Die Entführung (Bürger)
„Knap, satt’le mir mein Dänenros,
Daß ich mir Ruh erreite!
Es wird mir hier zu eng’ im Schlos;
Ich wil und mus ins Weite!“ –
Vol Angst und Ahndung, sonder Rast.
Es schien ihn so zu plagen,
Als hätt’ er Wen erschlagen.
Er sprengte, daß es Funken stob,
Und als er kaum den Blik erhob,
Sieh da! Gertrudens Zofe!
Zusammenschrak der Rittersman;
Es pakt’ ihn, wie mit Krallen, an,
Hinüber und herüber. –
„Gott grüss’ Euch, edler junger Herr!
Gott geb’ Euch Heil und Frieden!
Mein armes Fräulein hat mich her
Verloren ist Euch Trudchens Hand!
Dem Junker Plump von Pommerland
Hat sie, vor aller Ohren,
Ihr Vater zugeschworen.
‚Wo Karl dir noch gelüstet,
So solst du tief ins Burgverlies,
Wo Molch und Unke nistet.
Nicht rasten wil ich Tag und Nacht,
Das Herz ihm ausgerissen,
Und das dir nachgeschmissen.‘
Jezt in der Kammer zagt die Braut,
Und zukt vor Herzenswehen,
Und wünschet zu vergehen.
Ach! Gott der Herr mus ihrer Pein,
Bald mus und wird er gnädig seyn.
Hört ihr zur Trauer läuten,
‚Geh, meld’ ihm, daß ich sterben mus‘ –
Rief sie mit tausend Zären –
‚Geh, bring ihm ach! den lezten Grus,
Den er von mir wird hören!
Von mir ihm diesen goldnen Ring
Und dieses Wehrgehenke,
Wobei er mein gedenke!‘“ –
Zu Ohren braust’ ihm, wie ein Meer,
Die Berge wankten um ihn her.
Es flirt’ ihm vor der Stirne.
Doch jach, wie Windeswirbel fährt,
Und rührig Laub und Staub empört,
Verzweiflungsmut nun Meister.
„Gottslohn! Gottslohn! du treue Magd,
Kan ich’s dir nicht bezalen.
Gottslohn! daß du mir’s angesagt,
Bis wolgemut und tumle dich!
Flugs tumle dich zurük und sprich:
Wär’s auch aus tausend Ketten,
So wolt’ ich sie erretten!
Flugs tumle dich von hinnen!
Ha! Riesen, gegen Hieb und Stich,
Wolt’ ich sie abgewinnen.
Sprich: Mitternachts, bei Sternenschein,
Mir geh’ es, wie es gehe!
Wohl, oder ewig wehe!
Risch auf und fort!“ – Wie Sporen trieb
Des Ritters Wort die Dirne.
Sich’s klar vor Aug und Stirne.
Dann schwenkt’ er hin und her sein Ros,
Daß ihm der Schweis vom Buge flos,
Bis er sich Rath ersonnen
Drauf lies er heim sein Silberhorn
Von Dach und Zinnen schallen.
Herangesprengt, durch Korn und Dorn,
Kam straks ein Heer Vasallen.
Und raunt’ ihm heimlich Ding ins Ohr: –
„Wolauf! Wolan! Seyd fertig,
Und meines Horns gewärtig!“ –
Als nun die Nacht Gebirg und Thal
Und Hochburgs Lampen überal
Schon ausgeflimmert hatten,
Und alles tief entschlafen war;
Doch nur das Fräulein immerdar,
Und seinen Ritter dachte:
Da horch! Ein süsser Liebeston
Kam leis’ empor geflogen.
„Ho, Trudchen, ho! Da bin ich schon.
Ich, ich, dein Ritter, rufe dir;
Geschwind, geschwind herab zu mir!
Schon wartet dein die Leiter.
Mein Klepper bringt dich weiter.“ –
Stil, daß ich nichts mehr höre!
Entränn’ ich ach! mit dir allein,
Dann wehe meiner Ehre!
Nur noch ein lezter Liebeskus
Eh ich im Todtenkleide
Auf ewig von dir scheide.“ –
„Ha Kind! Auf meine Rittertreu
Kanst du die Erde bauen.
Mir Ehr’ und Leib vertrauen.
Risch gehts nach meiner Mutter fort.
Das Sakrament vereint uns dort.
Kom kom! Du bist geborgen.
„Mein Vater! - - Ach! ein Reichsbaron! - - -
So stolz von Ehrenstamme! - - - -
Las ab! Las ab! Wie beb’ ich schon,
Vor seines Zornes Flamme!
Bis daß er nieder dich gemacht,
Das Herz dir ausgerissen
Und das mir vorgeschmissen.“ –
„Ha, Kind! Sey nur erst sattelfest,
Dann steht uns offen Ost und West. –
O zaudre nicht zu lange!
Horch, Liebchen, horch! – Was rührte sich? –
Um Gotteswillen! tumle dich!
Sonst sind wir ganz verloren.“ –
Das Fräulein zagte – stand – und stand –
Es graust’ ihr durch die Glieder. –
Da grif er nach der Schwanenhand,
Ach! Was ein herzen, Mund und Brust,
Mit Rang und Drang, vol Angst und Lust,
Belauschten jezt die Sterne,
Aus hoher Himmelsferne! –
Und schwang’s auf den Polacken.
Hui! sas er selber auf und schlung
Sein Heerhorn um den Nacken.
Der Ritter hinten, Trudchen vorn.
Die Peitsche den Polacken;
Und Hochburg blieb im Nacken. –
Ach! leise hört die Mitternacht!
Kein Wörtchen ging verloren.
Ein Paar Verräterohren.
Des Fräuleins Sittenmeisterin,
Vol Gier nach schnödem Goldgewin,
Sprang hurtig auf, die Thaten
„Halloh! Halloh! Herr Reichsbaron! –
Hervor aus Bett’ und Kammer! –
Eur Fräulein Trudchen ist entflohn,
Entflohn zu Schand’ und Jammer!
Und jagt mit ihr durch Feld und Forst.
Geschwind! Ihr dürft nicht weilen,
Wolt ihr sie noch ereilen.“
Hui auf der Freiherr, hui heraus,
Und donnerte durch Hof und Haus
Und wekte seine Leute. –
„Heraus, mein Sohn von Pommerland!
Siz auf! Nim Lanz’ und Schwert zur Hand!
Fort fort! sie einzuholen!“ –
Rasch rit das Paar im Zwielicht schon,
Da horch! – ein dumpfes Rufen –
Und horch! – erschol ein Donnerton,
Und wild kam Plump, den Zaum verhängt,
Weit weit voran, dahergesprengt,
Und lies, zu Trudchens Grausen,
Vorbei die Lanze sausen. –
Mit deiner losen Beute.
Herbei vor meinen Klingenhieb!
Dann raube wieder Bräute!
Halt an, verlaufne Bulerin,
Dich meine Rache strecke,
Und Schimpf und Schand’ euch decke!“ –
„Das leugst du, Plump von Pommerland,
Bei Gott und Ritterehre!
Dich andre Sitte lehre. –
Halt, Trudchen, halt den Dänen an! –
Herunter, Junker Grobian,
Herunter von der Märe,
Ach! Trudchen, wie vol Angst und Not!
Sah hoch die Säbel schwingen.
Hell funkelten im Morgenrot
Die Damascener Klingen.
Ward rund umher das Echo wach.
Von ihrer Fersen Stampfen
Began der Grund zu dampfen.
Wie Wetter schlug des Liebsten Schwert
Gertrudens Held blieb unversehrt,
Und Plump erstand nicht wieder. –
Nun weh, o weh! Erbarm’ es Gott!
Kam fürchterlich, Galop und Trot,
Der Nachtrab angeritten. –
Trarah! Trarah! durch Flur und Wald
Lies Karl sein Horn nun schallen.
Sieh da! Hervor vom Hinterhalt,
„Nun halt, Baron, und hör’ ein Wort!
Schau auf! Erblikst du Jene dort?
Die sind zum Schlagen fertig,
Und meines Winks gewärtig.
Damit dich nichts gereue!
Dein Kind gab längst mir Treu und Wort,
Und ich ihm Wort und Treue.
Wilst du zerreissen Herz und Herz?
Vor Gott und Welt verklagen?
Wolan! so las uns schlagen!
Noch halt! Bei Gott beschwör’ ich dich!
Bevor’s dein Herz gereuet.
Dem Fräulein stets geweihet.
Gib - - Vater! - - gib mir Trudchens Hand! –
Der Himmel gab mir Gold und Land.
Mein Ritterruhm und Adel,
Ach! Trudchen, wie vol Angst und Not!
Verblüht’ in Todesblässe.
Von Zorn der Freiherr heis und rot,
Glich einer Feueresse. –
Sie rang die schönen Hände wund,
Und suchte bas, mit Thränen,
Den Eifrer zu versönen.
„O Vater, habt Barmherzigkeit,
Verzeih’ euch, wie ihr uns verzeiht,
Der Himmel auch die Sünde!
Glaubt, bester Vater, diese Flucht,
Ich hätte nimmer sie versucht,
Mich nicht geekelt hätte. –
Wie oft habt ihr, auf Knie und Hand,
Gewiegt mich und getragen!
Wie oft: du Herzenskind! genant!
O Vater, Vater! Denkt zurük!
Ermordet nicht mein ganzes Glük!
Ihr tödtet sonst daneben
Auch eures Kindes Leben.“ –
Und wies den krausen Nacken.
Der Freiherr rieb, wie taub und stum,
Die dunkelrauhen Backen. –
Vor Wehmut brach ihm Herz und Blik;
Um nicht durch Vaterthränen
Den Rittersin zu hönen. –
Bald sanken Zorn und Ungestüm.
Das Vaterherz wuchs über.
Die stolzen Augen über. –
Er hub sein Kind vom Boden auf,
Er lies der Herzensflut den Lauf,
Und wolte schier vergehen,
„Nun wol! Verzeih’ mir Gott die Schuld,
So wie ich dir verzeihe!
Empfange meine Vaterhuld,
Empfange sie auf’s neue!
Hier wandt’ er sich zum Ritter um, –
„Da! Nim sie meinetwegen,
Und meinen ganzen Segen!
Kom, nim sie hin, und sey mein Sohn,
Vergeben und vergessen schon
Ist jegliche Beschwerde.
Dein Vater, einst mein Ehrenfeind,
Der’s nimmer hold mit mir gemeint,
Ihn hast’ ich noch im Sohne.
Mach’s wieder gut! Mach’s gut, mein Sohn,
An mir und meinem Kinde!
Auf daß ich meiner Güte Lohn
So segne dann, der auf uns sieht,
Euch segne Gott, von Glied zu Glied!
Auf! Wechselt Ring’ und Hände!
Und hiermit Lied am Ende!“ –