Textdaten
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Autor: Frank Neudörfer
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Titel: Die Deutschen in Australien
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aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 487–489
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die Deutschen in Australien.[1]
Ankunft in Port Adelaide. – Geschichtliches über die ersten deutschen Einwanderer. – Ihre verbesserte Lage seit Auffindung der Goldlager. – Stellung der Deutschen. – Deutsche Gelehrte. – Täglich einen Thaler Ersparniß.

Nachdem wir unter dem herrlichsten Wetter den Hafen von London verlassen und unter so manchen schönen unauslöschlichen Erinnerungen den atlantischen und indischen Ocean durchschnitten hatten, erreichten wir endlich nach einer vier Monate langen Seereise mit großer Spannung und Erwartung das Ziel unserer Wünsche und kamen glücklich in Port Adelaide, dem Hafen Südaustraliens, vor Anker. Unter rührenden und herzlichen Worten löste sich das engere Band einer kurzen aber innig geschlossenen Freundschaft zwischen Gliedern dreier Nationen, die sich früher nie gesehen, während der langen Reise treulich Freud und Leid getheilt, in der neuen Heimath sich die verschiedensten Ziele ihres Wirkens vorgestreckt hatten, und bald nach allen Richtungen hin in der Kolonie zerstreuten.

War es nun mein eifrigstes Bestreben vor Allem Denjenigen meine Aufmerksamkeit und mein Interesse zuzuwenden, die mir als Deutschem in diesem fremden und neuen Welttheile am Nächsten standen, so fand ich in Kurzem Gelegenheit diesem innern Drange eine baldige Befriedigung zu gewähren, indem mir schon am ersten Tage nach unserer Landung ein biederer deutscher Landsmann und alter Ansiedler in der Provinz Südaustralien „Willkommen im Lande des Segens“ mit dem Ausdruck der Herzlichkeit zurief und mich auf meinen Ausflügen in die verschiedensten deutschen Ansiedelungen der Umgegend von Adelaide begleitete.

Freundlich, zufrieden, herzlich und innig, wie ich es nur je in dem engsten Familienkreise meiner alten verlassenen Heimath gefunden, traten mir die einzelnen deutschen Familien in ihren einfachen und netten Häuschen, ihren blühenden Gärten und Fluren in ungeheuchelter Freude entgegen und erweckten ein Gefühl, das ich eben nur empfinden, nicht aber in Worten wiederzugeben vermochte. Allseitig zog ich Erkundigungen über ihr Ergehen ein, persönlich überzeugte ich mich unter den verschiedensten Ständen und Gewerben von deren Betriebsamkeit und dem daraus hervorgegangenen Wohlstande.

Wenn ich nun durch eigene Anschauung so wie durch Schilderungen glaubwürdiger und achtbarer Personen in den Stand gesetzt wurde, mir ein umfassendes Urtheil über die Zustände und Verhältnisse unserer Landsleute so wie über das Land selbst bilden und somit auch eine allgemeine Schilderung entwerfen zu können, so dürfte eine in diesen Blättern gegebene kurze Mittheilung für Manchen der Leser nicht ganz ohne Interesse sein.

Das Festland Australien, oder auch Neuholland genannt, welches nur 1/5 kleiner als Europa ist, wird gegenwärtig von circa 200,000 Eingebornen (Papuan-Negern) und 500,000 Europäern, und zwar von Engländern, Schottländern, Irländern, Deutschen, einigen Holländern und Franzosen, sowie von einzelnen Chinesen und Malayen theils im Innern, theils an den Küsten bewohnt, worunter die Zahl der Deutschen ungefähr 20,000–22,000 Seelen beträgt.

Erwägt man, daß diese Bevölkerung, welche nur 1/3 so groß als die des an Flächeninhalte so kleinen Königreiches Sachsen ist, bis jetzt einen ganzen Erdtheil bewohnt, der so unermeßlichen Reichthum an Mineralien, namentlich an Gold, Kupfer, Eisen, Blei u. s. w. enthält – dem großentheils eine überaus üppige Vegetation des Weidelandes eigen ist – der vor Allem aber im östlichen, südlichen und westlichen Theile ein so überaus gesundes Klima, eines der gesundesten auf der Erde, besitzt, so läßt sich keinen Augenblick verkennen, welches große Feld des Schaffens dem Eingewanderten dort offen steht, welche Geldmittel, geistige sowie physische Anstrengungen aber auch von Seiten der deutschen Colonisten dazu gehören würden, um mit den ihnen nicht nur an Zahl, sondern auch an baarem Gelde, Speculationsgeist und Ausdauer in allen Unternehmungen weit überlegenen englischen Colonisten einigermaßen Concurrenz halten zu können.

Die ersten Deutschen wanderten zuerst in namhafter Zahl zur Begründung der Provinz Südaustralien auf Veranlassung der dort sich gebildeten südaustralischen Compagnie unter Anführung des Pastor Kavel aus Klemzig in der Neumark im Jahre 1838 nach Australien aus, ihnen folgte im Jahre 1840 unter dem Geleite des Pastor Fritzsche aus Schlesien ein zweiter Zug, die sich sämmtlich in der Nähe von Adelaide, in Angas-Park und den Thälern des Barossa-Gebirges sowie im Mount-Barker-Distrikte niederließen und verschiedene kleine deutsche Plätze wie: Klemzig, Angaston, Bethanien, Langmeil, Hahndorf, Lobethal u. s. w. gründeten. Es bestanden diese ersten ausgewanderten Gemeinden aus Alt-Lutheranern, deren Motiven, aus denen sie ihr Vaterland verlassen zu müssen glaubten, mehr eingebildete als factisch vorhandene Beeinträchtigungen ihrer Glaubensfreiheiten waren. Sie hatten in ihrer alten Heimath größtentheils in den drückendsten Verhältnissen gelebt, unter denen sie selbst bei der härtesten Arbeit ihr Leben kaum fristen konnten.

Diesen ersten Uebersiedelungen folgten bald mehrere. So gingen im Jahre 1842 eine Anzahl Weinbauer aus Nassau nach dort, die sich in der Grafschaft Camden und an den Ufern des Hunterflusses in der Provinz Neu-Süd-Wales niederließen, ferner eine Anzahl deutscher Schweizer, die sich zu gleichem Betriebe des Weinbaues in der Nähe von Geelong in der Victoria-Provinz ansiedelten.

In kleinen Zwischenräumen folgten ihnen seit dem Jahre 1844 größere Auswanderungszüge, von denen sich die Meisten nach Südaustralien wendeten; die politischen Zerwürfnisse Deutschlands in den Jahren 1848 und 1849, sowie vor Allen die im Jahre 1851 entdeckten Goldlager Australiens trieben abermals bedeutende Züge von Deutschen, namentlich aus Hannover, Hamburg, Lübeck, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Brandenburg, Schlesien, Westphalen u. s. w. jener fernen neuen Heimath zu.

Freilich hatten die ersten deutschen Ansiedler kein beneidenswerthes, oft sogar ein bedauerliches Loos. Ohne recht zu wissen, was sie in der neugesuchten Heimath thun sollten, aus ihren bürgerlichen Verhältnissen heraus und in das fremdartige Leben eines beinahe noch ganz wüsten Landes geschleudert, auf dem sie damals nicht nur alle und jede Bequemlichkeiten, sondern auch manche dringende Bedürfnisse zu entbehren, ja sogar noch mancherlei Kämpfe mit den Eingebornen zu bestehen hatten, war ihre Lage wirklich eine trübe, deren Hülflosigkeit bei Vielen wesentlich noch dadurch erhöht war, daß sie der englischen Sprache fast gar nicht mächtig waren und keinerlei Geldmittel in den Händen hatten, um sich mit Vortheil eine eigene Existenz gründen zu können. Da waren es, wie auch in Amerika, die Urbarmachung von Ländereien sowie der Betrieb des Acker- und Gartenbaues im Kleinen, zu denen sie die Zuflucht nehmen mußten, um mit ihren so geringen pecuniären Mitteln Dasjenige zu erzeugen, was ihnen die nöthigsten Bedürfnisse des Lebens bot und eine allmälige Gelegenheit des Emporkommens dem bemittelten Engländer gegenüber in Aussicht stellte.

Und unter diesen beschränkten und einfachen Verhältnissen erbauten sie doch nach und nach kleine Städte und Dörfer, die sie mit deutschen Namen, bisweilen mit denen ihrer verlassenen Heimath, belegten und schufen aus Wäldern, wüsten Stätten die üppigsten Aecker und blühendsten Fluren. Unwillkürlich bewunderten die Engländer den enormen Fleiß und die rastlose Thätigkeit ihrer deutschen Mitcolonisten und fühlten recht wohl – eingedenk dessen, daß der riesige Aufschwung der nordamerikanischen Staaten den wesentlichsten Hebel in der Verbindung deutscher und englischer Kräfte gefunden, – daß auch in Australien nur durch Hülfe der Deutschen und nur ein vereintes Wirken beider Nationen zu einem allseitigen und baldigen Gedeihen der Colonien führen konnte.

Denn während sie selbst der Sprache mächtig und mit den dortigen Verhältnissen vertrauter waren, um durch allseitige Associationen sowie durch Handel und Speculationen ihre mitgebrachten Fonds zu vervielfachen, blieben allerdings den guten braven Deutschen die schweren und mühseligen Arbeiten im Urbarmachen und Cultiviren des Bodens.

[488] In neuerer Zeit indeß, und namentlich seit Entdeckung der Goldlager, belohnt sich durch das Hinzuströmen so vieler tausend Menschen der Fleiß jener ehemals so gedrückten deutschen Colonisten in wahrhaft reichlichem Maße, indem sie jetzt, wo Lebensbedürfnisse und Erzeugnisse des Ackerbaues gesuchter und um vieles theurer als früher sind, ergiebige Gärten, Felder und Viehheerden besitzen, aus denen sie nun mit leichterer Mühe und mit dem Gefühle der Genugthuung die goldenen Früchte ihres zeitherigen Fleißes und Schaffens ernten. Erst jetzt läßt sich darüber urtheilen, was die Deutschen in Australien für das gesammte Emporblühen der Colonie sind und gelten.

Um dem Leser eine nähere Einsicht in die dortigen Zustände zu ermöglichen, sei vor Allem erwähnt, daß alle nach Australien Ausgewanderten moralisch jedenfalls viel höher stehen, als ein größerer Theil von Denen, welche Amerika zu ihrer neuen Heimath wählten, und daß die Verhältnisse Amerika’s, die wir hier doch ziemlich genau kennen, für die in Australien obwaltenden gar nicht maßgebend sind. Während nach Amerika früher so viele moralisch bankerotte Personen, Zuchthauscandidaten aller Art, Bummler, Vagabunden und Proletarier – natürlich mit vielen ganz ehrenwerthen Ausnahmen – wanderten und dieses Land gewissermaaßen zum Sammelplatze von Verbrechern machten, die sich theils dem Untergange, theils den sie in Europa bedrohenden Strafen zu entziehen suchten, während namentlich im Westen Amerika’s rein gesetzlose Zustände und nicht selten eine empörende Lynchjustiz herrschen, Person und Eigenthum oft keinen Augenblick sicher sind, findet in Australien von allen diesen Zuständen ein höchst erfreuliches und wohlthuendes Gegentheil statt, indem man dort nicht nur auf gute Empfehlungen, die der Eingewanderte von den Behörden oder distinguirten Personen seiner von ihm verlassenen Heimath etwa mitbringt, so viel Gewicht legt, sondern auch Gesetz und Ordnung neben einer äußerst wohlthuenden bürgerlichen Freiheit ebenso streng handhabt wie in England, und das Tochterland Australien ganz nach englischen Gesetzen regiert und verwaltet wird.

Die Deutschen genießen in Australien nicht nur von den Engländern alle Achtung, sondern auch jedmöglichen Schutz der Regierung, und sofern sie sich naturalisiren lassen, der britischen Krone den Unterthaneneid leisten, auch dieselben Rechte wie die Engländer selbst. Von allen Seiten wünscht und begünstigt man ihre Einwanderung in Australien, und sind es namentlich Acker-, Garten-, Wein- und Seidenbau, deren Productionsweisen den Engländern in ihrem Mutterlande theilweise gänzlich unbekannt sind, für welche man geübte und befähigte deutsche Kräfte sehnlichst wünscht und erwartet. Allerdings ist jene allgemeine Achtung sowie das Willkommensein in Australien nicht hinreichend, um die Deutschen dort auf diejenige Stufe der öffentlichen Geltung zu bringen, von welcher man sagen könnte, sie ständen den Engländern in jeder Beziehung gleich. Wenn ihnen auch vor der Hand die Aussicht benommen ist, öffentliche Anstellungen zu erhalten, wenn ihnen selbst der Vortheil, so schnell wie die Engländer zu einem großen Vermögen zu gelangen, abgeht, so muß man, um gerecht zu sein, doch zugestehen, daß daran weder die englische Regierung noch die englischen Colonisten, sondern unsere guten Landsleute selbst die meiste Schuld tragen. Während die englische Regierung so beträchtliche finanzielle Opfer zum Besten des Tochterlandes Australien bringt, und es kaum im Interesse der deutschen Regierungen liegen dürfte ein Gleiches zu thun, so mag es dem Gouvernement in Australien um so weniger verdacht werden, wenn es die für die Colonien nöthigen Beamten aus der Nation des Mutterlandes nimmt, da außerdem noch die meisten Deutschen weder der englischen Sprache vollkommen mächtig sind, noch sich naturalisiren ließen und den britischen Unterthaneneid leisteten.

Wenn ferner von England aus ganz intelligente Leute nach Australien übersiedeln, während dies bis jetzt aus Deutschland großentheils nur einfach gebildete Handwerker und Landbauer thaten, so mag es wiederum nicht Wunder nehmen, wenn sich die dortige deutsche Bevölkerung bis jetzt mit wenigen Ausnahmen – wie Dr. Ludwig Leichardt als großer Naturforscher und Entdeckungsreisender, Menge als ausgezeichneter Geolog und Mineralog, Meyer als thätiger Missionär und Sprachforscher unter den Papuannegern, Dr. Beier als hochgeschätzter und berühmter Arzt, Friedrich Gerstäcker als thätiger und unternehmender Entdeckungsreisender, und Andere mehr – durch außerordentliche Leistungen verewigen und auszeichnen konnte.

Wenn ferner von England aus viele reiche Kapitalisten nach Australien gehen und alle erdenklichen großartigen Spekulationen mit dem größten Eifer und mit Umsicht in’s Werk setzen, ohne ängstlich daran zu denken, daß sie möglicherweise Etwas verlieren könnten, die meisten deutschen Einwanderer dagegen Wenig oder gar Nichts aus der alten Heimath mitnehmen als das Passagegeld, somit dort auch Nichts an’s Land brachten und die deutschen Kapitalisten ruhig zu Hause bleiben, so kann es abermals nicht befremden, wenn die deutschen Ansiedler wiederum diejenigen es waren und sind, welche nur kleinere Spekulationen ausführen, demnach ein wirkliches Vermögen nur langsamer als jene Geldbegabten erwerben können.

Wenn endlich die meisten der angesiedelten Engländer, namentlich die wohlhabenden, vermöge des ihnen inwohnenden Nationalgefühles, sich zu jedem Unternehmen willig und ohne mißtrauische oder neidische Bedenken gegenseitig die Hände bieten und associren, so sind es wiederum die Deutschen, die häufig in Australien aus Mangel allen Nationalgefühls sich nicht nur fremd bleiben, sondern sogar, wie überall, sich uneinig und neidisch untereinander selbst benehmen. Eifrig waren die dortigen Herausgeber deutscher Zeitschriften bemüht, unter ihren Landsleuten ein gleiches segenbringendes Nationalgefühl zu erwecken, sie unter sich zu einer kräftigen und stolzen Nation, worauf sie durch ihren Fleiß, rastlose Thätigkeit und Mäßigkeit wohl Anspruch machen können, zu vereinigen und zu gegenseitigen Associationen aufzumuntern, – allein auch diese Bestrebungen waren vergebens. Sieht auch jeder einzelne Deutsche alle diese Uebelstände, die ihn und seine übrigen Landsleute dem Engländer hintenan stellen, wohl ein, so hat er doch eben in Ermangelung eines nationalen Charakters und Stolzes weder die Lust noch den Willen sich persönlich mit Energie einem dem Interesse Aller so sehr zuwiderlaufenden Uebelstande entgegen zu treten und abzuhelfen. Jeder arbeitet dort im Interesse seines eigenen Herdes und meint, sei es doch genug, wenn er sich wohl befinde und Vermögen erwerbe, wozu noch Dinge unternehmen, die außerhalb seiner persönlichen Vortheile und seines Wirkungskreises liegen würden.

Sind diese Mißverhältnisse unter einem großen Theile der dortigen deutschen Bevölkerung vorherrschend, so muß ich doch rühmend hervorheben, daß es auch eine ziemliche Anzahl Deutscher in Australien giebt, welche nicht nur an Intelligenz, Reichthum, öffentlicher Geltung u. s. w. selbst hervorragende englische Persönlichkeiten überflügeln, sondern auch in ihren Spekulationen gegenseitig sich ebenso treu unterstützen, wie es die Engländer thun, und mit Letzteren in innigem und großartigem Geschäftsverkehre stehen.

Trotzdem, daß alle oben erwähnten Uebelstände unter einem großen Theile der Deutschen bestehen und wesentlich hindernd auf ihr allseitiges finanzielles Gedeihen einwirken, so befindet sich doch der Einzelne wie die Gesammtmasse wohl. Und so lange Sparsamkeit und Fleiß (die zeitherigen großen Vorzüge und Tugenden der deutschen Colonisten vor den Engländern in Australien) ihn nicht verlassen, können nur außergewöhnliche Verhältnisse, wie z. B. eine langwierige Krankheit, im Stande sein, ein Zurückgehen des Einzelnen herbeizuführen. Denn in einem Lande, wie Australien, wo seit drei Jahren keine Stunde lang Mangel an Arbeit und Verdienst ist, wo Jeder, selbst der Steinklopfer, so gut bezahlt wird, daß er, bei kräftiger Fleischkost und einem Glase Bier oder Branntwein, täglich noch mehr wie einen Thaler als gespartes Vermögen zurücklegen kann, – in einem solchen Lande ist es ohne Verschwendung rein unmöglich zurückzugehen anstatt vorwärts zu kommen. Es besitzt dieser bis jetzt so glückliche Erdstrich weder factische Arme noch Bettler, da sogar halbe Krüppel, denen eine schwere Arbeit unmöglich ist, wie schon erwähnt, noch Chausseesteine klopfen und ohne zu darben, sich ein kleines Kapital für ihr Alter zurücklegen können.

Erwägt man außerdem, daß in Australien ein Jeder, ohne genirt oder minder als vorher geachtet zu sein, sich seinen Erwerb und seine Beschäftigung, die ihm gewinnbringend scheint, wählen kann, wie er will und in jedem Fache der Arbeit, sofern er fleißig ist, vom Publikum die nöthige Achtung genießt, daß ferner jede thätige Hand ein schätzbares Kapital ist und das Feld für ein riesiges Schaffen noch viele Jahrhunderte offen stehen wird, daß

[489] endlich jeder Arbeiter, jeder Professionist nach gelieferter Arbeit sogleich seinen Lohn empfängt, weder Abzüge noch Kredit, wie diese den Professionisten oft in Europa niederdrücken, üblich sind, so leuchten jene fast durchgehends günstigen Verhältnisse der Deutschen in Australien wohl ein. Auch befinden sich alle diejenigen unserer Landsleute, welche die trüben Perioden Australiens vor dem Jahre 1844 und vor 1851 dort durchgemacht haben, jetzt im Allgemeinen wohl und zufrieden, und ergiebige Aecker, Gärten, und Weinberge, schöne zahlreiche Viehheerden, gewinnbringende Gewerbs- und Handels-Geschäfte sind die Früchte ihrer damaligen Sparsamkeit, ihres Fleißes und ihrer Ausdauer. Die Meisten haben sich fast gänzlich von dem, was man Deutsch nennt, getrennt, sie reden die englische Sprache, sie beobachten englische Sitten und Gebräuche, sie haben durchgehends den, namentlich von den Engländern so sehr geehrten Sinn für Recht und Gesetz, sie lassen ihre Kinder in deutschen und englischen Schulen erziehen, nur Wenigen klebt der deutsche Philister mit seiner bisweiligen Engherzigkeit noch an, und die Sympathien für ihr verlassenes Vaterland sind im Ganzen sehr gering.
F. Neudörfer. 

  1. Der Verfasser dieser ersten Skizze, welcher bald noch mehre folgen werden, ist sächsischer Arzt und erst vor einigen Wochen aus Australien zurückgekehrt, wo er mehrere Jahre lebte, und wohin er wahrscheinlich auch zurückkehren wird.
    Die Redaktion.