Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Edelfäule
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 596, S. 35
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[596] Die Edelfäule. Alte Weinkenner am Rhein behaupten, daß man erst im Jahre 1822 gelernt habe, aus edelfaulen Trauben den köstlichsten Wein zu bereiten. In jenem Jahre war der Sommer dem Weinstock außerordentlich günstig, so daß schon Ausgangs September eine Ueberzeitigung eintrat und gelesen werden mußte. Die Weinbauer wurden dadurch sehr unangenehm überrascht, da allgemein der Oktober als Herbstmonat gilt und um jene Zeit Vorbereitungen zum Empfang des neuen Gastes getroffen werden. So kam es, daß an vielen Orten „eine faule Brühe“ gelesen wurde. Der Wein, den man erzielte, erwies sich jedoch ausgezeichnet, und man erzählt (vgl. J. Schlamp „Die Weinjahre des 19. Jahrhunderts“), daß auf dem Johannisberg nur zwei Stück zu 1200 Litern geherbstet wurden, diese aber auch dafür alle Erwartungen übertrafen. Der mildere Wein wurde Braut genannt und zu 15 000 fl. verkauft, der kräftigere erhielt den Namen Bräutigam und wurde mit 16 000 fl. für das Stück bezahlt. Seit jenem Jahre wurde der Werth der Edelfäule anerkannt; die „Gartenlaube“ berichtete darüber in dem Artikel „Aus der Zeit der Weinlese“ in Nr. 44 des Jahrganges 1884. Es dauerte aber lange, bis die Edelfäule wissenschaftlich erklärt wurde. Neuerdings ist dies gelungen, und wir entnehmen einer lehrreichen Arbeit von Dr. Hermann Müller-Thurgau folgendes:

Die Edelfäule wird hauptsächlich durch einen besonderen Pilz verursacht, der Peziza Funckeliana heißt. Die günstige Wirkung dieses Pilzes beruht nun darauf, daß er in den Beeren Zucker und Säure verzehrt, aber stets mehr Säure als Zucker; dabei verlieren die Beeren an Wassergehalt, so daß der Most zuckerreicher und säureärmer wird. Das ist das Geheimniß der Edelfäule, welches durch zahlreiche mühevolle Versuche und Analysen festgestellt wurde. Die Peziza Funckeliana ruft jedoch nur bei wenigen Traubensorten diese günstigen Veränderungen hervor. In erster Linie ist es der Riesling, dessen edelfaule Trauben die herrlichsten Weine des Rheingaues, die besten Sorten der Mosel- und Saarweine, die feurigen Franken- und vollen Haardtweine liefern. Dagegen führt das Befallen durch den Pilz bei den sogenannten „weichen“ Sorten entschieden zum Nachtheil.

Die Edelfäule zerstört bekanntlich das Rieslingbouqnet, erzeugt aber dafür ein anderes, welches dem Sherrybouquet ähnlich ist.

Neben der Peziza befällt noch ein anderer Pilz die Trauben: der bekannte Pinselschimmel (Penicillium glaucum); dieser verdirbt den Most und die Winzer werden von jetzt ab noch mehr darauf achten müssen, daß bei der Auslese die vom Pinselschimmel befallenen, eine schmutzig hellgrüne bis gelbliche Färbung zeigenden, speckig faulen Beeren ganz entfernt werden.

Peziza Funckeliana wollen wir in Ehren halten; sie ist eine der „wohlthätigen Mikroben“, vor denen die Menschen sich nicht durch Karbol- und Salicylsäure zu schützen brauchen. *