Die Disciplinarstrafen auf der nordamerikanischen Marine

Textdaten
<<< >>>
Autor: Eugen Lehmann
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Disciplinarstrafen auf der nordamerikanischen Marine
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 259
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[259] Die Disciplinarstrafen auf der nordamerikanischen Marine sind so eigenthümlicher Art, daß es manchen Leser interessiren dürfte, etwas darüber zu erfahren.

Um Vergehen gegen die Schiffsordnung zu ahnden, gebraucht man in vielen Fällen Handschellen und Fußfessel, und werden diese Zwangsmittel auf sehr verschiedene Weise angewendet. Ungehorsam, Lässigkeit im Dienst wird meistens damit bestraft, daß der Delinquent ein oder mehrere Tage lang Hand- und Fußfessel zu tragen hat. Haben nämlich Schiffsjungen irgend welchen Unfug getrieben, so werden dieselben (oftmals drei, vier und noch mehr) mit Handschellen an einander geschlossen, und diese Strafe giebt oft zu recht lächerlichen Scenen Anlaß, da die auf solche Weise zusammengeketteten Knaben gezwungen sind, bei manchen Verrichtungen, wie z. B. beim Essen, die komischsten Manipulationen vorzunehmen.

Schlugen sich zwei Matrosen ernstlich mit einander, so werden dieselben in der Weise gefesselt, daß die Hände des Einen auf dem Rücken des Anderen zu liegen kommen. In dieser umarmenden Stellung müssen nun die beiden Raufbolde sich oft stundenlang in die Augen sehen; sie boxen nach ihrer Befreiung gewöhnlich nicht wieder.

Für das zu späte Erscheinen beim Frühappell haben die mit ihren eigenen Hängematten und Matratzen beladenen Faulenzer eine mehrstündige Promenade auf dem Verdeck zu machen, wobei dieselben von einem Soldaten escortirt werden.

Da bekanntlich viele Seeleute die üble Angewohnheit des Tabakkauens haben, so sind auf jedem amerikanischen Kriegsschiff zahlreiche Spucknäpfe vorhanden. Sollte nun ein Matrose statt ihrer das Deck benutzen, so wird ihm einer der Näpfe umgehangen, und es bleibt Jedem von der Mannschaft unbenommen, denselben auch ferner noch zu benutzen.

Schiffsjungen müssen für Lässigkeit im Dienste mit einem umgestülpten Wassereimer auf dem Kopfe und einer Handspake in der Hand Wache stehen.

Zu den härteren Strafen, als die bisher erwähnten, gehört das Aufhissen (to trice). Die Delinquenten werden mit ausgespreizten Beinen und Armen am Fuß- und Handgelenk an einander geschlossen und ihre Hände sodann an eine über ihren Köpfen aufgespannte Leine befestigt. Sehr oft werden die auf solche Weise Büßenden von Ohnmacht befallen.

Das stundenlange Stehen im Takelwerk ist für die hierzu Verurtheilten auch keine leichte Aufgabe, da die als Strickleiter benutzten Wanten schräg laufen und der Sträfling an der Innenseite dieser Wanten zu stehen oder zu hängen hat.

Am allerübelsten ergeht es auf einem amerikanischen Kriegsschiffe aber demjenigen, dem die Strafe des Schwitzkastens (sweat-box) zugetheilt wird; man muß diese Procedur barbarisch nennen und deren Beseitigung dringend wünschen. Ein Holzkasten, so groß, daß ein Mensch aufrecht darin stehen, aber durchaus keine Bewegungen machen kann, befindet sich zwischen Küche und Maschinenraum, also im heißesten Theil des Schiffes, und hat in der Thür ein ganz kleines Loch, durch welches allein der Gefangene frische Luft zu schöpfen vermag. Zum Schwitzkasten verurtheilte [260] Matrosen halten diese Strafe in seltenen Fällen länger als eine Stunde aus, da gewöhnlich schon früher eine vollständige Erschöpfung eintritt.

Man sieht hieraus, daß die meisten Strafen in der U. S. Navy mehr oder minder darauf berechnet sind, den Delinquenten, gleichviel ob Schiffsjunge oder Matrose, zum Zielpunkt des Spottes und Witzes seiner Cameraden zu machen, ihn moralisch zu demüthigen. Das „Für und Gegen“ eines solchen Strafverfahrens zu erörtern, mag jedem Leser selbst überlassen bleiben.

Eugen Lehmann.