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Artikel „Menge, Johannes“ von Andreas Ludwig Jakob Michelsen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 345–347, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Menge,_Johannes&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 02:05 Uhr UTC)
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Menge: Johannes M., Mineralog, geb. den 25. Januar 1787 in dem Dorfe Steinau (damal. Kurfürstenthum Hanau), der fünfte unter sechs Söhnen eines schlichten, nicht unbemittelten Bauern. Von seiner Mutter, welche er schon als Knabe verloren hat, empfing er tiefe, durchs ganze Leben bewahrte Eindrücke einer echten Herzensfrömmigkeit, mußte sich aber mit dem Unterricht der Dorfschule begnügen. Dreizehn Jahre alt aus dieser entlassen, wurde er trotz seiner Jugend alsbald auf einem benachbarten Hofgute als Lehrer angestellt, mußte jedoch während der Sommermonate Feldarbeit leisten. Entscheidend für die ihm bestimmte Laufbahn, wie für seine geistige Entwicklung, ward der Umstand, daß er, im Alter von 17 Jahren, in Hanau sich bei dem berühmten Mineralogen, Geheimrath von Leonhard als Laufbursche verdingte. In diesem Hause und auf den häufigen Excursionen, bei denen er seinen Herrn begleitete, erwachte in dem begabten und wißbegierigen Jünglinge ein starkes Verlangen, in die Geheimnisse der Natur, besonders des Steinreiches, für welches er begeistert wurde, einzudringen. Leonhard gestattete ihm nicht allein die Benutzung seiner Bibliothek, sondern förderte ihn besonders durch seine mündlichen Belehrungen und Anregungen. [346] M. machte in der Mineralogie theoretisch und praktisch solche Fortschritte, daß er nach einigen Jahren von Leonhard, welcher damals größere und kleinere wohlgeordnete Steinsammlungen zum Verkaufe ausbot, als Theilnehmer am Geschäfte aufgenommen wurde. Sein reger Geist erwarb sich daneben durch Selbststudium gute Kenntnisse in der Chemie und Heilkunde, ja sogar in der Philosophie und Theologie. Auch auf fremde Sprachen (die französische, englische, italienische) legte er sich fleißig und genoß dabei den Unterricht eines Lehrers am Hanauer Gymnasium. Schon in jener Zeit erregte er durch einige Broschüren über Geognosie und Oryktognosie die Aufmerksamkeit weiterer Kreise, so daß mehrere gelehrte Gesellschaften, u. A. die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft zu Frankfurt a. M., ihn zu ihrem Mitgliede ernannten. Als Leonhard 1816 zunächst nach München zu einer Professur berufen wurde (von wo er schon 1818 einem Rufe nach Heidelberg folgte), erwarb M. käuflich dessen Mineralienkabinet und ganzes Geschäft, und führte dieses mit glücklichem Erfolge fort. Im Jahre 1819 gab er eine durchweg von selbständigem Denken zeugende kleinere Schrift heraus (Hanau, 65 S. 8.): „Winke für die Würdigung der Mineralogie als Grundlage aller Sachkenntniß“ (im Gegensatze gegen bloße Ideologie und Phraseologie). Um jene Zeit siedelte er mit seiner Familie nach Lübeck über, wohin er sich besonders durch den Ruf des gesegneten Wahrheitszeugen Pastor Dr. J. Geibel (Vater des Dichters) hingezogen fühlte. Von hier trat er alsbald eine Reise nach Island an, wo er die heißen Springquellen (Geiser) untersuchte und zugleich eine große Anzahl von Mineralien sammelte, welche er nach Lübeck für sein eingerichtetes Geschäft einsandte. Wenn auch im Umgange mit der großen Welt wenig erfahren, zog er hier Männer wie Geibel, Pauli, Preller und manche andere, auf das Ideale und Göttliche gerichtete Seelen sehr an. Im J. 1822 veröffentlichte er in Lübeck den ersten Band eines umfangreichen Werkes: „Beiträge zur Erkenntniß des göttlichen Werkes, göttlichen Wortes, göttlichen Ebenbildes“, in 5 Heften (gewidmet den Freunden des Lichtes, der Sinne, der Liebe und der Gesetze) 655 S. 8°, eine höchst originelle, gedankenreiche Schrift, darauf ausgehend, die Offenbarungen Gottes in der Natur und in der Bibel in ihrer tief gegründeten Analogie und Harmonie nachzuweisen. Von edler Begeisterung für den Gegenstand durchdrungen, trägt sie sowohl theologischen als naturwissenschaftlichen Charakter, und zeigt mitunter Verwandtschaft mit Jac. Böhme’s Theosophie. Diese Schrift, deren zweiter, für ethische Betrachtungen bestimmter Band dem ersten nicht gefolgt ist, fand zwar in den Kreisen Gleichgesinnter freundliche Aufnahme, schreckte aber durch ihre von der Schulsprache weit abweichende Darstellungsart die Gelehrten meistens zurück. Im J. 1825 machte M., theils durch den russischen Finanzminister, theils durch seine Lübecker Freunde unterstützt, eine große Reise durch Rußland, besonders in den Ural. Auf dieser Reise traf er mit Alex. Humboldt und Gust. Rose zusammen, welche er u. A. auf die dort vorhandenen, später auch reichlich ausgebeuteten Platinmetalle aufmerksam machte. Er sammelte eine große Menge interessanter Mineralien, entdeckte u. A. den werthvollen Edelstein Zirkon. – Während seines längeren Aufenthaltes in Sibirien warf er sich auf das Studium einiger Sprachen des Orients, besonders durch den Umstand hierzu aufgefordert, daß die britische Bibelgesellschaft ihm eine große Anzahl von Neuen Testamenten und Bibeln in jenen Sprachen zu gelegentlicher Vertheilung mitgegeben hatte. Nach Lübeck zurückgekehrt, setzte er vorläufig noch das vorerwähnte Geschäft fort, daneben der Erziehung und sehr eigenthümlichen Unterweisung seiner drei Söhne einen Theil seiner Zeit widmend, außerdem einen ausgewählten Kreis durch Vorträge, namentlich Bibelerklärungen fördernd. Indessen trieb es den strebsamen, wanderlustigen Mann sehr bald wieder in die Ferne. Im J. 1827 begab er sich nach Paris, [347] wo er mit seinem unermüdlichen Fleiße in der Kenntniß der chinesischen, persischen, arabischen Sprache auffallend schnelle Fortschritte machte. Seinen Heimweg machte er durch Oberitalien und die Schweiz. In Lübeck fuhr er während der nächsten Jahre noch in seinen Sprachstudien fort, welche sich jetzt auch auf die klassischen Sprachen erstreckten, und bearbeitete u. A. ein, damals noch seltenes, Wörterbuch der chinesischen Sprache. Im J. 1830, nach dem Tode seiner Frau, beschloß er, sein Geschäft aufzugeben, und zerstreute sein Mineraliencabinet, indem er die zahlreichen Werthe desselben einer unter öffentliche Controle gestellten Lotterie preisgab. Darauf zog er mit seinen Söhnen nach London. Hier ertheilte er theils Sprachunterricht, theils war er als Uebersetzer für die dortige Bibelgesellschaft thätig, welche z. B. die von ihm ins Chinesische übersetzte englische Liturgie drucken ließ. – Seine drei Söhne traten nach einander in den englischen Kirchendienst. Im J. 1836 erhielt M. von der South-Australian Company den Auftrag, nach Australien zu gehen, behufs Erforschung von Kohlenlagern. Alsbald nach seiner Landung auf der Insel Kanguroo entdeckte er ein solches, welches demnächst in Betrieb gesetzt wurde. „Der deutsche Mineraloge Menge“ – so sagt Dr. Ebel (Königsb. naturwissensch. Unterhaltungen 1849, II, 2, S. 87) – „war der Erste, welcher in Süd-Australien den Mineralienreichthum des Landes erkannte, sein mineral. Verzeichniß ist reichhaltig genug; aber da man auf Ackerbau und Schafzucht gerichtet war, fand er keinen Glauben“. Ja, der erste Gouverneur Australiens, Capt. Hindmarsh, hielt die Sache längere Zeit geheim. Sechszehn Jahre hat M. in Australien zugebracht, dessen Wildnisse der auch in vorgerückteren Jahren jugendlich rüstige Mann meistentheils zu Fuß durchstreifte. Zeitweilig führte er bei der Ausbeutung einer von ihm entdeckten Kupfermine die Aufsicht. Im Interesse eines seiner Söhne, welchen der Vereinsamte in seine Nähe zu ziehen und ihm ein geistliches Amt daselbst zu schaffen begehrte, wanderte der 65jährige Mann nach Forest Creek, c. 100 engl. Meilen von Melbourne entfernt. Anstrengungen und Entbehrungen rieben seine Kräfte auf. In der Mitte Octobers 1852 wurde er in seinem Zelte todt gefunden. – Das Museum von Adelaide bewahrt das ausdrucksvolle Porträt des verdienten Mannes.