Die Belagerung von Bhurtpur
Die Belagerung von Bhurtpur.[1]
Seit der Begründung der brittischen Herrschaft in Indien sind wenig Perioden gefahrvoller für dieselbe gewesen, als die zwischen den Jahren 1822 und 1826. Mit den beiden mächtigsten Nachbarn der Britten – mit dem König von Ava auf der einen und mit dem Radschah von Bhurtpur auf der andern Seite – waren Streitigkeiten ausgebrochen, die mit einer Heftigkeit geführt wurden, welche von Anfang an keine andere Entscheidung erwarten ließ, als die durch das Glück der Waffen; von dem Ausgang dieses Kampfes hing die Fortdauer, oder die völlige Auflösung des brittischen Reiches in Indien ab. Die Herrschaft der englisch-ostindischen Compagnie beruht mehr als vielleicht irgend eine andere in der Welt, auf der Macht der Meinung. Die Engländer behaupten sich in Indien, unter einem Volke, in Sitten, Gewohnheiten, Sprache, Religion, kurz in allem, was die Bande der Gesellschaft knüpft, verschieden von ihnen, nur durch den Glauben, daß sie im Kriege unüberwindlich seyen. Sie werden nicht geliebt und selbst nicht einmal geachtet, aber sie werden gefürchtet. Und wenn die Hindu nicht beständig in Aufstände und Empörungen ausbrechen, so ist der Grund davon hauptsächlich in ihrer ausnehmenden Geduld zu suchen; nächstdem darin, daß sie keinen äußeren Stützpunct haben, an welchen sie sich anlehnen könnten. Bei der gegenwärtigen Gelegenheit hatten indessen die Feinde keine Bemühungen gespart, durch ihre Kundschafter das Land in Unruhe zu versetzen. Es ist bekannt, daß in dem brittischen Gebiet eine ausgedehnte Verschwörung entdeckt wurde, welche bei dem ersten Unfall der englischen Armee im Felde wirksam zu werden anfangen sollte. Welche Folgen ein solches Ereigniß gehabt hätte, wäre schwer zu bestimmen; aber außer allem Zweifel ist es, daß dieß Feuer, wenn es einmal ausgebrochen wäre, weit und breit um sich gegriffen haben würde, und daß die Behauptung von Indien, wenn es den Engländern geblieben wäre, ihnen jetzt mehr Blut und Gold gekostet haben würde, als während des ganzen Laufes seiner Eroberung.
Von den Verhältnissen, welche zu dem Bruch mit den Burmanen führten, und von dem Verlauf der Begebenheiten, welche darauf folgten, haben wir in diesen Blättern bereits bei Gelegenheit des unterhaltenden Werkes von Major Snodgraß über diesen Krieg gesprochen. Ueber die Belagerung von Bhurtpur ist bisher, außer den trockenen und nicht einmal verständlichen Zeitungsnachrichten nur wenig bekannt geworden; wir glauben daher, daß ein kurzer Bericht über dieselbe und über die Umstände, welche die Feindseligkeiten veranlaßten, unsern Lesern nicht unwillkommen seyn werde.
Im Jahr 1805, kurz nachdem die Engländer unter Lord Lake einen fehlgeschlagenen Versuch gemacht hatten, sich dieser wichtigen Festung zu bemeistern, hatte der Radschah von Bhurtpur, Bulder Singh, einen Freundschaftstractat mit der ostindischen Compagnie geschlossen, der allmälig zu einem Angriffs- und Vertheidigungs-Bündniß führte, wodurch der Radschah in eine wahre Abhängigkeit von der englischen Regierung gesetzt wurde. Aber zugleich war dem Radschah wohl bewußt, daß eine zahlreiche Partei unter seinen Unterthanen, seinen Neffen Durdschun Sal an ihrer Spitze, die bitterste Feindschaft gegen die Engländer hegte. Eben so war es ihm bekannt, daß sein Neffe die ehrsüchtigsten Plane nähre, und daß, sofern nicht bei Zeiten seinem Sohne der ruhige Besitz seines Thrones garantirt würde, sein Tod wahrscheinlich einen Wechsel der Dynastie zur Folge haben würde. Unter diesen Umständen beeilte sich der Fürst, der bereits bejahrt war, seinen Sohn Bulwent Singh zu seinem Nachfolger zu erklären; und erhielt für ihn von der Compagnie das Ehrenkleid, das sie – nach orientalischer Sitte – den einheimischen Fürsten zum Zeichen ihrer Anerkennung und ihres Schutzes zu senden pflegt. Dennoch hatte der alte Radschah sich kaum zu seinen Vätern versammelt, als das so sehr von ihm gefürchtete Ereigniß eintrat. Bulwent Singh wurde eben so schnell des Thrones entsetzt, als er ihn bestiegen hatte. Durdschun Sal, der Usurpator, hatte bereits bei Lebzeiten seines Oheims eine starke Partei in der Armee gehabt; nach dem Tode desselben stellte er sich offen an ihre Spitze, nahm Besitz von dem Palaste und vertrieb den jungen Prinzen, der sich in die Arme der Engländer warf und ihren Schutz ansprach.
Umsonst versuchten diese den Weg der Vorstellungen und Unterhandlungen, um ihren Schützling in seinen Rechten zu behaupten. Eine Sache aufzugeben, die sie einmal zu der ihrigen gemacht hatten, würde das Ansehen der brittischen Regierung in ganz Indien vernichtet haben: der Krieg mit dem Usurpator konnte daher nicht vermieden werden. Das Vertrauen der Eingebornen auf die uneinnehmbare Lage von Bhurtpur, so wie die große Wirkung, [558] welche die Unterwerfung dieses Platzes auf die ganze Halbinsel haben würde, war wohl bekannt, und es wurde daher eine Armee zu diesem Unternehmen bestimmt, wie sie Indien selten in seinen Kriegen gesehen hatte. Sechs und zwanzigtausend fünfhundert Mann, größtentheils europäische Truppen, mit zweihundert Stücken Geschütz von allen Kalibern, wurden von dem Generalgouverneur, Lord Combermere, in Person ins Feld geführt. Aber dennoch ist es ungewiß, ob diese Macht ihren Zweck nicht verfehlt haben würde, wenn die Maßregeln ihres Anführers nicht so schnell gewesen wären, daß die wichtigsten der Vertheidigungsanstalten, welche den Feinden zu Gebot standen, dadurch unnütz gemacht wurden.
Die Stadt Bhurtpur liegt in einer Ebene, aber mitten in einem unermeßlichen Walde, welcher sich bis zum Jahre 1824 bis auf das Glacis hinauf erstreckte. Gegenwärtig war indessen ein bedeutender Theil desselben niedergeschlagen worden, um auf allen Seiten einen offenen Raum von fünf bis sechshundert Schritt zwischen dem Graben und dem Walde zu gewinnen. Die Festungswerke bestehen in einem einfachen Wall mit niedern Courtinen und Bastionen, die ohne Ausnahme rund und daher den Wirkungen einer Breschebatterie mehr ausgesetzt sind, als bei einer den Regeln der Fortificationskunst entsprechenden Form der Fall wäre; hauptsächlich aber in einem Graben oder Canal von außerordentlicher Weite und Tiefe, der durch einen in der Nähe gelegenen See mit Wasser gefüllt werden kann und dann den Belagerern jeden Zugang zu der Stadt selbst abschneidet. Dieser wird durch eine Citadelle, auf der Nordseite des Platzes beherrscht, die, von einem besonderen Graben und besonderen Werken umgeben, auch nach der Einnahme des letzteren noch behauptet werden kann. [563] Die englische Armee kam in zwei Abtheilungen, die erste, Lord Combermere selbst an der Spitze, am zehnten, die andere am eilften December vor diesem Platz an. Lord Combermere erkannte auf den ersten Blick den Punct, von welchem der Erfolg der ganzen Unternehmung abhing und entsandte sogleich ein Corps, um den Damm zu besetzen, welcher den Wasserbehälter (jhul) oder See von dem Graben trennt, der aus demselben gefüllt werden mußte. Die Bhurtpurer hatten in der Nacht vom neunten eine Schleuße geöffnet; bei der außerordentlichen Weite des Gartens war aber das Wasser darin nur noch wenig über einen Fuß hoch gestiegen. Und da ihnen jetzt die Mittel, einen größeren Vorrath hineinzulassen, entzogen wurden, so war der Platz dadurch bereits am ersten Tage der Belagerung seiner wichtigsten Schutzwehr beraubt. Der Feind stand kaum, um das Feuer der Britten zu empfangen; der Damm wurde, ohne daß die Belagerer dabei einen Mann verloren hätten, in Besitz genommen, und der Einschnitt in demselben sogleich durch Erdsäcke ausgefüllt. Eine Compagie vom 18 Linienregiment, mit einigen hundert Seapoys, besetzte diesen wichtigen Posten; die übrige Division wurde auf der nördlichen, einem Theil der östlichen und westlichen Seite der Festung aufgestellt. Inzwischen war auch die zweite Division, welche auf einer andern Straße marschirte, angekommen und vollendete die Berennung, indem sie die südliche Seite und die übrigen Theile der westlichen und östlichen einnahm. Die Avantgarde dieses Corps, aus einer Compagnie des 59 Linienregiments und den Pickets der eingebornen Truppen unter Obristlieutenants Lefevre zusammen gesetzt, drang bis an den äußersten Rand des Waldes vor, wo die Seapoys hielten, während der Ingenieur-Capitän Smith, unter dem Schutze der europäischen Compagnie, bis auf dreihundert Schritt von dem Graben der Festung vorrückte, um diese zu recognosciren. [564] Die Vorposten der Bhurtpurer zogen sich ohne Widerstand zurück; aber von den Wällen wurde sogleich ein heftiges Feuer von Kanonen und Musketen eröffnet, und ein Cavallerie-Corps zeigte sich auf dem Glacis, wie es schien, um einen Angriff zu versuchen. In diesem Augenblick erschienen 200 Mann von der brittischen leichten Reiterei, und der Feind, der sich bereits in Bewegung zu setzen anfing, machte Halt. Das Feuer wurde hierauf mit größerer Heftigkeit erneut; die Bastionen waren indeß so hoch, daß die Kugeln größtentheils über den Köpfen der Engländer wegflogen und die Recognoscirung des ganzen Platzes wurde daher vollendet, ohne einen größeren Verlust als den von sieben Todten und eilf Verwundeten gekostet zu haben.
Es war wunderbar zu bemerken, welche Wirkung diese Kanonade auf die zahlreichen Heerden wilder Thiere hervorbrachte, die den Wald einnahmen. Ungewohnt solcher Begrüßungen, sah man sie in ganzen Haufen durch das Gebüsch stürzen, die schüchternsten und reissendsten unter einander, während eine nicht geringe Anzahl von ihnen ihr Leben durch die Geschosse verlor, die über die englischen Truppen unschädlich hinwegflogen. Die Belagerten nahmen jedoch bald wahr, daß ihr Feuer zu hoch gehe, und beeilten sich diesen Fehler zu verbessern, indem sie ihre Schießscharten erniedrigten.
Nachdem die verschiedenen Corps der brittischen Armee ihre Stellen eingenommen, fing man an, mit dem angestrengtesten Eifer die Vorbereitungen zu einer regelmäßigen Belagerung zu treffen. Jeden Morgen wurden zahlreiche Abtheilungen entsandt, um aus den Orangen- und Dattelbäumen des nahen Waldes Faschinen und Schanzkörbe zu bereiten. Mehrere Recognoscirungen wurden unternommen, um die schwächsten Seiten des Platzes kennen zu lernen, und das Geschütz und die Munition jeder Art wurde an zweckmäßigen Puncten in Parks aufgestellt. Auch einige Scharmützel zwischen der beiderseitigen Cavallerie fanden statt; das Dorf Mullah wurde von einem Bataillon Seapoys besetzt, welches sich darin verschanzte; endlich ward der Befehl ertheilt, daß in der Nacht vom 23ten die wirklichen Belagerungsarbeiten ihren Anfang nehmen sollten.
Die Angriffspuncte, welche man gewählt hatte, waren zwei Bastionen auf der Nord-Ost-Seite der Festung; die eine etwas zugespitzt und daher „die Bastion mit dem langen Nacken“ genannt, die andere ungefähr 300 Schritt zur Linken kreisförmig. Um die Operationen gegen dieselben zu erleichtern, war es nothwendig, Posten auszustellen – zur Linken in dem Dorfe Kuddum Khundy, zur Rechten in den Gärten des Bulder Singh. Das Dorf und die Gärten wurden daher besetzt und ein starker Transport von Schanzgeräthschaften wurde nach dem ersteren geführt, um in der nächsten Nacht die Arbeiten an den Laufgräben beginnen zu können. Die Wagen, auf welchen diese Geräthschaften geführt wurden, kamen indeß nicht vor Sonnenaufgang an ihrer Bestimmung an; und so wie der Feind sie bemerkte, ward ein fürchterliches Feuer gegen sie eröffnet. Die Treiber flohen, und das Zugvieh, das sich, von allen Seiten von Kugeln umflogen, nicht mehr zu helfen wußte, wurde in großer Menge niedergeworfen. Dieß dauerte den ganzen Tag, während eine Abtheilung, welche unter dem Schutz von Baumwollenballen am äußersten Ende des Dorfes eine Batterie von vier Kanonen aufwerfen wollte, gezwungen wurde, von ihrem Vorhaben abzulassen, nachdem sie bedeutenden Verlust erlitten.
Sobald die Nacht einbrach, wurde das Feuer der Belagerten schwächer, worauf die Schanzgeräthschaften herbeigebracht und vertheilt und die erste Transchee begonnen wurde. In kurzer Zeit war die erste Parallele von Bulder Singh’s Garten bis Kuddum Khundy bezeichnet; und als der Morgen dämmerte, fand man es bereits sicher, die Arbeiten den ganzen Tag über fortzusetzen. Zu gleicher Zeit waren zwei Batterien aufgeworfen worden; die eine für Achtzehnpfünder vor dem Dorfe, die andere für vier Geschütze bestimmt, vor dem Garten, so wie zwei Mörserbetten für achtzöllige Mörser. Die Artillerie wurde hineingebracht, und alles war bereit, sobald die Kanoniere ihr Ziel unterscheiden könnten, das Feuer zu eröffnen. Dieß geschah zu einer frühen Morgenstunde und wurde mit solcher Thätigkeit forgesetzt, daß vor Abend das feindliche Feuer geschwächt ward. Dadurch wurden die Belagerer in den Stand gesetzt, mit verhältnißmäßiger Sicherheit die zweite Parallele anzufangen, die in der Nacht zum 25ten 250 Schritt vom Glacis vollendet wurde. Die Belagerten [WS 1] thaten alles, was in ihren Kräften stand, dieß Werk zu unterbrechen. Sie unterhielten ihr Feuer auf das Lebhafteste und machten zwei Ausfälle, den ersten um acht Uhr Abends, den andern des Morgens um drei. Sie wurden jedoch beidemale zurück geworfen, ohne daß die Engländer dabei mehr als einen Todten und einige Verwundete verloren hätten.
Während des ganzen 25ten wurde das Feuer unausgesetzt unterhalten, sowohl aus den Batterien der Belagerer als aus der Stadt; von der Wirkung, welche der durch die Wälder wiederhallende Kanonendonner hervorbrachte, kann man sich kaum eine Vorstellung machen. Zu gleicher Zeit wurde unablässig daran gearbeitet, frische Batterien und Communicationstranscheen von Posten zu Posten aufzuwerfen, indeß eine Anzahl von Vierundzwanzigpfündern in die zweite Parallele gebracht wurde, die bald ein heftiges Feuer eröffneten. Die Nacht ging in ungewöhnlicher Unruhe vorüber, weil man Nachricht erhalten hatte, daß die Belagerten einen verzweifelten Versuch machen würden, die Werke der Engländer zu zerstören und sich ihrer Kanonen zu bemächtigen. Die Wachen in den Transcheen wurden daher verdoppelt und jede Anstalt getroffen, die drohende Gefahr zurückzuweisen; doch verlief Stunde nach Stunde, ohne daß ein Lärmzeichen gegeben worden wäre, und der folgende Morgen fand alles in demselben Zustand, in welchem es gewesen war, als der Abend eintrat.
[567] Am 26ten zog der Feind seine Kanonen von den Bastionen zurück, auf welche die Anstrengungen der Engländer hauptsächlich gerichtet waren, und bemühte sich neue Brustwehren außerhalb der Festung aufzuwerfen, wobei er aber durch das Geschütz der Belagerer sehr gestört wurde. In der Stadt brannte es an mehreren Stellen, doch wurde das Feuer jedesmal schnell wieder gelöscht; und man sah bald, daß die Anstrengungen der Belagerten bei dieser und andern Gelegenheiten von größerer Kriegserfahrenheit geleitet werden mußten, als man unter ihnen selbst voraussetzen konnte. Kaum war die Nacht eingebrochen, als sie ein heftiges Feuer gegen die Achtzehnpfünderbatterie der Britten richteten, mit solcher Genauigkeit, daß jeder Schuß graste, ohne an das Parapet zu schlagen. Die Folge war, daß die Engländer an diesem Puncte eine beträchtliche Anzahl Leute verloren; und man konnte nicht anders schließen, als daß das Feuer von einem Menschen geleitet seyn müsse, der die Localität, gegen welche dasselbe gerichtet war, genau kenne. Die allgemeine Meinung war, daß dieß Herbert sey, ein Bombardier von der bengalischen Artillerie, der diesen Nachmittag auf eine so auffallende Art in die Hände des Feindes gefallen war, daß man nicht anders denken konnte, als daß dieß freiwillig geschehen sey. Wenige Tage vergingen, als dieß außer Zweifel gestellt [WS 2] wurde, da man ihn in seiner englischen Uniform auf den Brustwehren sah, wie er die Kanonen des Feindes gegen seine Landsleute richtete.
Am 27ten wurde von dem Generalmajor Nicoll eine starke Recognoscirung gegen einige Außenwerke der Feinde unternommen; die Infanterie war von zwei Sechspfündern und zwei Haubitzen unterstützt, die dem Feinde großen Schaden thaten, wärend der Verlust der Engländer sich nur auf einige Verwundete belief. Die Kanonade dauerte inzwischen ununterbrochen fort, und die Festung stand wieder an mehreren Puncten in Flammen, die indessen, wie früher, gelöscht wurden. Auch überzeugten sich die Engländer, daß ihre Fortschritte zu einer Bresche so langsam und geringfügig wären, daß man beschloß, die Position der Geschütze zu ändern. In dieser Absicht wurden die Achtzehnpfünder aus der Batterie, die sie bisher eingenommen hatten, herausgezogen und bedeutend weiter rechts gestellt; zugleich wurden die Schießscharten ausgefüllt und an ihrer Stelle ein Bett für zehnzöllige Mörser angelegt. Von diesen und den übrigen Wurfgeschützen wurde ein wahrer Regen von Bomben in die Stadt geschleudert und dieselbe mit solcher Wirksamkeit beunruhigt, daß zuletzt eine Abtheilung Cavallerie herausfiel, um sich einen Weg durch die Linien der Britten zu bahnen. Das erste leichte Cavallerieregiment und die unregelmäßige Reiterei, die ihnen entgegengestellt wurde, warf sie indessen vollkommen, tödtete ihnen vierzig Mann, nahm 137 gefangen, und trieb den Rest in die Festung zurück. Der Verlust der Engländer war nur einige Verwundete, darunter zwei Offiziere.
Während der folgenden Tage wurde die Kanonade so unablässig fortgesetzt als bisher, ohne daß man eine größere Wirkung davon bemerkt hätte. Die äußere Bedeckung der Werke, gegen welche das Feuer gerichtet war, schälte sich ab; aber das Mauerwerk blieb unbeschädigt. Am 29ten wehte ein so heftiger Wind, daß beide Parteien gezwungen waren, ihr Feuer einige Zeit einzustellen. Die Arbeiter waren jedoch keinen Augenblick müssig: 60 Schritt von dem Graben wurde eine Transchee gezogen und mit neuen Batterien besetzt. Die Einwohner in der Stadt wurden durch diese Fortschritte der Belagerer so entmuthigt, daß sie am 30ten eine Unterhandlung mit dem englischen Feldherrn eröffneten, um die Erlaubniß zu erhalten, den Platz verlassen zu dürfen. Es ward ihnen erklärt, daß sie hieran nicht gehindert werden sollten, doch unter der Bedingung, daß sie ihre Schätze zurückließen. Diese Forderung schien ihnen zu hart, und die Unterhandlung wurde daher abgebrochen.
Die Nacht vom 30ten war gekommen und noch zeigte sich nicht die geringste Spur einer Bresche. Die Belagerer dachten theils über die Aussicht, welche sie vor sich hatten, theils über die Unterhandlungen des Tages nach, als plötzlich die Festung ein Feuer aus allen ihren Kanonen eröffnet, welches unabläßig wenigstens eine halbe Stunde dauerte. Die Truppen mußten sogleich unter die Waffen treten und in die Transcheen rücken, indem man überzeugt war, daß irgend ein verzweifelter Versuch gemacht werden würde. Sie waren noch im Marsch, als [568] wie durch die Macht eines Zaubers auf ein Mal der ganze Platz illuminirt war, indem tausend Lichter über die Brustwehren hingen, tausend flammende Fackeln sich in allen Richtungen auf den Wällen bewegten. Es ist unmöglich, sich ein glänzenderes Schauspiel zu denken, als das, welches die Stadt darbot; aber zu welchem Zweck sie auf diese Weise erleuchtet wurde, vermochte die fruchtbarste Phantasie nicht zu errathen, da weder ein Ausfall gemacht, noch irgend eine andere Operation unternommen wurde. Nachdem die Lichter ungefähr eine Viertelstunde gebrannt hatten, wurden sie alle eben so plötzlich wieder ausgelöscht. Wahrscheinlich ward das ganze Schauspiel nur in der Absicht aufgeführt, die Flucht einiger Personen von Bedeutung zu begünstigen.
Auf diese Weise wurde die Belagerung fortgesetzt, und die Fortschritte derselben, wenn auch langsam, wurden jeden Tag mehr und mehr bemerklich. So ward am 1 Januar der Posten von Kuddun Khundy aufgegeben, weil er zu weit rückwärts lag; am 2ten wurden neue Batterien zur Rechten und Linken des Angriffspunkts aufgeworfen und eine Mine angefangen, um die Contrescarpe des Werkes, in welchem man Bresche schießen wollte, in die Luft zu sprengen und dadurch die ganze Brustwehr dem Geschütz bloß zu stellen. Aber wenn auch die Wirkung der neuen Batterien bald sichtbar wurde, so sahen die Belagerer doch, was sie des Tages niedergeworfen hatten, ungeachtet ihres unablässigen Kartätschen- und Bombenhagels auf die Ruinen, am andern Morgen wieder aufgebaut, so daß sie jeden Tag dieselbe Arbeit von vorn anzufangen hatten. Auch die Feuer, welche in der Stadt ausbrachen, wurden mit gleicher Beharrlichkeit wieder gelöscht; und es war daher klar, daß man sich genöthigt sehen werde, den Erfolg des langsamen aber sicheren Weges der Minen zu erwarten, in denen es häufig, wenn Minirer und Gegenminirer sich begegneten zu Gefechten kam, die aber immer zum Nachtheile der Belagerten ausfielen.
Die Mine, welche unter der Gopal Ghur Bastion angelegt worden war, um die Contrescarpe derselben zu zerstören, wurde am 7ten Januar gesprengt, hatte aber, außer der Unruhe, welche sie in dem Platze erregte, wenig oder gar keine Wirkung; die Contrescarpe blieb unversehrt und der Wall stand in ihrem Schutz, wie vorher. Doch zweigte es sich, daß der Usurpator sein Vertrauen auf die uneinnehmbare Festigkeit seiner Werke zu verlieren anfing; denn er sandte eine Stillstandsflagge heraus und erbot sich, sofern die Festung und ihre Garnison verschont würde, sich selbst der Gnade der Engländer zu überliefern. Die Antwort war: er möge thun, was ihm beliebte, die Operationen gegen Bhurtpur würden aber nicht eher aufgegeben werden, als bis der Platz eingenommen sey.
Da es nun wahrscheinlich wurde, daß Bhurtpur alle Schrecken eines Sturmes bevorständen, so erließ Lord Combermere eine Bekanntmachung, worin er allen unbewaffneten Einwohnern, welche die Stadt verlassen wollten, freien Durchzug durch seine Linien versprach. Die Folge hievon war, daß eine große Menge Weiber und Kinder, alle in dem hülflosesten Zustande, aus den Thoren herauskamen; sie wurden sicher durch das Lager geführt und erhielten darauf die Erlaubniß zu gehen, wohin sie wollten. Während dieß noch geschah, flog eine Mine auf, die unter der Conctrescarpe des der rechten Attaque gegenüberliegenden Werkes gegraben worden war. Sie hatte eine viel bedeutendere Wirkung als die erste, und zerstörte einen beträchtlichen Theil des Werkes. Die Freude über diesen Erfolg wurde indessen durch einen Unfall gestört, welcher den gesunkenen Muth der Belagerten aufs neue ermunterte. Ein Magazin von nicht weniger als 800 Kanonenladungen, das hinter einer alten Mörserbatterie angelegt worden war, wo man es für vollkommen sicher hielt, flog in die Luft, wobei mehrere tausend Faschinen, Schanzkörbe und Sturmleitern zerstört wurden, und 11 Mann, die sich in der Nähe befanden, das Leben verloren. Kaum hatte diese Explosion statt gefunden, als die Feinde ein fürchterliches Feuer eröffneten, wahrscheinlich in der Absicht, die Rettungsversuche der Engländer zu hindern; und in jedem Zwischenraume zwischen dem Donner des Geschützes hörte man im brittischen Lager das Jubelgeschrey der Bhurtpurer.
Die hauptsächlichsten Bemühungen der Engländer gingen jetzt auf die Erbauung von zwei Minen, welche unter der Bastion mit dem langen Nacken und unter der rechten Attaque oder der Gopal Ghur Bastion angelegt werden sollten. Um diese Arbeit zu fördern, wurde ein Zickzack angefangen, welches am 9ten bereits bis auf 20 Schritt von der Contrescarpe geführt war. Am 11ten wurde das Werk der früheren Tage erweitert, und zugleich eine Sappe aus Schanzkörben mit Baumwolle gefüllt, bis an den Rand der Contrescarpe getrieben und die äußersten Posten der Belagerer dadurch der Festung so genähert, daß sie einen Stein hätten hineinwerfen können. Die Sappe war indessen schlecht und gewährte kaum Schutz gegen Musketenkugeln; sie wurde daher nur gebraucht, um die Arbeiten der Minirer zu decken, die auf das eifrigtste beschäftig waren, ihren Schacht auszugraben. Als dieß geschehen war, wurden zwei Gallerien zur Rechten und Linken unter der Bastion mit dem langen Nacken angelegt und die beiden Kammern angefangen, von denen die eine für 5000, die andere für 4000 Pf. Pulver bestimmt war.
Diese ganze Zeit über dauerte der Donner der Kanonen und das Krachen des Kleingewehrfeuers Tag und Nacht ununterbrochen fort. Des Tages wurde aus den Breschebatterien gefeuert, indeß die Infanterieposten aus den nächsten Transcheen einen Regen von Kugeln auf die Schießscharten und über die Brustwehren der Werke vor ihnen schütteten. Des Nachts reinigten Kartätschen und Kettenkugeln die Breschen, um die Feinde zu verhindern, sie wieder auszufüllen, oder Traversen hinter denselben anzulegen. Aber es war kein Zweifel, daß wenn die Minen fehlschlügen, alles Feuern umsonst bleiben würde. Wenn man in den Graben hinabsah, zeigte sich nicht nur eine, man wußte nicht, ob große oder kleine Quantität Wasser in denselben, sondern auch eine Contrescarpe von 40 Fuß Höhe, die man hinabsteigen mußte, während man von der Scarpe selbst noch volle 30 Fuß stand. [571] Der 14te Januar war jetzt gekommen und die Arbeiten der Belagerer machten so gute Fortschritte, als unter den obwaltenden Umständen irgend erwartet werden konnte, besonders in der Richtung gegen die Bastion mit dem langen Nacken, unter welcher, ungeachtet der Boden aus bloßer Dammerde bestand, man wirklich mit einer Kammer zu Stande gekommen war. Auch die Sappen wurden immer mehr verstärkt, bis sie zuletzt ganze Abtheilungen Infanterie aufnehmen konnten, welche die Minirer durch ein ununterbrochenes Kleingewehrfeuer deckten. Um sieben Uhr des Morgens flog eine Mine auf, von welcher man eine große Wirkung erwartet hatte. Sie warf indessen, entweder weil man die Lage falsch berechnet, oder sie mit keiner hinreichenden Quantität Pulver versehen hatte, nur den Boden auf und ließ die Contrescarpe unbeschädigt. Sogleich machte der Feind einen Ausfall, um die Minirer abzuschneiden; er wurde jedoch aus den Sappen mit einem so heftigen Feuer empfangen, daß er sich mit großem Verlust zurückzuziehen gezwungen sah.
Der 15te und 16te waren Tage von großem Interesse. Am 15ten wurde die Mine, die unter der Bastion mit dem langen Nacken gegraben worden war, mit mehr als 5000 Pf. Pulver geladen, was ungeachtet des hartnäckigsten Widerstandes der Besatzung fast ohne allen Verlust geschah. Die Bhurtpurer boten jeder persönlichen Gefahr mit der bewunderungswürdigsten Aufopferung Trotz, sie warfen brennenden Bambus, Stroh und andere Brennmaterialien auf die Pioniers herunter, welche die Pulversäcke trugen, aber durch eine außerordentliche Begünstigung des Glücks wurde nicht ein einziger derselben vom Feuer ergriffen, und so die Mine, welche schon so viele Mühe und Menschen gekostet hatte, vollendet und armirt.
Der Vormittag und ein Theil des Nachmittags des folgenden Tages zeichnet sich durch nichts Ungewöhnliches aus; das Feuer dauerte, wie bisher, ununterbrochen mit gleicher Lebhaftigkeit fort, bis um vier Uhr Nachmittags die Zündlinie angezündet wurde und die Mine aufflog. Es war ein schreckliches Schauspiel und das Getöse so stark, daß Alle, die in der Nähe standen, für einen Augenblick betäubt wurden. Die Contrescarpe wurde mit fürchterlichem Krachen niedergeworfen und die Scarpe selbst fiel in Trümmern in den Graben. Aber zur nicht geringen Ueberraschung der Britten entdeckte der Fall dieser Scarpe nur eine neue, von Stein gebaute, hinter der ersten, die indessen im Verhältniß zu dieser leicht zu ersteigen war.
Der 17te verging, wie alle früheren Tage, unter dem Donner der Artillerie und des kleinen Gewehrs. Die merkwürdigste Waffenthat war eine Recognoscirung, die Capitän Carmichael vom 59ten Infanterieregiment unternahm. Dieser Offizier wagte sich an der Spitze von 15 Grenadieren in den Graben, erstieg die Bresche, sah in den Platz hinab, ließ von seinen Begleitern einige Handgranaten hineinwerfen und kehrte zurück, ohne mehr als zwei Mann verloren zu haben. Inzwischen wurden Sturmleitern in die Transcheen gebracht, um, so wie der Augenblick kam, bereit zu seyn, während die Minirer so angestrengt an der großen Mine zur Rechten arbeiteten, daß dieselbe kurz nach Einbruch der Dunkelheit gefüllt war. In dieser Mine waren nicht weniger als 15,000 Pf. Pulver; und es wurde nur noch ihr Auffliegen erwartet, um das Zeichen zum Sturm zu geben.
Am folgenden Morgen um zwei Uhr setzten sich die beiden zum Sturm bestimmten Abtheilungen in Bewegung, und nahmen, die erste der rechten, die zweite der linken Bastion gegenüber, ihren Standpunkt. An der Spitze beider Colonnen standen brittische Regimenter, rechts das 59ste, links das 14te, in der Reserve die verschiedenen Corps der eingebornen Truppen. Jeden Augenblick erwartete man das Auffliegen der Mine; aber es verging eine Stunde nach der andern, ohne daß die Explosion erfolgt wäre; und als der Tag anbrach, schien die Aussicht auf den Angriff noch eben so weit entfernt, als je. Von diesem Moment bis ungefähr um neun Uhr des Vormittags erbebte die Erde von einer Kanonade, die so heftig und ununterbrochen war, wie man nur je eine gehört hat. Aus den brittischen Linien warfen mehr als 100 Feuerschlünde ihren todbringenden Inhalt in die belagerte Stadt, während von Seiten des Feindes alles, was nur einer Feuerwaffe ähnlich sah, von dem gewaltigen 84 Pfünder bis zu dem Luntengewehr [572] herab, gegen die Belagerer gerichtet wurde. Dieß war die Lage der Dinge, als Lord Combermere in den Transcheen ankam; er sah, daß das 14te Regiment nur wenige Schritte von der Mündung der Mine entfernt stand, und fragte den Ingenieur, ob die Mannschaft in dieser Nähe keine Gefahr liefe. Die Antwort war verneinend; und der General hatte sich kaum entfernt, als die Mine aufflog. Der ganze Wall der Bastion wurde plötzlich, wie durch ein Erdbeben, emporgeworfen. Es war kein Geräusch, keine Explosion, zufällig hatte in diesem Augenblick selbst das Feuern aufgehört; aber der Wall hob sich, gleich einem Schiff, das auf den Wogen schwankt, und sank wieder herab. Dieß geschah zweimal und dann flogen mit einem Getöse, gegen welches der lauteste Donner Musik ist, Steine, Erde, Balken, Kanonen und Menschen in die Luft. Sobald diese schreckliche Explosion vorüber war, hörte man von allen Seiten das Geschrei und Wimmern der Verwundeten, zum Zeichen, daß die Versicherungen des Ingenieurs von der Gefahrlosigkeit des Standpunktes der Colonne ungegründet waren; woher diese Töne kamen, war aber unmöglich zu unterscheiden, da alles in eine dicke Wolke von Dampf und Staub gehüllt war, in welcher es nicht leicht war zu athmen, viel weniger um sich zu blicken.
Durch diese Dampfwolke stürzte die Colonne über die Leichen von anderthalbhundert ihrer Kameraden, welche beim Auffliegen der Mine ihren Tod gefunden hatten, auf die Bresche und begann in einem Augenblicke, sie zu ersteigen. Der Widerstand, den sie fand, obgleich ausgezeichnet durch die Tapferkeit Einzelner, war weder regelmäßig noch hartnäckig; das 14te Regiment gewann die Höhe mit verhältnißmäßig unbedeutendem Verlust. Da jedoch die eingebornen Truppen, die zu ihrer Unterstützung beordert waren, noch zurückblieben, so machten die Britten jetzt Halt, um jene zu erwarten, als aus den Häusern und Gebäuden in der Nähe ein mörderisches Feuer auf sie eröffnet wurde. Sie wurden indessen dadurch nicht entmuthigt, sondern wandten sich, wie sie den Befehl erhalten hatten, zur Rechten des Walls und trieben den Feind, ohne einen Stoß zu erhalten, von Thurm zu Thurm und von Bastion zu Bastion. Inzwischen waren auch ihre Kameraden vom 59sten Regiment nicht zurück; sie hatten ihre Bresche in einem Anlauf genommen und darauf, sich rechts schwenkend, den Wall von allen Feinden gereinigt, die ihnen begegneten.
Das Blutbad, während dieses Gefechts, war fürchterlich, besonders unter den Bhurtpurer Galondschis oder Artilleristen, die wie Verweifelte fochten und sich auf ihren Kanonen niederstechen ließen, ohne Pardon zu nehmen. Eine starke Abtheilung Ghats, die dem 59sten Regiment gegenüberstand, hatte in einer Straße Posto gefaßt, die einen rechten Winkel mit dem Wall bildete; und hier vertheidigten sie sich mit einem Muthe, der selbst nach dem eigenen Geständniß der Engländer ein besseres Loos verdient hätte. Sie wehrten sich bis auf den letzten Mann; und nachdem der Kampf beendigt war, lagen mehr als vierhundert Leichen da, jeder auf dem Platze, den er bis zum letzten Athemzuge behauptet hatte. Das schrecklichste Schicksal indessen war das der Bhurtpurer Musketiere, die verwundet niederfielen. Ihre Kleider waren dick mit Baumwolle wattirt, und da die Lunte, deren sie sich zum Abfeuern ihrer Gewehre bedienen, an ihrem Wamms befestigt war, so fingen sie Feuer und viele von ihnen verbrannten auf diese Weise, die sonst leicht noch mit dem Leben davon gekommen wären.
Endlich stießen die Spitzen der beiden Colonnen, nachdem sie den ganzen Wall gereinigt hatten, auf einander, und begrüßten einander mit herzlichem Zuruf. Auch die Seapoys, die, durch die Heftigkeit der Explosion überrascht, einen Augenblick geschwankt hatten, waren während dieser Zeit in die Stadt gedrungen und folgten dem Beispiel der Europäer, indem sie für die Grausamkeiten Rache nahmen, welche die Besatzung bisher an denjenigen ihrer Kameraden geübt hatte, die ihr in die Hände gefallen waren.
So wurde die Stadt Bhurtpur genommen; die Citadelle allein hielt sich noch bis um zwei Uhr Nachmittags, wo sie sich gleichfalls ergab. Die Besatzung hatte während der Belagerung an 10,000 Mann verloren, wovon mehr als die Hälfte in dem Sturm getödtet wurden; der Verlust der Engländer betrug nach ihren Angaben nicht mehr als 1,000 Mann von allen Graden, darunter jedoch mehrere ausgezeichnete Offiziere, wie der Brigade-General Edwards, der an der Spitze seiner Truppen, von Wunden durchbohrt, den Tod fand. Aber bei der Wichtigkeit der Eroberung und der moralischen Wirkung derselben durch ganz Indien, konnte dieß für keinen zu theuern Preis gelten. Bhurtpur wurde in ganz Ostindien für uneinnehmbar gehalten; und häufig hörte man unter den Eingebornen die Bemerkung, daß Indien nicht unterworfen sey, da Bhurtpur nicht gefallen wäre.
Es darf kaum erwähnt werden, daß, sobald die Nachricht von der Einnahme von Bhurtpur sich verbreitete, alle andern Städte des Fürstenthums sich beeilten, ihre Unterwerfung anzubieten, und daß der Krieg ein Ende hatte. Der junge Rajah Bulwent Singh wurde darauf in die Residenz seiner Väter geführt und von Lord Combermere auf den Thron gesetzt; während der Usurpator Durschun Sal, bei einem Versuche sich durch die Flucht zu retten, in die Hände der englischen Reiterposten fiel, die um die Festung aufgestellt waren, und als Staatsgefangener in das Fort Allahabad gebracht wurde, wo er noch in dem gegenwärtigen Augenblicke aufbewahrt wird.
So war eine von den schwersten Gewitterwolken, welche seit vielen Jahren den Horizont des brittischen Reiches in Ostindien verdunkelt hatten, zerstreut.- ↑ Blackwood’s Edinburgh Magazine, April 1828.