Die Gartenlaube (1856)/Heft 45
Auf dem schönen, weiten Platze vor dem Kurhause zu Wiesbaden war ein bewegtes glänzendes Leben. Es war an einem Sonntag Nachmittag der Badesaison.
An einem kleinen Tische saßen ein Herr und zwei Damen. Der Herr war ein rüstiger Fünfziger, indeß so wohl erhalten, daß man ihn auch für einen Vierziger halten konnte. Die beiden Damen standen in der Blüthe der Jugend und Schönheit. Freilich sah die eine, ältere, etwas leidend, abgehärmt aus, und man konnte meinen, ihre Schönheit sei jetzt gerade wieder im neuen Aufblühen begriffen. Desto frischer, lebendiger und schelmischer blühete die Schönheit der jüngeren.
Die beiden Damen gaben sich ganz dem Genusse hin, den der schöne Platz und das Leben um sie her auf sie machten. Die Augen der älteren, blassen, hingen mehr an der reizenden Gegend; sie schweifte über die reizenden Fluren, über die dunklen Waldungen, von denen Wiesbaden so malerisch umgeben ist, hinweg nach den hohen Kuppen des Taunus, nach den schönen Gebirgen des Rheingaues. Sie schweiften und träumten noch weiter, links nach Süden hin, den Lauf des Rheines hinauf, weit, weit, über die fernsten blauen Rücken und Spitzen der Berge hinweg, dorthin, wo nur der unbegrenzte, unendliche Luftraum war. Der Blick der jüngeren Dame verlor sich nicht in die Weile, und träumte noch weniger in die unbegrenzte Ferne hinein; er hielt sich in der Nähe, an dem schönen Kurhause, das einem Taubenschlage oder Bienenkörbe glich, so flog es dort ein und aus; an dem Gewimmel auf der Terrasse, das sich bis hinten in die Stadt hineinzog, und erst in den fernsten Krümmungen der Gassen sich für das Auge verlor. Die Dame sah zugleich überall nach den schönen Toiletten, von denen es in dem Getriebe auf der Terrasse, wie an dem Bienenkörbe des Kurhauses wimmelte. Von den Toiletten glitt das Auge unwillkürlich nach den reichen, glänzenden Läden und Magazinen, die zu beiden Seiten des Platzes bis nach der Stadt hin unabsehbar sich ausbreiten.
Der ältere Herr schien nicht einen gleichen Genuß zu haben, wie die jungen Damen.
„Es ist doch reizend hier,“ sagte die schelmische Schöne mit einem Seufzer.
„O, es ist schön hier,“ erwiederte die Leidende mit einem glänzenden Blick in die weite Ferne nach Süden hinein.
„Ich weiß nicht, was Ihr nur habt,“ sagte brummig der Herr. „Unter den Zelten ist es schöner.“
„Aber, Vater!“
„Was habt Ihr hier denn? Ein paar einfältige Berge, dort unten das kleine Nest, das die Leute eine Stadt nennen, schlechten Kaffee, keine Weiße, keine Sonntagsruhe.“
Der Herr war der Geheimerath Fischer aus Berlin, die beiden Damen seine Töchter.
Der Geheimerath Fischer war ein Berliner Geheimerath; er war auch ein Berliner Kind und stammte aus einer jener, dem Mittelstände angehörenden Berliner Bürgerfamilien, in denen die Männer große, altfränkische Schnupftabaksdosen von gediegenem, dreizehnlöthigem Silber tragen, und die Frauen goldene Halsketten, dick und schwer wie Hemmschuhketten; in denen aber auch Sittlichkeit, Redlichkeit und Treue zu Hause sind, fest und rein, wie das gediegendste Silber und das reinste Gold. Ich habe sie kennen gelernt diese Bürgerfamilien des verrufenen Berlins. Vielleicht nirgend in der Welt findet man mehr Sitte und Tugend. Nur zwei Schwächen trifft man in diesen Berliner Bürgerfamilien an. Aber kann man sie wirklich Schwächen nennen? Nichts in der Welt geht ihnen über Berlin, und in Berlin geht ihnen nichts in der Welt über das Kammergericht. Aber konnte nicht der Müller von Sanssouci seinem großen Könige mit dem Kammergerichte in Berlin drohen? An solchem Ruhme kann man lange zehren. Und ist nicht Berlin jetzt noch eine schöne Stadt?
Der junge Fischer wurde zum Studiren bestimmt, denn er sollte Kammergerichtsrath in Berlin werden. Er besuchte das Gymnasium zum grauen Kloster in der Klosterstraße und dann die Universität, dem Opernhause gegenüber. Nach beendigten Studien wurde er bei dem Stadtgerichte in der Königsstraße zuerst Auscultator, dann Referendarius, dann Assessor und endlich Stadtgerichtsrath, und stand jetzt auf der letzten Stufe zum Kammergerichtsrathe.
Aber da kam ein neuer bürgerlicher Justizminister nach Berlin, der seine Karriere nicht blos in Berlin, sondern sogar meist in den Provinzen gemacht hatte. Der brachte den sonderbaren Gedanken mit, es sei nicht gut, das Kammergericht in Berlin ausschließlich mit Söhnen des märkischen Adels und mit Berliner Kindern zu besetzen. Jedenfalls müßten diese, bevor sie am Kammergerichte angestellt werden könnten, sich eine Zeit lang außerhalb der Residenz im Lande umgesehen haben. Er bemerkte auch dem Stadtgerichtsrath Fischer, er könne ihm zwar wohl eine Rathsstelle beim Kammergerichte verleihen, vorher aber müsse er sich auf einige Jahre an ein Oberlandesgericht in der Provinz versetzen lassen. Mehrere Jahre in einer kleinen Provinzialstadt [606] leben! Er, der Sohn einer Berliner Bürgerfamilie, dem folglich gleichfalls nichts über Berlin ging, und der daher noch nicht weiter gekommen war, als nach Köpenick und Potsdam, wo es königliche Schlösser zu sehen gab. Seine Frau, die aus einer gleichen Berliner Bürgerfamilie stammte, und die zudem schon als Frau Stadtgerichtsräthin unter ihren Freundinnen eine Art höheren Wesens war. Das hieß das Glück, Kammergerichtsrath und Kammergerichtsräthin zu werden, gar zu theuer erkaufen. Auf höheren Gehalt brauchte man nicht zu sehen. Die Familie Fischer war reich, und auch Madame Scholz, die Mutter der Frau Stadtgerichtsräthin, trug ihre goldene Halskette, groß und schwer wie eine Hemmschuhkette.
Fischer wurde nicht Kammergerichtsrath, bekam aber eine andere Genugthuung dafür. Er hatte einen milden Sinn, und der Herr Justizminister war der Ansicht, daß man zu Criminalrichtern nicht eben hartherzige Menschen aussuchen müsse. Freilich herrschte damals auch noch die Ansicht, daß zu der Criminalrechtspflege eben nicht die ausgezeichnetsten Köpfe verbraucht werden dürften. So wurde Fischer als Mitglied in die Criminaldeputation des Stadtgerichts oder in das Criminalgericht von Berlin versetzt. Er hatte sich schon immer gern auf Menschenkenntniß gelegt, und Lavater’s physiognomische Fragmente waren sein Lieblingsstudium. Jetzt konnte er ein ganzer Menschenkenner werden. Dabei erfuhr er täglich durch die Criminalkommissarien des Polizeipräsidiums was es Allerneuestes in der Stadt gab, und er hatte des Abends, wenn er zum Weißbier ging, oder wenn bei den Familien Fischer und Scholz Gesellschaft war, die neuesten und wichtigsten Neuigkeiten und dabei zugleich die grausigsten Criminalgeschichten zu erzählen, was Alles damals von ganz besonderem Interesse war, weil die Berliner Zeitungen zu jener Zeit über Berlin und Inland nichts schreiben durften, als was vorher die Staatszeitung geschrieben hatte, die Staatszeitung aber eben nichts darüber schrieb. Im Uebrigen trösteten er und die Familien Fischer und Scholz sich damit, daß der bürgerliche Justizminister nicht ewig Justizminister bleiben könne, und daß wieder ein Adliger an seine Stelle kommen und dann auch die alten, bessern Zeiten zurückkehren würden.
So war er immerhin ein glücklicher Mann, zugleich ein glücklicher Gatte und Vater. Seine Frau vergaß nie, daß sie nur darum Stadtgerichtsräthin und mithin unter ihren Freundinnen ein Wesen höherer Art vorstellte, weil ihr Mann Stadtgerichtsrath war, und er war wieder dankbar für diese dankbare Gesinnung seiner Frau. Er hatte zwar keinen Sohn, auf den er den Namen Fischer vererben konnte; allein dieser Name starb ohnehin nicht aus, dafür hatte er zwei liebenswürdige Töchter: Louise hieß die ältere, Charlotte die jüngere.
So wurden zu damaliger Zeit fast alle Töchter in den Berliner Bürgerfamilien getauft. Louise nach „unserer hochseligen Königin,“ Charlotte nach „unserer Kaiserin.“ „Seine hochselige Königin“ hat der Berliner auch jetzt noch nicht vergessen; die Kaiserin von Rußland nennt er aber nicht mehr „seine Kaiserin.“
Beide Mädchen hatten eine vortreffliche Erziehung genossen, zuerst in einer Schule, die „sogar von einer adeligen Dame in der Friedrichsstraße“ gehalten wurde; dann in dem Bormann’schen Institute in der Schützenstraße. In ihrem neunzehnten Jahre war Louise glückliche Braut; Charlotte, kaum sechzehn Jahre alt, versicherte, an das Heirathen noch nicht zu denken.
Da kam das unglückliche Jahr 1848, und zerstörte auch einen großen Theil des Glückes des Stadtgerichtsraths Fischer. Er war guter Patriot. Schon über das Patent vom 3. September 1847, die Bildung des vereinigten Landtages betreffend, hatte er deshalb den Kopf geschüttelt. Preußen ein konstitutioneller Staat! Wer könnte sich Friedrich den Großen als konstitutionellen König denken? Weder seine Frau noch seine Kinder hatten deshalb hingehen und zusehen dürfen, als der vereinigte Landtag das erste Mal eröffnet wurde. Als er aber zum zweiten Male im Anfange des Jahres 1848, zusammenberufen war, hatte der in der Luft dieses Jahres liegende Ansteckungsstoff des Revolutionsfiebers wenigstens seine Frau schon so inficirt, daß sie trotz seinem Verbote hinging, die Eröffnungsfeier anzusehen. Es erging ihr indeß, wie dem verewigten Landtage; sie erkältete sich, bekam eine Lungenentzündung, und starb nach kurzer Frist.
Im März brach die Revolution aus, in die der Herr Stadtgerichtsrath sich gar nicht finden konnte; und im April traf ihn ein anderes Unglück. Der Bräutigam seiner Tochter, ein Kammergerichtsassessor von Thilo, hielt sich zur demokratischen Partei; dies empörte ihn. Eines Abends, als der junge Mann, wie täglich, bei ihm zum Abendessen war, warf er ihm seine nichtswürdigen Gesinnungen, und daß alle Demokraten Verräther seien, vor, und als der Hitzkopf das nicht zugeben wollte, warf er ihn selbst zur Thüre hinaus, alles Bittens, Flehens und Weinens seiner Töchter ungeachtet; ja machte am andern Morgen den beiden Familien Fischer und Scholz feierlich bekannt, daß die Verlobung seiner ältesten Tochter Louise mit dem Kammergerichtsassessor von Thilo aufgehoben sei.
Sie blieb aufgehoben. Wie nachgiebig der gutmüthige Mann in allen andern Dingen war, namentlich nach dem Tode seiner Frau, der jüngeren Tochter gegenüber, in Beziehung auf die Revolution und Alles, was damit zusammenhing, war er in dieser Sache unerbittlich und unerschütterlich. Ein Demokrat könne sein Kind nur unglücklich machen, dabei blieb er. Gewissermaßen sollte er eine Rechtfertigung erhalten. Der Kammergerichtsassessor von Thilo, ein reicher junger Mann, hatte seinen Abschied genommen, um ganz unabhängig zu sein, und sich nun offen in den Strudel der Politik geworfen, und von diesem so weit forttreiben lassen, daß er in Dresden, in der Pfalz und in Baden mitkämpfte. Es ward daher eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet, und er wurde wegen Hoch- und Landesverrath zum Tode verurtheilt. Zwar nur in contumaciam, denn er war glücklich in das Ausland entkommen, und hatte auch sein Vermögen, ehe es mit Beschlag belegt wurde, aus dem Lande ziehen können. Aber der Stadtgerichtsrath Fischer hatte es jetzt schwarz auf weiß, daß er ein Verräther sei, der seine Tochter nothwendig hätte unglücklich machen müssen. Wie sehr er selbst dazu beigetragen hatte, den jungen Mann, der seine Braut eben so leidenschaftlich liebte, wie sie ihn, unglücklich zu machen, daran dachte er nicht.
Die arme Louise härmte sich indeß ab. Die Revolution wurde zwar bezwungen, aber von dem was mit und an ihr hing, blieb so Manches! Namentlich arbeiteten bei dem Criminalgerichte immer eine Menge Kammergerichtsassessoren, und der Stadtgerichtsrath Fischer konnte nun einmal nicht umhin, wie den Namen Thilo, so den Titel Kammergerichtsassessor mit der Revolution zu identificiren. Allerdings ein Irrthum, wie man zugeben muß. Zudem wurde noch immer kein adeliger Justizminister wieder angestellt, und er hatte mithin keine Aussicht, Kammergerichtsrath zu werden. Ja, durch die Verordnung vom 2. Januar 1849 war gar der Name Kammergericht ganz beseitigt, und das Kammergericht zu Berlin hieß fortan Appellationsgericht, wie jedes Obergericht in der Provinz, und seine Mitglieder waren einfache Appellationsgerichtsräthe.
Darüber faßte ihn eine Art Verzweiflung; er nahm seinen Abschied, erhielt diesen, und zwar, da er lange gedient hatte und ein patriotischer Mann war, auch keine Pension verlangte, sogar mit dem Titel Geheimer Justizrath.
Berliner Geheimerath! Ueber ihn ging jetzt nur sein Präsident, wenn er noch einen gehabt hätte, ein Minister – eigentlich nur ein vormärzlicher –, ein General, ein Prinz und der König. Aber er war dennoch nur halb glücklich. Die Gesundheit seiner ältern Tochter schwand immer mehr dahin, und die jüngere war in der neueren Zeit manchmal so sonderbar übellaunig geworden. Wichtige Neuigkeiten konnte er nicht mehr erzählen, sondern sich nur welche erzählen lassen, und zwar in Wein- oder Bierhäusern, bei Gaspari in der Königsstraße oder bei Schwarze an der Leipziger- und Friedrichsstraßenecke, und da waren es nur die naseweisen, revolutionairen Kammergerichtsassessoren, die sie erzählten.
Das Kammergericht zu Berlin war unterdessen wieder hergestellt, und von Anbringen alter, und Sammeln neuer Menschenkenntnis; war gar nicht mehr die Rede. „Die verdammte Revolution!“ weiter hörte man fast gar nichts mehr von ihm.
So war das Jahr 1852 herbeigekommen. Es war im Sommer dieses Jahres, als eines Mittags gegen ein Uhr die beiden Töchter des Geheimeraths Fischer in dem Familienzimmer mit weiblichen Arbeiten beschäftigt saßen. Der Vater war bei Schwarze, um „ein Bairisches“ zu trinken. Die Arbeiten der Damen sind dafür da, Träumen und Plänen der schönen Arbeiterinnen [607] einen desto leichteren, höheren Schwung zu geben. Auch die beiden Berliner Geheimerathstöchter träumten und machten Pläne; ernst und traurig die ältere, fröhlich und lustig, nach ihren Mienen, die jüngere.
Es wurde rasch und laut die Hausklingel gezogen; die beiden Mädchen fuhren fast in die Höhe. Gleich darauf meldete der Bediente:
„Herr Kammergerichtsassessor Hartmann!“
Fräulein Charlotte wurde erst roth, dann blaß.
„Mein Gott, welche Unvorsichtigkeit! Der Vater kann jeden Augenblick zurückkommen.“
Der Kammergerichtsassessor Hartmann, ein junger, hübscher Mann, mit einem nicht minder kecken und schelmischen Gesichte, wie Fräulein Charlotte, war schon eingetreten. Die ältere Schwester Louise hatte gleichzeitig mit einem schweren Seufzer das Zimmer verlassen.
„Herr Hartmann, wie können Sie –?“
„Fräulein Charlotte, ich bin sehr eilig.“
„Ich bitte darum.“
„So, Sie bitten darum, mein Fräulein?“
„Ja, ja, Sie hören es.“
„Fräulein, ich erhalte so eben einen Brief, in dem dieser Brief an Sie eingeschlagen war.“
Er übergab ihr einen Brief. Fräulein Charlotte besah Aufschrift und Petschaft. Sie erblaßte und zitterte.
„Mein Gott, der Brief kommt –?“
„Aus der Schweiz, mein Fräulein.“
„Von Herrn –?“
„Von meinem Freunde Thilo.“
„Er ist ja in Amerika.“
„Seit acht Tagen in der Schweiz.“
„Welche Tollkühnheit.“
„Die Liebe, mein Fräulein! – Die Liebe, Fräulein Charlotte, wagt Alles.“
„Auch die Liebe des Kammergerichtsassessors, mein Herr?“
„Liefert mein Freund nicht den Beweis?“
„Er war Kammergerichtsassessor.“
„Fräulein, darf ich heute Abend wieder herkommen?“
„Wozu, mein Herr?“
„Um Ihre Befehle zu holen. Ich reise morgen nach der Schweiz.“
„Meine Schwester wird Sie annehmen.“
„Nicht auch Sie?“
„Wir werden sehen.“
Der junge Mann nahm die Hand der jungen Dame und drückte sie an seine Lippen. Er mußte so etwas von einem Gegendrucke gefühlt haben, denn in seinem Gesichte strahlte Glück, als er das Zimmer verließ, und sie sah ihm erröthend und träumend nach.
Sie brach den Brief auf. In einem Couvert an sie lag ein Brief für ihre Schwester; sie rief sie wieder herein.
„Louise, ein Brief für Dich.“
„Für mich? Von wem?“
„Setze Dich zuerst auf das Sopha, Du möchtest mir sonst hier mitten in der Stube umsinken.“
„Von ihm?“
„Von ihm.“
Sie führte die Schwester zum Sopha, gab ihr den Brief und verließ das Zimmer, um die Lesende nicht zu stören, auch wohl selbst nicht gestört zu werden. Sie machte Pläne, und um solche ungestört machen zu können, mußte sie wieder eine weibliche Arbeit haben, ging in das Visitenzimmer, und ordnete und putzte.
Nach einer Weile kam der Geheimerath Fischer nach Hause. Er war verstimmt, ging in das Familienzimmer und sah dort seine älteste Tochter, blaß, abgehärmt, die weinenden Augen gen Himmel gerichtet, und wurde noch verstimmter, ging dann weiter, um seine jüngste Tochter zu suchen. Wenn er früher zu Hause kam, hatte er seine Frau gesucht, um auszusprechen, was er auf dem Herzen hatte. Jetzt war Fräulein Charlotte die Hausregentin. Er fand sie mit Ordnen und Putzen noch beschäftigt; mit ihren Plänen schien sie im Reinen zu sein.
„Charlotte, die Louise sitzt wieder allein.“
„Leider, Vater.“
„Sir weint wieder.“
„Leider, Vater.“
„Die verdammte Revolution! Auch diese Kammergerichtsassessoren werden alle Tage naseweiser. Man kann bald gar nicht mehr zu dem Schwarze gehen.“
„Ich weiß etwas Anderes, wohin Sie gehen könnten.“
„Wohin denn?“
„Vater, für die arme Louise muß etwas geschehen.“
„Was soll das?“
„Sie härmt sich ab; ich will Sie nicht ängstigen, aber wenn nicht bald –“
„Ja, ja, Du hast Recht. Sie ist zwar verblendet und sollte sich im Grunde glücklich schätzen; aber man muß etwas für Sie thun.“
„Und auch Sie, lieber Vater, bedürfen der Zerstreuung.“
„Ich?“
„Sie sind mager geworden.“
„Wer kann bei solchen Zeiten fett werden?“
„Sie sind noch nie aus Berlin herausgekommen.“
„O doch, ich war in Köpenick und Potsdam.“
„Aber nicht weiter. Väterchen, lassen Sie uns eine Reise machen.“
Der Geheimerath erstarrte fast. „Mädchen, bist Du toll?“
„Man sieht so viel Schönes!“
„Schönes? Außerhalb Berlin? Nichts geht über Berlin.“
„Bitte, lieber Vater.“
„Nichts da. Ich will Euch lieber eine Sommerwohnung Miethen.“
„Eine langweilige Berliner Sommerwohnung.“
„In der Thiergartenstraße beim Hofjäger; oder, wenn Ihr das Wasser vorzieht, bei Moabit, bei Charlottenburg, bei dem Beer’schen Etablissement; wo Ihr wollt.“
„Ach, ich hatte mir das Reisen so schön gedacht, für Sie, und die arme Louise. Wir hätten schöne Gegenden gesehen.“
„Unser Thiergarten ist eine sehr schöne Gegend.“
„Wir hätten hohe Berge erstiegen.“
„Ich fahre mit Euch nach den Pichelsbergen.“
„Wir wären auf reizenden Seen gefahren.“
„Ich miethe Euch eine Gondel auf dem Rummelsburger See.“
Die Tochter stampfte über solche ungewohnte Hartnäckigkeit mit dem Fuße. Den Leser, der hier vielleicht an die Sitte und Tugend der Berliner Bürgerfamilie zurückdenken wollte, bitte ich zu erwägen, daß er einer Scene aus dem Leben einer Berliner Geheimerathsfamilie beiwohnt.
„Ich wenigstens gehe nicht mit,“ sagte Fräulein Charlotte, während sie mit dem Fuße stampfte; „weder in den Thiergarten, noch zu den Pichelsbergen, noch zu –. Sie werden die arme Louise da draußen allein begraben müssen, im Sande oder gar in jenen trüben Wellen. Das –“
„Aber, Charlotte, sprichst Du im Ernst?“
„Zweifeln Sie daran?“
„Wohin sollten wir denn reisen, mein Kind?“
Endlich konnte Fräulein Charlotte triumphiren. „Ah, Vater, das ist mir ganz gleichgültig. Ich suche nur Ihre und Louise’s Zerstreuung.“ Sie erschrak daher auch nicht, als der Vater fragte: „Meinst Du denn nach Mecklenburg oder Pommern?“
„Es ist so sehr flach da,“ antwortete sie nur leicht.
„Aber es gibt dort fruchtbare Gegenden, und man sieht das Meer. Man hat also da doch etwas, was man bei uns in Berlin nicht findet.“
„Aber auch schreckliche Langeweile.“
„Welche Gegend würdest Du denn vorziehen?“ fragte der einmal vom Zuge des Nachgebens fortgerissene Vater.
„Was meinen Sie zu einer Rheinreise, Vater?“
„Es soll hin und wieder ganz hübsch dort sein.“
„Und bei Basel kommt man in die Schweiz.“
Der Geheimerath fuhr doch etwas auf. „Nicht in die Schweiz. Daraus wird nichts.“
„Es ist so schön dort, Vater.“
„Das verstehst Du nicht.“
„Ich bitte Sie, Vater –“
„Der naseweise Bursch, der Kammergerichtsassessor Hartmann, will auch hin.“
[608] „Wir reisen ja nicht mit ihm.“
„Und sodann – alsdann – jener schlechte Mensch, jener Verräther –“
„Von wem sprechen Sie?“
„Soll ich den Namen des Menschen noch nennen, der Deine Schwester unglücklich gemacht, sein Vaterland verrathen hat?“
Fräulein Charlotte wurde doch unruhig, zumal da sie nicht geradezu lügen wollte. „Sie meinen, er sei in der Schweiz?“ fragte sie listig.
„Die sämmtlichen Flüchtlinge sind da.“
„Aber nach den letzten Zeitungsnachrichten – die Wahrheitsliebende betonte das Wort Zeitung – ist er in Amerika.“
„Diese Revolutionäre sind überall.“
„Aber, Vater, er ist zum Tode verurtheilt“
„In der Schweiz sind Subjekte, die zwei, drei Mal zum Tode verurtheilt sind.“
Die Dame stimmte einen andern Ton an. Sie mußte zum Ende kommen. „Vater,“ rief sie verwundert, „Sie fürchten sich doch nicht vor jenen Menschen in der Schweiz? Sie waren Criminalrichter –.“
Der Geheimerath lachte; er lachte stolz, und konnte es, denn er hatte in seinem Amte keinen Menschen gefürchtet, nicht einmal seinen Präsidenten und Minister. Er hatte nur seine Pflicht gethan und haßte nur die Revolution und die Kammergerichtsassessoren, die er mit ihr identificirte.
„Ich wußte es,“ sagte Fräulein Charlotte, nicht minder stolz. Und mit einer ihr eigenthümlichen, vielleicht, vorgesehen ihre Lage, auch einem Professor der Philosophie einleuchtenden Logik, setzte sie hinzu: „Also, wir reisen in die Schweiz, Väterchen?“
Dem Vater mochte die Logik nur halb einleuchten. „Aber Charlottchen –“
„Das ist schön, das ist herrlich.“
„Aber Mädchen –“
„Wie freue ich mich –“
„Aber wir müssen die Sache doch noch überlegen, mein Kind –“
„Gewiß, gewiß. Gleich bei Tische. Befehlen Sie, daß ich auftragen lasse?“
„Thue das, es ist schon spät.“
Fräulein Charlotte eilte zuerst zu der ältern Schwester. „Erschrick nicht, Louise!“
„Was gibt es wieder?“
„Wir reisen in die Schweiz.“
Die beiden Schwestern lagen einander weinend in den Armen, doch Fräulein Charlotte nur einen Augenblick. Sie eilte weiter in die Küche und ließ auftragen.
Drei Tage später saß der Geheimerath Fischer mit seinen beiden Töchtern auf der Eisenbahn, die von Berlin über Magdeburg, Braunschweig, Hannover, Minden nach Köln führt. Von da fuhren sie mit dem Dampfschiffe den Rhein hinauf.
Die beiden Töchter waren glücklich; nicht ganz so der Geheimerath. Zuerst machten ihm Land und Gegend viel zu schaffen. In der Nähe von Berlin ging es noch an.
„Wie schön liegt der Thiergarten da,“ sagte er zufrieden; „und der Kreuzberg ist doch ein stattlicher Berg.“ – Auf der Haide von Großbeeren sagte er: „die Fichten wachsen doch recht ansehnlich hier.“ Auf der Trebnitzer Haide aber, als der graue, dicke Thurm von Trebnitz über die „ansehnlichen“ Fichten herübersah: „Und welche romantische Stellen unsere schöne Mark hat!“ Immer aber blieb er dabei: „Ueber Berlin geht doch nichts!“
Allein bei Coswig fing sein Verdruß an, und er mußte auch nach anderen Trostgründen suchen und greifen. Als er durch den schönen Park von Wörlitz fuhr, recitirte er den Vers von den Felsen, die man nicht in die Tasche stecken, und von den Seen, die man nicht durch die Hunde solle aussaufen lassen. In Braunschweig und Hannover aber rief er: „Eigentlich sind diese Länder doch nur preußische Enclaven und wer weiß, in wie langer oder kurzer Zeit – !“ Er schwieg mit einer wichtigen Miene.
Als er bei Minden, an der schönen Weser, an der herrlichen Porta Westphalica wieder auf preußisches Gebiet gekommen war, hatten jene patriotische Gedanken schon Vieles zur „Vermittelung“ in seinem Innern beigetragen. „Ganz Preußen gehörte ja eigentlich nur zu Berlin, wie ja auch das große römische Reich nur die erweiterte Stadt Rom gewesen war.“ Dieser Trost geleitete ihn weiter und verließ ihn nicht in dem schönen Düsseldorf, in dem majestätischen Dome zu Köln, in dem reizenden Siebengebirge, in dem lieblichen Koblenz, auf dem großartigen Ehrenbreitenstein, auf dem ganzen schönen Rheinstrome, zwischen allen den malerischen Bergen, Thälern und Ruinen.
Aber dieser Trost konnte nur anhalten bis Bingen. Da kam er wieder in fremdes Land. Und mit jedem Schritte auf dem Lande, und mit jeder grünen Welle, die der mächtige, herrliche Strom ihm entgegenwälzte, wurde die Gegend reicher, schöner, großartiger, die Berge romantischer, die Thäler heimlicher, die Ruinen malerischer. Das Herz that ihm weh.
Noch einen glücklichen Augenblick hatte er in Mainz. Er sah dort wieder preußische Uniformen, und er hörte dort jenen mythischen Major auf der Schiffbrücke, der, als alle Welt den herrlichen Sonnenuntergang und die goldene Pracht bewunderte, in welcher die alte Stadt mit ihrem Dome, der breite Rheinstrom, die gegenüberliegenden Berge, die Spitzen des Taunus, die breiten Rücken und hohen Felswände der fernen Rheinberge, der weiße Johannisberg und hinten in weiter Ferne der Donnersberg dalagen, da in begeistertem Zorne ausrief: „Ei was, meine Damen und Herren, das sollten Sie bei uns in Berlin sehen!“
Hinter Mainz war es vorbei. Einen andern Verdruß machte ihm seine Menschenkenntniß. In seiner Brust trug er eine neue Ausgabe von Lavater’s physiognomischen Fragmenten, verbessert und vermehrt mit den Erfahrungen und daraus hergeleiteten Abstraktionen des Berliner Inquirenten; und zugleich seitdem er einmal auf Reisen war, des Touristen, der aus Berlin kam, aus der Stadt, über die nichts in der Welt ging. So hielt er schon gleich hinter Jüterbogk einen jungen Mann, der dort in das Eisenbahncoupe einstieg, für einen Dieb, der aus der Strafanstalt zu Brandenburg entsprungen sein müsse, weil der Mann mit einem scheuen, verschleierten Blicke einstieg und Niemandem gerade in das Auge sehen konnte.
„Eine echte Zuchthausphysiognomie,“ flüsterte er seiner jüngsten Tochter zu. „Ich kenne diesen verschleierten Blick, der schillert und verschwindet, wie eine grüne Eidechse im Laube. Sie scheinen immer halb nach den Taschen ehrlicher Leute, halb nach dem Galgen zu schielen.“
„Aber Vater,“ erwiederte Fräulein Charlotte; „es ist ja ein ganz anständiger junger Mensch. Sehen Sie nur die gute Kleidung, die schneeweiße Wäsche und die feinen Hände.“
„Ich versichere Dich, Charlotte, ich kenne die Menschen; wer weiß, wo der Kerl schon wieder gestohlen hat.“
Aus der nächsten Station stieg eine adelige Dame in das Coupé; es war kein Zweifel über ihren Stand, denn ein Major in voller Uniform, der sie bis an den Wagen begleitete, nannte sie meine gnädigste Frau. Die gnädige Frau kannte den jungen Mann, und es wies sich aus, daß er ein Kandidat der Theologie war, der seine Probepredigt in einem benachbarten Dorfe halten wollte.
Am schlimmsten erging es ihm am Rhein. Auf dem Dampfschiffe spazierte sehr breit auf und ab ein spitzer, hagerer Herr, eine dicke, breite ältere und eine schiefgewachsene jüngere Dame. Alle drei hatten gelbe Gesichter, schwarze Augen, schwarze Haare, lange, dicke Nasen.
„Eine spanische Grandenfamilie,“ flüsterte der Geheimerath seiner Tochter zu. „Die kastilische Gesichtsbildung, der südliche Teint, die stolze Haltung lassen keinen Zweifel.“
„Aber Vater, es ist eine Frankfurter Judenfamilie; ich habe sie vorhin unter sich sprechen hören.“
„Das verstehst Du nicht. Was verstehst Du von der Frankfurter Sprache? Du warst nie dort.“
Gerade redete ein junger jüdischer Reisender die Familie in Frage an: „Herr Ellwanger, Madame Ellwanger, freue mich sehr, Ihne wohl zu sehen! Auch das Fräuleinche!“
„Schon bricht der Hochzeittag herein,
Ein Tag der Lust und Freude, –
Wach auf, mein holdes Töchterlein,
Daß ich Dich festlich kleide!“ –
„Willst Du Dein Kind verstoßen?! –
„Was hab’ ich von der Jugendzeit,
„Vom Rosenlenz genossen?!
„O, Mütterlein, hilf Deinem Kind!
„Ich keine Ruh’ auf Erden find’,
„Kann beten nicht und schlafen.“
„In stiller, heil’ger Einsamkeit,
Entfernt vom Weltenwogen,
Hab’ ich Dich aufgezogen.
„Ich hielt mein Röslein lang’ versteckt,
Und dennoch fiel’s am Ende
Dem kühnen Ritter, bald entdeckt,
„Hör’, Kind, Du bist von Gott erseh’n,
In Glanz und Pracht zu leben,
Die Demuth will er jetzt erhöh’n,
Und Dich schon hie’ erheben.“
„Hab’ mir’s ja selbst gesponnen,
„Ich webt’ es selbst, und trug’s hinaus,
„Und bleicht’ es an der Sonnen.“ –
„Und nimmt der furchtbar schöne Mann,
„Auch meine Hand, – das Herze kann
„Ich nimmermehr ihm geben.“
„Schau her, ein Rock von Goldbrokat
Mit blauen Sammetschleifen!
Die gold’nen Spang’ und Reifen.
„Nicht schlechte Myrthe sei Dein Kranz,
Wie Du sie zogst im Töpfchen.
Ein güld’ner Zweig und Demantglanz
„Ein seid’ner Strumpf, o welche Lust!
Und kleine Atlasschuhe!
Des Grafen Jäger bracht’ es just
In jener blanken Truhe.
Betreßt mit neuer Borde,
Doch schien er traurig und gedrückt,
Sprach finster diese Worte:
„Da schickt der Graf das Hochzeitkleid,
„Daß sich sein glücklich Auge heut’
„An seinem Bräutchen weide.
„Sprecht, schlummert Eure Tochter noch?
– „Wohl ihr! – Und sagt, ich ließe
„Und viele heiße Grüße.
„Sagt ihr, sie möcht’s zur Hochzeitgab’
„Von ihrem Diener nehmen,
„Der würde bald in’s kühle Grab
„Ich dachte: „Was der Narr wohl will?!“
Warf’s Sträuschen vor die Thüre! - - -
Doch, Kind, Du wirst so bleich, so still?
Preßt Dich das Bandgeschnüre?!
Vom Berge schon herunter,
Es lenkt der Graf das schönste Roß,
Und Allen jubelt munter.“
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Und nah der Hütte wird es laut,
Der Graf begrüßt das Haus der Braut
Mit wallendem Barette.
Und Orgelton und Glockenklang
Tönt fern von der Kapelle,
Die Jungfrau von der Schwelle.
Doch zögernd bleibt sie noch zurück,
Ein Schau’r durchzuckt die Glieder,
Und suchend sinkt der schöne Blick
Was bringt sie aus dem Staub heraus?
Sie scheint dabei zu beten!
Es ist der welke Blumenstrauß,
Von Rosseshuf zertreten!
So wird mein Herz gebrochen!“
Sie seufzet tief und denkt an ihn,
Dem Treue sie versprochen.
Und ehe noch ein Jahr verfloß,
Liegt sie im stolzen Grafenschloß
Verblühet auf der Bahre.
Ihr Herze brach, ihr Leid ist aus,
Gott hört’ ihr endlos Beten. –
„Von Rosseshuf zertreten.“
Die Schlacht bei Jena und Auerstädt.
Einen Tag nach der Schlacht.
(Schluß.)
Am nächsten Morgen früh, um sechs Uhr ungefähr, ertönte der Allarmschuß. Es war der 14. Oktober. – Die Höhen entleerten sich größtentheils von Kriegern. Sie zogen nach dem Engpasse von Kösen, welchen die Preußen unbegreiflicher Weise gar nicht besetzt hatten; denn da das preußische Hauptquartier in dem von dort nur einige Stunden entfernten Auerstädt war, so hätte die erste Sorge des Kommandirenden sein müssen, dem Davoust’schen Korps den Zuzug durch Besetzung jenes Passes zu wehren, der so beschaffen ist, daß schon eine geringe Truppenzahl eine ganze Armee aufhalten kann; und einen andern Weg nach Auerstädt gibt es gar nicht, wenigstens keinen für eine Armee passirbaren. Oder war es in dem preußischen Hauptquartiere ganz unbekannt geblieben, daß im Rücken oder vielmehr zu seiner linken Seite Davoust stand? Man muß es fast annehmen, wenn man die preußischen Generale nicht der Nachlässigkeit oder der Kriegsunkunde zeihen will. Die Franzosen freilich waren durch ihre Spione gut bedient und ich sprach in der Folge einen derselben, welcher versicherte, unter dem Passe eines Handlungsreisenden in Naumburg gewesen zu sein, als noch das königliche Hauptquartier in der Stadt gestanden hätte. Er habe sich Alles besehen und ausgekundschaftet. Man äußerte damals fast allgemein, daß übelangebrachte Sparsamkeit die Ursache gewesen sei, warum die Preußen keine Spione gehabt hätten. Oder war es vielleicht zu großes Selbstvertrauen, welches sie in’s Verderben führte?
Den Ausgang der Doppelschlacht von Jena und Auerstädt am 14. Oktbr. kennt Jeder und darum füge ich auch nur hier rein Lokales hinzu, was ich selbst gesehen und erlebt habe.
Nach dem Abzuge des Gros der Truppen aus der Stadt und deren allernächsten Umgebung schwebte Naumburg in banger Erwartung der Dinge, die da kommen sollten; denn es drohten ja noch von den Höhen herab die schwarzen ehernen Schlünde und aus der Ferne vernahm man den Donner der beginnenden Schlacht; auch selbst das Gewehrfeuer ließ sich deutlich vernehmen. Gruppen ängstlich horchender Bürger standen auf den Gassen umher und theilten sich ihre Befürchtungen oder die Drangsale mit, welche sie bereits hatten erdulden müssen. Mehrere wagten sich vor die Stadt hinaus auf dem Wege nach dem Dorfe Altenburg – (in der Volkssprache Almrich genannt) – welches eine halbe Stunde vor der Stadt nach Schulpforta und Kösen zu liegt. Ich schloß mich denselben an; allein man sah und hörte da natürlich nicht mehr als in der Stadt selbst. Unbefriedigt ging ich daher allein weiter, um dem Schauplatze der Schlacht etwas näher zu kommen. Ich nahm meinen Weg über die Höhe zuerst nach dem sogenannten Tannenwäldchen [611] über Almrich, und von dort herüber nach den Bergen von Schulpforta. Durch den die Höhen bekränzenden Wald gelangte ich vorn, nach mühseligem Klettern, an die äußerste Kante diesen Höhenzuges, vor welchem sich das Kösener Thal öffnet und wo man, dem Engpasse von Kösen schräg gegenüber stehend, die jenseitigen Höhen deutlich übersehen kann. Da vernahm ich den Geschützdonner und das Pelotonfeuer der Kämpfenden so deutlich, als wenn es kaum eine Viertelstunde weit entfernt wäre; ja ich sah sogar die Rauchsäulen von den weniger entfernt stehenden abgefeuerten Geschützen emporsteigen und glaubte mich nicht zu täuschen, daß einzelne Kugeln krachend drüben am Felsenrande einschlugen, vielleicht preußische, gegen das Davoust’sche Korps gerichtete.
Gegen zehn Uhr ungefähr schien eine Entscheidung eingetreten zu sein; denn seltener krachten die Kanonen und die Gewehrsalven, und aus größerer Ferne. Es war vermuthlich die Zeit, wo der Herzog von Braunschweig verwundet worden war, so daß das preußische Heer, seines Oberanführers beraubt, in Unordnung kam und seinen Rückzug begann, der bald zur Flucht wurde, da man keinen Sammelplatz bestimmt hatte. Der greise Herzog soll überhaupt zu sehr den Geheimnißvollen gespielt und Warnungen und Nachrichten, namentlich von Thielemann ihm zugekommen, in den Wind geschlagen haben, so sehr war er seiner Sache gewiß.
So stand ich denn, meine Augen auf den verhängnißvollen Paß gerichtet. – Was ist das, was sich dort von der Höhe herabbewegt? Sind es Flüchtlinge, welche dem Kampfe entgehen wollen? Wird ihnen vielleicht bald eine Heeresabtheilung folgen? – Ich wartete die Entscheidung nicht ab, da ein längeres Verweilen mir sehr unheilvoll werden konnte, sondern eilte zurück durch den Wald und langte wieder auf dem gebahnten Wege an, welcher sich oberhalb von Schulpforta dicht an dessen Mauern unter den Bäumen hinzieht und von welchem man, weiterhin in’s Freie gelangt, herabschauen kann auf die unten vorbeiführende Heerstraße. Hier erhielt ich durch den Augenschein die Antwort auf meine zweifelnden Fragen; des waren die Leichtverwundeten, welche aus der Schlacht kamen, um in der Stadt Verpflegung und Heilung zu suchen. Langsamen Schrittes zogen sie im bunten Gemisch: Franzosen, Preußen und Sachsen neben einander her; vergessen war alle Feindseligkeit, das gleiche Schicksal hatte sie ausgesöhnt.
Die Vordersten waren jedoch lauter Franzosen. Ich war, da Verwundete mir nicht gefährlich schienen, hinab auf die Chaussee gegangen und erkundigte mich bei ihnen um den Stand der Dinge. Sie glaubten, die Schlacht wäre von den Franzosen verloren; die Preußen hätten mit Kettenkugeln geschossen und ganze Glieder niedergestreckt. Allein die später Nachfolgenden brachten die Nachricht von der Niederlage des preußischen Heeres.
Schneller als die Verwundeten eilte ich nun zur Stadt, die sich binnen ein paar Stunden mit Tausenden derselben füllte, welche sich zuerst auf den öffentlichen Plätzen lagerten, bis sie untergebracht werden konnten; denn für Lazarethe war im Voraus nicht genügend gesorgt worden. Naumburg wurde nun ein großes Lazareth; alle Kirchen, bis auf eine (ich kann mich aber nicht mehr genau entsinnen, welche), wurden den Verwundeten eingeräumt und viele größere Privathäuser den Offizieren.
Einen ergreifenden Anblick hatte ich vor dem Salzthore. Hier lagen auf dem damals seitwärts sich befindenden Rasenflecke drei verwundete sächsische Kürassiere. Das Blut hatte ihre weißen Koller gefärbt. Ihre bleichen Gesichter umlagerten, so schien es, bereits Schatten des Todes. Sie hielten sich gegenseitig mit den Armen umschlungen. – „Wasser! Einen Trunk Wasser!“ jammerte der Eine mir zu, als er mich in der Nähe bemerkte. Ich eilte, was ich konnte, um sein Verlangen zu stillen, und der erquickende Trunk, den er mit seinen Kameraden theilte, belebte auch diese wieder. „Ist denn kein Lazareth in der Nähe? O Gott! wir sterben, wenn uns nicht bald Hülfe wird!“ so sprach Jener, der mich zuerst angerufen hatte. Ein alter Feldscheer, den ich kannte, wohnte in der Nähe. Zu ihm lief ich, schilderte ihm in kurzen Worten die Lage der Landsleute und bewog ihn, mir zu folgen. Mit dem am schwersten Verwundeten machte er den Anfang; allein seine bedenkliche Miene deutete an, daß da wenig Hoffnung wäre; nur mit vieler Mühe konnte er das bei der Untersuchung der Wunde von Neuem strömende Blut stillen. Ehe der Verwundete fortgeschafft werden konnte, starb er. Die an und für sich nicht sehr gefährliche Wunde war, wie der alte Feldscheer äußerte, durch die gemachte Anstrengung zu einer tödtlichen geworden. Die beiden Andern wurden gerettet. Ein paar mitleidige Bürger hatten sich ihrer erbarmt und sie bei sich aufgenommen. Der Eine dieser Bürger hatte selbst einen Sohn bei der sächsischen Armee und that an dem Fremden, was er wünschte, daß seinem Sohne in ähnlicher Lage widerfahren möchte.
Die bald erscheinenden französischen Bulletins gaben den Verlust von ihrer Seite wie gewöhnlich als sehr gering an; er war doppelt, ja wohl dreifach größer, da in Naumburg allein an Leichtverwundeten mehr als die angegebene Zahl sich einfanden. Und dies waren ja überdies nur Solche, welche wegen der Nähe der Stadt von einem Theile des Schlachtfeldes diese entweder selbst noch hatten erreichen können oder an beiden auf die Schlacht folgenden Tagen vom Schlachtfelde dahin hatten transportirt werden können. Wie groß mußte also die Gesammtzahl der Verwundeten und Getödteten bis nach Jena hin sein!
Ein paar Tage nach der Schlacht wurde an den Thoren der Stadt ein in deutscher und französischer Sprache abgefaßtes Manifest angeschlagen, welches verkündigte, daß der Kurfürst von Sachsen mit dem Kaiser von Frankreich einen Separatfrieden abgeschlossen habe, und so war das Eigenthum gegen Plünderung und Erpressung gesichert. Aber was half das? Es begannen nun die lange Zeit nicht endenden Einquartierungen und Requisitionen, und da Naumburg unglücklicher Weise an einer der Hauptstraßen liegt, wo damals Truppen marschirten, so kann man sich leicht vorstellen, was es zu leiden hatte. Der Frieden und die bestehensollende Freundschaft schützte die Einwohner nicht gegen Mißhandlungen und Gewaltthaten der übermüthigen Sieger, welche die armen Bürger bis auf’s Blut peinigten und von ihnen forderten, was sie zu leisten gar nicht im Stande waren. Und dabei von beiden Seiten die Unkenntniß der Sprachen! Der Soldat wurde ungeduldig, wenn er sich nicht verstanden sah und brauchte nun seinen Säbel oder den Flintenkolben, um sich verständlich zu machen.
Meine wenige Kenntniß des Französischen machte mich bald für die ganze Nachbarschaft zu einer wichtigen Person; man requirirte mich als Dolmetscher, und es gelang mir auch nicht selten, den Frieden unter den Parteien herzustellen. Einmal aber ging es mir doch schlecht. In einem Hause waren drei Mann einquartiert worden, wovon der Eine schon, als er ankam, total betrunken gewesen war. Dieser hatte in einem fort krakeelt; namentlich aber war er über das Mittagsessen sehr unzufrieden, welches allerdings nur ein bescheidenes Mahl sein konnte, da der Bürger oft selbst für sich nichts hatte und mit dem besten Willen, sogar wenn er Vermögen besaß, für doppelten Preis nicht das Geforderte anschaffen konnte.
Das stellte ich denn, so gut ich immer konnte, den Soldaten vor, und die beiden Nüchternen ließen sich auch beschwichtigen; nicht so aber der Betrunkene. Ja er wurde sogar noch unbändiger, als er sah, daß seine beiden Gefährten sich beruhigten Bougre! – Que mille tonnerres vous foudroient! –Qu’un boulet de canon vous serve de savonnette! so schrie er, c’est un manger pour les cochons et non pas pour un millitaire tel que moi! Mangez – le vous – méme! – Und damit faßte er die auf dem Tische stehende Schüssel mit beiden Händen, schwankte auf mich zu und – da lag sie auf der Erde und ein großer Theil ihres Inhaltes floß an meinen Kleidern herunter. Im Nu hatte ich, nun meinerseits auch im höchsten Grade aufgebracht, den Kerl gepackt, daß er rücklings zur Erde fiel, wozu eben keine große Kraft gehörte, da er auf sehr schwankenden Füßen stand. Aber nun drangen die beiden Anderen auf mich ein und es erhob sich ein großer Tumult. Der Wirth rannte auf die Straße hinaus und schrie um Hülfe. Es würde mir schlimm ergangen sein, wenn nicht zufällig ein französischer Offizier vorbeigegangen wäre. Er trat ein und nachdem ich ihm, ein wenig zu Athem gekommen, die Ursache des Spektakels berichtet hatte und ihm namentlich durch meine beschmutzte Kleidung bewies, daß mich der Betrunkene angegriffen hatte, was die beiden Soldaten nothgedrungen bezeugen mußten, endete die Scene damit, daß der Offizier den Trunkenbold in Arrest führen ließ.
Froh, nur mit einer beschmutzten Kleidung weggekommen zu sein, eilte ich nach Hause, mich anders zu kleiden. Ich war kaum damit zu Stande, so erschien bestürzt jener Bürger, in dessen Hause ich hatte Ruhe stiften wollen, und meldete mir, der Offizier sei wieder gekommen und verlange durchaus, mich zu sprechen.
[612] Mir war nicht besonders gut zu Muthe; doch ich mußte wohl der Aufforderung genügen. Monsieur, vous-avez satisfait. – Kurz und gut, er lud mich ein, morgen beim Ausmarsche des Militairs mich einzufinden. Und was sahen da meine Augen? Der entnüchterte Soldat marschirte mit umgekehrter Uniform zur Strafe dafür einher, daß er sie entehrt hatte. Die Ehre und nicht der Stock regierte das französische Heer! Uebrigens würde er doch wahrscheinlich nicht so empfindlich für seine gegen mich begangene That bestraft worden sein, wenn er sich nicht, wie ich vom Offizier zugleich erfuhr, schon viele andere Unregelmäßigkeiten hätte zu Schulden kommen lassen.
Einige Tage nach der Schlacht (ich entsinne mich nicht mehr genau des Datums) rückte das französische Hauptquartier in Naumburg ein. Da bei der großen Unruhe an ein Schulehalten nicht zu denken war, so hatten wir Schüler volle Muße, uns herumzutreiben, und wir benutzten sie auch bestens; denn zu Privatstudien war Keiner unter solchen Umständen aufgelegt.
Auf dem Marktplatze wurden Breterbaracken errichtet, um einen Theil der den Kaiser begleitenden Garden aufzunehmen. Der ganze Marktplatz und die angrenzenden Gassen wimmelten beständig von Kriegern.
So verweilte also der Held des Jahrhunderts, der Sieger in so vielen Schlachten, dessen Adler bis nach dem Lande der Pyramiden geflogen waren, jetzt in denselben Ringmauern und in demselben alten und unscheinbaren Fürstenschlosse, welches ein paar Wochen vorher das preußische Königspaar beherbergt hatte! Welche Wandelung! Hatte vielleicht den König, als er so ernsten Angesichts vor seinen Truppen dastand, eine Unglücksahnung beschlichen, die ihm das Herz beengte? Wer kann das wissen? – Wäre der König, so hieß es späterhin, seinen Ideen allein gefolgt, so würde es vielleicht anders gekommen sein; denn diese waren die richtigeren, allein er hatte nicht Selbstvertrauen genug, um energisch durchzugreifen; er war zu bescheiden. – Nach den Ereignissen liebt es die öffentliche Meinung gewöhnlich, sich über Dinge auszusprechen, von denen sie nicht das Geringste mit Bestimmtheit wissen kann.
Daß ich, wie Alle, begierig war, den Mann zu sehen, welcher Europa’s Reiche bis in den Grund erschütterte, brauche ich nicht erst zu sagen; und ich sah ihn und zwar in einem Augenblicke, wo ich es am wenigsten gerade erwartete. Es war an einem Vormittage, wo eben sehr wenige Neugierige vor der Schloßwache versammelt waren und ich mich mit Betrachtung der verschiedenen aus- und eingehenden Offiziere beschäftigte. Das Insgewehrtreten der Wachen machte mich aufmerksam und ich erwartete nun irgend einen Marschall erscheinen zu sehen. Allein es war Napoleon selbst, welcher alsbald aus dem Eingange des Schlosses trat. Wäre mir sein Gesicht nicht schon durch die zahlreichen Abbildungen desselben bekannt gewesen, so würde mich der von allen Franzosen begeistert erhobene Ruf: „Vive l’empereur!“ davon in Kenntniß gesetzt haben. Mit raschen Schritten, die Hände auf den Rücken gelegt, durchmaß der Kaiser den kleinen Raum vor dem Portale bis zur hölzernen Barriere, die mit Linden bepflanzt war, und da ich gegenüber stand, so konnte ich jeden seiner Gesichtszüge deutlich sehen. Sein gelblicher Teint erinnerte an seine südliche Heimat; sein Auge blickte gebieterisch und doch freundlich auf seine Getreuen umher, die ihre verschiedenen Kopfbedeckungen voll Enthusiasmus schwenkten. Ein für mich ganz neues Schauspiel, was gar nicht mit der Dressur der Soldaten, welche ich bisher gesehen hatte, übereinstimmte.
Ich habe späterhin Napoleon noch einmal gesehen, wo er ein behäbiges Embonpoint gewonnen hatte; allein der Napoleon von 1806 gefiel mir doch besser. Er hatte noch nicht so viel Feierliches, ich möchte sagen, Studirtes an sich; er war noch der kleine Korporal, mit welchem sich die Soldaten beim Uebergange über die Alpen Scherze zu erlauben hatten wagen dürfen.
Wie ganz anders ging es doch in diesem französischen Hauptquartiere zu, als im preußischen! Nirgend auch nur die geringste Spur von Steifheit und Zopfthum; kein Gedanke an jene scheue, ja sklavische Furcht des gemeinen Soldaten vor seinen Oberen, wenn er nicht im Dienste war, wo der militairische Gehorsam allerdings zur vollen Geltung kam. Die Offiziere redeten vertraulich mit ihren Leuten und scherzten sogar mit ihnen. Das Beispiel des Kaisers trug gewiß viel zu diesem kameradlichen Tone bei. Und trug nicht nach Napoleon’s Ausspruche jeder gemeine Soldat die Hoffnung auf einen Marschallstab mit sich? Nur das militairische Verdienst, nicht die Geburt gab Auszeichnung, und so konnte leicht in der nächsten Schlacht sich Mancher die Epauletten verdienen, und später sich über seine bisherigen Vorgesetzten erheben, welcher jetzt noch die Muskete trug.
Der Kaiser trat mitten unter eine Gruppe Soldaten, und richtete an ein paar derselben kurze Fragen, nickte mit dem Haupte und ging dann weiter. Sein treuer Mameluck Rustan folgte überall seinen Schritten; aber auch ohne diese Bewachung war er in der Mitte seiner ihn fast anbetenden Soldaten sicher, da Jeder für ihn sein Leben zu opfern bereit war. Vor der Erscheinung des großen Corsen, auf welchen meine ganze Aufmerksamkeit gerichtet war, trat dieser Rustan in den Hintergrund, und ich achtete auf ihn erst mehr, als der Kaiser mir den Rücken beim Fortgehen wandte, und doch wäre er wohl auch werth gewesen, daß ich mir sein Bild eingeprägt hätte. So aber sah ich nur noch flüchtig seine auffallende Bekleidung, und den Schritten des Kaisers zu folgen, um auf seinen Begleiter genauer sehen zu können, wagte ich nicht.
Der Kaiser verweilte in Naumburg, so viel ich mich entsinne, kaum anderthalb oder zwei Tage. – Der Kriegsschauplatz rückte nun in die Ferne; die französischen Truppen zogen ab, und es blieb zuletzt nur noch ein kleines Depot und die große Menge der Verwundeten in den Kirchen und Privathäusern zurück.
Ein junger französischer Chirurg, dessen Bekanntschaft ich gemacht hatte, nahm mich mit in die Domkirche, wohin ihn täglich mehrmals seine Pflicht rief. Welch’ einen jammervollen Anblick hatte ich da! In den weiten Hallen dieser herrlichen Kathedrale, einem der berühmtesten Bauwerke des Mittelalters in Deutschland, lagen neben einander Hunderte von Verstümmelten. Einige schienen resignirt, Andere wehklagten und jammerten laut. Einige stießen Flüche aus. Ueberall Blutspuren und herumliegende blutige Fetzen irgend eines unbrauchbar gewordenen Verbandes u. s. w. Ich mag die Scenen, die Gesichter, die ich da sah, nicht schildern; noch bei der Erinnerung daran bebt mir das Herz. Ein ekelhafter, mephitischer Dunst war in der sonst so reinen Atmosphäre dieses Gotteshauses verbreitet. Selbst auf die Emporkirchen hatten sich manche der Unglücklichen geschleppt und waren, verlassen und ungepflegt, verschmachtet; erst der Verwesungsgeruch ihrer Leichname hatte ihre Gegenwart verrathen. Vermuthlich hatten die Armen ein ruhigeres Plätzchen suchen wollen und nicht bedacht, daß sie in ihrem Verstecke nicht aufgefunden werden konnten, da man ihre matten Stimmen in dem Geräusche unten nicht vernahm.
Der östliche Theil der Domkirche bildet den, bei dem protestantischen Gottesdienste nicht mehr benutzten, hohen Chor, wo jedoch, um dies hier beiläufig zu bemerken, nach alter Stiftung, täglich noch die katholischen lateinischen Gesänge dreimal des Tages von protestantischen Vicarien und Choralen gesungen wurden.
Auf diesem hohen Chore wurden jetzt am Altare die Amputationen etc. vorgenommen, und vier herrliche, mächtige Pergamentbände, Geschenke von Päpsten, mit den kunstvollsten Initialgemälden geschmückt, kurz, prächtige Werke alter Schreibekunst, die bisher auf den Pulten im Chore ihren Platz gehabt hatten, dienten dabei nicht selten als Unterlagen, und waren über und über mit Blut besudelt.
Tagtäglich holte der Leichenwagen aus dem Dome und den andern Kirchen, sowie aus den Privatwohnungen die Todten ab, um sie hinaus vor das Marienthor zu schaffen, wo dem städtischen Gottesacker schräg gegenüber eine tiefe, lange Grube gegraben war, welche sie aufnahm. Vier- und fünffach wurden da die Leichen aufeinander geworfen, und die Schichten mit Kalk bedeckt, bis der Raum gefüllt war. Man sprach von 1500, welche nach und nach hier ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Noch mehrere Jahre nachher zog sich über das wieder beackerte Feld ein Streif von üppiger als anderwärts grünenden Saaten hin und bezeichnete diese weiten Gräber.
Krankheiten in der Stadt waren die Folge der Aufhäufung so vieler Verwundeten, und manche Familien starben fast ganz aus. Nach und nach entleerten sich die Stätten des Elends, und nur aus weiter Ferne noch ertönte der Kriegeslärm, bis der Friede von Tilsit den Ländern eine verhängnißvolle Ruhe verschaffte. Der Rückmarsch der Sieger kostete aber noch Sachsen wie Preußen ungeheure Opfer an Hab und Gut.
[613]Der Lazarus in der Matratzengruft.
Es war ein prächtiger Sommertag des Jahres 1850, als ich über die Boulevards von Paris entlang der Madeleinenkirche zuging. In jenem langsamen Tempo, welches sich wie ein Resultat des Wohlbefindens und der Behaglichkeit von Geist und Körper den Gliedmaßen mittheilt und den Ausdruck „Flaniren“ für die Pariser hervorgebracht hat, passirte ich die schöne Promenade, auf welcher die feine Welt soeben ihre gewohnte Mittagsrevue hielt.
Plötzlich sah ich einen hübschen, etwa vierzig Jahre alten Mann mir entgegen kommen. Es war Gérard de Nerval, einer meiner besten Freunde und einer der talentvollsten, wenn auch nicht gefeiertsten Schriftsteller Frankreichs. Sein Gesicht war stark, von kurzem Haupthaar bedeckt und von einem dunklen Backenbart umsäumt; der abwärts gezogene Schnurrbart, mit einem kleinen Büschel am Kinn, gab der Physiognomie etwas militairisch Männliches, während die sanften, fast träumerischen Augen unter der hohen Stirn einen Reflex von den Gefühlen dieses Mannes bildeten, der das Unglück hatte, mehr Dichter als Mensch zu sein. So wie Gérard in der That war, so erschien er auch; ein freies und offenes Gesicht, auf welchem die Güte, der Geist, der Witz und die Sanftmuth sich gelagert hatten. Er war einer jener Glücklichen, welche an der Seite der Prosa unserer Zeit wandeln, ohne sie zu sehen und ohne von ihr berührt zu werden, stets durch sein Ideal eingewiegt, immer zu jenen strahlenden Regionen der Poesie und der Liebe hingezogen, wo die traurigen Wirklichkeiten des Lebens erbleichen und die holde Lüge unserer Träume ihren Anfang nimmt.
Ich hatte seit Wochen Gérard nicht gesehen, obgleich ich sonst fast täglich mit ihm zusammen war. Indessen kannte ich diesen sonderbaren Charakter zu genau, um mich darüber zu verwundern. Gérard war im Stande am Morgen den Entschluß zu einer Reise nach dem Orient zu fassen, um am Mittage denselben mit fünf Sous in der Tasche auszuführen. Er hatte überdies die seltsame Manie, drei oder vier Wohnungen in verschiedenen Vierteln von Paris zu besitzen und ging wochenlang nicht aus, es wäre denn des Nachts gewesen, um sein Asyl im quartier latin vielleicht mit einem Zimmer an irgend einer Barriere zu vertauschen. Ueberrascht und erfreut zugleich begrüßten wir Beide uns herzlich.
„Mein Gott,“ rief ich lächelnd aus, „ich glaubte Sie bereits gestorben!“
„Noch nicht,“ antwortete Gérard; „aber es ist wahr, wir haben uns seit zwei Monaten nicht gesehen. Apropos, mein Lieber, Sie werden doch diesen Nachmittag mit mir zusammenbleiben, um so mehr, als ich in wenigen Tagen nach Weimar zu reisen gedenke?“
„Nach Weimar?“ fragte ich erstaunt.
„Ja wohl, nach Ihrem Deutschland; Stadler will es einmal; ich will es auch – eh bien, das genügt, um es auszuführen.“
Ich wußte, daß der Archivar Stadler ein Freund und Bruder für Gérard war; seine Börse öffnete sich stets für ihn. Unwillkürlich war ich mit dem talentvollen Uebersetzer des „Faust“ umgekehrt, und erst, als Gérard eine der Seitenstraßen einschlug, sah ich ein, daß er ein gewisses Ziel seinem jetzigen Gange vorgesetzt habe. Ich bat ihn deshalb, seine etwaigen Geschäftbesuche erst nach Belieben zu beendigen, da wir uns ja am Abende in irgend einem Café wiedersehen könnten.
„O nicht doch,“ erwiederte Gerard darauf; „ich gehe zu Heine. Der arme Teufel wird, wie Sie, glauben, daß ich schon längst gestorben sei. Sie sind ja ein Landsmann von ihm, also kommen Sie nur mit.“
Dies Argument war keineswegs geeignet, mich zu einer Begleitung zu bestimmen. Berühmte Leute ohne einen genügenden Grund mit Besuchen zu belästigen, war mir von jeher etwas Unangenehmes, und welche Ursache konnte ich haben, den in Paris wohnenden deutschen Dichter zu besuchen? Ich machte deshalb Gérard gegenüber die Bemerkung, daß Heine wahrscheinlicher Weise eine jede Visite dieser Art verabscheuen werde.
„Sie irren sich,“ entgegnete der intime Freund von Heinrich Heine; „er hat nichts lieber, als einige Nachmittagsstunden in Gesellschaft zu verleben. Nur des Vormittags und wenn er arbeitet sind ihm Besuche lästig; alsdann pflegt er auch ohne Umstände seine besten Freunde fortzuschicken.“
Gérard de Nerval’s Intimität mit dem kranken deutschen Dichter war mir längst bekannt; er war vielleicht der Einzige, den Heine aufrichtig geliebt hat, und dem er Alles, selbst das Geheimste, anvertraute. Mein Wunsch, den berühmten Dichter zu sehen, war sehr natürlich, und ich hoffte überdies, daß mir die Freundschaft Gerard’s als Empfehlungskarte vom besten Nutzen sein werde. Deshalb nahm ich keinen Anstand länger, bei so günstiger Gelegenheit Heinrich Heine zu besuchen.
Bald hatten wir die hohen schönen Häuser der stillen Rue d’Amsterdam erreicht. Einige Minuten später betraten wir nach einem Vorzimmer die Krankenstube Heinrich Heine’s.
Ein Gefühl der Angst und Wehmuth beschlich mich unwillkürlich. In der Nähe von Geistern, welche wir wegen ihrer Thätigkeit als ungewöhnliche, zu achten Ursache haben, bemächtigt sich selbst des Vorurtheilsfreiesten ein Gefühl der Unsicherheit und der Erwartung, welche jede Theorie von der Gleichheit aller Menschen in einen grauen Nebel auflöst. Seien es mit Recht oder mit Unrecht berühmte Männer, denen wir in unserer schlichten Menschlichkeit nahen; die Glorie mit ihrem mystischen Kranz zwingt uns unwillkürlich eine gewisse Ehrfurcht ab.
Heinrich Heine, dessen Lieder seit zwanzig Jahren schon seinen Ruhm priesen, und dessen gewaltige Phantasie selbst den größten Prosamenschen in wunderholde Sphären versetzt hatte, in einem so düsteren Aufenthalte und in einem so traurigen Zustande zu finden, das mußte wahrlich jedem Gemüth die Schauer des Mitleids und der Wehmuth verleihen.
Eine matte Dunkelheit ließ mich beim Eintritt in das Krankenzimmer längere Zeit in einem Zustande von Blindheit, während ein scharfer, den Athem benehmender Geruch mich überdies noch mehr betäubte. Unwillkürlich glaubte ich, daß dieser Aufenthalt nur von dem Athem Heine’s geschwängert sei, von jenem Athem, welcher alle schönen Blumen verwelken ließ, sobald er sie berührte. Endlich gewöhnten sich jedoch die Augen an dies Licht von Grabgewölben. Hinter einem, das Zimmer fast in zwei Hälften theilenden Tapetenschirm stand das Bett, in welchem der Unglückliche damals fast schon zwei Jahre lang mit seinen Schmerzen und Träumen lag, und wo er, ein Wunder für Alle und wohl auch für sich selbst, noch fünf Jahre lang sterben sollte. Kaum vermochte ich unter der leichten weißen Bettdecke den kleinen Körper wahrzunehmen, der ohne Muskeln, ohne Fleisch, fast ohne Blut, nur einem mit feiner Haut überkleideten Skelette glich. Eben so schwer wurde es mir Anfangs, auf dem Bettkissen Heinrich Heine’s kleines Gesicht zu unterscheiden, bei dessen Anblick mein Herz in der Brust plötzlich seinen heftigen Puls verlor und auf einige Augenblicke voller Mitgefühl erstarrte.
Die Stirn des Kranken trat weit hervor; nur spärliches Haar lag schlicht darüber hin; die Augenhöhlen waren tief; das eine Auge blieb gänzlich geschlossen, während das andere, starr und wässerig blau, nur hin und wieder durch einen wehmüthigen und blitzenden Glanz sich belebte und ein um so lebendigeres Farbenspiel annahm, je mehr der Kranke sprach. Sein Bart war weiß und struppicht und das einzige äußerliche Zeichen, daß der hier im Bett liegende Mensch kein Kind seiner Entwickelung nach, sondern ein Mann war.
Gérard wurde im Augenblick von Heine erkannt; er streckte ihm seine feine, kleine Knochenhand entgegen und sagte lächelnd: „Ich sehe doch, daß der Wille des Menschen eine magnetische Kraft besitzt; denn ich wollte Sie heute sehen. Der Teufel,“ fuhr Heine fort, „Sie scheinen nicht mehr eine und dieselbe Luft mit mir athmen zu wollen und sind trotzdem ein Dichter!“
Gérard stellte mich ihm darauf als einen Landsmann vor.
„Ah, es wird Mode werden,“ sagte Heine halb zu mir gewandt, „daß die deutschen Schriftsteller zu mir, wie die Muhamedaner nach Mekka pilgern. Und dabei sagen sie, daß ich keine [614] Religion habe! Sehen Sie, Gérard, das ist curioser Weise das Ende von mir, daß ich zuletzt wie eine Reliquie betrachtet werde.“
Es konnte mir nicht entgehen, daß sich Heine von den Besuchen der deutschen fahrendnn Literaten keinesweges erbaut fühlte. Ich nahm deshalb sogleich Gelegenheit, ihm zu versichern, daß ich meinestheils nur auf Wunsch von Gérard diesen Besuch mir gestattet hätte.
„Glauben Sie doch, daß meine Freunde mir schon viel Unangenehmeres zugeführt haben, als Besuche. Ich bin heute überdies Jedermann dankbar, wenn er mir die Zeit vertreiben hilft. Wenn es nur anständig wäre, des Nachts Besuche zu erhalten! – Ah, des Nachts!“
Heine seufzte bei diesen Worten. Auf die Frage Gérard’s nach seinem Befinden entgegnete er fast klagend: „Der Doktor Gruby ist ein Tyrann; er gibt mir nichts, daß ich nur während einer einzigen Nacht die Wohlthat eines Schlummers genießen könnte. Es wird bald so weit kommen, daß ich das Schlafen verlerne.“
In der That mußte Heine bei diesen Gedanken die Grausamkeit seines Zustanden entsetzlich erscheinen. Stets allein mit seinen Schmerzen, war die Nacht, wo Alles Ruhe findet und wo die schwarze Königin den Silberthau aus ihrem Rabenhaar belebend auf alle Blumen, alle Wesen drückt, für ihn eine qualvolle Marter. Kein Schlummer küßte diese müden Augen, kein Licht durfte die Pein dieses Elends lindern. Luft und Licht waren für ihn keine Elemente mehr und er löste das Räthsel, sieben Jahre lang fast ohne sie zu existiren.
Gérard theilte ihm darauf mit, daß er binnen einigen Tagen nach Weimar zu reisen gedenke.
„Sie Glücklicher,“ antwortete Heine mit einem Seufzer; „dies Deutschland habe ich mehr geliebt, als vernünftig war. Hoffentlich werde ich nicht die Dummheit begehen, dort zu sterben! Wollen Sie mir bei Gelegenheit ihrer Reise einen Gefallen thun, so fragen Sie doch in Deutschland an, in welchem Glauben man am besten stirbt. Ich beschäftige mich jetzt sehr ernstlich mit dieser Frage und die deutschen Philosophen scheinen etwas davon zu wissen; denn seit einiger Zeit hört man von ihnen nichts mehr.“
Mich wunderte es, daß Heine dies Alles mit fast ausdruckslosem Gesicht und mit einer abgerissenen, wenn auch wohltönenden Stimme bisher gesprochen hatte. Ohne besondere Theilnahme erzählte er noch über eine Stunde lang mit uns von allerhand ziemlich gleichgültigen Sachen. Plötzlich jedoch nahmen seine Züge einen Ausdruck von unverkennbarer Freude an.
„Ehe Sie abreisen, Gérard, suchen Sie mir noch meine Clélie auf. Nicht wahr, Sie versprechen es mir? Die kleine drollige Katze ist seit vierzehn Tagen nicht hier gewesen; sie mag sich vielleicht einen Liebhaber vom Ambigu verschafft haben; sagen Sie ihr aber nur, daß ich ihre Gastrollen nicht übelnehme und daß ihr kranker Henri mehr wie je nach ihr schmachtet.“
Ich gestehe, daß mich diese Worte seltsam überraschten; Fräulein Clélie war, wie ich später erfuhr, eine Schauspielerin vom Ambigutheater und eine derjenigen, welche aus früherer Zeit her noch eine Anhänglichkeit an den jetzt kranken Geliebten bewahrt hatte.
„Bringen Sir sie her, Gérard,“ fuhr Heine fort, nachdem dieser ihm versichert, daß er seinen Wunsch erfüllen werde; „es gibt kein Mädchen, welches so drollig wie sie ihre Lebensaffairen erzählt. Wissen Sie noch, Gérard, wie lustig es war, als sie uns erzählte, daß sie ihrer Adrienne den Kapitain der Nationalgarde weggekapert habe?“
Gérard lächelte; aber dies Lächeln tanzte auf bleichen Lippen. – „Adrienne war die Jugendliebe Gérard’s de Nerval, die er niemals vergessen hatte und welche vielfach dazu beigetragen hatte, daß er, in einer sanften Melancholie versunken, krank am Herzen und am Geiste war. Adrienne wurde später eine ziemlich frivole Sängerin, nachdem sie zuerst Nonne gewesen war; Beides erschütterte den armen Gérard, und als sie endlich plötzlich starb, starb auch ein Traum in seiner Brust und es blieb ihm nichts, als auf dem Grabeshügel desselben verstohlen zu seufzen und zu weinen.“ Daß Heine ihn jetzt daran erinnerte, mußte ein bitterer Schmerz für sein weiches, melancholisches Gemüth sein; aber Heine liebte es, seinen Freunden Stiche zu versetzen und prüfte ihre Freundschaft durch die Witze, welche er über sie machte; „denn,“ sagte er, „wozu hat man seine guten Freunde, wenn diese sich über einen Witz erzürnen wollen?“
Eine, wenn auch nur kleine Probe von dieser Theorie hatte ich eben gehabt; Gérard erzürnte sich auch keineswegs, sondern machte seinerseits eine Glosse darauf, welche Heine ein herzliches Gelächter ablockte. Die innere Welt dieses Schriftsstellers war fast immer den profanen Augen der Welt verborgen; er war geisteskrank seit langen Jahren und doch ließ es keine seiner Schriften jemals errathen.
Heine nahm während dieses Besuches auch eine Anzahl loser beschriebener Blätter von seinem vor ihm stehenden Tische und gab sie Gérard mit der Bitte, ihm die Verse zu übersetzen.
„Das große Gedicht,“ sagte er, „will ich zuerst in der Revue des deux Mondes veröffentlichen; verfehlen Sie mir aber nicht die richtigen Schimpfworte zu setzen, da sie deutlich sein müssen, weil sie Deutschland angehen. Es gibt da eine Menge von Hunden, welche mich anbellen und die Handlanger von Schurken abgeben; diese letzteren besonders müssen einmal wieder gedruckt sehen, daß ich noch schreiben kann. Das Geheul dieser Sorte, wenn meine Peitsche sie getroffen hat, wird mir so wohl thun, wie eine Serenade.“
Auf jenem kleinen Tische vor Heine’s Bett lagen noch mehrere beschriebene Papiere, so wie ein Stoß loser weißer Octavblätter. Im Anfange seiner fürchterlichen Krankheit war der Unglückliche nicht mehr im Stande gewesen, schreiben zu können; der Schlagfluß hatte ein jedes seiner Glieder vollständig gelähmt. Dem vortrefflichen Arzte, Dr. Gruby, war es endlich gelungen, dem Dichter mindestens den Gebrauch seiner Hände zurückzugeben, so daß er die vielen einsamen Stunden mit dem Aufschreiben seiner Gedichte verkürzen konnte. Auf einem künstlich über seine Bettdecke ausgespanntem Pulte malte Heine mit Bleistift seine Verse mit fast zollhohen Buchstaben auf die weißen Blätter, so daß ein jedes dieser genau paginirten Papierstreifen kaum mehr als einige Zeilen enthielt. –
Endlich verabschiedeten wir uns.
Kaum waren wir einige Schritte auf die Straße hinaus getreten, als ein Wagen an uns vorbeifuhr, in welchem eine höchst sauber gekleidete, freundliche und ganz hübsche Frau von ziemlich starkem Körperbau saß. Ihre Augen glichen denen einer Schwalbe; aber der Witz, den man darin las, verbleichte etwas vor der kleinen Stirn und dem starken Munde, so daß die Physiognomie jener Dame den Eindruck eines jener gutmüthigen und harmlosen Charaktere machte, welche entweder für jede Kleinigkeit sich lebhaft zu interessiien, oder für Nichts auf der Welt innige Theilnahme zu fühlen pflegen.
„Voilà madame Heine!“ rief Gérard mir zu.
Ein freundliches Kopfnicken hatte unserem Gruße geantwortet. Unwillkürlich sah ich dem Wagen nach, bis er vor dem Thorweg des Hauses hielt, in welchem Heine wohnte. Dies war also die Auserwählte jenes Mannes, welcher so viel geliebt und so viel über die Liebe gespottet hatte!
„Nun,“ fragte ich Gérard, „und wie lebt Heine mit seiner Gattin?“
„Ah que ça,“ erwiederte sein Freund lächelnd, „c’est un jeu de famille, comme il dit!“
Mein Aufenthalt in Paris war keineswegs ein bloßer Besuch, den ich durch Aufsuchung von allerhand Kuriositäten und Sehenswürdigkeiten etwa zu verwerthen trachtete. Ich wohnte dort und hoffte dort für immer zu Hause zu sein. Ich hatte demnach auch bisher nicht daran gedacht, ein lebhafteres Interesse für den ebenfalls dort wohnenden Heine zu haben, als eben seine Werke hervorriefen. Nach dieser sich so zufällig gestalteten Visite bei dem kranken Dichter fühlte ich aber ein so reges Gefühl der Theilnahme, daß ich mich vielfach nach Heine’s Verhältnissen bei Gérard erkundigte, der auch mit aller Bereitwilligkeit meine Fragen beantwortete.
Heinrich Heine bezog, nach den Mittheilungen Gérard’s, eine Summe von 6000 Franks jährlich von seiner Familie und eine eben so große von seinem Verleger Campe, wofür dieser das Verlagsrecht von allen seinen bei Lebzeiten von ihm herauszugebenden Werken besaß. Diese Summe genügte aber keineswegs für die Bedürfnisse Heine’s; am Ende des Jahres hatte er gewöhnlich noch einige Tausend Franks Schulden. Einige Damen, welche früher mit dem Dichter in vertrauten Verhältnissen gestanden [615] hatten, machten sich eine Ehre daraus, das Deficit in Heine’s Kasse zu decken, wenn sie irgendwie Kenntniß davon bekamen. So erhielt Heine meistentheils die bedeutenden Rechnungen von seinem Weinhändler nur quittirt zugeschickt, wenn er dieselben verlangte. Eine reiche Madame F… bezahlte sie zum Erstaunen Heine’s, welcher ihr sechs Jahre vorher seine Liebe gezollt hatte.
Andererseits zeigten die Mittheilungen Gérard’s de Nerval, mit wie vollem Herzen Heinrich Heine seine Wohlthaten spendete. Freunden in der Verlegenheit auszuhelfen, war ein Grundsatz bei ihm, den er mit solcher Liebenswürdigkeit ausübte, daß er an Rückerstattung geliehener Summen niemals dachte. Ein junger Maler, Benoit, den er nur im Café kennen gelernt hatte, gestand ihm eines Tages, daß er ohne Mittel sei, ein angefangenes Portrait zu vollenden. Heine sandte ihm am andern Tage eine Summe von 300 Franks, mit der Bitte, sich keinesweges mit seinem Bilde zu übereilen. – Ein junger, viel Talent verrathender Dichter war in Verzweiflung, daß er Soldat werden müßte, ohne durch Bezahlung eines Stellvertreters diesem Loose entgehen zu können. Gérard theilte im Gespräche Heine das Unglück des von Beiden gekannten jungen Mannes mit. Sogleich rief dieser den Verzweifelnden herbei, setzte sich mit ihm in einen Fiaker, und stellte ihn einem Pariser Banquier seiner Bekanntschaft vor, der nach Mittheilung der Sache bereitwillig dem jungen Dichter eine Summe von 1000 Franks vorschoß, vermöge welcher sich dieser einen Stellvertreter verschaffen konnte.
Eine der interessantesten Mittheilungen Gérard’s war folgende:
„Mit Heinrich Heine hatte mich die Heiterkeit der Gesellschaft bekannt gemacht; sein Witz und sein Spott machte ihn für mich zu einem gesellschaftlichen Bedürfniß; selbst sein Egoismus befriedigte mich, so seltsam dies auch erscheinen mag. Ich bin ein Mensch mit zwei Naturen; die eine hat ein träumerisches, thränenreiches Herz, die andere liebt es, der Welt die heiterste Fratze zu schneiden; das ist das Unglück, bester Freund, wenn die Vergangenheit die Harmonie unserer Seele zerstört hat! Mit Heinrich Heine zu lachen und zu spotten, mit ihm mehrere Stunden in geistreicher Gesellschaft zuzubringen, das betäubte mich und machte es mir leichter, die Fluten einer schäumenden Gefühlswelt aus meinen Augen zurückzudrängen, wenn sie überzuströmen Willens waren. Gefühlvolle Gesichter vor den Menschen zu machen, erregt nur Lachen. – Dieser Anfangs nur zur geselligen Unterhaltung gepflogene Umgang mit Heine ließ mich indessen tiefere Blicke in seinen Charakter werfen; ich sah bald, daß der Dichter träumte, wenn der Mensch seine Witze machte; daß sie lediglich Anderen gefallen sollten, bildete nicht den Reiz zu Heine’s Humor; es lag ihm vielmehr daran, sich selbst zu unterhalten, und zwar durch zweierlei: mit dem Traum seines Herzens und mit dem Wort seines Geistes. Was ich erst ahnte, gestand der Dichter mir später selbst, nachdem auch er mich näher kennen gelernt hatte. Wir litten Beide an einer Krankheit!“
„Und diese Krankheit?“ fragte ich.
„Eine lächerliche Krankheit, Freund; wir sangen Beide die Hoffnungslosigkeit einer Jugendliebe todt; wir singen noch immer und sie stirbt doch nicht! Ich liebte, fast noch Kind, schon Adrienne, und mußte den Schmerz haben, sie als Sängerin hinter den Lampen eines Theaters wiederzufinden; sie zerstörte damit den schönen Traum meiner Jugend. Heine hatte dasselbe Schicksal, was Sie vielleicht überrascht, ja, was Sie wohl bezweifeln mögen. Aber eine hoffnungslose Jugendliebe schlummert noch immer in seinem Herzen; wenn er ihrer gedenkt, kann er noch weinen, oder er zerdrückt diese Thränen aus Groll. Heine hat mir selbst gestanden, daß, nachdem er das Paradies seiner Liebe verloren hatte, die letztere für ihn nur noch ein Handwerk blieb.“
Diese Mittheilungen Gérard’s von einer solchen heiligen und wehmuthsvollen Liebe Heine’s haben sich durch eine spätere Notiz im „Londoner deutschen Journal“ noch erweitert. Danach war seine Cousine Evelyne van Geldern der Gegenstand dieser Neigung, welche die schönsten und zartesten Blüthen der Heine’schen Lyrik hervorgebracht hat. Evelyne „mit dem Engelsköpfchen auf Rheinweingoldgrund“ war wechselnd und launisch mit ihren Gefühlen und reichte später, vielleicht auch dem Wunsche ihrer Eltern nachgebend, einem reichen Banquier, „dem dürren Philister,“ ihre Hand. Mit der Wehmuth um eine verfehlte Liebe sog Heine auch die gallige Bitterkeit für die Pietät solcher keuschen Neigungen ein; er mochte vielleicht innerlich geseufzt haben, wenn er sich darin gefiel, die Liebe zum Gegenstande seines Spottes zu machen. Mindestens ist anzunehmen, daß er sich ein Recht einbildete, dem Egoismus zu fröhnen und die Pietät der Gefühle zu bewitzeln, nachdem das Schicksal ihn in Ausübung der letzteren betrogen hatte.[1]
Die Verfrühung.
„Wir Erwachsenen sind oft ganz sonderbar mit unsern Kindern! Die Entwickelung ihrer Kraft ruhig abzuwarten, ruhig und geduldig, Monate lang ruhig und Jahre lang abzuwarten, ist nicht unsere Sache; wie überhaupt die Kunst zu warten nicht Jedermanns Sache ist. Im Gefühl unserer eignen Kraft stürmen wir in die kleinen zarten Wesen hinein und werden dadurch nicht selten denselben Kindern ähnlich, welche wir mitleidig belächeln, wenn sie tagtäglich mit ihren Fingerchen einer keimenden Bohne nachgraben, um zu sehen, „wie weit sie ist“, oder tagtäglich an einer Puppe herumknaupeln, um zu sehen, ob die Hülle bald platzen wird, darüber aber – weder ihre Bohne aufgehen noch ihren Schmetterling auskriechen sehen.“ Dieses Wort, welches ich neulich las in den Leipziger Blättern für Erziehung und Unterricht, ist so ganz ein Wort für unsere Zeit, daß es verdient, gar wohl erwogen zu werden. Keine Sünde trifft man häufiger in der pädagogischen Welt, als die Verfrühung, und gerade dort wird sie am meisten begangen, wo die Eltern so recht für ihre Kinder leben und wirken. Sie möchten gern Alles aus ihren Lieblingen machen, und die Keime dazu so frühzeitig als möglich legen. Kaum ist das kleine Püppchen zwei Jahre alt, so werden ihm auch schon Formen und Manieren eingelernt, die zu seiner Liebenswürdigkeit mit beitragen sollen.
„Nun, machst Du nicht einen schönen Diener?“ heißt es aller Augenblicke, und da muß das kleine Fräulein einen Knix machen, Kußhändchen werfen, und sobald es lallen kann, muß es auch eine Menge artiger Redensarten lernen, womit es die Erwachsenen begrüßen kann. Ich nenne das eine gefährliche Brücke, auf welche das Kind gestellt wird. Zwar werden meine Gegner, und dazu gehören alle Frauen, sagen: Höflichkeit ist ein Kleid, welches den Menschen liebenswürdig macht, welches ihm besser durch die schöne und nicht schöne Welt hilft, und welches man nicht zeitig genug anlegen kann. Aber, Ihr Guten, die Höflichkeit, welche sich in bloßen Formen bewegt, ist eine Höhle, hinter welche sich oft die schönste Grobheit versteckt, und die, von vernünftigen Menschen gewogen, wenig gilt. Das ganze Leben der Menschen muß eine Höflichkeit gegen andere sein, d. h. man muß in seinen Mienen, Worten, Werken niemals den Geist der rechten Zartheit, das Gefühl, das Wohlwollen gegen Andere verleugnen.
Aber dieser Geist wird durch die verfrühten Komplimente nicht errungen, sondern gewissermaßen sogar zerstört. Wenn die Kinder todte Gegenstände in den Mund nehmen, um daran zu kauen, so reißt man sie ihnen weg, sie haben keinen Nutzen für das Kind. Was sind denn aber jene Höflichkeitsformen anders, als Dinge ohne Leben, ohne Saft und Kraft für das Kind. Der Geist, der die Erwachsenen zu jenen Formen treibt, ist Kindern noch ganz fremd, die Worte sind für sie ohne Inhalt. Wan wird denn also, wenn man die Kinder rechtzeitig damit bekannt macht? Es entwickelt sich im jungen Herzen ein Wohlgefallen an Redensarten und Förmlichkeiten, und der eigentliche warme Liebeszug im Gemüth, der Quell wahrer Höflichkeit wird dadurch gehemmt [616] und verschlossen. Wenn man bei Manchem fragt: „Wo ist die Offenheit und Herzlichkeit hin?“ so ist die Antwort: „Sie ist begraben unter tausend Komplimenten, die ihm von Jugend auf eingeprägt worden sind, und die das Herz mit einer Art Glasrinde überzogen haben, so daß er wohl nach allen Seiten hin schimmert, aber nicht fühlt. Nichts ist natürlicher und häufiger, als daß durch Verfrühungen der Höflichkeitsformen glatte und kalte Menschen gebildet werden. Oft verbindet man mit dieser Unterweisung in den Komplimenten auch eine Art Standeseinweihung.
Das Kind wird bei Zeiten darauf hingewiesen, daß man nicht gegen Jedermann auf gleiche Weise sich benehmen, daß man fein unterscheiden müsse, wer hoch, gering, fremd, bekannt oder befreundet sei. Wie traurig ist es aber, die ungeschminkte Herzlichkeit des Kindes, seinen echt menschlichen, unverdorbenen Sinn und sein unschuldiges Vertrauen in der Blüthe zu zerstören! Wird denn das Leben nicht zeitig genug seine Unterscheidungszeichen, seine Frage- und Ausrufungszeichen machen?
Verfrüht wird auch das Lernen. Es gibt viele Eltern, die es nicht erwarten können, ihr Kind als kleines Genie leuchten zu sehen, die ihm mit dem vierten oder fünften Jahre das A B C schon in die Hand geben, und überglücklich sind, wenn der kleine Mund recht viel aufzusagen weiß. Aber die Guten bedenken nicht, daß jede geistige Anstrengung vom Körper zehrt, und ihm mehr raubt, als man vielleicht denkt. Wird der Geist vor der Zeit zu sehr beschäftigt, so ist ein schleichendes Siechthum gar oft die Folge. Verfasser dieser Zeilen kannte zwei Kinder, welche mit vier Jahren lasen, sangen, schrieben etc., mit sieben Jahren waren sie todt. Aber auch zugegeben, daß dieses Kraftentschwinden, welches durch’s Lernen herbeigeführt wird, nicht so bedeutend sei, so sind doch andere Uebel im Anzuge. Wenn das Lernen so gar zeitig angefangen wird, so betreibt man es in der Regel spielend und mehr zum Zeitvertreib. Heute etwas, morgen nichts, übermorgen ein Wenig. So entsteht nach und nach eine gewisse Zerstreuung, und nicht selten empfindet das Kind später am Lernen, wenn es Ernst damit wird, Ueberdruß und Unlust. Neugeborne verbirgt man eine Zeit lang vor dem Lichte. Auch von dem geistigen Lichte, vom Lernen, sollte man die Kinder so lange zurückhalten, bis sie körperlich schon etwas empor- und aufgewachsen sind.
Zu den gefährlichsten Verfrühungen gehört ferner das Leiten der kleinen Kinder durch Gründe. Es thut manchem zarten Mutterherzen weh, ihrem Liebling schlechthin etwas zu versagen oder zu gebieten, und wenn sie sieht, daß der kleine Kopf widerstrebt, so möchte sie ihm gern zu Hülfe kommen. Mitunter geschieht dies durch Zuckerbrezeln und Pfeffernüsse, und dadurch wird dem Kinde der geistige und der körperliche Magen verdorben. Näschereien machen weichliche aber auch eigennützige und lohnsüchtige Naturen, die keinen guten Gedanken denken können, ohne ihn auf der Wage ihrer Spekulation gewogen zu haben. Aber bisweilen sucht das Mutterherz auch durch Gründe den Gehorsam in Gang zu bringen. Das ist viel gefährlicher als der Zucker- und Pfefferkuchenregen. Erstens liegen Gründe, diese philosophischen Pulver, dem kindlichen Verstande noch zu fern, es handelt noch zu wenig nach vorausgesteckten Zwecken, und ist auch nicht im Stande Gründe, die Zwecke, Folgen etc. berücksichtigen, zu verstehen. Aber mag es sie auch verstehen, so können sie durchaus noch nicht auf seinen strebenden und in mannigfaltigen Neigungen sich entwickelnden Geist wirken. Sie geben Worte, und was sind Worte gegen die munter pulsirende Lebenskraft des Kindes! Gebt dem Kinde ein halb Schock Gründe für das Lernen einiger Vokabeln an, mit einer einzigen Erinnerung an ein Vogelschießen oder andere Kinderspiel schlage ich sie alle nieder. „Für Kinder,“ sagt Jean Paul, „gibt’s keine andere Sittenlehre, als Beispielerzähltes oder (viel besser) -sichtbares, und es ist erzieherische Narrheit, daß man durch Gründe Kindern nicht diese Gründe, sondern den Willen und die Kraft zu geben meint, diesen Gründen zu folgen.“ Und fährt man fort, die Kinder überall durch Gründe bestimmen zu wollen, so versuchen sie zuletzt auch ihre Gründe, und disputiren sich auf die schönste Weise von dem Gehorsam los. Solche frühkluge und naseweise Kinder sind ein wahres Hauskreuz. Daher, Ihr Lieben, seid vorsichtig, und spart das gründliche Verhandeln bis in’s spätere Alter Eurer Kinder auf.
Wenn der Verstand eine gewisse Reife hat, dann haben Gründe ein Gewicht für das Kind. Im zarten Alter muß das elterliche: Du sollst! den kategorischen Imperativ im Kinde vertreten. Die Zugaben und Steigerungsmittel liegen auf dem Gesichte und in der Stimme der Befehlenden, und wir haben ja auch genug Kinder, die durch einfach freundliche und ernste Blicke oder Worte sich vollkommen bestimmen lassen. Und diese, obwohl ihr Gehorsam eigentlich nur auf der Autorität ruht, welche der Erzieher bei ihnen hat, sind viel zuverlässiger, als die durch Gründe gezogenen. Die Ehrfurcht und Achtung welche das Kind vor den Eltern bekommen hat, wechselt nicht so leicht, aber die Gewalt der Gründe ist für das Kind auch in späterer Zeit oft vorübergehend.
Doch denken wir noch an eine pädagogische Sünde, die damit zusammenhängt. Es ist die verfrühte Aufklärung. Der liebe Gott hat es weislich so eingerichtet, daß der Baum erst blüht, ehe er Früchte trägt. Wir freuen uns der Blüthen, obgleich wir wissen, daß sie einst abfallen und der Frucht Platz machen müssen. So hat auch der Mensch, das Kind sein Blüthenalter. Es ist die Zeit der frühen Kindheit, die Zeit der Phantasie. Wer denkt nicht noch mit seligem Gefühl an jenes Morgenroth, wo die Nebelbilder der Märchen und Fabeln uns entzückten, wo wir überall Wunder und stille Geheimnisse sahen und kindlich erbebten dabei, wo das Christfest einen solchen Zauber ausübte, als käme der liebe Gott selbst und bescheerte, wo der Glaube mit seinem Feuer sich so innig an die heilige Geschichte anschloß, und wo man seine Hände in reiner Andacht faltete. Aber dieser Kindermorgen, er wird heutzutage so oft seines Schmuckes beraubt. Man will die Kinder vor der Zeit schlau, pfiffig und gescheidt machen, klärt so viel als möglich auf, und streift dabei die schönsten Blüthen der Kinderpoesie ab. Ja, wenn dann der Knabe lacht, wenn es heißt: der heilige Christ bescheert, und nüchtern hinzusetzt: die Eltern sind es nur! wenn er mit der Miene eines stolzen Philosophen sagt: es gibt keine Engel, wenn er die freundlichen Märchen in Kinderbüchern bespöttelt, wenn er über geheime Verhältnisse des Lebens schon einen Forscherblick zeigt, da jubelt wohl mancher Erzieher, indem er bei sich denkt: mein Junge hat den Kopf auf dem rechten Flecke. Wir können nicht mit jubeln, wir halten das Kind für einseitig erzogen, um seinen Jugendhimmel betrogen und wenig geschickt, in der Welt einmal energisch und lebenskräftig zu wirken. Auf eine so nüchterne Jugend folgt sehr oft ein schales Jünglings- und ein kraft- und saftloses Mannesalter. Die Erfahrung redet und spricht für mich, wer Ohren hat zu hören, der höre sie.
Wir könnten jetzt noch manche Sünde der Verfrühung nennen, wir könnten zeigen, wie man Leidenschaften und Neigungen verfrüht im Kinde durch zu zeitiges Bekanntmachen mit Genüssen, die nicht für das Kind passen; wir könnten zeigen, wie dadurch der Charakter des kindlichen Frohsinnes eine falsche, grobe, sinnliche Färbung erhält, so daß Bogumil Golz Recht hat, wenn er sagt: „Das weiß der Henker, auch die Kinder verstehen heute nicht mehr so glückselig zu sein, als sonst, ihre Spiele verlieren an Einbildungskraft und Witz;“ wir könnten nachweisen, wie die gefährlichsten Triebe oft durch Ammenthorheiten oder Nachlässigkeiten der Erzieher vor der Zeit sich einstellen, allein es möchte des Räsonnirens zu viel werden, und die Geduld unserer lieben Leser ausreißen. Und so wollen wir das nächste Mal von dem Sündenregister des Hauses absehen, und ein freundliches Bild aus demselben aufrollen.
Mancher deutsche Reisende, deren dieses Jahr ganz besonders große Schaaren die Schweiz durchzogen, wird, so glaubte ich, gegen seinen ursprünglichen Plan noch nachträglich Neuenburg mit hineingezogen haben, um neben seinen Wahrnehmungen von 1848 und 1849 einen vergleichenden Blick auf eine einem Royalismusaufstande gegenüber siegreiche republikanische Staatsgewalt zu werfen. Allein ich fand es anders. Obgleich ich nur etwa vierzehn Tage nach dem berüchtigten Royalistenputsch nach Neuenburg kam, fand ich in dem ersten Gasthofe beinahe keinen Fremden, und die Straßen durchaus nur von dem gewöhnlichen, nicht sehr bedeutenden [617] Verkehr belebt. Vielleicht mochte eben die Erinnerung an daheim Erlebtes die Reisenden abgehalten haben. Sie erinnerten sich an die mancherlei Wahrzeichen und Maßregeln des Kriegs- und Belagerungszustandes, an Patrouillen, Paßpolizeiverschärfungen und dergleichen Dinge. Sie wollten sich den harmlosen Genuß ihrer Reise nicht dadurch stören lassen. Sie hätten getrost Neuenburg besuchen können, und wenn es damals möglich, namentlich in der Schweiz möglich gewesen wäre, von dem Neuenburger Putsch ununterrichtet zu sein, so würde ein Reisender in Neuenburg selbst keine Ahnung davon gehabt haben, daß es vor wenigen Tagen der Schauplatz eines einen Tag lang sieghaften und dann mit Waffengewalt schnell wieder unterdrückten Aufstandes gewesen sei; es sei denn, daß es ihm eingefallen wäre, das an sich wenig sehenswerthe Schloß zu besuchen, und nach der Bedeutung der an einigen öffentlichen Gebäuden noch flatternden eidgenössischen und Neuenburger Fahnen, oder nach dem Grunde zu fragen, warum er an einer Menge palastähnlicher Wohnhäuser die unverkennbaren Zeichen der Ausgestorbenheit finde.
Mit der Post von Bern kommend, hatte ich sofort Gelegenheit, die letztangedeutete Bemerkung zu machen. Die nach dieser Seite hin liegende Vorstadt ist eine Straße von Palästen, an der einen Seite bis an das Seeufer herantretend, an der andern blühende Gartenterrassen den den See einfassenden Bergwällen anlehnend. Der ochergelbliche Kalkstein, der sich zwischen den See und die Juraschichten einschickt, und welcher allein das Baumaterial für die Neuenburger liefert, verleiht den ohnehin eleganten Häusern ein nobles Ansehen. Aber, wie gesagt, sie standen verlassen, die Läden verschlossen, die mit vornehmen Eisengittern abgegrenzten Vorhöfe unbelebt, wie man es wohl in einer sommerverlassenen Residenzstadt, aber nicht am lachenden Ufer des schönen Neuenburger Sees im Sommer erwartet. Nur einige Fenster im Erdgeschoß waren unverschlossen und bezeichneten „des Hauses redlichen Hüter,“ der einstweilen in den öden Räumen allein auch der Gebieter war.
Am andern Morgen besah ich mir die Stadt, deren Ruf großen Reichthums auf solider Grundlage ruhen mag. Ein Freund führte mich in das palastähnliche Gymnasium, welches auf unserem Bilde besonders deutlich hervortritt, wo ich eine reiche, sehr gut gepflegte naturwissenschaftliche Sammlung fand, wie sie manche deutsche Universität nicht hat. Mit der Karte eines andern Freundes verschaffte ich mir Eintritt in das Innere des Schlosses, wo noch Alles so ziemlich im Zustand des 4. Septbr. belassen war. Wenn es mir nicht längst aus den Zeitungen bekannt gewesen wäre, so hätte es mir aus der Oertlichkeit sofort klar werden müssen, daß es den Royalisien nur um eine Demonstration zu thun gewesen sei. Eine nur halb ernstlich gemeinte Vertheidigung mußte ein großes Blutbad herbeiführen, denn die Vertheidigung war durch die Oertlichkeit sehr begünstigt. Zwei ziemlich steil ansteigende enge Straßen führen aus der Mitte der Stadt nach dem Schlosse empor. Die eine, längere, macht da, wo die andere, ihr von der entgegengesetzten Seite entgegen kommende, in sie einmündet, ein Knie, und von diesem Punkte aus geht eine Fortsetzung der andern ebenfalls gebrochenen Straße in kürzerer Linie auf Stiegen empor, während die obere Hälfte der ersteren in gerader Linie etwa 60 Schritt nach dem Schloßhofe vollends hinaufführt. Jene kürzere Straßenhälfte fand ich noch mit Eisenbahnschwellen verbarrikadirt. Am Eingange in den Schloßhof stand noch das aus Eisenbahnschwellen aufgeschichtete Thor, neben welchem beiderseits eine Kanone aus einer [618] gelassenen Luke herausdrehte, wie sie die Untergebenen des Herrn de Meuron aufgefahren hatten. Ein günstigeres Terrain für eine entschlossene Vertheidigung war kaum möglich. Oben stößt an den Vorplatz der Schloßkirche, welche dicht am Schlosse steht, ein terrassenförmig bin zur Stadt herabsteigender ziemlich unbedeutender Garten, auf dessen untere Mauer die von Locle herkommende Straße stößt. Eine Thür in dieser untern Gartenmauer war nicht einmal verschlossen, viel weniger vertheidigt gewesen. Durch sie waren die Locler eingedrungen und mit Sturmleitern fast ohne Gegenwehr der Royalisten auf die Höhe des Schlosses gekommen. Der Todesmuth der Republikaner, welche von der Stadt her den Kanonen entgegenstürmten, war von diesen durch Schweigen gehöhnt worden. Vielleicht waren sie nicht einmal geladen. Die Einzelnheiten des kurzen Kampfes beschreibe ich nicht, denn mein Gedächtniß ist, wie es scheint, für so etwas nicht geschaffen und zudem ist er den Lesern der Gartenlaube ohne Zweifel durch geschäftige Zeitungszungen seiner Zeit des Breiteren erzählt worden. Beide Gegner rochen dabei das erste feindliche Pulver und unkundig der Regeln des ernstlichen Mordhandwerks sollen einige wahrhaft tragikomische Scenen vorgekommen sein. Als unter anderen ein republikanischer Offizier mit einem kleinen Detachement von 14 Mann, mit denen er sich Stunden lang aus einem Hause gegen 500 Royalisten gewehrt hatte, sich zuletzt ergeben mußte, fragte ihn sein Gegner: „mein Herr, wenn ich nicht irre, müssen Sie mir nun ihren Degen übergeben,“ worauf ihm der Gefangene erwiederte, es komme ihm auch so vor. Mit edelem Muthe mußte nachher der Royalistenführer seine Gefangenen gegen seine eigenen Leute vertheidigen, welche wüthend darüber waren, von nur vierzehn Leuten, die sie nur für eine Vorhut hielten, so lange aufgehalten worden zu sein und die sie nun, nachdem sie sich ergeben hatten, in Stücke hauen wollten. Mißtrauend der Sache, welcher er diente, sagte dann der Royalistenoffizier zu seinem Gefangenen, morgen vielleicht könne dieser ihm seinen Liebesdienst heimzahlen. Auch der Witz hat sich hinterher der Sache bemächtigt, denn ein Calembourg, den man mir in Neuenburg erzählte, ist doch wohl nur ein gemachter, obgleich ein gut gemachter: Als nach dem schnell beendigten Kampfe auf dem Schloßplatze ein Royalist den Herrn de Meuron fliehen sah, rief er ihm zu: „de Meuron, de Meuron!“ worauf dieser erwiederte: „demeurez s’il vous plait!“
Einige zerbrochene Fensterscheiben und einige wenige durch Flintenkugeln geschlagene Löcher an zwei oder drei Häusern ausgenommen bemerkte ich auf dem Kampfplatze keine weiteren Zeichen der geschlagenen Schlacht. In dem kleinen Schloßhofe und vor dessen Eingängen standen nur einige Wachtposten mehr als gewöhnlich, von denen nur der vor dem innersten Hofe stehende die Vorzeigung meiner Karte verlangte. In der Kirche, aus welcher die Bänke auf den Vorplatz, den einige alte Ulmen beschatten, herausgebracht waren, saßen noch 111 Gefangene, denen man eben, es war zehn Uhr, ihre gute Morgensuppe und weißes Brod brachte. In der näheren Umgebung der Stadt, welche meist von Weinbergen gebildet wird, bemerkte ich einzelne mit einer Flinte bewaffnete Bürger, welche auf die auf den Zugängen der Stadt sich bewegende Bevölkerung und etwaige neue Zuzüge von Royalisten aus dem Kanton Acht hatten. Sie trugen auf ihrem bürgerlichen Kleide als Abzeichen nur das eidgenössische weiße Kreuz in einem rothen Armbande.
Das war Alles, was von dem Putsch nach 14 Tagen noch übrig geblieben war. Die ruhige Ordnung des Verkehrs war in keiner Weise durch Gewaltmaßregeln der siegenden Staatsgewalt gehemmt worden. Obgleich Sonntag war, so war selbst oben am Schloßhofe die Zahl der Neugierigen sehr gering. Dennoch schwärmten, wie man mir sagte, die Royalisten vom 14. Oktober, wo die preußische Fahne wieder auf dem Schlosse Neuenburgs wehen werde. Er ist ohne Erfüllung dieser Hoffnung ruhig vorüber gegangen.
Die Royalistenführer hatten sich eben ganz einfach verrechnet, vielleicht blos dadurch, daß sie, vornehme Leute, sich vorher nicht die Mühe genommen hatten, die Stimmung des „Volkes“ kennen zu lernen. Sie mußten zu ihrem Nachtheile erfahren, was sonst von ihrem Standpunkte aus gegen Volksaufstände geltend gemacht wird, daß sich die träge Masse der Besitzenden in der Regel nicht zum Aufstande erhebt, sei es für einen König, sei es gegen einen solchen. Diese träge Ruhe, die wohl nur Feigheit und Furcht für ihren Besitz war, machten bald nach der Unterdrückung des Aufstandes die Bourgeois gegen die Sieger als ein Verdienst geltend und wollten sie als „Adhäsion“ an die Republik ausgeben. Sie nannten sich „Unschuldige,“ die man durch die Aufhebung der Bourgeoisie doch nicht mit werde strafen wollen. Die guten Leute gehen durch Passivität immer Nummer Sicher und ernten dafür bei besiegten Volksaufständen Ruhm und Ehre. In vorliegendem Falle droht ihnen das Gegentheil. Mit der „Aufhebung der Bourgeoisie“ in Neuenburg hat es folgende Bewandtniß. Von Alters her besteht dort eine Minderheit der Bewohner, welche officiell Bourgeoisie heißt und allein im Besitz des städtischen Vermögens, der Verwaltung, steuerfrei und auch sonst noch vor der übergroßen Mehrheit bevorzugt ist. Dieses wahrhaftig in unsere Zeit nicht mehr passende Verhältniß, wodurch die Mehrheit der Neuenburger zu Heloten herabsinkt, will man jetzt aufheben und wie in der übrigen Schweiz Gleichheit unter den Bewohnern der Stadt Neuenburg herstellen. Da schreien nun die Bourgeois Gewalt, weil sie doch nicht „mitgethan“ haben. Sie haben eben wie gewöhnlich ihren König eben so gut im Stiche gelassen, wie sie es anderwärts im umgekehrten Sinne thun, und – wollen dafür nun von den Gegnern ihres Königs belohnt sein! Die Aufhebung der Bourgeoisie in Neuenburg muß aber gar nicht als Strafe an den wenigen ihrer Mitglieder, die den Aufstand mitmachten, angesehen werden, sondern einfach als Beseitigung eines längst der neuen Zeit verfallenen Mißstandes. Wenn die Bourgeoisie Strafe verdient hat, so ist es von einer ganz anderen Seite, die jetzt, zum Glück für sie, keine Macht über sie hat. Hätte die Bourgeoisie ein kleines Bischen mehr Courage und für ihre preußischen Sympathien einige ihrer lieben Francs bereit gehabt, so hätte sich das Schloß leicht bis zum Eintreffen der eidgenössischen Bataillone halten lassen – und darum handelte es sich ja doch nur. Wie wenig Muth!
Doch sehen wir uns noch etwas in der Stadt Neuenburg um. Seine Lage bietet keine großartige Schönheit dar, aber sie ist ungemein lieblich. Der blaue Seespiegel berührt unmittelbar den Fuß der Stadt, für welche zwischen ihm und den meist ziemlich gleichlaufend mit dem See langgestreckten Juraketten nur wenig ebener Flächenraum übrig bleibt, so daß die landeinwärts gelegenen Gassen der kleinen Stadt zum Theil schon den Abhang hinansteigen müssen. Jenseit des Sees, der durch die kleine Zieht in den kleineren Bielersee und mit diesem dann weiter in die Aar abfließt, dehnen sich in weiter Ferne die weißen Ketten des Berner Oberlandes und mehr rechts des Montblanc aus. Unweit der Stadt etwas nördlich erhebt sich über 2322 Fuß über dem Spiegel des Sees der Chaumont, von dem aus man bei hellem Wetter die ganze Alpenkette vom hohen Säntis bis zum Montblanc übersieht. Unser Bild zeigt uns über der Stadt den tiefen Thaleinschnitt des gewerbfleißigen Val de Travers zwischen zwei Bergen, von denen der linke der 4510 Fuß hohe Creux du Vent ist. Weiter nördlich liegt hinter dem Tête de Rang die Gemeinde la Sagne, deren Bewohner ein eigenthümlich roher Menschenschlag sein sollen. Bekanntlich waren die Helden des 3. September vorzugsweise Sagnards. Unter den ansehnlichen Häusern, welche unser Bild zeigt, tritt namentlich das stattliche Gymnasium hervor, in edelem Styl gebaut und mit einem imposanten, dem Louvre nachgeahmten Treppenhause. Rechts davon steht das prächtige Rathhaus, von welchem eben noch eine mächtige eidgenössische Fahne vom Südwinde bewegt wie zur Abwehr nach Norden ihre Faltenwellen spielen ließ. Wie Genf so hat sich auch Neuenburg schon seit langer Zeit durch Pflege von Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet. Von Agassiz, Coulon und Desor, den berühmten Naturforschern, die hier lehrten und noch lehren ist das bekannt; eben so daß Calame von Geburt ein Neuenburger ist. Aber in gewerblicher und commercieller Hinsicht steht Neuenburg noch ziemlich tief, namentlich tief unter Chaux de Fonds und Locle. Wenige Tage nach dem Putsch erschien im „Bund“ „von einem Manne, welcher der Tagespolitik fern steht“ und zwar in Neuenburg selbst, ein sehr wohlmeinender Artikel, welcher hierauf aufmerksam macht. „Die Stadt Neuenburg,“ sagt er, „könnte, vermöge ihrer vortrefflichen Lage längst ein zweites Basel oder Genf sein; es ist der natürliche Ruhepunkt zwischen beiden Grenzstädten. Allein die frühere Herrschaft dachte anders: sie wollte den dasigen Geburts- [619] und Geld-Adel nicht durch industrielle und kommerzielle Kräfte überflügeln und verdunkeln lassen. Deshalb verbannte sie die Uhrmacherei in die Berge und in’s Travers-Thal und ließ in der Hauptstadt nur solche Geschäfte aufkommen und bestehen, welche zum Unterhalt und zur Befriedigung des gewöhnlichen Lebens dienen.“ Die Aufhebung der Bourgeoisie wird ohne Zweifel wesentlich dazu beitragen, hier einschlagende Verbesserungen zu erleichtern und den aristokratischen Anstrich, den Neuenburg jetzt in auffallender Weise hat, in eine Ähnlichkeit mit Genf, dem rührigen Klein-Paris, zu verwandeln.
Charakteristisches aus der Zeit. An einem heißen Sommernachmittage
der verflossenen Saison saßen vier Herren vor dem Kursaale in
Wiesbaden. Zwei von ihnen waren kürzlich von Homburg angelangt,
wo sie die Erfahrung, die schon Manchem ihrer Vorgänger zu Theil geworden
war, gemacht hatten, daß man das Geld an der Roulette viel
eher „los werden“ kann, als es sich im Berufe des gewöhnlichen Lebens
wiedergewinnen läßt.
Dieses Spielerunglück gab zunächst den Stoff zum Gespräche her. Zufällig blätterte einer der Theilnehmenden in einer anfliegenden Zeitung. In der Beilage stand noch ein Nachkömmling jener großartigen Annoncen, mit welchen vor etwa zwei Jahren „Barry du Barry, Doktoren etc.“ ihre wunderthätige Revalenta Arabica ausposaunten.[2]
„Das ist wohl neben den Goldberger’schen Ketten und Morison’s Pillen eine der besten Spekulationen gewesen, die je gemacht worden sind,“ meinte Adolph S…fs, „es ist zu bewundern, daß sich derartige Charlatanerien Jahre lang halten können, und bis zum Schluß ihr gläubiges Publikum finden.“
Hierdurch bekam die Unterhaltung eine neue Richtung. Man erzählte sich, wie sehr das Publikum geneigt sei, einem pfiffigen Kopfe, der auf bequeme Weise verdienen wolle, zu folgen, wie jede, glücklich in die Welt geworfene Erfindung ihre momentanen Anhänger finde, bis sich endlich Freiherr v. R., einer der muntersten in der Conversation, zu der Aeußerung hinreißen ließ: „wer wettet mit mir, daß die möglichst dumme Erfindung, die ich mir erdenken kann, ihre Anhänger findet?“
„Topp, es gilt,“ rief S…, „ich halte Widerpart! Erdenken Sie sich irgend etwas aus dem Genre des Höheren Blödsinns, erfinden Sie meinethalben eine Maschine zur Fabrikation von Spiritus aus langweiligen Gesellschaftern, oder was Sie sonst belieben, posaunen Sie ihre Neuigkeit gehörig aus, und verschaffen Sie sich Abnehmer Ihrer Erfindung! Kellner, schaffen Sie uns Schreibmaterialien her!“
Die beiden Kontrahenten setzten nach längerer Debatte folgenden Kontrakt auf, an welchem die beiden andern Zuhörer insofern betheiligt waren, als sie versprechen mußten, über den Ursprung des folgenden Schwindels nichts zu verrathen, und durch Gegenoperationen den Erfolg der Wette nicht zu verringern.
1) Freiherr von R… verpflichtet sich, eine von ihm ausgehende Erfindung etc., deren Zweck und Sinn so dumm ist, daß sie nur ein Schwachkopf glauben kann, bekannt zu machen, und das Geheimniß der Erfindung gegen Erlegung einer gewissen, von ihm zu bestimmenden Summe mitzutheilen.
2) Nach vier Wochen, von der ersten Insertion in öffentliche Blätter an gerechnet, muß v. R… durch Briefe nachweisen, daß er zwölf Abnehmer für seine Erfindung etc. gefunden hat. – Sollte sich diese Zahl finden, so gibt Adolph S… diesem Herrn vierzig Flaschen Hochheimer Domdechant, anderenfalls hat von R… zu bezahlen. – – – –
Die Wette war gemacht, nun galt es jedoch, zu ihrer Ausführung durch Erfindung der „Erfindung“ zu schreiten, v. R… entwarf und verwarf Projekte, es kam ihm kein einziges hinreichend dumm vor. Endlich hatte er das Richtige gefunden. Eines Tages las man unter den Annoncen einiger Blätter: „Für Teichbesitzer!
„Nach jahrelangen, mühevollen und kostspieligen Versuchen ist es dem
„Unterzeichneten gelungen, ein Pulver zu erfinden, dessen Wirksamkeit und
„Nährkraft alle bisher bekannten Nahrungsmittel für Fische übertrifft.
„Streut man eine halbe Unze dieses Pulvers über je einen preußischen
„Morgen Teichfläche, so ist man sicher, nach Verlauf von vierundzwan-
„zig Stunden die Größe der in ihnen befindlichen Fische um das Doppelte
„zunehmen zu sehen!
„Das alleinige Depot für dieses Fischpulver befindet sich bei N.
„N. in M…, wohin sich Liebhaber gegen Frankoeinsendung von einem
„Friedrichsd’or wenden wollen. Das Pulver wird in Packeten von einem
„halben Pfund für obigen Preis verkauft. – – – v. R…“
Diese Annonce hatte schon zum dritten Male in verschiedenen Zeitungen gestanden, und es ließ sich noch immer kein Abnehmer für dieses herrliche Pülverchen finden. S… triumphirte schon, v. R… gab aber noch nicht die Hoffnung des Gewinnens auf, da er noch über vierzehn Tage Zeit bis zum Ablauf seinen vierwöchentlichen Termins hatte. Endlich kam am siebzehnten Tage nach der ersten Insertion ein Brief aus dem Norden Deutschlands, mit dem bewußten Friedrichsd’or, und das Verlangen nach Fischpulver enthaltend, v. R… reponirte den Brief zu seinen Akten, und schrieb dem Absender desselben: „daß er sehr bedauern müsse, ihm die gewünschten Pulver nicht übersenden zu können, allein die Nachfrage sei bisher so groß gewesen, daß der bisherige erste Vorrath gänzlich vergriffen sei. Er hoffe jedoch, ihm innerhalb vierzehn Tagen willfahren zu können!“
Diesem ersten Briefe folgte sehr bald ein zweiter. Jetzt war die Reihe den Triumphirens an v. R… – Als die vier Wochen verlaufen waren, hatte der glücklich Wettende statt der verlangten zwölf Abnehmer, deren dreiundzwanzig aus den verschiedensten Gegenden Deutschlands gefunden. Einige der Korrespondenten hatten auch noch verschiedene andere Mängel ihrer Fischereien mitgetheilt, und um Abhülfe derselben ersucht.
Die Wette hatte v. R… gewonnen, er hatte aber noch die Verpflichtung auf sich, den Einsendern der Briefe ihre Gelder zurückzuschicken. Die ersten zweiundzwanzig Abonnenten bekamen ihren Friedrichsd’or mit höflichen Briefen zurückgesendet, in welchen ihnen einfach auseinandergesetzt wurde, daß es sich um das Gewinnen einer Wette gehandelt habe. Dem dreiundzwanzigsten jedoch, einem Baron von M…n aus Norddeutschland, der sich schon durch die Abfassung seines Briefes als nicht an der Erfindung des Pulvers betheiligt, gezeigt hatte, wurde folgende Stylübung zugeschickt:
„Ew. Hochwohlgeboren – erhalten beifolgend einen Friedrichsd’or zurück, welchen sie am … an den Unterzeichneten gesandt haben. – Die ganze Geschichte war nur ein Scherz! Ich hatte in einer heitern Gesellschaft die Behauptung aufgestellt, es könne nichts so Albernes erzählt werden, es finde sich nicht ein Schwachkopf, der es glaube! – Ew. Hochwohlgeboren sind der dreiundzwanzigste, welcher sich um die Erlangung des Fischpulvers hierher gewandt hat. – Achtungsvoll etc. – – –“
Uebrigens hat keiner der Geprellten sich um Satisfaktion an von R… gewandt. –
Anwendung des Wasserdampfes in frühern Zeiten. James Watt ist nicht als der Erste zu bezeichnen, der den Wasserdampf als bewegende Kraft benutzte. Er verbesserte nur die Dampfmaschinen, ihm gelang es nur, eine Dampfmaschine herzustellen, frei von allen bisherigen Mängeln. Somit ist James Watt der zweite Erfinder der Dampfmaschinen. Die Idee, den Wasserdampf als bewegende Kraft zu benutzen, ist sehr alt; schon Hero, ein alter griechischer Weltweiser zu Alexandrien (210 v. Chr.), construirte einen Apparat, der durch die Reaktion des ausströmenden Wasserdampfes in die Rotationsbewegung gesetzt wurde, und Anthemius, ein berühmter griechischer Mathematiker, Baumeister und Maschinenverfertiger (geb. im fünften Jahrh. zu Tralles, einer lydischen Stadt in Kleinasien), der wegen seiner wunderbaren Erfindungen, wodurch er Erdbeben, Blitz und Donner hervorbrachte, vom Kaiser Justinian nach Konstantinopel berufen worden war, soll die Wirkungen des Wasserdampfes gekannt haben. Man erzählt folgende sonderbare Anekdote von ihm:
„Sein Haus war mit dem Hause seinen Nachbars Zeno in mehreren Parthieen verbunden. Ueber dieses Bauverhältniß gerieth Anthemius mit Zeno in einen Rechtsstreit und verlor den Prozeß, weil, wie ausdrücklich bemerkt wird, Zeno ein geschickter Redner war. Anthemius suchte sich zu rächen, und baute eine Dampfmaschine, welche der byzantinische Geschichtsschreiber Agathias (in seinem Werke de machinis mirabilibus) so beschreibt: „Er stellte große Kessel im Boden seines Hauses aus, füllte dieselben mit Wasser an, und umgab sie mit ledernen Schläuchen, die unten so weit waren, daß sie den ganzen Umfang der Kessel verschlossen. Mit den Schläuchen verband er lederne Röhren, die sich in Form einer Trompete verengten und in einer Proportion endigten. Die Enden dieser Röhren befestigte er dann so genau auf den Balken und Brettern des Zeno’schen Hauses, daß die in den Röhren enthaltene Luft und zwar mit ungehinderter Kraft in die Höhe steigen, aber nicht herausbrechen oder durchbrechen konnte. Nach diesen in’s Geheim gemachten Vorkehrungen legte Anthemius ein kräftiges Feuer unter den Kessel und erregte es zur großen Flamme. Sobald nun das Wasser heiß und kochend geworden, entwickelte sich ein starker Dunst (Dampf), der schnell und dicht in die Höhe stieg, und da er vom Kessel aus keinen andern Ausgang hatte, in die Röhren trieb, wo er zusammengepreßt und mit verstärkter Kraft in die Höhe strebte, bis er das Dach mit fortgesetzter Gewalt angriff, und dasselbe so erschütterte und bewegte, daß dan Holz nach und nach zitterte und krachte. Die Hausgenossen der Zeno, von Furcht und Schrecken ergriffen, eilten auf die Straße; Anthemius aber neckte sie mit der Frage: was sie von dem Erdbeben dächten?!“
Circulation des Blutes, Ein medicinisches Journal liefert über
die Circulation des Blutes etc. Notizen, die allen in der Arzneikunde
unbewanderten Lesern sehr interessant sein müssen. Jedes Herzklopfen
dauert eine Sekunde, was in einer Stunde 3600, und in einem Tage
86,400 beträgt. Bei jedem Herzklopfen stießen aus dem linken Magen
zwei Unzen Blut in die Pulsadern, und da das Herz in der Stunde 3600 Mal
schlägt, in dieser Zeit 7200 Unzen Blut heraus. Die ganze Blutmasse
soll daher im menschlichen Körper 24 Pfund betragen, wenn man
600 durch 24 dividirt, so findet man, daß die Blutmasse 25 Mal in einer
Stunde durch’s Herz fließt, und folglich 600 Mal des Tages. Das Herz,
einen der vorzüglichsten Muskeln, braucht, um nur eine einzige entgegengesetzte
Bewegung zu machen, eine mehreren 1000 Pfunden entsprechende
Stärke. Ein Mensch, der 150 Pfund wiegt und zwei Fuß hoch
springen will, braucht eine Stärke, die 2000 Mal größer ist als sein eigenes
Gewicht, nämlich von 300,000 Pfund.
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in populären Darstellungen.
Herausgegeben von E. A. Roßmäßler.
Preis für ein elegant broschirtes Bändchen von 11–12 Octav-Bogen mit zahlreich?n Illustrationen 12 Ngr. oder 40 Kr. C.-Mze.
Spricht auch dieser Titel deutlich aus, welches Ziel die „Bücher der Natur“ verfolgenn so dürfte es doch nicht überflüssig sein, gegenüber der reichhaltigen Literatur dieses Gebietes, den Platz, den sie in dieser einnehmen wollen, etwas näher zu bezeichnen.
Zwischen den beiden am meisten betretenen Wegen der Zeitschriften und der Lehrbuchliteratur, wollen die B. d. N. einen sicherer zum Ziele führenden Mittelweg einschlagen, ohne dadurch jene als Abwege bezeichnen zu wollen. Die Artikel der Zeitschriften, welche immer nur einzelne Gegenstände und Fragen der Naturwissenschaft behandeln können, verbreiten wohl naturwissenschaftliches Wissen, aber keine naturwissenschaftliche Bildung, und die umfänglichen populären Lehrbücher vermitteln meist auch nur ein oberflächliches Wissen, weil das Volk, das darf man sich nicht verhehlen, zu wenig Zeit auf seine Fortbildung zu verwenden hat, um nicht blos lesen, sondern studiren zu können. Man muß nicht vergessen, daß Diejenigen, welche sich populäre naturwissenschaftliche Schriften kaufen, in der Regel erschrecken, wenn sie das Buch aufschlagen, und ihnen ein streng gegliedertes System wie ein Zellengefängniß entgegen tritt. Der ältere Mann, die Hausmutter, ja jeder bereits in einem bestimmten Berufe Stehende ist eben kein Student, der sich die Wissenschaft schulgerecht vortragen läßt.
Die „Bücher der Natur“ werden daher systematische Uebersichten über die großen Gebiete der Naturwissenschaft (Thierkunde, Pflanzenkunde u. s. w.) erst dann bringen, wenn deren wichtigere Abschnitte in gründlichen Darstellungen vorausgegangen sind.
So wird z. B. eine Darstellung des Pflanzensystems in einem besondern Bändchen erst dann gegeben werden, wenn vorher der innere Bau und das Leben der Pflanze, die Giftpflanzen, die Getreidepflanzen, die Waldbäume, die Obstpflanzen, oder besonders interessante Pflanzenfamilien, z. B. die Farrnkräuter, die Moose, die Gräser, die Flechten etc. in besonderen Bändchen in allgemein faßlicher und gefälliger Form abgehandelt sein werden. Eine Kenntniß des Besonderen muß, gegenüber dem Volke, vorausgehen, wenn das Allgemeine nicht langweilen soll.
Demnach werden die Bücher der Natur eine Sammlung mit einer gewissen Gründlichkeit, aber nicht im trocknen Lehrton geschriebener kleiner Monographien sein, jede ein für sich bestehendes und für sich verständliches Ganze bildend. Mit der Chemie, von welcher das erste Bändchen einen Abriß gibt, mußte gegen den oben entwickelten Grundsatz verfahren werden, weil man die praktischen Zweige der Chemie (Brennerei, Brauerei, Seifensiederei, Färberei, Küchenchemie etc.) nicht verstehen kann, ohne eine Vorkenntniß der allgemeinsten chemischen Grundlehren. Im zweiten Bändchen ist eine gewiß vielen Eltern und Erziehern höchst erwünschte Anleitung gegeben, die Kinderwelt in ein Geist und Gemüth bildendes Beachten der sie umgebenden Natur einzuführen.
Es hat sich mit dem obenbezeichneten Herausgeber eine Zahl namhafter Naturforscher verbunden, und im fördersamen Zusammenwirken die Lösung der großen Aufgabe zu beginnen und nach Kräften durchzuführen.
Die zunächst erscheinenden Bändchen sind:
- 1. Grundzüge der Chemie, von Dr. H. Hirzel;
- 2. Die Familie als Schule der Naturwissenschafk, von Dr. B. Siegismund;
- 3. Die Natur des Hochgebirges, mit besonderer Berücksichtigung der Gletscher, von E. Dräger.
- 4. Das Wasser und seine Quellen, von Dr. H. Birnbaum;
- 5. Das Salz, vom Salineninspektor L. Meyn;
- 6. Die Ernährung und die Nahrungsmittel, von Dr. Scharlau;
- 7. Das Licht, von Dr. H. Bolze;
- 8. Die Lehre von den Gestalten des dritten Naturreichs, von Dr. H. Otto Volger;
- 9. Geschichte und Verfahren der Naturwissenschaft, vom Herausgeber;
- 10. Die Farrnkräuter, von Dr. E. Winkler.
und diesen reihen sich unter Anderen eine „Geschichte der Erde – Die deutschen Getreidepflanzen – Die schädlichen Thiere Deutschlands – Die Vogel Deutschlands – Der Mensch – Das Leben der Pflanze – Das Leben des Thieres – Die Stein- und Braunkohle und der Torf – Die Gräser – Grundzüge der Sternkunde – Die deutschen Säugethiere – Die deutschen Waldbäume – Grundzüge der Physik – Der Vulkanismus – Die Atmosphäre und ihre Erscheinungen – Der Boden – Die Metalle und ihre Gewinnung“ – von anerkannt tüchtigen Verfassern an.
Bei dem Rufe, welchen Herr Prof. Roßmäßler als populärer Schriftsteller auf naturwissenschaftlichem Gebiete genießt, bedarf es zur Empfehlung den obigen Unternehmens keiner buchhändlerischen Anpreisungen.
Die unterzeichnete Verlagshandlung hat daher den obigen Mittheilungen des Herausgebers nur noch Folgendes hinzuzufügen.
Die „Bücher der Natur“ erscheinen in Bändchen à 12 Ngr. von dem Umfange von 11 Bogen und darüber und werden, sofern keine Hindernisse in den Weg treten, in monatlichen Zwischenräumen auf einander folgen.
Illustrationen und Ansichten von den tüchtigsten Künstlern ausgeführt, werden in reicher Fülle theils in den Text eingeschalten, theils als besondere Tafeln beigegeben werden, wie denn überhaupt die Ausstattung der „Bücher der Natur“ eine durchaus würdige sein soll.
Wenn wider Erwarten ein Minus in der Bogenzahl eintreten sollte, so wird die Verlagshandlung bemüht sein, das Publikum durch reichere Illustrationen dafür zu entschädigen.
Leipzig, im November 1856. Verlagshandlung von Ernst Keil in Leipzig.
- ↑ Aus dem binnen Kurzem erscheinenden Buche: „Schmidt-Weißenfels über Heine,“ auf das wir im Voraus aufmerksam machen.
D. Redakt.
- ↑ Ein ähnliches Mittel, dem Publikum Sand in die Augen zu streuen, scheint die „Kapital-Offerte“ des „Bureaus zur Verbreitung gemeinnütziger Zwecke in Lüneburg“ zu sein, welche jetzt durch die deutschen Zeitungen die Runde macht.