid. Stattliche zwei- und dreistöckige Häuser mit glänzenden Magazinen und Läden im Erdgeschoß; deutsche, rumänische und französische Firmen und Schilder. Elegante Wagen, mit prächtigen Pferden bespannt, im Fond schöne Damen in modernster Pariser Toilette, rasseln neben zweispännigen offenen Fiakers vorüber, in denen Officiere in geschmackvollen, halb nach französischem, halb nach österreichischem Muster hergerichteten Uniformen sitzen; Alles fährt hier, es ist ein betäubendes Gerassel. Mit Mühe drängen wir uns auf den schmalen Trottoirs neben den sich in ihrer Schnelligkeit überstürzenden Wagen vorbei, um auf dem nächsten Halteplatz ebenfalls einen Fiaker zu finden.

Der Orient ist plötzlich vor dem Occident verschwunden, und tritt nur noch in einigen Zigeunern und Griechen in ihren Lumpen und in ihrer heimischen Tracht mit der weißen, faltigen Fustanella und der bunten, goldgestickten Jacke auf, die sich an uns vorüberdrängen. Der Generalinspector, der seit fünfundzwanzig Jahren in der Walachei ist und Land und Leute kennt, wie Wenige, ist unermüdlich im Erklären und in der Schilderung interessanter Einzelnheiten. Plötzlich erhebt sich auf weitem Platze ein in den edelsten Linien gebautes großes Haus.

„Das ist das Theater von Bukarest,“ sagte er, „an dem prächtigen Gebäude haben Sie einen Beweis, wie sich die Stadt seit zwanzig Jahren verändert hat. Als ich in das Land kam, stand dort eine elende Hütte. In der Hütte wohnte ein armer Walache, dessen einziges Eigenthum in einem Pferde bestand, mit dem er Fuhren für Lohn that. Sehen Sie dort hinter dem Opernhause die Bäume?“

„Gewiß; es sind die Baumgruppen des schönen Gartens Cismedjou. Aber weshalb machen Sie mich auf die Bäume aufmerksam?“

„Nun, vor zwanzig Jahren war dieser schöne Garten ein häßlicher Sumpf, und aus dem Röhricht des Sumpfes kamen in einer kalten Winternacht die Wölfe und fraßen dem armen Manne in der Hütte das Pferd im Stalle auf. Doch halt, da ist ein Fiaker! Fahren wir jetzt nach der Buskarie.“

Ein zweisitziger, offener Fiaker bog gerade um eine Straßenecke. Wir stiegen ein, und nach einer halben Stunde raschen Fahrens hielten wir am südlichsten Ende der Stadt vor einer Gruppe weißer, einstöckiger Gebäude, welche rings mit einer weißgetünchten Mauer umgeben waren. Vor dem hölzernen Eingangsthor standen zwei Schildwachen, das Gewehr im Arm. Hinter jener weißgetünchten Mauer befand sich das berüchtigte Gefängniß von Bukarest, die Buskarie. Buskarie heißt eigentlich eine Pulver- und Gewehrfabrik. Während der türkischen Herrschaft waren die Gebäude, aus denen heute das Strafgefängniß besteht, Caserne und Gewehrfabrik gewesen. Der Name aus der Türkenzeit war ihm bis heute geblieben.

Die Schildwachen machten Weitläufigkeiten, als wir ohne Weiteres durch das hölzerne Thor in das Gefängniß eintreten wollten, und verlangten dazu die Vorzeigung eines schriftlichen Befehls. Hätte ich eine Idee von solchem Ordnungssinn in einem walachischen Gefängniß gehabt, so würde ich mir vom Obersten Haralambie, einem der drei Statthalter, bei dem ich noch Tags vorher im ehemaligen Palaste Kusa’s einen Besuch gemacht hatte, einen derartigen Befehl haben geben lassen. Aber ich hatte nicht daran gedacht. Selbst der Name und die hohe Stellung meines Begleiters konnte die beiden bewaffneten Söhne Rumäniens nicht bewegen, einen Fehler gegen die militärische Disciplin zu begehen; endlich wurde der oberste Beamte des Gefängnisses berufen, der, als er den Namen des Generalinspectors hörte, zu unsern Gunsten vermittelte. Das hölzerne Thor öffnete sich und wir traten in den Gefängnißhof. Ich war einen Moment erstaunt über das Bild, welches sich vor mir aufrollte. Auf dem Wege nach der Buskarie hatte mir mein Begleiter von den grausamen Strafen erzählt, welche noch vor dreißig Jahren unter türkischer Souveränetät in der walachischen Strafrechtspflege zur Anwendung kamen. Er hatte mir die entsetzliche Hinrichtungsart des Pfählens und das Abhauen der Hände beschrieben. „Noch heute,“ sagte er, „können Sie in der Walachei Unglückliche sehen, denen damals die Hände als Strafe für Raub und Diebstahl abgeschnitten sind. Die Strafrechtspflege war eben orientalisch.“ Und seit jener Zeit sind erst einige Jahrzehnte verflossen, und heute kennt das rumänische Strafgesetzbuch die Todesstrafe bereits nicht mehr, und steht in der Milde seiner Principien und Strafen über vielen Strafgesetzbüchern des civilisirten Europa! So dachte ich auch hier finstere Kerker und häßliche Höhlen zu finden und sah einen von vierstöckigen, weißgetünchten Gebäuden umgebenen, mit Bäumen bepflanzten Hof, der sogar einen freundlichen Charakter hatte. Auf dem Hofe gingen einige zwanzig Gefangene mit einander plaudernd umher. „Können denn,“ fragte ich den uns begleitenden Gefängnißbeamten, „alle Gefangene in der Buskarie auf den Höfen derselben einher spazieren?“

„Den ganzen Tag bis Abends acht Uhr, mein Herr,“ erwiderte der Beamte.

„Auch Liebrecht, der Minister Kusa’s, hat diese Erlaubniß?“

„Gewiß, mein Herr, aber er hat sie noch nicht benutzt.“

Darauf verlangte ich den bis vor wenig Monaten noch allmächtigen Minister zu sehen. Der Beamte bedauerte, diesem Wunsche nicht nachkommen zu können. „Er bewohnt dort das zweifenstrige Zimmer neben der Thür,“ sagte er, mit der Hand auf das Mittelgebäude zeigend, „vielleicht tritt er an’s Fenster. Das Zimmer ist wohnlich eingerichtet.“

Die beiden Fenster waren mit Gardinen verhangen. Währenddem zeigte mir der Generalinspector unter den auf dem Hofe anwesenden Gefangenen einige ihm bekannte Personen, einige Diebe, Fälscher und einen wegen unsittlichen Lebenswandels verurtheilten Geistlichen. Niemand von ihnen trug Gefangenenkleider; Jeder war in seiner eigenen Kleidung.

„Und wer war eigentlich Liebrecht, was war er und wie war die Carriere dieses berüchtigten Günstlings Ihres ehemaligen Hospodaren?“ fragte ich meinen Begleiter.

Der Generalinspector erzählte mir nun, während wir auf dem Gefängnißhofe auf- und abgingen, von Cäsar Liebrecht. „Liebrecht,“ sagte er, „war kein Deutscher, wie sein Name vermuthen läßt, sondern Belgier von Geburt. Er kam als Kammerdiener in das Land und wurde, ich weiß nicht weshalb, von seinem Herrn aus dem Dienst gejagt. Dann trat er als Kellner in ein Kaffeehaus in Galacz. Dort lernte ihn Kusa kennen, als er in Galacz die Stelle eines Präfecten bekleidete. Wahrscheinlich leistete er ihm geheime Dienste, genug, Kusa stellte ihn in der Verwaltung an. Als Kusa Hospodar wurde, berief er ihn nach Bukarest, und nun machte der ehemalige Billardkellner in kurzer Zeit eine glänzende Carriere. Liebrecht wurde Generalpostmeister, Director des Telegraphenwesens, Major in der Armee. Nebenbei war er der allmächtige Günstling des Hospodaren, sein Vertrauter in jeder Beziehung. Wenn die Verderbniß, die Unterschlagung öffentlicher Gelder, Liederlichkeit und Vernachlässigung aller Interessen des Landes der Charakter dieser sechsjährigen Regierung war, so war Liebrecht das Prototyp dieser Periode. Die Damen, welche man Morgens in einer Audienz bei Kusa sah, während Liebrecht im Vorzimmer saß, damit sein Gebieter nicht gestört werde, konnte man häufig Abends vorher im Palaste Liebrecht’s sehen. Ich zeigte Ihnen gestern den Palast; er ist das prächtigste Haus in Bukarest. Ganz in der Nähe sahen Sie das Haus der Fürstin Marie Obrenovic; sie war zu gleicher Zeit die ‚Freundin‘ des Majors und des Hospodaren. Die in Liebrecht’s Palaste vorgefundenen Briefe lassen über diese Verhältnisse gar keinen Zweifel. Die Fürstin ist aus einer angesehenen moldauischen Familie, hat eine gute Erziehung genossen, ist eine Frau von Geist und Schönheit, von schlanker, hoher Gestalt und doch vollen Formen; sie hat prächtige Augen, schönes Haar, einen interessanten Kopf; trotz alledem ist sie ein ganz gewöhnliches Weib. Dasselbe Band vereinigte Kusa, seine Günstlinge und ihre Geliebten; es [411] war zur Hälfte aus Sinnlichkeit, zur andern Hälfte aus niedriger Habsucht gewoben. Der General Floresco, dessen Palast am Cismedjougarten Sie gesehen haben, der Polizeipräsident Marghiloman, Oberst Pisotzki, der Franzose Balliot sind Alle von ähnlichem Schlage gewesen, Keiner war anders. Was soll man also von der Verderbniß in allen Beamtenkreisen sagen, wenn die Chefs derartige Subjecte waren? Aber unter Allen war Liebrecht der Unvorsichtigste. Man fand in seinem Palaste von seiner Hand schriftliche Aufzeichnungen von allen ‚Geschäften‘, die er bei den Staatsgeldern für seine eigene Tasche gemacht hatte; man fand sogar die Notizen über die ‚Geschäfte‘, die er in Zukunft noch zu machen hoffte. Daneben fand man eine Menge Liebesbriefe, welche viele hiesige Damen auf’s Höchste compromittirt haben. Doch da ist Liebrecht.“

Ich sah nach dem Zimmer, welches mir der Gefängnißbeamte als das Gefängniß des Majors bezeichnet hatte. Am Fenster erschien für einige Minuten die kräftige Gestalt eines Mannes in den vierziger Jahren. Das Gesicht war äußerst gewöhnlich, die Züge roh und gemein.

Verwundert sah ich meinen Begleiter an. „Das war der Major?“ sagte ich; „ich begreife die Bukarester Damen nicht. Aber freilich er war der allmächtige Günstling des Hospodaren!“

Die Gestalt am Fenster zog sich zurück. Der Gefängnißbeamte trat wieder zu uns heran, um uns durch die andern Höfe zu führen. Sie waren meistens größer, als der Hof, den wir betreten hatten. Der äußere Typus der Gebäude und der Höfe war derselbe. Früher baute man alle Häuser in Bukarest nur einstöckig, wegen der Erdbeben; in neuerer Zeit ist man bei der Errichtung von Gebäuden leichtsinniger gewesen. Die Gefangenen ergingen sich auch in den anderen Höfen ganz ungenirt; Niemand zwang sie, in den gemeinschaftlichen Schlafsälen zu bleiben, welche geräumig und reinlich waren. Unsern Gruß beantworteten sie gemeinschaftlich mit einem „Mögen Sie lange leben!,“ oder „Mögen Sie gesund bleiben!“ Währenddem erzählte mir mein Begleiter wunderbare Dinge aus der geheimen Geschichte der Buskarie während der Kusa’schen Regierung. Da war ein Räuber gewesen, der zu lebenslanger Gefangenschaft verurtheilt war. Eines Tages überreichte der Polizeipräsident Marghiloman den Todtenschein des Räubers, der dahin lautete, daß der Räuber in der Buskarie gestorben sei. Aber der Todtenschein war falsch. Die Beamten hatten ihn auf Geheiß des Polizeipräsidenten gefälscht. Der Räuber verschwand aus der Gefängnißliste; dafür wurde Marghiloman sein Erbe.

„Der Räuber hält sich noch heute wohl und munter in der Moldau auf,“ fügte der Generalinspector hinzu. „Radu Angel war ein berüchtigter Räuberhauptmann. Er machte lange Zeit die nördliche Walachei unsicher, seine Bande streifte auf ihren Raubzügen bis an die Thore von Tirgowesti. Alle Bemühungen der Dorobanzen, seiner und seiner Bande habhaft zu werden, waren vergeblich. Die nach der Nacht des 11. Februars vorgenommenen Haussuchungen haben auch darüber Aufschluß gegeben. Der Präfect von Tirgowesti war ein Schwager Marghiloman’s und hatte eine Liebschaft mit der Tochter des Räuberhauptmanns. Durch seine Geliebte ließ er die Bande von allen Streifzügen der Dorobanzen auf’s Genaueste immer vorher benachrichtigen. Kann man sich also darüber wundern, daß, während das Räuberunwesen vor dem Antritt der Kusa’schen Regierung fast ganz ausgerottet war, dasselbe beim Ende dieser Regierung in vollster Blüthe stand? Jetzt ist man in Bukarest gar nicht mehr darüber in Zweifel, daß der Mörder des populären und charaktervollen Ministers Catardji, der in seinem Wagen auf offener Straße erschossen wurde, von Kusa selbst gedungen war, weil er die große Popularität des Mannes fürchtete und weil seine Unbestechlichkeit und Rechtlichkeit eine Schranke war, welche hinweggeräumt werden mußte. Einige Jahre später war es in ganz Rumänien ein öffentliches Geheimniß, daß das Gewinnen jedes Processes von der Summe abhängig war, welche die Parteien den Richtern vor dem Richterspruch auf den Tisch legten, und Kusa hat das Land mit Summen verlassen, die ihm jährlich eine Rente von hunderttausend Ducaten geben.“

Die Hausordnung in der Buskarie war übrigens außerordentlich human, noch humaner, als ich sie in französischen Gefängnissen gefunden habe. Der Gefangene konnte in gemeinschaftlichen Werkstätten arbeiten oder sich beschäftigen, wie er Lust und Neigung hatte. Selbstbeköstigung stand ihm zu Gebote, wenn er Geld hatte – Major Liebrecht speiste aus einem Bukarester Restaurant –, sonst erhielt er täglich Fleisch und hinreichende Nahrung. Das rumänische Strafgesetzbuch ist bekanntlich der französische Code pénal. An dem Tage, wo ich die Buskarie besuchte, betrug die Zahl der Gefangenen etwas über vierhundert.

Wir stiegen wieder in den noch vor dem Gefängnißthor haltenden Fiaker, um nach der innern Stadt zurückzufahren, da ich noch einen Besuch bei dem Cultusminister Rosetti machen wollte, dessen Bekanntschaft ich schon vor fünfzehn Jahren als Flüchtling in Paris gemacht hatte. Wieder war ein Stück aus der letzten Periode der Leidensgeschichte Rumäniens in der Buskarie an mir vorübergezogen. „Wahrhaftig,“ sagte ich zu meinem Begleiter, der mir während der Fahrt neue Schilderungen aus der Russenzeit und aus der Türkenperiode entwarf, „man muß anerkennen, daß das rumänische Volk nach solchen Unterdrückungen, Vergewaltigungen, Beraubungen, nach solchem materiellen und moralischen Ruin während mehrerer Jahrhunderte eine große Zähigkeit und eine große Lebenskraft besitzt, um noch aufrecht zu stehen und mit solcher Energie nach freiheitlicher und nationaler Selbstständigkeit zu ringen.“

„Gewiß,“ erwiderte der Generalinspector, „und man muß wahrhaftige Hochachtung fühlen vor dieser kleinen Minorität von Männern, welche während der Kusa’schen Regierung den Schlag vorbereiteten, die den Hospodar und seine Trabanten in einer Nacht stürzte und darauf mit solcher Energie, mit solcher Uneigennützigkeit und solchem Geschick das Steuer führte. Da ist Oberst Haralambie, tapfer, uneigennützig, rechtlich, ohne jeden Egoismus, arm – Sie wissen, ich bat Sie, ihm im Regierungspalaste einen Besuch zu machen, weil Ihr Besuch ihn in seiner ärmlichen Wohnung vielleicht geniren könnte –; da ist Johann Ghika, der ehemalige Fürst von Samos, ein Mann von großem Organisationstalent, ein Genie, voll Intelligenz und Wissen, ebenso streng, wie fein und liebenswürdig; da ist sein Bruder, Demeter Ghika, der Minister des Innern; Stourdza, der Minister für öffentliche Arbeiten, unermüdlich im Arbeiten, Fachmänner, wie man sie nur wünschen kann; da sind Golescu, Rosetti, Lecca, Bratiano, Alle freisinnig – Alle lebten sie lange Jahre als Flüchtlinge im Auslande, auch die Ghikas – welche ihr ganzes Leben der Zukunft dieses unglücklichen Landes geopfert haben. Keiner von ihnen hat auch nur einen Ducaten während der Leitung der Regierung genommen; die Reichern unter ihnen haben Hunderttausende aus eigenen Mitteln hergegeben; den Armen unter ihnen hat man einen Gehalt ordentlich aufdringen müssen.“

Der Wagen hielt. Ich stand vor dem Hause Rosetti’s, um den Flüchtling aus Paris zu besuchen, der heute die wieder aufblühende Civilisation und Cultur Rumäniens leitet.
Gustav Rasch.




Inmitten der Thüringer Romantik.


Der Frühling grünt und blüht, schön und wonnig wie nur je, er lockt hinaus zu wandern über Berg und Thal. Die Zeit ist da, wo sonst der Tourist seine Sommerfahrten beginnt, wo die kranke und die gesunde, die große und die kleine Welt die Koffer packt für Baden-Baden und Ems, für Interlaken und Vierwaldstätter See, für Rhein und Schwarzwald, für die Thüringer Wälder und Harzer Berge. Wer aber denkt heuer an Lustreisen, wer an Sommerfrischen und Villeggiaturen, wenn rundum die Kanonen drohen? Im Geiste nur versetzt man sich jetzt in jene glücklichen Tage und stillen Naturparadiese, im Geiste nur – oder als Flüchtling, um aus den Wirren und Aengsten der Gegenwart sich zu retten. Erst neulich haben wir unsern Lesern ein solches ruhiges Asyl gezeigt im schönen Schweizerlande, wir führen ihn heute nach einem andern in den Thüringer Bergen, das, abseit der großen Heerstraße, ebenfalls alle [412] mögliche Aussicht auf Schutz und Sicherheit vor den kriegerischen Begebnissen verspricht und doch dem großen Verkehrsnetze nahe genug liegt, um von Verbindungen und Nachrichten nicht abgeschnitten zu sein, einem Plätzchen, so reizend und waldfrisch, daß, wer es einmal kennen, es sicher auch lieben lernt. –

Auf der letzten Station des von Gotha nach Eisenach führenden Schienenwegs, dem Hörselberge Tannhäuserischen Andenkens gerade gegenüber, treten links die Thüringer Waldrücken und Waldkuppen verführerisch in nächste Nähe heran. Hier in Wutha entsteigen wir dem Waggon, um uns in Thurn und Taxis’scher Postkutsche unserm Ziele gemächlich entgegenschaukeln zu lassen.

Es war ein herrlicher Morgen in den ersten Tagen des Juni, als ich mit einem Freunde den lieblichen Thalgrund hinauffuhr, der

Das Haus von Vorwärtshans in Thal.
Nach der Natur aufgenommen.

sich hier öffnet. Kaum ist das stattliche Dorf Farrenrode passirt, so schieben sich die nächsten Höhen links und rechts auseinander und die lieblichste Waldlandschaft entfaltet sich vor unsern Blicken. Aus den Kronen frischbelaubter Buchen erhob sich auf einem Bergeskegel die Ruine Scharfenberg, hinter ihm dehnte sich der breite Rücken des riesigen Breitenbergs und vor uns lag nach wenigen Secunden ein Haus im neuesten Schweizerstil malerisch zur Seite eines Brückenbogens, der sich über den rauschenden Bach wölbt; den Mittelgrund belebten die ungleichartigen Häuser, welche in verschiedenen Gruppen das Dorf Thal – so heißt unser lieblicher Zufluchtswinkel – bilden. Unter diesen zeichnete sich vor Allem durch seine reizende Lage und edlere Bauart ein größeres Gebäude aus, das vor ungefähr zwanzig Jahren von seinem Erbauer, dem damaligen Förster, zu einer Forstschule bestimmt war, seinen Zweck aber nicht erreichte und neuerdings zu einem Curhaus geworden und in Folge der bedeutenden Frequenz an Gästen im vorigen Jahre von seinem jetzigen Besitzer, einem Berliner, mit dem Namen Louisenbad bezeichnet worden ist. Die Wandlung, welche das Haus im Laufe der Zeit erfuhr, verdankt des außer seiner trefflichen Einrichtung der Frequenz im Gasthause des angrenzenden weimarischen Dörfchens Weißenborn, wo Einheimische und Fremde während der schöneren Jahreszeit viel verkehren und gut bewirthet sind, so daß Diejenigen welche zur Stärkung ihrer Gesundheit in den hart an einander stoßenden beiden Orten weilen, ein gemeinsames Band der Geselligkeit fesselt. Und in der That giebt die Lage derselben neben einander in dem schmalen Waldesgrund mit seinen saftigen Matten und zerstreuten Gärtchen zwischen den vom Erbstrom durchrauschten Bergen erst die Vollendung des seltenen Landschaftsbildes. An den steilen Scharfenberg mit seinem altersgrauen Wartthurm lehnen sich die Häuser des Dorfes Thal eng an, besonders rechts und links vom Gasthofe, der mit seiner hochaufwärts führenden Steintreppe einer Herberge aus alter Zeit gleicht, als die Knappen der Burg mit den Thalbewohnern beim frischen Trunk zusammensaßen da, wo jetzt ein treffliches gesundes Bier den Durstigen labt. Als ein ganz besonderer Vorzug von Thal muß neben seiner eigenen wunderprächtigen Lage die Nachbarschaft einer Reihe hochromantischer und weitberühmter Punkte des Thüringer Waldes hervorgehoben werden. Ruhla, der Inselsberg, Reinhardsbrunn, Liebenstein und Altenstein, der Wachstein, die hohe Sonne wie die Wartburg sind binnen wenigen Stunden zu erreichen. Während der kurzen Rast, die wir uns hier gönnten, machte ich meinen Freund mit der Bedeutung des gegenüberliegenden alterthümlichen Gebäudes bekannt.

„Das halbverblichene Wappen dort neben dem söllerartigen Vorbau ist das der ehemaligen Besitzer der umliegenden Herrschaft, der Herren von Utterodt, welche im fünfzehnten Jahrhundert dieses Herrenhaus zu ihrem Sitz machten, bis 1837 Herzog Ernst der Erste von Coburg Gotha die Herrschaft erwarb und das Gebäude zum Amthaus für das neueingerichtete Amt Thal erkor. Ein anderes, weniger ansehnliches Gebäude wird Dich vielleicht mehr interessiren; betrachten wir es darum im Weitergehen. Es ist das des ehemaligen Wunderdoctors, der noch heute im Munde des Volkes Vorwärtshans genannt wird, Johannes Harnschuh hieß, seines Zeichens ein Glaser war, sechsundsechszig Jahre alt, 1802 hier starb und von Ludwig Storch in einem Roman[WS 2] verherrlicht worden ist. Ich theile Dir mit, was ich aus authentischer Quelle von einem seiner Enkel, einem würdigen alten Herrn, weiß, der als Knabe von fünf Jahren ihn noch kannte. Vorwärtshans war ein Mann, der über seiner Zeit voll Köhlerglauben stand und klug die Thorheit Anderer zu seinem Vortheile, wenn auch nicht in so gewinnsüchtiger Weise, wie der verstorbene Schuhmacher Lampe in Goslar,[WS 3] zu benutzen verstand, denn er war so menschenfreundlich, daß er Armen seine auf manche Kenntniß der Medicin gestützte Hülfe unentgeltlich angedeihen ließ. Ein gewisser Ernst, der an Finsterkeit des Ausdrucks grenzte, imponirte vielen schwachen Gemüthern. In seine geheimnißvolle Kammer durfte sich Niemand von seiner Familie, gegen die er sehr streng, oft rauh war, wagen, ja er vernichtete, als er von dem Herannahen seines Todes überzeugt war, die Bücher, aus denen er seine Kunst geschöpft, denn man fand nach seinem Ableben nichts mehr davon. Trotz seiner häuslichen Strenge hing er bei Lebzeiten so an seiner Familie, daß er nicht zugab, daß eine Fürstin, die er in Ruhla von einer schweren Krankheit geheilt hatte, zum Dank eine seiner fünf Töchter zu sich nehmen durfte, wie sie sich erbeten hatte.

Nachdem unser Blick noch einmal über die gleich Sennhütten an dem Berge dahinter liegenden Häuschen gestreift, führte ich meinen Freund zurück auf einem anderen Weg durch das Dorf nach dem Gasthof zum Heiligenstein, in dem es sonst, ich weiß nicht, ob jetzt noch, an Festtagen so lustig zuzugehen pflegte, daß

[413]

Das Dorf Thal in Thüringen.
Für die Gartenlaube nach der Natur aufgenommen.

[414] kein Stein auf dem anderen heilig blieb, obgleich auf demselben Grund und Boden einst der fromme Gesang der Mönche im Kloster Weißenborn ertönte. Der wunderliche Wechsel der Zeit hat aus diesem Kloster ein großes Wirths- und Brauhaus gemacht, dem der Erbauer und jetzige Besitzer den Namen des ehemaligen Gasthofes dort auf einer kleinen, felsigen Grundlage gegeben hat, dessen Stelle vor Alters eine Capelle oder ein Heiligenbild von Stein eingenommen haben muß.

Man sieht aus alledem, nicht blos die Natur, sondern auch die Geschichte dieser Gegend bietet Romantik genug, so daß Jedem, der sich hier zur Erholung aufhalten will, sein Theil daran zufällt, wenn er Augen und Sinn dafür hat. Gewiß kann es kaum einen geeignesteren Platz für Stärkung Suchende geben, als diesen nicht blos reizenden, sondern auch durch seine Berge nach allen Richtungen vor rauhen Winden geschützten Thalgrund; überall ist die Luft durch die Nähe der Wälder erfrischt, dabei weich und mild. Schwachbrüstige oder des Bergsteigens ungewohnte Leute finden hier ebene Spaziergänge durch die Wiesen des lieblichen Seebachthals oder der Ruhl oder am Saum der Berge hin. Das Louisenbad namentlich bietet in seinen weiten Gartenanlagen außer der bequemen Einrichtung für Wasserbäder der verschiedensten Art mit und ohne Zusätze von Mineralwässern oder Kiefernadeldecoct Befriedigung aller irgend billigen Anforderungen. Zwei geschickte Aerzte zu Ruhla sind ohne großen Zeitverlust für besondere Fälle zu consultiren; eine ziemlich reiche Volksbibliothek in der Pfarrei könnte sogar an Regentagen Unterhaltung gewähren, und die Correspondenz mit der Heimath ist durch eine Postexpedition im Ort so gut wie in einem größeren Badeort erleichtert. Und so wird das wunderliebliche Thal in nicht ferner Zukunft seiner altberühmten Nachbarschaft sicher an Besuch und Namen nicht nachstehen.




Bilder aus den russischen Ostseeländern.
1. Eine Bärenjagd in Livland.


Nicht weit von dem kleinen livländischen Landstädtchen W. liegt hart an der russischen Grenze das große Rittergut Neukirchen. Ungeheure Moosmoräste und zusammenhängende, dichte Waldungen bedecken noch den größten Theil des etwa einhundert Quadratwerst umfassenden Gutsareals. Stundenlang kann man wandern, ohne einem menschlichen Wesen zu begegnen, und nur nach langen Zwischenräumen stößt man hie und da auf ein abgelegenes Gehöfte, welches einsam und verlassen mitten in den riesigen Morästen und Haiden liegt, wie eine Insel im Meere. Die Civilisation hat hier ein Ende und erst in jüngster Zeit hat man die ersten schüchternen Versuche gemacht, diesen öden und unfruchtbaren Strich Landes der Cultur zu gewinnen. Noch hat es aber damit gute Weile und bei der Unsicherheit unserer einheimischen Verhältnisse, sowie bei der düsteren und ungewissen Zukunft, welcher unsere baltischen Lande gegenwärtig unter dem Andringen gewisser russischer Parteien entgegengehen, kann mancher Scheitel grau werden, bis das Dampfroß durch Neukirchens jungfräuliche Fluren braust und günstigere Conjuncturen die Unternehmungslust tüchtiger Landwirthe herausfordern. So lange jedoch noch trügerische Moosdecken die ausgedehnten Moore des Gutes bedecken, so lange noch der struppige Wachholder und das duftige Haidekraut in ungestörter Fülle auf den sandigen Haiden gedeihen und in die düsteren, sumpfigen Wälder sich nur der Fuß des einsamen Holzfällers verirrt, – so lange ist Neukirchen das Eldorado jedes Jägers, der sein Augenmerk auf höheres Wild richtet. Auf den mit unzähligen Beeren bewachsenen Morästen und Heuschlägen führen Birkhennen, Morasthühner und Auerhennen ihre jugendliche Nachkommenschaft spazieren; Lampes zahlreiche Sippe verduselt ihre Tage am Feldrande; in dichten Föhrendickichten erzieht das Haselhuhn seine zierliche Brut und im sumpfigen, finsteren Forste ergeht sich die stolze Gestalt des Elenthieres, äßt das zarte Reh, schleicht des Wolfes und des Luchses leiser Tritt durch die Büsche und hie und da läßt sich auch Meister Petz herab, die Welt oder vielmehr einen abgelegenen Hof mit seiner holden Gegenwart zu beglücken.

In eine solche einsame, von allen Seiten mit düsteren Fichtenwäldern umgebene menschliche Behausung wollen wir heute den freundlichen Leser führen. Das nächste Gehöft, der nächste wirklich fahrbare Weg sind etwa sieben Werst von derselben entfernt und nur ein schmaler, fast nicht zu passirender Holzweg deutet uns an, daß die kleine Buschwächter- oder Försterwohnung auch von Leuten bewohnt wird, die zuweilen das Bedürfniß fühlen, mit ihren Mitmenschen in näheren Verkehr zu treten. Das langgestreckte, mit einer dichten, grünlichen Moosschicht überzogene Dach des Wohngebäudes droht in der Mitte zusammenzustürzen. Die altersgrauen Wände sind roh aus unbehauenen Fichtenstämmen gezimmert und an der linken Seite des Gebäudes macht sich eine nicht unbedeutende Böschung nach außen bemerkbar, welche von zwei hölzernen Pfosten nur nothdürftig in ihren ursprünglichen Grenzen zurückgehalten wird. Links von dem Wohnhause liegt eine kleine, verfallene Scheune, rechts ein elender Kuhstall, dem sich eine in die Erde gegrabene und oben mit Rasen bedeckte, schwarzgeräucherte Badestube anschließt, welche zugleich als Küche dient. In der Mitte dieser Gebäude befindet sich der Hofraum, der zu allen Jahreszeiten mit Ausnahme etwa eines sehr trockenen Sommers oder eines sehr strengen Winters mit unergründlichem Schmutze bedeckt ist. Weiterhin, nach dem Walde zu, liegen die kleinen, gewöhnlich nur nachlässig bearbeiteten und daher auch nur einen sehr geringen Ertrag liefernden Felder. Das Ganze macht den Eindruck trostloser Oede, Armuth und Einsamkeit.

In dieser Buschwächterei, und zwar in der dunkeln und schmutzigen Rauchstube des Wohngebäudes, saßen an einem Decemberabend drei Dorpat’sche Studenten, welche, wie die an der Wand an hölzernen Pflöcken hängenden Gewehre und Pulverhörner lehrten, ein Jagdausflug und insbesondere die Begierde, einen Bären zu schießen, in diesen abgelegenen Erdenwinkel geführt hatte. Zu ihrer Zahl gehörte auch meine Wenigkeit. Wir hatten ein paar niedrige, schwarzgeräucherte Schemel an den roh aus Lehm gemauerten Heerd geschoben, in welchem einige rothglühende Holzscheite eine gemüthliche Wärme ausstrahlten. Der Rauch zog über unsern Häuptern in dichten Wolken durch die nur halb angelehnte Thür in’s Freie und wir fühlten uns trotzdem so behaglich, wie man es nach einer bei fünfzehn Grad Kälte zurückgelegten Fahrt, bei einem heißen Glase Punsch und einer guten Cigarre nur irgend sein kann. Der Buschwächter, ein kräftiger Esthe, dem die blonden Haare wirr über das Gesicht hinabhingen, stand vor uns und ich bemühte mich, ihn über seinen Wildstand auszuforschen.

„Höre ‘mal, Tönnis,“ redete ich ihn zu guter Letzt in esthnischer Sprache an, „haben sich in jüngster Zeit Bären hier gezeigt?“

„Nein,“ entgegnete er, „im Walde werden aber wohl einige sein.“

„So? Bären sind also vorhanden; dann wirst Du uns wohl auch sagen können, wo sich eine dieser Bestien aufhält?“

Tönnis kraute sich verlegen den dicken Kopf und erwiderte: „Gott weiß, in welche Schlupfwinkel diese Teufel sich jetzt zurückgezogen haben.“

Ich zog ruhig mein Taschenbuch hervor, entnahm demselben einen Fünfrubelschein, zeigte ihn unserm Wirthe und sagte: „Siehst Du, alter Freund, dieser blaue Schein gehört Dir, wenn Du uns zum Lager eines Bären führst.“

„Gott bewahre mich vor der Sünde!“ rief Tönnis entsetzt aus. „Wollen denn die Herren bei lebendigem Leibe gefressen werden?“

„Im Gegentheil,“ replicirte ich. „Wir haben vielmehr die Absicht, den Bären zu verzehren. Deine Sache ist es blos, uns zu zeigen, wo sich derselbe aufhält.“

Bei diesen Worten drehte ich den schönen, neuen Cassenschein verlockend im Glanze des Feuers hin und her und wartete geduldig auf eine Antwort. Tönnis guckte längere Zeit hindurch nachdenklich in’s Feuer, drehte dabei seine schwieligen Finger in den Gelenken, daß sie knackten, und schien ernstlich mit einem großen Entschlusse zu kämpfen. Endlich sagte er wie beiläufig: „Vorgestern haben die Holzhauer des Hofes im benachbarten Petri-Reviere einen ungeheuren Bären aus dem Lager gescheucht.“

[415] „Wirklich? Ist seitdem Schnee gefallen?“

„Nein.“

„Nun, unter solchen Umständen muß die Spur ja noch vorhanden sein und Du weißt gewiß, wohin sie führt. Doch, bevor Du antwortest, trinke einmal einen Schnaps.“

Mit diesen Worten reichte ich ihm eine zu diesem Zwecke mitgenommene Flasche. Tönnis nahm schmunzelnd einen ehrlichen Schluck und mit demselben schienen alle seine Bedenken hinuntergespült zu sein. Wie ich erwartet hatte, berichtete er nunmehr ausführlich, daß die erwähnte Bärenspur in sein Revier führe, daß er derselben gefolgt sei und sich überzeugt habe, Meister Petz sei in einem nicht allzugroßen, mitten in seinem Walde befindlichen Dickicht zu Bett gegangen. „Doch,“ fügte er hinzu, „es ist ein mächtig großer Bursche, und wenn die Herren nicht gute und ruhige Schützen sind, könnte es leicht ein Unglück geben.“

Wir beruhigten ihn über seine Besorgnisse und trugen ihm nur auf, uns für die Nacht ein Strohlager am Feuer zu bereiten, welchem Auftrage er bereitwilligst Folge leistete. Wir streckten uns auf dasselbe hin und nach einigen fruchtlosen Bemühungen gelang es uns denn auch, trotz mancher Unbequemlichkeiten in Gestalt von Flöhen und anderen Ungeziefers, einige Stunden Schlafs zu genießen.

Die Uhr hatte noch nicht neun geschlagen, als wir uns am andern Morgen in Begleitung unsers Wirthes auf den Weg machten. Jeder von uns trug eine doppelläufige Jagdflinte und zum Ueberfluß noch einen tüchtigen Dolch im Gürtel. Tönnis hatte sein Gewehr zu Hause gelassen, weil er behauptete, daß das alte Schießeisen darin einen hartnäckigen Eigensinn an den Tag lege, nicht loszugehen, wenn er es gerade für erforderlich erachte. Statt dessen hatte er sich mit einem gewichtigen Handbeil bewaffnet, welches unter Umständen auch ganz gute Dienste leisten konnte.

Es war bitter kalt. Der Schnee knirschte unter unsern Stiefeln, und als wir den Forst erreichten, hörte man die mit mächtigen Schneemassen bedeckten Fichten laut knacken und dröhnen, als ob sie im Begriffe ständen, mitten auseinander zu bersten. Der Wald selbst aber mit seinen himmelanstrebenden Stämmen war still und öde, wie das Innere eines imposanten Domes, wenn ihn die rauschende Menschenmenge verlassen, und mit Ausnahme eines munteren Kernbeißerpärchens oder eines scheuen Eichhorns, welches gewandt von Ast zu Ast hüpfte, oder einer Schneemasse, welche sich vermöge ihrer eigenen Schwere von einem Zweige löste und alsdann in tausend und abertausend kleine Brillanten zerstäubend zu Boden sank, schien jedes Leben in der Natur erstorben. Wir gingen schweigend, Einer in die Fußstapfen des Andern tretend, durch den ausgedehnten Forst, und ich müßte lügen, wenn ich behaupten wollte, daß meine Nerven sich nicht in einer leisen Aufregung befanden. Im Gegentheil, ich gestehe es offen, daß meine Pulse schneller schlugen, als gewöhnlich, und daß von Zeit zu Zeit ein eigenthümlicher Schauer meine Glieder durchzuckte, der den Körper gegen jeden Einfluß der Kälte unempfindlich machte. Sollte ich doch ebenso wie meine beiden Jagdgenossen Sternberg und Reinfeldt in den nächsten Minuten dem stärksten Raubthiere unserer einheimischen Wälder gegenüberstehen und gewissermaßen ein Duell über das Schnupftuch mit demselben ausfechten, ein Kampf, dessen glücklicher oder unglücklicher Ausgang von hundert Zufälligkeiten abhing. Dazu kam, daß wir gerade die gefährlichste Art gewählt hatten, um mit Meister Braun anzubinden, denn weil man nur selten mit völliger Sicherheit wissen kann, in welchem Busch oder Gestrüpp der Bär gerade sein Lager aufgeschlagen hat, während die dichten Wachholder- und Tannengebüsche dem Jäger jede freie Rundschau unmöglich machen, so ist es sehr leicht möglich, dem Gesuchten ganz unerwartet in nächster Nähe gegenüberzustehen, oder gar in seine Arme zu laufen. Doch zu derartigen Bedenken war keine Zeit mehr vorhanden, denn unser Führer stand plötzlich still und wies schweigend und mit ernsthafter Miene auf eine mitten im Walde befindliche, fast kreisrunde, kleine Erdsenkung, welche etwa hundert Schritte von uns entfernt und mit einem dichten Tannen- und Wachholdergestrüpp bewachsen war. Wie auf Commando blieben wir Alle stehen und ich wandte mich flüsternd an unsern Begleiter mit der Frage, ob er wirklich glaube, daß der Bär sich in dem Dickicht befinde.

„Ohne Zweifel,“ entgegnete dieser, „denn die Spur, welche ich Ihnen gezeigt, führt direct in das Dickicht und, wie ich mich noch gestern vergewissert, auf der anderen Seite nicht wieder hinaus.“

„Befindet sich hinter der Erdsenkung ebenso lichter Wald wie diesseits?“ fragte ich weiter.

„Ja, Herr, Sie haben dort ebenso freies Schießen wie hier, und wenn Sie das Gebüsch von drei Seiten umstellen, so kann keine Maus unbemerkt entschlüpfen.“

„Gut,“ sagte ich. „Du stellst Dich mit diesem Herrn etwa zwanzig Schritt vor dem Gebüsche an der diesseitigen Ecke auf. Herr Reinfeldt wird jene Ecke besetzen und ich für meine Person werde das Gebüsch im Bogen umgehen und mich auf der dritten Ecke postiren. Wir bilden auf diese Weise ein Dreieck, dessen ihm zugewandte Seiten jeder Einzelne von uns bequem übersehen kann. Hast Du die Steine bei Dir?“

„Ja.“

„Nun, denn vorwärts! Wenn ich pfeife, so rückt vor, und sollte der Bär auf unser Schreien nicht herauskommen, so werft einige Steine in das Gebüsch.“

Mit diesen Worten entfernte ich mich, spannte die Hähne meines treuen Gewehres und überzeugte mich, daß die Zündhütchen in Ordnung waren. Nach Verlauf einer Minute hatte ich meinen Standpunkt erreicht, athmete noch einmal tief auf und ließ dann leise meinen Signalpfiff ertönen. Auf das Signal rückten meine Begleiter gleichfalls vor und kurze Zeit darauf belehrte mich ihre Antwort, daß unsere Schlachtreihe in Ordnung war. Wie aus einer Kehle ertönte nun von allen drei Seiten ein lautes Hollah, allein wer es nicht für gut befand zu erscheinen, war Meister Petz. Da hörte ich mit dumpfem Geräusch einen gewichtigen Stein mitten in die Zweige prasseln. Ein zweiter folgte und ein unwilliges Brummen oder vielmehr Gröhlen, sowie das Knacken von Aesten und Zweigen bewies, daß der Langschläfer im Begriff war, sich Morpheus’ Armen zu entreißen und uns die Ehre seiner nähern Bekanntschaft zu gönnen. Von diesem Augenblicke an war die ganze übrige Welt für mich verloren, und sonderbar, jede Unruhe, jede Aufregung, die in den letzten Minuten mein Blut schneller durch die Adern rollen ließ, hatte aufgehört. Ruhig wie auf der Hasenjagd folgte ich, das Gewehr im Anschlage, mit gespannter Aufmerksamkeit dem Brechen und Knistern der Zweige in meiner Nähe, fest entschlossen, nicht eher Feuer zu geben, als bis ich meinen Zielpunkt sicher in’s Auge gefaßt habe. Da endlich sah ich zwischen mir und meinem Freunde Reinfeldt einen dunkeln Schatten durch die Büsche gleiten. Noch einige Secunden und der Schatten, welcher nunmehr den lichteren Wald erreicht hatte, erwies sich als ein sogenannter schwarzer Bär von bedeutender Größe, der im Begriffe stand, sich unserer nähern Bekanntschaft eiligst durch die Flucht zu entziehen. Doch wir hatten uns einmal in den Kopf gesetzt, ihm das Fell über die Ohren zu ziehen, und im nächsten Momente krachten kurz nach einander zwei Schüsse, welche so wohl angebracht waren, daß unser Flüchtling kopfüber in den Schnee stürzte und jeden Gedanken an Flucht aufgeben zu müssen schien. Schon wollten wir durch ein freudiges Hurrah unseren Sieg verkündigen, allein der nächste Augenblick belehrte uns, daß die Sache noch keineswegs zu Ende war. Mit dumpfem, röchelndem Gebrüll richtete sich der Schwarze wiederum auf, und die Ohren an den Hals gelegt, den Rachen mit dem blinkenden, furchtbaren Gebisse weit aufgesperrt, näherte er sich Reinfeldt, welcher ihm zunächst stand. Das racheschnaubende, aus zwei Kugelwunden blutende Thier bot einen entsetzlichen Anblick, dessenungeachtet aber verlor unser Jagdgenosse keinen Augenblick die Geistesgegenwart, ließ den Bären ruhig auf etwa fünf Schritte Entfernung herankommen und gab dann kaltblütig und bedächtig zielend zum zweiten Male Feuer. Die Kugel traf die Bestie mitten in die Brust und muß wohl die edelsten Theile durchbohrt haben, denn Braun stürzte wie vom Blitze getroffen zusammen und unterfing sich nicht mehr, uns nochmals durch sein Wiederaufstehen zu behelligen. Mittlerweile waren auch Sternberg und der Buschwächter herbeigeeilt und wir umstanden nunmehr tiefaufathmend mit freudigen Gesichtern und blitzenden Augen in respectvoller Entfernung den gefallenen Helden, welcher sich zuckend auf der Erde wälzte und den Schnee weithin mit seinem Herzblute färbte.

Bei näherer Besichtigung erwies sich, daß der Bär von drei Kugeln getroffen worden war, von denen die meinige ihm das rechte Schulterblatt zerschmettert hatte, während Reinfeldt ihm eine Kugel in den Bauch, die andere unmittelbar tödliche aber, wie gesagt,

[416] mitten in die Brust geschossen hatte. Der Buschwächter wurde hierauf nach einigen glücklicherweise in der Nähe befindlichen Holzfällern geschickt, um mit ihrer Hülfe unsere schwere Beute aus dem Walde zu schaffen, und wir vertrieben uns unterdessen im Walde die Zeit damit, daß wir uns das mitgebrachte kräftige Frühstück nebst obligatem Portwein trefflich schmecken ließen. Trotz der Kälte, die übrigens mit dem Vorrücken des Tages bedeutend nachgelassen hatte, war unsere Stimmung eine so behagliche und heitere, wie es nur nach einer vollbrachten glücklichen Jagd der Fall sein kann. Scherzend unterhielten wir uns über das soeben erlebte Abenteuer und fast schien es uns, als ob wir die Größe der dabei überstandenen Gefahr ursprünglich bedeutend überschätzt hätten. Diese übermüthige Laune wies jedoch Reinfeldt sehr bald in ihre richtigen Grenzen zurück, indem er trocken die kurze Bemerkung hinwarf, daß er gegenwärtig wahrscheinlich nicht das Vergnügen haben würde, mit uns einen Becher Wein zu trinken, wenn sein zweiter Lauf versagt, oder wenn seine Kugel den allein richtigen Zielpunkt, den weißen Fleck auf der Brust des Bären, um ein Weniges gefehlt hätte. In beiden Fällen war rechtzeitige Hülfe von unserer Seite schwer möglich, weil wir wegen der weiten Entfernung von unserem Genossen Anstand nehmen mußten zu schießen, um nicht statt des Bären den Freund zu treffen und nach bewerkstelligter größerer Annäherung letzterer sich möglicherweise schon in den Armen der Bestie befinden konnte. Bei Erwägung aller dieser Möglichkeiten leuchtete uns denn auch ein, daß es viel gefahrloser und daher richtiger ist, dem Bären, wie in Livland allgemein üblich, nur vermittelst großer Treibjagden nachzustellen, und daß nur sehr geübte Schützen, welche sich auf ihr Gewehr und auf die Festigkeit ihrer Nerven hinlänglich verlassen können, es wagen dürfen, Meister Braun in seiner eigenen Häuslichkeit anzugreifen. Dessenungeachtet aber muß ich behaupten, daß die Art den Bären zu jagen, wie ich sie oben beschrieben, jedem echten Jäger am meisten zusagen muß, denn es ist, abgesehen von der größeren Gewißheit zum Schusse zu gelangen, jedenfalls mannhafter und aufregender den Bären in seinem eigenen Lager aufzusuchen und dort einen ehrlichen Kampf Mann gegen Mann mit ihm auszufechten, als auf einer großen Treibjagd dem von aller Welt Gehetzten und auf eiliger Flucht Befindlichen aus dem Hinterhalte eine Kugel nachzuschicken und dabei noch das ruhige Bewußtsein zu haben, daß bei einem etwaigen Fehlschusse noch zwei oder drei Nachbarn bereit sind, dem ungeschickten Schützen aus der Patsche zu helfen.
M. S.




Blätter und Blüthen.


Instinct? Das Gut des mir durch seine Söhne befreundeten Rathsherrn S. liegt in unmittelbarer Nähe der Stadt Burg. Die weitläufigen Wirthschaftsgebäude ziehen sich theils längs der Landstraße, einer belebten Promenade, theils an einem erlenbesäumten Flüßchen hin, welches gleichzeitig das Rad der zum Gute gehörigen Mühle treibt. Das Flüßchen erweitert sich hinter dem Mühlrad zu einem kleinen Teiche, welcher den Saum des großen Amthofes einfaßt. Dieser Teich bildet natürlich den Tummelplatz der die Hofräume mit Geschnatter und weithin hörbaren Rufen durchziehenden Schaaren von Enten und Gänsen, und einen wahrhaft komischen Anblick gewähren zur Mittagszeit die von dem muthwilligen Enten in dem nassen Element ausgeführten Capriolen, auf welche die vornehmeren Gänse mit nicht zu verkennender Geringschätzung herabblicken.

Ein Prachtexemplar von einem Gänserich, ein wilder, kriegerischer Gesell, befindet sich unter diesem Geflügel und seine tollen Streiche, wie Zweikampf, weites Entfernen vom Hofe, wobei ihm eine seltene Flügelstärke vortreffliche Dienste leistet, haben ihm schon derbe Züchtigungen, selbst tagelangen Kerker eingetragen, ohne daß sein Temperament, welches ihn zu solchen Extravaganzen hinreißt, dadurch abgekühlt wurde. Nicht genug, daß er allein durch solch’ strafbares Operiren gegen die bestehenden Ordnungen verstößt, versucht unser Gänseheld auch noch die übrigen Mitglieder der Fraction zum Umsturz der Gesetze zu verführen, was ihm, bei einer wahrscheinlich angeborenen Beredsamkeit, nur zu gut gelingt; denn das übrige Gänsevolk unternimmt nun, unter seiner Anführung, ebenfalls weite Züge und nicht selten wird ein nachbarliches Gebiet heimgesucht, was für den Gutsherrn bereits Unannehmlichkeiten mancher Art herbeiführte.

Vor wenigen Tagen kehrte die Rotte von einer größeren Streiferei zurück und eine exemplarische Bestrafung für den Helden und Anführer wurde ersonnen. Tags darauf fesselte man den Gänserich derartig am Fuße, daß er bequem den Teich erreichen und das tägliche Bad, „herkömmlicher Sitte getreu“, nehmen konnte. Einem zweiten Prometheus gleich steht er am Ufer und sieht trüben Blickes seine Commilitonen, in lustigen Schwärmen, auf den spiegelnden Fluthen dahingleiten. Da packt ihn Verzweiflung. Unter Geschrei, mit erhobenen Flügeln, stürzt er sich in’s Wasser, doch die hemmende Fessel gebietet ihm unerbittlich „Halt!“ Ein zweiter, ein dritter, von demselben Erfolg gekrönter Versuch wird gewagt; vergeblich! Plötzlich, wie von einer augenblicklichen Eingebung beseelt, stürzt sich der Gefangene nochmals in die Wellen, doch nicht um zu fliehen, nein, um zu – sterben. Besser der Tod, als schmachvolle Knechtschaft! Tief im Wasser liegen Kopf und Hals, mit den schlaff hängenden Schwingen spielen die krausen Wellen, kein Zucken verräth, daß noch Leben in dem schönen Thiere ist.

So, in diesem Zustande völliger Erstarrung wird der Gänserich von einem herbeigerufenen Diener dem Fluthengrab enthoben und am Ufersrand trocken gebettet. Scheinbar vom Tod umfangen, liegt das Thier lange Zeit, von dem Gutsherrn nebst Familie und einigen Dienern umgeben. Die Fessel, welche sich immer noch am Fuße befindet, wird gelöst und der todte Freund von Dieners Hand emporgehoben. Plötzlich kehrt das anscheinend entschwundene Leben zurück und mit lauten Rufen folgt der Sieger seinen enteilenden Gefährten.
L–e.




Kleiner Briefkasten.


Dr. A. F–l in D–u. Wir theilen Ihre Ansicht; es kann nicht die Aufgabe der Gartenlaube sein, eigentliche Kriegsberichte zu geben. Die Herstellung unseres Blattes ist, durch seine starke Auflage bedingt, eine verhältnißmäßig langsame; Ereignisse die heute geschehen – und in der gegenwärtigen gewaltigen Katastrophe folgen sie sich Schlag auf Schlag, so daß heute schon veraltet ist, was gestern sich zutrug – würde die Gartenlaube erst in drei Wochen erzählen können. Dagegen Scenen und Episoden aus dem begonnenen großen Kampfe, die dennoch zu einem Totalbilde desselben sich zusammensetzen, – das ist’s, was wir auch aus dem gegenwärtigen Kriege zeichnen und schildern werden, in völlig objectiver, nur an das Thatsächliche sich haltender Darstellung.




Zur Nachricht!


Mit dieser Nummer schließt das zweite Quartal. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das dritte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Leipzig, im Juni 1866.
Die Verlagshandlung.




Unsere Mitarbeiter bleiben auch im neuen Semester die bewährten, alten. Die Herren R. Benedix, Berlepsch, Beta, Bock, Brehm, Brunold, Fr. Gerstäcker, G. Hammer, G. Hiltl, A. Meißner, Max Ring, Prof. Richter, Carl Ruß, Joh. Scherr, A. Schloenbach, Levin Schücking, Herman Schmid, Schulze-Delitzsch, Albert Traeger, Temme, Carl Vogt, L. Walesrode, Fr. Wallner, die Damen M. von Humbracht, E. Polko u. v. a. werden nach wie vor unser Blatt mit ihren regelmäßigen Beiträgen zieren. Nur einige wenige Titel mögen darthun, daß wir auch im künftigen Vierteljahr unsern Lesern eine reiche Auswahl von Erzählungen und Aufsätzen, Skizzen und Bildern zu bieten haben:

Der Blaubart. Erzählung von E. Marlitt, Verfasser der „Goldelse“. – Der Dommeister von Regensburg. Von Herman Schmid. – Zwei Californier. Criminalgeschichte von J. D. H. Temme. – Aus der Jugend eines großen Mannes. Von C. Dohm, Redacteur des Kladderadatsch. – Ein Bild aus dem schwäbischen Dorfleben. Mit Illustration von R. Heck. – Ein fürstlicher Feldmarschall und Exercirmeister. Mit Illustrationen nach einem Oelgemälde von Theobald von Oer. – Das heiße Liebchen. Reiseerinnerung von Alfred Meißner. – Bilder aus dem Feld- und Lagerleben. U. A. die preußischen Husaren und die Hessenböcke. Mit Illustration von A. Nikutowski. – Ein Bayard der Freiheit. Mit Portrait. – Ausplaudereien aus der Apotheke. IV. Das Quecksilber und seine Salben als Volksheilmittel. – Friedrich Wilhelm der Erste und Professor Baumeister. Von Georg Horn.

Außerdem bedarf es wohl keiner Versicherung, daß wir

den begonnenen und sich vorbereitenden Kriegsereignissen

eine besondere Aufmerksamkeit widmen. Bereits sind Vorkehrungen getroffen, daß nicht nur Künstler, sondern auch Schriftsteller in unserem Auftrage von den Hauptquartieren aus den militärischen Bewegungen folgen werden, um unsern Lesern das Wichtigste und Interessanteste aus dem Marsch-, Feld- und Lagerleben in Bild und Text zur Anschauung zu bringen.

Leipzig, im Juni 1866.
Die Redaction.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Wir theilen hiermit die zweite Erzählung aus dem in Nr. 20 bereits erwähnten Cyclus von Novellen unter dem Titel „Nach siebenzehn Jahren“ mit, ein heiteres Gegenstück gegen die hochtragische erste. D. Red.     

Anmerkungen (Wikisource)

  1. z. B. „Muß i denn, muß i denn“ (Heinrich Wagner)
  2. „Vörwerts-Häns“
  3. vergl. Eine Saison beim „Director“ Lampe in Goslar