Die Augsburger Leineweber
Wenn man in der altehrwürdigen Stadt Augsburg die lange von der hochliegenden Sanct Ulrichskirche nordwärts zum Dome führende Prachtstraße herunter geht, so erblickt man gleich hinter dem schönen Herculesbrunnen zur linken Hand neben dem jetzigen Gasthofe zu den „Drei Mohren“ die lang hingestreckte
Façade eines Gebäudes von colossaler Ausdehnung. Die Außenwände desselben sind mit neueren, der Geschichte der Stadt entnommenen Fresken bedeckt, die, wenn sie auch, was Stilisirung und künstlerische Anordnung anbelangt, mit den in Augsburg in seltenem Reichthume erhalten gebliebenen Hausfresken aus der Renaissanceperiode keinen Vergleich aushalten können, doch von einem edeln Streben und einem tüchtigen Studium Zeugniß geben. Es ist der Palast der Fugger. Noch sieht man deutlich, daß das Gebäude aus zwei früher selbstständigen Häusern zusammengesetzt ist; ehedem bildete der ganze Häusertractus bis hinauf zum Katharinengäßchen ein zusammenhängendes, unter dem Gesammtnamen „die Fuggerhäuser auf dem Weinmarkte“ bekanntes und im Besitze der berühmten Familie befindliches Ganzes, von dem sich dann später, etwa von der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts an, als die Geldmacht und damit der Glanz der Fugger in Niedergang gerieth, ein Theil nach dem andern ablöste und in fremde Hände überging, bis schließlich nur noch der Theil im Besitze der Familie blieb, den man heutzutage mit dem Namen „Fuggerhaus“ zu bezeichnen gewohnt ist. Auf einem alten Kupferstiche von 1634, welcher die Huldigung der Augsburger Bürgerschaft vor dem Schwedenkönige zum Gegenstand hat, sehen wir noch deutlich den einstigen Umfang des Fuggerpalastes; zu ihm gehörte damals noch namentlich der allen Reisenden wohlbekannte Gasthof zu den „Drei Mohren“. Damals bedeckte auch noch reicher architektonischer Zierrath in [592] Form von stattlichen Portalen, Erkern, Thürmchen etc. die Fronte, die sich jetzt ohne alle Gliederung hinstreckt, und Fresken von der Meisterhand des jüngern Burgkmair schmückten die Wände. Von allem dem, wie namentlich auch von der von den Zeitgenossen mit den blendendsten Farben geschilderten Pracht des Innern sind heute nur noch vereinzelte Reste erhalten. Eine ungefähre Darstellung von der versunkenen Herrlichkeit kann sich der Besucher jedoch jetzt noch an zwei Stellen des Fuggerhauses verschaffen: an dem großen Hofe im Innern des Gebäudes und an den jetzt dem Kunstvereine als Ausstellungslocal dienenden Räumlichkeiten.
Beide Oertlichkeiten haben ihre ursprüngliche Gestalt fast unversehrt bis auf unsere Tage herab beibehalten. Der Hof ist mit Arcaden umzogen, welche nach italienischer Weise auf toscanischen Säulen von rothem Marmor ruhen. In der Tiefe der Hinterhalle erheben sich mächtige Marmorsäulen mit getheiltem Schafte, die Capitäle üppig mit Laubwerk und Widderköpfen geschmückt. Um den ganzen Hof ist die Laibung (innere Fläche) der Bögen mit herrlichen grauen Arabesken auf schwärzlich blauem Grunde bedeckt. Ueber den Bögen sieht man gemalte Medaillons, die eine Füllung von rothen Marmorplatten haben. Darüber zieht sich ein arg zerstörter Fries hin mit grau in grau gemalten historischen Scenen, wahrscheinlich Resten jener Wandgemälde, deren Gegenstände durch den gelehrten Conrad Peutinger bestimmt worden waren, und die Jakob Fugger 1516 durch Altorfer ausführen ließ. Welche Pracht in der Blüthezeit des Fugger’schen Geschlechts die inneren Räume ihres Palastes erfüllt hat, davon legen die jetzt dem Kunstvereine überlassenen Räumlichkeiten mit ihren herrlichen Fresken beredtes Zeugniß ab. Die Tradition berichtet, daß hier dereinst die Hausbäder eingerichtet gewesen seien. Bis in die neueste Zeit hatte man jene geistvollen und lieblichen Bilder, welche die Verherrlichung des Fugger’schen Hauses, symbolisirt durch dessen Wappen, zum Gegenstande haben, dem großen Meister Tizian zugeschrieben. Es ist immerhin möglich, daß er die Entwürfe angefertigt und die Arbeit geleitet hat; gemalt hat er die Bilder nicht, sondern, wie dies aus einer versteckten Inschrift hervorgeht, ein anderer Meister seiner Schule, Antonio Ponzano.
Die Geschichte der Fugger von ihren ersten Anfängen an bis zu ihrer höchsten Blüthe hinauf zu verfolgen, gewährt einen eigenthümlichen Reiz. Als sie von einem kleinen Dorfe auf dem Lechfelde nach Augsburg übersiedelten, arbeiteten sie in der bescheidensten Weise, völlig verborgen und unbekannt, zwei Menschenalter hindurch. Jakob, der ältere Fugger, hatte noch ein ganz mäßiges Vermögen, als er starb; seine Wittwe konnte ihren drei Söhnen nur erhalten, was sie besaß. In den bescheidensten Verhältnissen zog sie die Kinder groß; diese lernten aber in solcher Bescheidenheit auch das rechte Maß kennen, welches den bürgerlichen Wohlstand mit Sicherheit begründen lehrt. Katharina hatte noch allen Kindern von der treuen Hausmagd die Firmbinde umbinden lassen, und doch war schon ihr Sohn Jakob in der Lage, mit seinem Reichthume die Kaiserwahl zu entscheiden. Mit seinen Brüdern Ulrich und Georg begründete er den Ruhm des Fugger’schen Namens.
Es war aber nicht allein das Geld, was der Familie den großen Namen machte; nicht weil die ungeheuren Erträgnisse der Bergwerke Ungarns, Istriens und Tirols in dem Hause Jakob Fugger’s zusammenflossen, ertönte die ganze damalige civilisirte Welt von ihrem Ruhme, sondern weil jenes Geld benutzt wurde, der Wissenschaft und Kunst, der Wohlthätigkeit und dem Vaterlande die edelsten Dienste zu erweisen. Jakob Fugger wußte, was er that; sein Geist und Herz drängte ihn dazu, als er, selbst kinderlos, den früh verwaisten Kindern seiner Brüder eine wissenschaftliche Ausbildung zu Theil werden ließ, die Bestrebungen der Gelehrten unterstützte, bei der Erbauung des Chores von Sanct Anna wie bei der Errichtung seines Grabmales alle Künste beschäftigte, für die Armen eine Stadt in der Stadt baute, bei jeder Theuerung seine Kornspeicher öffnete und, als Deutschland in Gefahr war, seine Kaiserkrone an den französischen König zu verlieren, die ungeheuren Summen darlieh, mit welchen Karl der Fünfte die Stimmen der Kurfürsten kaufen mußte.
Man liest gewöhnlich, daß der Erste dieses weltberühmten Geschlechts im Jahre 1370 von dem Dorfe Graben, östlich von Schwabmünchen am Westrande des Lechfeldes gelegen, nach Augsburg eingewandert sei. Es ist dies aber schon zwei Jahre früher geschehen. Es waren zwei Brüder, welche nach Augsburg zogen, Ulrich und Johannes Fugger. Johannes kam damals zuerst allein dahin; erst 1376 kam Ulrich nach. Die Brüder bewohnten von da an gemeinschaftlich ein von der eigentlichen Verkehrsstadt weit abgelegenes Haus. Die Familie hatte sich schon in Graben mit Weben und Färben beschäftigt, denn diese Gewerbe waren in älterer Zeit immer vereinigt; der Name „Fugger“ heißt seiner altdeutschen Bedeutung nach nichts anderes als „Färber“, und eine ununterbrochene Ueberlieferung bezeichnet alle älteren Fugger als Weber. Neben dem Gewerbe hatten sie in Graben einigen Feldbau betrieben, denn es ist bekannt, daß spätere Fugger die Wiesen und Felder, welche das ursprüngliche Eigenthum der Familie gebildet hatten und veräußert worden waren, als die Fugger nach Augsburg übersiedelten, wieder an sich brachten.
Der außerordentliche Aufschwung, welchen, wie die Stadt im Allgemeinen, so auch Handel und Gewerbe, namentlich die Weberei, im vierzehnten Jahrhunderte genommen hatte, nöthigte gleichsam die Fugger, nach Augsburg zu ziehen, wo sie allein mit ihrem Geschäfte Fortschritte machen konnten. Hier war bereits mit Barchent aus Wolle, Flachs und Hanf ein so lebhafter Geschäftsverkehr in’s Leben getreten, daß das Umgeld von den Weberwaaren eines der einträglichsten Gefälle der Stadt bildete. Ein gewinnvoller Handel mit diesen Waaren hatte sich nach allen Ländern Europas ausgedehnt. Die bedeutende politische Macht der Stadt war es allein, welche in jenen unruhigen Zeiten diesem Verkehre die nöthige Sicherheit verschaffte.
Die Heirath mit Clara Widolf verschaffte dem Hans Fugger das Bürgerrecht in Augsburg. Nach dem Tode derselben schritt Hans im Jahre 1383 zur zweiten Ehe mit Elisabeth Gevattermann, welche beinahe zweiundzwanzig Jahre in „Fried und Freud“, wie die Familienchronik berichtet, währte und mit sechs Kindern gesegnet wurde. Vier von diesen starben in jungen Jahren; nur zwei Söhne, Andreas und Jakob, pflanzten das Geschlecht weiter fort.
Andreas, geboren 1406, wurde der Stammvater der Fugger vom Reh. Er trieb zuerst größeren Handel und wurde bereits „der reiche Fugger“ genannt.
Der zweite Sohn, Jakob, geboren 1410, wurde Vorgeher (Zunftmeister) der Barchentweber und der Stammvater der Fugger von der Lilie. Nachdem er 1469 gestorben war, bezog seine Wittwe das Haus am Judenberge (im Herzen der Stadt), das bereits der alte Hans Fugger von einem Gürtler gekauft hatte.
Sein ältester Sohn, Ulrich, geboren 1441, kaufte ein eigenes Haus auf dem Heumarkte. Schon im Jahre 1473, als Kaiser Friedrich sich in Augsburg zum Zuge nach Trier rüstete, um den Herzog Karl von Burgund mit Geldern zu belehnen, begann Ulrich Fugger mit den Fürsten des Hauses Oesterreich die in der Folge zu so enormer Höhe gelangten Geldgeschäfte. Er lieferte dem Kaiser das seidene und wollene Gewand zu dem Zuge und erhielt dafür für sich und seine Brüder das Wappen von der Lilie. 1494 verband er sich mit seinen Brüdern zu einer Handelsgesellschaft mit Specereien, Seide und Wolle nach und aus Italien, Tirol, den Niederlanden, Deutschland, Ungarn und Polen. Er war ein „gar schöner, freundlicher, frommer Herr, sein dickweißes Haar ist ihm fast herrlich gestanden“. In hohem Alter mußte er sich einer Steinoperation unterziehen und starb an den Folgen derselben im Jahre 1510.
Der zweite Sohn Jakob Fugger’s, Georg, geboren 1453, verheirathete sich 1488 mit Regina Imhof. Mit seinem Bruder Ulrich kaufte er die Behausung auf dem Weinmarkte (jetziges Fuggerhaus). Durch seine Söhne Raimund und Anton wurde er der Stammvater aller Fugger von der Lilie, die sich forterhielten.
Der bedeutendste unter den Söhnen des älteren Jakob wurde der gleichnamige jüngste Sohn. Er hatte sich ursprünglich dem geistlichen Stande gewidmet und war später Domherr des Eichstädtischen Stifts Herrieden geworden. Als jedoch vier seiner Brüder in rascher Folge gestorben waren, ließ er sich durch die Bitten des ältesten Bruders Ulrich bewegen, sein ruhiges Gelehrtenleben zu verlassen und wieder zum Geschäfte zurückzukehren. Vorerst wandte er sich nach Venedig, um dort im Fugger’schen [593] Lager seine Lehrjahre zu bestehen. Venedig war damals und noch lange Zeit danach die hohe Schule der süddeutschen Kaufleute. Man mußte in Venedig gewesen sein, wenn man daheim etwas gelten wollte. Dieser Schule und einigen größeren Reisen nach den vornehmsten Plätzen des europäischen Handels verdankte auch Jakob den hohen Grad kaufmännischer Bildung, der ihn befähigte, dem damals schon bedeutenden Handel seines Hauses jene Ausdehnung zu geben, die es seitdem weltberühmt gemacht hat. Im Jahre 1498 verheirathete er sich mit der schönen Sibylla Arzt, blieb jedoch in seiner siebenundzwanzigjährigen Ehe kinderlos. Er brachte den Handel zu einer solchen Höhe, daß er die Geschäfte in Wolle, Seide und Specereien aufgab und sich ausschließlich auf Bergbau und Bankgeschäfte verlegte. Er erwarb den ganzen Kupferkauf in Ungarns Bergwerken um hohes Geld; der jährliche Reinertrag derselben belief sich auf einhundertzehntausend Gulden. In Kärnthen baute er ein Bleiwerk. Daneben brachte er viele Grafschaften, Flecken, Dörfer und Schlösser an sein Haus, insbesondere die mächtigen Herrschaften Kirchheim und Weißenhorn, die ihm als uneingelöste Pfandschaften Kaiser Maximilian’s des Ersten heimgefallen waren.
Bekannt ist dieser Fugger namentlich auch durch seine Bauthätigkeit. Von ihm rührt der Ausbau des Fugger-Palastes in der Maximiliansstraße her; der neue Chor von St. Anna verdankt ihm seine Entstehung. Ein den Ruhm seines Geschlechts lange überdauerndes Andenken sicherte er sich durch die Gründung der „Fuggerei“, jener inmitten der Stadt gelegenen, in sich abgeschlossenen Stadt der Armen, deren Eigenart noch heute die Aufmerksamkeit des reisenden Publicums erregt. Die Gründung dieser eminent wohlthätigen Anstalt wird uns durch eines der großen Frescobilder des Fugger-Hauses in zutreffendster Weise vergegenwärtigt. In der Mitte zeigt Jakob Fugger seinen Neffen den Bauplan; seine Gemahlin theilt Brod unter die Armen aus, die sie umringen. Rührig wird an den Häusern gebaut, die zum Theil schon vollendet sind. Die „Fuggerei“ – wie diese Armenstadt im Volksmunde genannt wird – ist rings von Mauern umfangen, durch welche vier Thore, welche Nachts abgesperrt werden, in das Innere der durchaus sauberen, ja hübschen Colonie führen. Sechs Straßen durchschneiden dieselbe rechtwinkelig. Im Ganzen sind es dreiundfünfzig Häuser mit einhundertsechs Wohnungen, welche den ärmeren Einwohnerclassen der Stadt gegen die kaum nennenswerthe jährliche Miethe von zwei Gulden eingeräumt sind. Es war daher nur ein Act der Dankbarkeit, als die Stadt Augsburg[WS 1] diesem großen Wohlthäter der leidenden Menschheit auf einem der öffentlichen Plätze der Stadt ein ehernes Denkmal errichtete. Seine Zeitgenossen und Nachfolger aber waren des Lobes voll über „seine Magnificenz, durch die er im ganzen Reiche und an allen Höfen in großes Ansehen gekommen, da er nicht, wie etwa Geizwänste pflegen, seinen Reichthum in Kisten verschlossen, sondern Herr, nicht blos Hüter desselben gewesen ist“. Als Kaiser Maximilian sich im Jahre 1508 zum Zuge gegen Venedig rüstete, schossen ihm die Brüder Fugger binnen wenigen Wochen die für damalige Verhältnisse ungeheure Summe von zweihundertvierzigtausend Dukaten vor. Sie wurden dafür von Maximilian in den Adelstand erhoben und mit werthvollen Privilegien begabt.
Die höchste Blüthe erlangte die Familie unter den beiden Neffen und Erben Jakob’s, Raymund und Anton. Die Brüder, in denen nunmehr das gesammte Vermögen des Hauses vereinigt war, bewohnten gemeinsam die Fuggerhäuser auf dem Weinmarkt. Raymund wird uns geschildert als eine „schöne, lange und fast lustige Person, stark von Leib und Gemüth, nit allein ein besonder Liebhaber, sondern ein Vater aller wahrhaften Historien, ein fleißiger Nachfrager aller guten Künste, besonders der Antiquitäten. Von ganzem Herzen und Gemüth ist er sanft, mild und gebreich gegen männiglichen und insonderheit gegen alle Armen gewesen.“ Raymund ist der Stammvater der einen nach ihm benannten Fugger’schen Linie. Ihm wurde in Gemeinschaft mit seinem Bruder jenes berühmte kaiserliche Privilegium ertheilt, von dem Karl der Fünfte selbst sagte, daß kein deutscher Kaiser jemals ein ähnliches ertheilt habe, noch ertheilen werde. Durch dasselbe wurden die Brüder in den erblichen Grafenstand des Reiches erhoben und ihnen für ihre Person und ihre Güter die volle Landeshoheit verliehen. Wie tief verpflichtet ihnen aber auch Karl der Fünfte war, können wir daraus abnehmen, daß Raymund und Anton Fugger es waren, von denen er die Mittel zu seinen Expeditionen gegen Tunis und Algier und zur Unterdrückung des schmalkaldischen Bundes erhielt. Dabei waren jedoch die Fugger viel zu schlaue Geldmänner, als daß sie nicht, wie sie den Kaiser gegen die rebellischen protestantischen Fürsten mit ihrem Golde stützten, als sich ihnen eine gewinnreiche Aussicht eröffnete, auch den Fürsten, vorweg Philipp von Hessen und Johann Friedrich von Sachsen, in ihrer Auflehnung gegen das kaiserliche Oberhaupt mit ihrem Gelde unter die Arme griffen.
In die Zeit Anton’s – Raymund war schon 1536 gestorben – fallen jene uns erhaltenen Schilderungen mehrerer Zeitgenossen über die mehr als fürstliche Pracht des Fugger’schen Haushalts. Schon um 1531 berichtet uns der berühmte Schlettstadter Humanist Beatus Rhenanus, als er auf seinen Reisen auch Augsburg besuchte: „Welch eine Pracht ist nicht in Anton Fugger’s Haus! Es ist an den meisten Orten gewölbt und mit marmornen Säulen unterstützt. Was soll ich von den weitläufigen und zierlichen Zimmern, den Stuben, Sälen und dem Cabinete des Herrn selbst sagen, welches sowohl wegen des vergoldeten Gebälks wie der übrigen Zierrathen und der nicht gemeinen Zierlichkeit seines Bettes das allerschönste ist? Es stößt daran eine dem heiligen Sebastian geweihte Kapelle mit Stühlen, die aus dem kostbarsten Holze sehr künstlich geschnitzt sind. Alles aber zieren vortreffliche Malereien von außen und innen. Raymund Fugger’s Haus ist gleichfalls köstlich und hat auf allen Seiten die angenehmste Aussicht in Gärten. Was erzeuget Italien für Pflanzen, die nicht darin anzutreffen wären! Was findet man darin für Lusthäuser, Blumenbeete, Bäume, Springbrunnen, die mit Erzbildern der Götter geziert sind! Was für ein prächtiges Bad ist in diesem Theil des Hauses! Mir gefielen die königlich französischen Gärten zu Blois und Tours nicht so gut. Nachdem wir in’s Haus hinaufgegangen, beobachteten wir sehr breite Stuben, weitläufige Säle und Zimmer, die mit Kaminen, aber auf sehr zierliche Weise, versehen waren. Alle Thüren gehen aufeinander bis in die Mitte des Hauses, so daß man immer von einem Zimmer in’s andere kommt. Hier sahen wir die trefflichsten Gemälde. Jedoch noch mehr rührten uns, nachdem wir in’s obere Stockwerk gekommen, so viele und große Denkmale des Alterthums, daß ich glaube, man wird in Italien selbst nicht mehrere bei einem Manne finden. In einem Zimmer die ehernen und gegossenen Bilder und die Münzen, im andern die steinernen, einige von colossaler Größe. Man erzählte uns, diese Denkmale des Alterthums seien fast aus allen Theilen der Welt, vornehmlich aus Griechenland und Sicilien, mit großen Kosten zusammengebracht.“
Auch Graf Wolrad von Waldeck, der 1548 auf dem Reichstag zu Augsburg war, weiß gar Manches von dem Glanze der Fuggerhäuser zu berichten. Von Anton Fugger’s Haus sagt er, es könnte eine königliche Wohnung sein. Er rühmt die Kamine aus Marmor, die Vertäfelung der Wände aus verschiedenen Holzarten, die vergoldeten oder goldähnlich gemalten Decken, die bunten Labyrinthe von eingelegter Arbeit auf den Fußböden.
Und als dreißig Jahre später der lüderliche Herzog Heinrich von Liegnitz mit seinem Haushofmeister Hans von Schweinichen in Augsburg war, erschien den Schlesiern der Glanz des Fugger’schen Hauses märchenhaft. Schweinichen erzählt davon in seiner Selbstbiographie: „Es lud Herr Max Fugger (ältester Sohn Anton’s) Seine Fürstliche Gnaden einst zu Gaste. Ein dergleichen Banket ist mir sobald nicht vorgekommen, daß auch der römische Kaiser nicht besser tractiren könnte; es war dabei überschwengliche Pracht. Das Mahl war in einem Saale zugerichtet, in dem man mehr Gold als Farbe sah. Der Boden war von Marmelstein und so glatt, als wenn man auf dem Eise ging. Es war ein Credenztisch aufgeschlagen durch den ganzen Saal, der war mit lauter Trinkgeschirren besetzt und mit merkwürdigen schönen venetianischen Gläsern; er sollte, wie man sagt, weit über eine Tonne Gold werth sein. Ich wartete Seiner Fürstlichen Gnaden beim Trinken auf.
Nun gab Herr Fugger Seiner Fürstlichen Gnaden einen Willkommen, ein künstlich gemachtes Schiff vom schönsten venetianischen Glas; wie ich es vom Schenktisch nehme und über den Saal gehe, gleite ich in meinen neuen Schuhen, falle mitten im Saale auf den Rücken, gieße mir den Wein auf den Hals; das [594] neue rothdamastne Kleid, welches ich anhatte, ging mir ganz zu Schanden, aber auch das schöne Schiff zerbrach in viele Stücken. Obgleich nun bei männiglich ein groß Gelächter war, wurde ich doch berichtet, daß der Herr Fugger unter der Hand gesagt, er wollte lieber hundert Gulden als das Schiff verloren haben. Es geschah aber ohne meine Schuld, denn ich hatte weder gegessen noch getrunken. Als ich aber später einen Rausch bekam, stand ich fester und fiel hernach kein einziges Mal, auch im Tanze nicht. Dabei waren die Herren und wir alle lustig.
Der Herr Fugger führte Seine Fürstlichen Gnaden im Hause spazieren, einem gewaltig großen Hause, so daß der römische Kaiser auf dem Reichstage mit seinem ganzen Hofe darin Raum gehabt hat. Herr Fugger hat in einem Thürmlein Seiner Fürstlichen Gnaden einen Schatz von Ketten, Kleinodien und Edelsteinen gewiesen, auch von seltsamer Münze und Stücken Goldes, die köpfegroß waren, so daß er selbst sagte, er wäre über eine Million Gold werth. Danach schloß er einen Kasten auf; der lag bis zum Rande voll von lauter Ducaten und Kronen. Die gab er auf zweimalhunderttausend Gulden an, welche er dem König von Spanien durch Wechsel übermacht hatte.
Darauf führte er Seine Fürstlichen Gnaden auf dasselbe Thürmlein, welches von der Spitze an bis an die Hälfte hinunter mit lauter guten Thalern gedeckt war. Er sagte, es wären ohngefähr siebenzehntausend Thaler. Dadurch erwies er Seiner Fürstlichen Gnaden große Ehre und daneben auch seine Macht und sein Vermögen. Man sagt, daß der Herr Fugger so viel hätte, ein Kaiserthum zu bezahlen. Er verehrte mir wegen des Falls einen schönen Groschen, der ungefähr neun Gran schwer war. Fürstliche Gnaden versahen sich auch eines guten Geschenks, aber damals bekamen sie nichts als einen guten Rausch. Gerade damals versagte der Fugger einem Grafen seine Tochter, und man erzählte, daß er ihr außer dem Schmuck zweimalhunderttausend Thaler mitgäbe.“
Wir können uns heutzutage kaum mehr eine richtige Vorstellung von dem Reichthume und dem Handel der Fugger im sechszehnten Jahrhundert machen. Auch der größte Maßstab, den wir nach unseren modernen Begriffen zur Vergleichung anlegen würden, würde uns kein zutreffendes Bild geben. Denn die Fugger waren nicht blos die größten Capitalisten, sie galten auch als die mächtigsten Grundbesitzer des damaligen Europa’s. In ihren Händen waren die Bergwerke Tirols, Steiermarks, Kärnthens, Istriens, Ungarns und Spaniens. Welche Schätze mögen sie allein aus dem letztgenannten damals auf der Höhe seiner Blüthe stehenden Lande gezogen haben! Noch heute nennt sich eine Straße Madrid’s nach ihnen, und ein Volkssprüchwort heißt: „rico come un Fucar“ („reich wie ein Fugger“). An allen wichtigen Handelsplätzen hatten sie ihre Factoreien, deren Geschäfte von Vertrauten des Hauses geleitet wurden: in der „goldenen Schreibstube“ des Fugger-Palastes in Augsburg liefen die Fäden wie die Radien eines Kreises im Mittelpunkt zusammen.
Vor mir liegt ein Rechnungsbuch des Handlungshauses vom Jahre 1564, das zwar nur über ausständige und zum künftigen Neujahr fällige Forderungen im Waarenhandel (Tuch, Specereien etc.) berichtet; aber auch hier, in diesem geringfügigsten Geschäftszweige, der nur so nebenher, mehr aus Pietät als des Gewinnes wegen betrieben wurde, gehen die Forderungen bei den einzelnen Factoreien (Wien, Nürnberg, Leipzig, Danzig, Krakau, Antwerpen, London, Lyon, Venedig, Genua) nach Millionen. Nur so verstehen wir, wie jene bekannte Sage sich bilden konnte, welche Anton Fugger – den „Fürsten unter den Kaufleuten“, wie Guicciardini ihn nennt – den Schuldschein Karl’s des Fünften in dem mit Zimmetholz genährten Feuer des Kamins verbrennen läßt. Geschichtlich beglaubigt ist dagegen die gleichfalls bekannte Erzählung, Karl der Fünfte habe, als ihm sein königlicher Wirth von Frankreich die Schätze der Pariser Residenz gezeigt, gegen diesen geäußert: „Alles dies kann ein deutscher Leineweber in Augsburg bezahlen.“
Aber auch die lachendste Blüthe birgt schon den Keim des Verfalls in sich; denn der ist nahe, trotz allen äußeren Glanzes, sobald der höchste Ehrgeiz der Familie nicht mehr ist, freie Bürger einer freien Stadt zu sein. Denken wir daran, wie fortgesetzt und mit welchem Ingrimm Ulrich von Hutten in seinen Gesprächen gegen die Fugger zu Felde zieht! Kirchlich und politisch gehörten sie zur Reactionspartei. Anton war es, der im schmalkaldischen Kriege an der Spitze der Schwachmüthigen stand, der Augsburgs Fürsprecher war, als die Reichsstadt auf seinen und seiner Anhänger Rath, statt Widerstand zu leisten, Begnadigung erflehte, und so ihrer alten Größe, Selbstständigkeit und Herrlichkeit den Stoß, von dem sie sich nie erholt hat, versetzte. – Noch eine Zeit lang werden einzelne Glieder der Familie als hochsinnige Beförderer der Wissenschaft, ja als gründliche Gelehrte gepriesen. Hieronymus Wolf, der berühmte Hellenist, war lange Jahre Bibliothekar des Anton Fugger[WS 2] gewesen, ehe er die Leitung des protestantischen Gymnasiums zu Sanct Anna übernahm. Von den Söhnen Raymund’s war der eine, Johann Jakob, ein noch heute geschätzter Geschichtsschreiber, während der andere, Georg, als einer der vorzüglichsten Mathematiker und Astronomen seiner Zeit galt. Ein dritter Sohn, Ulrich, war der einzige Fugger, welcher sich offen zum Protestantismus bekannte und deshalb – unter dem Vorwande, daß er sein Vermögen mit Gelehrten und Künstlern vergeude – von seinen Brüdern unter Curatel gestellt wurde. Später war er sogar genöthigt, vor den Verfolgungen seiner Familie Schutz bei dem Kurfürsten Friedrich dem Dritten von der Pfalz zu suchen. Auf seinem Todtenbette bestimmte er sein Vermögen zu Unterrichtsstipendien für arme Jünglinge; die kostbare Bibliothek vermachte er der Universität Heidelberg. Einem seiner Neffen, Philipp Eduard (1546 bis 1618), gebührt das zweifelhafte Verdienst, die Jesuiten in seine Vaterstadt eingeführt und ihnen zur Gründung ihres Collegiums bedeutenden Besitz, darunter sogar alte Familienstiftungsgelder im Betrage von dreißigtausend Gulden, zugewendet zu haben. Ein späterer gleichnamiger Fugger verkaufte die alte werthvolle Familienbibliothek für zehntausend Reichsthaler an Kaiser Ferdinand den Dritten, der sie der Wiener Hofbibliothek einverleiben ließ.
Schon in den letzten Jahrzehnten des sechszehnten Jahrhunderts[WS 3] macht sich ein rasches Sinken des alten Flors der Fugger’schen Handlung bemerkbar. Wir dürfen dies freilich nicht einseitig den in Trägheit und Ueppigkeit versunkenen Trägern des berühmten Namens in die Schuhe schieben. Die Zeit war eben auch eine andere geworden. Andere Nationen, vorab die Niederländer und Engländer, waren in der Ausbeutung des Welthandels obenauf gekommen und hatten den deutschen und italienischen Freistaaten nur kümmerliche Brosamen des alten Ueberflusses übrig gelassen. Der dreißigjährige Krieg, wie er unserm nationalen Wohlstande die tödtliche Wunde schlug, vernichtete auch vollends den Wohlstand des Fugger’schen Hauses. Die Fugger, in unzählbare Linien getheilt, verlieren sich von da an unter dem deutschen Landadel und tauchen nur dann und wann im Dienste des Kaiserhofs oder der Kurfürsten von Baiern wieder auf.
Oede waren die Plätze und Straßen der üppigen Reichsstadt geworden: wo sonst das lustige Geräusch der Arbeit aus den Häusern ertönte, hallte jetzt die Gasse nur noch von den Schritten eines einsamen Wanderers. Noch heute, nachdem mehr als zweihundert Jahre in’s Land gegangen sind, kann sich der Fremde dieses Eindrucks des Ausgestorbenen nicht erwehren. Augsburg gilt als eine einsame, verödete Stadt, die nur bei besonderen Gelegenheiten und an vereinzelten Stellen das fröhliche Gewühl eines belebten Ortes zeigt, das einst auf allen Straßen der Stadt bis tief in die Nacht hinein geherrscht hatte. Ganze Quartiere tragen heute noch den Charakter, als ob in ihnen vor vielen Jahren Menschen gewohnt und geschafft hätten, die nun weggezogen oder ausgestorben wären; man athmet schwerer unter dem Alpdruck der Phantasie, die, Jahrhunderte übersteigend, uns von einstiger Lebenslust erzählt, welche die todten Mauern erfüllt hat. Ein ähnliches Gefühl beschleicht uns, wenn wir in dem märchenhaft schönen, stillen und grasbewachsenen Arcadenhof des Fugger-Palastes stehen und beim Anschauen der verblichenen Wandbilder Altorfer’s von 1516 lebhafte Sehnsucht nach der einstigen Herrlichkeit in uns erwachen fühlen. Mit Gewalt reißen wir uns los und treten aus dem verödeten Raume heraus an das volle Sonnenlicht des Tages, wo der schrille Ton eines gegenüberliegenden Fabrikschlotes uns eine neue Bestätigung der alten Wahrheit giebt: „Nur der Lebende hat Recht“.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Hierzu Berichtigung in Heft 42, S. 686
- ↑ Richtig wäre: des Johann Jakob Fugger.
- ↑ Vorlage: Jahrhunders