Die Einweihung von Notre Dame in Paris

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Die Einweihung von Notre Dame in Paris
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aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 448
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[448] Die Einweihung von Notre-Dame in Paris. Vor Kurzem fand in Paris eine merkwürdige kirchliche Feierlichkeit statt: die Einweihung von Notre-Dame. Diese schöne, hochberühmte Kirche, die ihr Alter 15 Jahrhunderte zurückführt, war bis auf unsere Tage noch nicht eingeweiht worden und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie während dieser 15 Jahrhunderte niemals ihren baulichen Abschluß gefunden hatte. Wie die Vollendung des Louvre, jenes alten, prachtvollen Palastes der französischen Herrscher, so blieb auch die Vollendung der Kirche von Notre-Dame der Regierung Napoleon’s III. vorbehalten.

Die endliche Einweihungsfeierlichkeit war höchst imposant. Der Erzbischof von Paris, umgeben von einer großen Anzahl anderer französischer und ausländischer Bischöfe, Prälaten und Priester, vollzog die Weihe, und die ungeheuern Räume der herrlichen Kirche waren dicht gefüllt mit einer zahllosen Menge von Menschen, die, theils gläubig theils neugierig, theils fromm theils schaulustig, von nah und fern herbeigeströmt war. Die katholische Kirche spart, wie man weiß, bei dergleichen Anlässen weder Weihrauchwolken noch Kerzenschimmer, um den Glanz ihrer Festlichkeiten zu erhöhen und dadurch auf das Gemüth und die Phantasie ihrer Angehörigen desto mächtiger einzuwirken; indessen sind sich diese effektvollen Ausdrücke des römischen Cultus alle ziemlich ähnlich, und es läßt sich wenig Neues darüber sagen. Demnach liegt es auch nicht in meiner Absicht eine Beschreibung der in Rede stehenden Feierlichkeit zu geben. Aber die Kirche von Notre Dame selbst hat eine großartige, errinnerungsschwere Geschichte, die mit der Geschichte von Frankreich eng verwoben ist. Welch eine Reihe von mächtigen, welterschütternden Ereignissen haben die altersgrauen Mauern dieses ehrwürdigen Gebäudes in dem langen Zeitraume so vieler Jahrhunderte an sich vorüberziehen sehen! Wie manche Siegesfeier haben die Glocken von Notre-Dame mit ihrem ehernen Klänge verkündet, wie manchen mächtigen Herrschers Kniee haben sich an den Stufen dieses uralten Altares zum Dank- oder Bitt-Opfer gebeugt!

Eine kurze Zusammenstellung der wichtigsten Ereignisse, deren Schauplatz die Kirche von Notre-Dame war, dürfte daher wohl von einigem Interesse für den Leser sein. Zur Vervollständigung dieses geschichtlichen Ueberblickes gehe ich zurück bis auf das sechste Jahrhundert, wo die Kirche als ein geheiligter Zufluchtsort betrachtet wurde; Fridegunde flüchtete sich hierher und fand Schutz. Im Jahre 829 fleht man in Notre Dame zu Gott um die Niederwerfung der Normannen. 1230 wallfahrtet Raimund VII., Graf von Toulouse, barfüßig hierher, um den über ihn verhängten Kirchenbann wieder aufheben zu lassen. 1239 bringt König Ludwig IX. die Dornenkrone des Heilandes nach Notre-Dame, die ihm von Balduin geschenkt worden ist. 1393 findet hier die Krönung von Isabelle von Baiern statt. 1431 wird König Heinrich VI. von England daselbst als König von Frankreich gekrönt. 1437 : König Carl VII., nachdem er mit Hülfe der Jungfrau von Orleans die Engländer besiegt hat, läßt hier einen feierlichen Dank-Gottesdienst abhalten. 1560: Maria Stuart, die nachmals enthauptete unglückliche Schottenkönigin, wird hier gekrönt als Gemahlin Franz’ II. von Frankreich. 1572 findet hier die Vermählung Heinrich’s IV. mit Margarethe von Valois statt und zwar in der Woche, die der Bartholomäusnacht vorherging. 1622 wird die Kirche von Notre-Dame durch den Papst Gregor XV. zur Metropolitan-Kirche erhoben. 1779 werden hundert junge Mädchen hier verheirathet, die der König Ludwig XVI. ausstattet. 1781 findet ein Te-Deum statt, für die Geburt des unglücklichen Dauphin Ludwig XVII. 1793 wird die Kirche zum Tempel der Vernunft erklärt. 1795 wird sie, mittlerweile zu einer Wein-Niederlage benutzt, dem Cultus zurückgegeben. 1802 findet ein Te-Deum statt für die Unterzeichnung des Concordates; die drei Consuln wohnen dieser Feierlichkeit bei. 1804: Krönung Napoleon’s I. und Josephine’s durch den Papst Pius VII. 1811: Te-Deum für die Geburt des Königs von Rom. 1816: Verheirathung des Herzogs von Berri mit einer Prinzessin von Sicilien. 1821: Taufe des Herzogs von Bordeaux.

1841: Taufe des Grafen von Paris. 1842: Trauergottesdienst für den Herzog von Orleans. 1848: Trauergottesdienst für den Erzbischof Affre, der auf den Barrikaden getödtet worden ist. 1853: Vermählung des Kaisers Napoleon III. mit der Kaiserin Eugenie.

Seitdem hat die Kirche von Notre-Dame die Taufe des kaiserlichen Prinzen und die Dank-Gottesdienste für die in der Krim und Italien erfochtenen Siege gesehen.

Man wird bekennen müssen, daß wenige Gebäude eine so großartige Geschichte haben, wie die Kirche von Notre-Dame; sie ist eines der interessantesten Bau-Denkmale der Welt, wie sie unstreitig eines der schönsten ist.