Die Benediktiner-Abtei Mölk in Oesterreich

CLXXXXVI. Reinhardsbrunn Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band (1838) von Joseph Meyer
CLXXXXVII. Die Benediktiner-Abtei Mölk in Oesterreich
CLXXXXVIII. Cypern
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BENEDICTINER-ABTEY MOELK an der DONAU
in Oesterreich

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CLXXXXVII. Die Benediktiner-Abtei Mölk
in Oesterreich.




Der Mensch erlangt nie, was er wünscht, weil seine Wünsche den Köpfen der Hyder gleichen. Den abgeschlagenen wachsen andere nach. Jeder befriedigte Wunsch zeugt neue, und darum ist es Sisyphusarbeit, in der Erreichung derselben Glück und Zufriedenheit zu suchen. Erst wenn man entbehren gelernt hat, statt zu erwerben, hält die Welt, was sich der bessere Mensch von ihr verspricht. Erstaunt wird dieser dann gewahr, daß er außer sich gesucht hatte, was er nur in sich selbst finden konnte, und Glück und Zufriedenheit, die ihn geflohen waren, so lange er um sie gerungen, nach aufgegebenem Kampfe kehren sie ein als ungerufene und unerwartete Gäste!

Diese Wahrheit, obschon von der täglichen Erfahrung bestätigt, hat dennoch eine gefährliche Seite. „Warum soll ich denn,“ möchte daraus gefolgert werden, „mein Schifflein mit Noth und Gefahr zusteuern der hohen, stürmischen See des Lebens, da ich doch auf derselben nicht erlangen kann, was ich suche? Warum soll ich Kraft und die schönste Lebenszeit daran setzen, mühselig nach Zielen zu ringen, die sich jedesmal weiter entfernen, sobald ich sie erlangt zu haben wähne? warum einen nutzlosen Kampf erst wagen, ehe ich ihn aufgebe? Klüger ist’s, ich verzichte von Anbeginn darauf und lerne entbehren, ehe ich genieße, was doch nicht sättigt. Ein Mönch in seiner Klause ist am Ende ein nicht schlechterer Philosoph, als Aurel im Purpur, oder Diogenes im Fasse, und es hat jener die Weisheit jedenfalls wohlfeiler, und übt sie bequemer, als diese beiden.“ – So haben Tausende gedacht und Viele denken noch so, und das nächste Kloster dünkt ihnen des Lebens beneidenswerthester und schönster Port.

Wenn dem so wäre, lieber Leser, so wäre jenes prachtvolle Haus in einem irdischen Paradiese fürwahr ein Magazin voll irdischer Glückseligkeit. Aber zum Wohle der Menschheit verhält sich’s anders. Nein! Es gibt keinen Genuß hienieden ohne den Stachel des Bedürfnisses, keine Ruhe ohne ermüdende Anstrengung! Immer setzt jener ein Entbehren, dieser eine Thätigkeit voraus. Ruhe ohne vorausgegangene Anstrengung ist Müssiggang, und der gibt nie dem Menschen Zufriedenheit und Glück. Wer niemals sich müde arbeitete, wird niemals die Seligkeit des Ausruhens zu schätzen wissen, und wer nicht Kraft und Jugend an die Erreichung seiner Wünsche setzte, kennt auch die Seligkeit der Resignation nicht. Nur auf den mit nützlicher Arbeit ausgefüllten [30] Tag blickt der rechte Mann mit Zufriedenheit, und es bleibt ausgemacht: Rühmliche und freudvolle Ruhe ist nur der Lohn eines in Anstrengung und Mühen für edle und nützliche Zwecke hingebrachten rühmlichen Lebens. Glaube mir: Washington beschloß seine Tage in ländlicher Zurückgezogenheit mit reichern und ganz andern Gefühlen und Genüssen, als in jenem königlichen Hause ein Prälat, welcher von früher Jugend an bis zum Grabe sich im Schooße der Ruhe, der Sorglosigkeit und des Ueberflusses wiegt.

Königlich nannte ich das Haus; und fürwahr, kein Monarch der Erde möchte sich dessen schämen. Aber auch ganz Oesterreich hat kein zweites Mölk, keine Abtei so prachtvoll und so unermeßlich reich, als diese der Benediktiner. Ihre Einkünfte betragen mehr als eine Million. Es ist einleuchtend, daß die Ordensgeistlichen sie unmöglich ganz für sich verbrauchen können, und rühmlich ist’s, daß ein wissenschaftlicher, dem Orden eigenthümlicher Sinn die Ueberschüsse zur Unterhaltung höherer Bildungsanstalten und Institute anwendet, welche seit langer Zeit mit der Abtei vereinigt sind. Mölk enthält ein theologisches Seminar, ein Gymnasium (besonders zu gründlichen philologischen Studien geeignet), mit einem Conviktorium für arme Schüler, eine berühmte (an Incunabeln und Handschriften reiche) Bibliothek, und ausgezeichnete naturhistorische und kunstgeschichtliche Sammlungen.

Der Bau der der Donau zugekehrten Fronte (des sogenannten Stifts) ist ein Werk Brandauer’s, in welchem Oesterreich einen Palladio ehrte. Dem prächtigen Aeußern ist das Innere entsprechend. Ueberaus reich geschmückt ist die Kirche, vor derem Portal die colossalen Statuen der Heiligen Leopold und Coloman aufgerichtet stehen. Den Plafond der großen Kuppel malte Rothmayr, an den Altären halfen ihm Bachmann und Paul Troger. Noch bedeutendere Schätze der Malerei bewahrt die Prälaten-Kapelle; viele Bilder altdeutscher Meister aus der besten Zeit.

Aus den Fenstern dieses geistlichen Pallastes und von den erhabneren Punkten des Stiftgartens genießt man reizende Aussichten auf die Donau und deren Umgebungen, von einer Reihe bewaldeter Berge im Halbkreise umlagert. Von vielen der letztern prangen Burgen, oder blicken Kapellen und Ruinen herab: – zunächst Weiteneck, in Trümmern, etwas ferner die wohlerhaltenen Schlösser Schönbiel und Lubeneck, und die Kirche Maria-Täferl, einer der berühmteren Wallfahrtsorte Oesterreichs.