Die Ermordung des Polizeirats Dr. Rumpf zu Frankfurt a. M.

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Autor: Hugo Friedländer
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Titel: Die Ermordung des Polizeirats Dr. Rumpf zu Frankfurt a. M.
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aus: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1, S. 57–60
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Erscheinungsdatum: 1908
Verlag: Continent
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Commons
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Die Ermordung des Polizeirats Dr. Rumpf zu Frankfurt a. M.

In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts unter der Herrschaft des Sozialistengesetzes tobte zwischen Polizei und den extremen Parteien ein heftiger Kampf. Die Anarchisten, deren Bewegung zur Zeit des Sozialistengesetzes große Fortschritte machte, versuchten durch Gewalttaten die Gemüter in Furcht und Angst zu versetzen. Ganz besonders tobte der Kampf in Frankfurt a. M., und zwar galt er in der Hauptsache dem Chef der dortigen politischen Polizei, Polizeirat Dr. Rumpf. Schon im Jahre 1881 wurde der Versuch gemacht, das Gebäude des Polizeipräsidiums in Frankfurt a. M. in die Luft zu sprengen. Dem Polizeirat Dr. Rumpf wurde in einer Anzahl Briefe gedroht, ihm Oleum in die Augen zu gießen und ihn zu ermorden.

An einem prächtigen Abend des Monats Mai 1885 begab sich Polizeirat Dr. Rumpf, wie allabendlich, zu Fuß vom Frankfurter Polizeipräsidium nach seiner im Villenviertel belegenen Privatwohnung. Zwei Schritt vor der Haustür erhielt er einen Dolchstich in den Rücken. Der Polizeirat stürzte sofort bewußtlos zusammen. Der augenscheinlich sehr scharf geschliffene Dolch hatte das Herz getroffen. Noch ehe Hilfe herbeikam, war der Polizeirat verschieden. In der fast menschenleeren Straße war wohl das Flüchten eines jungen Mannes beobachtet worden, es fehlte aber vom Täter jede Spur. Die Polizei entfaltete begreiflicherweise eine fieberhafte Tätigkeit, um den Mörder ihres Chefs zu ermitteln.

Nach einigen Wochen wurde in einer Herberge in der Nähe von Frankfurt der 21jährige Schuhmachergeselle Lieske unter dem Verdacht des Mordes verhaftet. Lieske war Anarchist und hatte an der rechten Hand eine Verletzung, über deren Entstehung er die verschiedensten Angaben gemacht hatte. Die Aerzte stellten fest, daß die Verletzung wahrscheinlich durch den Gebrauch eines Dolchmessers entstanden war. Es wurde auch festgestellt, daß Lieske am Tage des Mordes in Frankfurt gewesen, von diesem Tage ab aber verschwunden war.

Obwohl Lieske beharrlich leugnete, wurde die Anklage wegen Mordes gegen ihn erhoben. Er hatte sich Ende Juni 1885 vor dem Schwurgericht Frankfurt a. M. zu verantworten. Die Geschworenen hatten die Schuldfrage wegen Mordes bejaht. Der Erste Staatsanwalt Freese beantragte die Todesstrafe und dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Daraufhin zog sich der Gerichtshof zur Beratung zurück. Nunmehr trat Lieske vor den Staatsanwalt und rief: „Der Rumpf ist kaput gegangen, der Rumpf ist tot, ha! ha! ha!“ Dabei klatschte er vergnügt in die Hände. Der Erste Staatsanwalt gebot dem Angeklagten Schweigen, Lieske rief jedoch: „Sie, Herr Staatsanwalt, werden niemanden mehr anklagen, dafür wird gesorgt werden!“

Der Gerichtshof verurteilte den Angeklagten zum Tode und zu dauerndem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Die eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht verworfen. Im September 1885 wurde Lieske hingerichtet.

Die Prophezeiungen Lieskes gegen den Ersten Staatsanwalt Freese haben sich voll bewahrheitet. Freese erhielt nach der Verurteilung Lieskes fortgesetzt Drohbriefe, die den ohnehin nicht ganz taktfesten Mann in große Aufregung versetzten. Er beantragte schließlich seine Versetzung. Er wurde Kammergerichtsrat in Berlin, und zwar Beisitzer eines Zivilsenats. Obwohl er in dieser Stellung vollständig dem politischen Getriebe entrückt war, soll er auch nach Berlin fortdauernd Drohbriefe erhalten haben. Diese haben ihn derartig in Unruhe versetzt, daß er in Schwermut verfiel. Seine Familie war schließlich genötigt, ihn in die „Maison de santé“ in Schöneberg bei Berlin zu bringen. Dort ist er nach einiger Zeit an den Folgen von Paralyse gestorben. –