Die Entschädigung unschuldig Verurtheilter

Textdaten
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Titel: Die Entschädigung unschuldig Verurtheilter
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 292
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[292] Die Entschädigung unschuldig Verurtheilter, für welche die „Gartenlaube“ seit einer Reihe von Jahren aufs nachdrücklichste eingetreten ist, scheint nun doch endlich einer gesetzlichen Regelung entgegenzugehen. Nach Mittheilungen, welche der württembergische Justizminister in der schwäbischen Abgeordnetenkammer gemacht hat, wird in Preußen derzeit ein Gesetzesentwurf vorbereitet, welcher neben der Wiedereinführung der Berufung in Strafsachen die gesetzliche Entschädigung der unschuldig Verurtheilten zum Gegenstand hat und welcher als Antrag Preußens dem Bundesrath vorgelegt werden soll. Wann dieser Entwurf kommt und was er bringt, das wissen wir vorläufig noch nicht, immerhin ist es schon etwas, wenn die Sache wenigstens im Fluß bleibt und nicht wieder einschläft. In der That ist die Chronik der deutschen Gerichte gar nicht dazu geeignet, diese gerechte Forderung des deutschen Volkes in Vergessenheit gerathen zu lassen; sie verzeichnet aus den letzten Jahren wieder eine ganze Reihe von Irrthümern der Justiz. Gerade in Württemberg hat der Fall des Bäckergesellen Pius Entreß viel Aufsehen erregt, der wegen eines Diebstahls bei dem türkischen Oberstlieutenant Mustapha Bey zu vier Jahren Zuchthaus verurtheilt worden war, aber, nachdem er neun Monate davon abgesessen, wieder freigesprochen werden mußte. Solchen Erfahrungen gegenüber bleibt die freiwillige Entschädigung, welche in den meisten Bundesstaaten die gesetzliche vertritt, entschieden unzulänglich, und es gereicht dem Deutschen Reiche nicht zur Ehre, daß es sich auf diesem Felde von Oesterreich hat den Rang ablaufen lassen. Denn dort ist seit etwas mehr als einem Jahre die Entschädigungspflicht des Staates gegenüber den Opfern der irrenden Justiz, wenigstens soweit es sich um Vermögensschädigungen handelt, gesetzlich anerkannt.

Hoffen wir, daß Deutschland nicht allzu spät dem hochherzigen Beispiel nachfolge!