Textdaten
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Autor: Ernst Deecke
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Titel: Die Ehre verlaufen
Untertitel:
aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 200–203
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
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Erscheinungsort: Lübeck
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Quelle: Google, Commons
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[200]
105. Die Ehre verlaufen.

1427 ward eine große Flotte Orlogsschiffe von den Seestädten ausgesandt, mit dem Befehl, dem König zu Dänemark so viel Abbruch zu thun, als nur immer möglich. Auf diese Schiffe setzte jede Stadt ihren eignen Hauptmann; doch ward für gut angesehn, daß über alle ein besonderer Oberster sein sollte, nämlich Herr Tiedeman Steen von Lübeck. Es ward ihm sonderlich befohlen, daß er in den Nortsund (Oresund) laufen, und sich auch um keiner Ursache willen aus dem Sunde begeben sollte, als bis die Salzschiffe durchgesegelt wären.

Wie nun der Städte Schiffe in den Nortsund kamen, sahen sie des Königs Flotte vor Kopenhagen liegen. Da war der Hamburger Capitän der erste, welcher auf die Dänen losging, und schon schickten sich alle Städte zum Streit; aber der Hamburger setzte viel zu hitzig an und hatte die andern nicht zeitig genug zur Hand: deßwegen fielen der Dänen so viel über ihn her, und brachten ihn so in Noth, daß er genommen wurde. Hierauf läuft flugs ein großes dänisches Schiff zu dem Lübschen Admiral, mit vielen fürsten- und rittermäßigen Kriegsleuten und den Besten vom Adel aus den Königreichen, so daß, wenn man diese bekommen, der ganze Krieg geendigt [201] wäre. Aber wie es recht an ein Treffen gehen sollte, nahm der Admiral, Herr Tiedeman, einen Wich, weil er verzaget und kein Kriegsmann war. Als das der andern Städte Schiffe sahen, daß der Lübsche Admiral den Feind nicht beißen wollte, hielten sie alle still.

Dennoch waren Andere vorhanden, die ihre und der Stadt Lübeck Ehre und Eid was besser bedacht, und viel lieber Leib und Leben in Gefahr setzen wollten, als daß sie dem Feinde den Rücken zuwenden mochten. Also that sich ein anderer Lübischer Schiffer hervor, Goswin Gruwel mit Namen, der ward mit seinem Hauptmann, Herrn Johann Behre, eins, die verlaufene Ehre des Herrn Tiedeman wieder einzubringen. Sie ermahnten darauf ihre Schiffskinder und Kriegsleute zum höchsten, ihren Eid und der Stadt Ehre zu bedenken; und liefen damit in die ganze Flotte der Dänen, schlugen sich tapfer mit ihnen herum, gleich wie die Hamburger anfänglich auch gethan, und nahmen so eins von des Königs größten und besten Schiffen, worauf sie reiche Cumpane und stattliche Beute fanden: doch waren die vornehmsten Dänen darauf erschossen und erschlagen. Danach bekamen sie noch eins von den größten schwedischen Schiffen, worauf auch Vornehme vom Adel waren neben guter Beute; also daß, wenn Herr Tiedeman nicht unbeständig worden, die sämmtlichen Städte den Tag großen Preis und Ehre davon getragen.

[202] Als nun der Lumpenkrieg so weit gediehen, machte es Herr Tiedeman noch ärger, und lies gar hinweg aus dem Nortsund; und die Andern mußten ihm als dem Admiral folgen.

Kaum drei Stunden hernach aber fuhren die Salzschiffe aus der Westsee in den Sund, und meinten guten Schutz zu haben; wie es ihnen unlängst auch geschrieben war. Statt dessen kamen die Dänen über sie. Obgleich sie nun sich tapfer wehrten, und viele der Dänischen bleiben mußten, waren sie doch nur Kauffahrer und zum Kriege übel ausgerüstet; deswegen mußten sie sich endlich verloren geben, dergestalt daß die Dänen jenes Tages an die 46 Salzschiffe bekamen.

Danach, auf Marien Krautweihe, kamen die wendischen Städte in Lübeck zusammen, welche ihr Volk mit im Kriege gehabt, und waren alle sehr bekümmert wegen des großen Schadens, den sie erlitten, allermeist aber wegen des großen Schimpfes und Hohnes, daß der Admiral seine Ehre verlaufen. Es kamen auch die Fürsten von Holstein, die dazumal in großen Sorgen und Furchten stunden, daß die Städte ihnen nicht mehr Beistand leisten könnten, und deswegen aufs höchste baten, die Städte möchten ja Brief und Siegel halten und sie in ihren Nöthen, ja höchsten Nöthen nicht verlassen. Denen ist zur Antwort gegeben: was ihnen von sämtlichen Städten versprochen, gelobt und zugesagt sei, sollte ihnen ohne das gewißlich und wohl gehalten werden.

[203] Als nun die Holsten ihren Abscheid bekommen, sind die Hamburger vorgetreten, und haben ganz beschwerlich über Herrn Tiedeman geklagt, daß er ihnen nicht beigestanden und ihren Capitän hätte wegnehmen lassen, wodurch denn viele der Ihrigen ums Leben gekommen wären.

Überdieß traten auch viele Bürger von Lübeck und die sämtlichen Herren Gesandten hervor und klagten über ihren großen Schaden und über den schmählichen Schimpf, der ihnen widerfahren sei, und verlangten: Ein Rath solle das Urthel über Herrn Tiedeman sprechen.

Hierauf begehrte der Rath zu wissen: ob Herr Tiedeman keiner Bürgen genießen möchte. Da riefen sie alle: „nein, nein!“ und daß er keiner Bürgen würdig, weil er so übel gehandelt.

Nun mußte er auf Eines Raths Befehl ins Gefängniß gehn; da saß er drei ganzer Jahre lang. Dann ließen ihn die Gesandten der Städte, auf Vorbitte des Bischofs von Lübeck, in sein eigen Haus einlegen: da ist er auch gestorben.

Ein andermal nehmt Männer, nicht Memmen!

Bemerkungen

[394] Gerechtfertigt ist der Admiral durch Dreyer in Gadebusch Pommerschen Samml. H. 1. S. 21–41.