Die Anfänge Constantins des Grossen

Textdaten
<<< >>>
Autor: Otto Seeck
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Anfänge Constantins des Grossen
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 7 (1892), S. 41–107; 189–281.
Herausgeber: Ludwig Quidde
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Freiburg i. Br
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[41]
Die Anfänge Constantins des Grossen.[WS 1]
Von
Otto Seeck.


Am 1. Mai des Jahres 305 vollzog sich gleichzeitig in Mailand und Nicomedia eine Ceremonie, wie das Römerreich noch keine gesehen hatte. Freiwillig legten zwei Kaiser die Herrschaft nieder und übertrugen sie in Frieden auf Nachfolger, die sie selbst gewählt und lang erprobt hatten. Seit mehr als hundert Jahren hatte kein Herrscher so lange regiert, wie Diocletian und Maximian; fast keiner war eines natürlichen Todes gestorben; die meisten der sich schnell folgenden Thronwechsel waren durch Bürgerkriege eingeleitet worden. Diese harte Zeit der inneren Wirren, welche das Reich bis in seine Grundfesten erschüttert hatten, schien jetzt abgeschlossen, und freudig blickte man einer ruhigen Zukunft entgegen.

Diese Hoffnung sollte sich freilich als trügerisch erweisen; doch dass man sie überhaupt hegen konnte, dass ein Herrscher sich zwanzig Jahre lang auf dem Thron behauptet und durch Adoptionen eine Dynastie gegründet hatte, der niemand die Anerkennung versagte, war damals schon ein grosser, verheissungsvoller Erfolg. Diocletian, dem man ihn zu danken hatte, war ein wunderlicher Ideologe, ein grüblerisches Halbgenie, reich an Einfällen, aber arm an Menschenkenntniss und praktischer Lebensweisheit, einer von jener Art, aus der heutzutage die gewerbsmässigen Erfinder hervorgehen. Als Rathgeber eines klugen und selbständigen Fürsten, der sich durch die Ueberfülle seiner geistvollen Ideen anregen zu lassen, aber auch sie zu sichten und das Unreife auszuscheiden verstand, wäre er trefflich an seinem Platze gewesen; als Kaiser selbst war er seiner Aufgabe, so ernst er sie fasste und so pflichtgetreu er sie zu erfüllen strebte, doch nicht ganz gewachsen. Aengstlich zugleich und vermessen, jeder [42] ausgetiftelten Gefahr scharfsinnig vorbauend und doch immer die nächstliegende übersehend, rechthaberisch, aber ewig wechselnd in seinen Meinungen und Absichten, hätte er dem Reiche wahrscheinlich viel mehr Unheil als Glück gebracht, wenn unter den tausend Plänen, die er ausheckte und hastig ins Werk setzte, umgestaltete oder wieder verwarf, sich nicht zufällig gerade derjenige, welcher die Dauer seiner Herrschaft zu sichern bestimmt war, bis zu einem gewissen Grade bewährt hätte.

Im niedrigsten Stande geboren[1], hatte er sich vom gemeinen Soldaten zum Befehlshaber der Leibgarde aufgeschwungen, auch schon einmal das Consulat bekleidet[2], als Kaiser Carus auf seinem Siegeszuge in’s Innere des Perserreiches von einem Blitzstrahl erschlagen wurde[3]. Die Nachfolge schien gesichert; denn der Verstorbene hinterliess zwei erwachsene Söhne, die er schon längst zu seinen Mitregenten ernannt hatte. Der ältere, Carinus, war im Westen zurückgeblieben, um den Vater dort zu vertreten; der jüngere, Numerianus, begleitete das Heer[4]. So konnte er gleich dessen Treuschwur entgegennehmen und, nachdem der Frieden mit den Persern eiligst hergestellt war, es seinem Bruder zuführen. Unterwegs wurde er von einem Augenübel befallen, das ihn zwang, zum Schutze vor der blendenden Sonne des Südens in geschlossener Sänfte zu reisen. Längere Zeit blieb er so [43] jedem Verkehr mit den Soldaten entzogen, den Oberbefehl führte an seiner Statt sein Gardepräfect und Schwiegervater Aper. Als man in der Nähe von Nicomedia angelangt war[5], glaubten einige zu bemerken, dass aus der Sänfte, die noch immer das Heer begleitete, Leichengeruch hervordringe; man riss sie auf und fand den Kaiser todt[6]. Dass Aper der Mörder sei, stand der aufgeregten Menge ohne Weiteres fest; keiner dachte an die naheliegende Möglichkeit, dass Numerian eines natürlichen Todes gestorben sei und sein Schwiegervater dies nur verheimlicht habe, damit das führerlose Heer sich nicht zu übereilten Schritten hinreissen lasse. Der Kaisermord war eben so sehr zur Regel geworden, dass man ihn in einem zweifelhaften Falle wie dieser als selbstverständlich betrachtete. Drohend forderte das Heer Gericht und Rache für den Sohn des siegreichen Carus. Doch auf gesetzlichem Wege war dieser Wunsch nicht so bald zu erfüllen, wie die Ungeduld der wilden Massen es erheischte. Denn über den Präfecten gab es keinen Richter als den Kaiser, und dieser war jetzt in dem fernen Italien; Monate mussten vergehen, ehe man zu ihm gelangte. Und wer wusste, ob nicht Carinus mit Aper unter einer Decke spielte: sein Ruf war nicht der beste und der Mitregent mochte ihm lästig sein. An angestifteten Hetzern, welche solche Gerüchte verbreiteten und die Aufregung schürten, wird es kaum gefehlt haben. So kam es denn wieder einmal zu einer Militärrevolte, wie sie damals zu den alltäglichen Erscheinungen gehörten. Um nicht die Rache für den einen Sohn des Carus in ungewisse Ferne hinausgerückt zu sehen, wurde das Heer zum Verräther an dem andern und forderte eine neue Kaiserwahl. Seinem Willen gehorsam traten die Offiziere zusammen und vereinigten ihre Stimmen, wie natürlich, auf denjenigen , welcher unter ihnen den höchsten Rang bekleidete[7]. Diocletian wusste schnell und summarisch Gericht zu halten, wie es der Leidenschaft der Soldatesca entsprach. Als er sich zum ersten Mal in kaiserlichem Schmucke dem Heere vorstellte und [44] die Zurufe entgegengenommen hatte, durch welche es die Vorwahl der Offiziere bekräftigte, zog er feierlich sein Schwert aus der Scheide, erhob es zum leuchtenden Antlitz des Sonnengottes und schwur, dass er am Tode Numerian’s unschuldig sei und nie nach der Krone gestrebt habe. Dann wandte er sich zu Aper, der, wie es dem Präfecten zukam, hinter dem Kaiser auf der Tribüne stand, und stiess mit dem Rufe: „Dieser hat den Mord angestiftet!“ den Verdächtigen kurzweg nieder. Der Jubel der zuchtlosen Bande lohnte diese soldatische Justiz[8].

So bestieg am 17. Nov. 284[9] Gajus Valerius Diocletianus zu Nicomedia den Thron. Der Zufall, dass kein höherer Militär ausser dem angeschuldigten Aper sich bei dem Heere befand, hatte ihn erhoben, ein Mord ihm die Weihe gegeben. Und dieselbe Rohheit des Rechtsgefühls, welche seine erste Regierungsthat kennzeichnet, ist ihm auch weiter treu geblieben. Er war nicht grausam aus Lust, wie ein Caligula und Nero – hat er doch sogar bei der Christenverfolgung anfangs jedes Blutvergiessen zu vermeiden gesucht[10] –, aber er scheute auch vor keiner Grausamkeit zurück, wo sie ihm nöthig oder nützlich schien[11]. Seiner soldatischen Vergangenheit entsprechend, die von jeder juristischen Bildung unberührt war, blieb seine Justiz immer hart und unerbittlich wie das Standrecht. Als er im J. 301 den thörichten Versuch machte, für die Preise alles Verkäuflichen einen Maximaltarif aufzustellen, setzte er Todesstrafe darauf, wenn jemand ein Laib Brod zu theuer verkaufte oder zu hoch bezahlte oder auch nur seine Waaren nicht auf den Markt brachte, und thatsächlich wurde sie an vielen vollstreckt, bis er selbst sich überzeugte, dass sein Gesetz sich nicht aufrecht erhalten liess[12]. Unter [45] ihm wurde es üblich, bei der Steuereinschätzung die Folter anzuwenden, um von den Unterthanen Geständnisse über die Höhe ihres Einkommens zu erpressen[13]. Gegen seine Feinde hat er nicht blind gewüthet, wie Leidenschaftlichkeit seinem Charakter überhaupt fremd gewesen zu sein scheint. Nach dem Sturze des Carinus hatte er Gerechtigkeitssinn genug, um diejenigen, welche ihrem Kaiser treu, seine Gegner gewesen waren, nicht nur ungestraft zu lassen, sondern sogar in ihren Ehren und Würden zu bestätigen[14]. Aber jede Verschwörung, jeden Aufstand, welcher später gegen ihn als anerkannten Herrscher ausbrach, hat er in Strömen Blutes erstickt[15]. Die Majestätsprocesse rafften unter ihm kaum weniger Opfer hinweg, als unter den schlechtesten seiner Vorgänger, ja er soll sogar ganz unverdächtige Männer haben hinrichten lassen, nur weil ihr Vermögen ihn zur Confiscation reizte. Denn seinen Schatz stetig zu vermehren und sparsam zu hüten, war für die Politik des vorsichtigen Kaisers einer der Hauptgesichtspunkte[16].

Aber nicht nur Rohheit und Grausamkeit ist das Kennzeichen des gewerbsmässigen Soldaten, sondern auch Loyalität. Die Gewohnheit der Disciplin unterwirft seine Seele noch unbedingter als die des Bürgers der Gewalt des einen Mannes, dessen Hand über Leben und Tod, über Gunst und Strafe mit unbeschränkter Freiheit schaltet. Auch in dieser Zeit hatte der Fahneneid seine Macht über die Gemüther nicht ganz verloren. Selbst der Aufstand gegen Carinus, dessen nächstes Ziel doch die Rache für den Tod des legitimen Herrschers war, ist ein Beweis dafür. Auch Diocletian war zu unbedingter Hingebung an den Allmächtigen erzogen worden: als er an dessen Stelle trat, schlug sie in Selbstvergötterung um. Wenn er anstatt des schlichten Purpurs Gewänder und Schuhe, die mit Perlen und Edelsteinen geschmückt [46] waren, zum Abzeichen der Kaiserwürde machte[17]; wenn er sich für den Sohn des Jupiter ausgab und danach den erblichen Namen Jovius annahm[18]; wenn er sein Bild neben denen der Götter aufstellen und verehren liess[19] und von allen, die seinem Throne nahten, anbetendes Niederknien verlangte[20], so war dies mehr als eine Komödie, erdacht um den Unterthanen die göttliche Weihe des Kaiserthums recht augenscheinlich vorzuführen; es war der Ausdruck seiner eigenen innersten Ueberzeugung. Er wusste wohl, dass er jeden Augenblick einem Soldatenaufstande zum Opfer fallen könne – die quälende Furcht davor hat seine ganze Politik beherrscht –, aber so lange er die Krone trug, fühlte und duldete er keine Schranke seiner Macht. Ueber den Werth der Metalle[21] und über das dynastische Gefühl der Soldaten, über die Preise der Lebensmittel und über den Glauben seines Volkes glaubte er ebenso unbedingt verfügen zu können, wie über Leib und Gut der knechtischen Masse. Fügte sich ihm nicht alles, so fuhr er mit Schwert und Folter drein, bis er sich an dem Widerstande, nicht der Menschen, sondern der Verhältnisse so derb den Kopf zerstiess, dass er eine Umkehr als unvermeidlich erkannte. Dann war schnell ein neuer Plan bereit, der mit der gleichen grausamen Rücksichtslosigkeit durchgeführt wurde, bis er wieder einem neuen Platz machen musste. Symbolisch für sein ganzes Regierungssystem ist dasjenige, was uns von seiner Bauthätigkeit in Nicomedia berichtet wird[22]. „Ihn erfüllte eine unendliche Baulust, verbunden mit einer nicht geringeren Bedrückung der Provinzen, welche Arbeiter und Handwerker und Gespanne, [47] kurz alles, was zur Herstellung der Gebäude nöthig war, stellen mussten. Hier eine Markthalle, hier ein Circus, hier eine Münzstätte, hier eine Waffenfabrik, hier ein Haus für seine Frau, hier für die Tochter. Plötzlich wird ein grosser Theil der Stadt niedergerissen; alles wanderte aus mit Weib und Kind, als wäre der Feind in die Mauern gedrungen. Und war dies fertiggestellt aus dem Marke der Provinzen, dann hiess es: „Es ist nicht recht gemacht; es soll anders gemacht werden.“ Auf’s Neue liess er einreissen und verändern, um es dann vielleicht zum zweiten Male umzuwerfen“. Und so ging es auf allen andern Gebieten; hat er doch selbst an seiner Titulatur immerfort etwas zu verwerfen und zu verbessern gefunden[23]. In der ängstlichen Weise, die ihm eigen war, unterwarf er seine Pläne oft langen Besprechungen mit seinen Vertrauten; doch jeder im hohen Rathe wusste, welche Entscheidung der Kaiser wünschte, und stimmte danach[24]. Aber hätte dies auch anders sein können, zuletzt hätte er doch immer nach den wechselnden Einfällen des eigenen Kopfes gehandelt.

Lange mochte sein beweglicher Geist über den Schäden des Römerreiches gegrübelt und nach Heilmitteln dafür gesucht haben, [48] ehe er schon als bejahrter Mann zur Herrschaft gelangte[25]. Jetzt waren alle Recepte fertig – natürlich nur so lange, bis ein anderes Heilverfahren beliebt wurde – und mit überstürzender Hast wurde dem hilflosen Kranken eine Arznei nach der andern in den Mund gezwängt. Gleich die ersten Monate von Diocletian’s Regierung sahen eine neue Münzordnung[26], ein neues System [49] der Mitregentschaft und Thronfolge, namentlich aber den unerhörten Bruch mit einer tausendjährigen Vergangenheit, dass Rom aufhörte Residenz und dadurch Mittelpunkt des Reiches zu sein. Bald folgten Umgestaltungen der Provinzialverwaltung[27], des Steuer- und Militärwesens und, was ja nicht zu vergessen ist, der ganzen Hofetikette[28], fast jede dieser Reformen in mehreren immer wieder verbesserten Auflagen. Manche seiner Neuerungen waren geistvoll und zweckentsprechend, viele ganz oder halb verfehlt, alle von der kühnsten Rücksichtslosigkeit gegen das Bestehende. Vor Sitten und Einrichtungen der Vorväter hatte Diocletian zwar sehr viel Respect[29], namentlich soweit sie schon in der Väter Zeiten untergegangen waren. Was im Ersterben war, wie die alte Religion, suchte er zu stützen, was verschollen war, herzustellen[30]; aber was noch in vollem Leben bestand, schien ihm alles werth, dass es zu Grunde gehe. In den zwanzig Jahren seiner Regierung ist das Römische Reich gründlicher umgestaltet worden, als in den vorhergegangenen drei Jahrhunderten.

Denn diese revolutionäre Politik sich überstürzender Neuerungen ist nicht etwa vorübergebraust wie ein Sturm, nur Trümmer hinter sich zurücklassend. Was Diocletian erbaut hat, krachte war gleich von Anfang an in allen seinen Fugen und bedurfte eines ununterbrochenen Flickens und Besserns; aber diese baufälligen [50] Schöpfungen sind nichtsdestoweniger Jahrhunderte lang aufrecht geblieben, und seine Ideen haben im Römerreiche fortgewirkt, so lange es überhaupt noch bestehen sollte. Die Unterthanen seufzten unter seinem Drucke; aber dennoch blickten selbst die verfolgten Christen mit einer gewissen scheuen Ehrfurcht zu ihm empor, und sein Andenken blieb hoch gefeiert bis auf den heutigen Tag. Die Dauerbarkeit seiner hastigen Reformen, der Zauber, welchen seine Persönlichkeit auf die Zeitgenossen ausübte und der noch jetzt unverstanden fortwirkt, hatten ihren letzten Grund darin, dass er ein so vollkommener Repräsentant seiner Epoche war, wie keiner ausser dem grossen Constantin, der eben darum auch manche Aehnlichkeiten mit ihm zeigt. Revolutionen und Bürgerkriege, Pestilenzen und Barbareneinfälle hatten im Römerreiche furchtbar aufgeräumt. Von den alten Geschlechtern, welche befähigt und geneigt waren, die Traditionen einer früheren, besseren Zeit aufrecht zu erhalten, war in Rom wie in den Provinzen kaum ein verschwindender Rest übrig geblieben. Die Nachkommen von Sklaven und Ausländern waren in ihre Stellen eingerückt, und mit dem neuen Blute war ein neuer Sinn zur Herrschaft gelangt. Zwar war die Begeisterung für das Alterthum grösser als je zuvor: Literatur und Kunst ahmten es sklavisch nach; die Projectenmacher, welche wie Pilze aus der Erde schössen, glaubten ihre verrückten Pläne nicht besser empfehlen zu können, als indem sie behaupteten, mit ihnen die vergessene Weisheit der Väter wiederzubringen; selbst die Kaiser liessen sich gern als Hersteller des Alterthums preisen und fast jeder unternahm es, einzelne von dessen verschollenen Institutionen zu neuem Leben zu erwecken. Doch wie sich von selbst versteht, scheiterten diese Versuche kläglich, und die gute alte Zeit blieb ein unerreichbares Ideal. Was sich aber von ihr noch erhalten hatte, verachtete man, weil es ja durch sein Ueberleben zu einem Theil der kläglichen Neuzeit geworden war. Das Haus, in dem man gewohnt hatte, war zusammengestürzt, und eiligst suchte man nicht aus den Trümmern, sondern über ihnen ein neues Gebäude herzustellen. Jeder machte Pläne dazu, die nur in dem Gedanken übereinstimmten, dass alles anders werden müsse, als es zur Zeit war. Eine zügellose Herrschaft der grauen Theorie, ein radicales Unbekümmertsein um alles Bestehende, ein wildes Experimentiren auf allen Gebieten des staatlichen Lebens, ein Uebermass tief einschneidender [51] und sich immer wieder aufhebender Gesetze und Verordnungen ist daher die Signatur des ganzen vierten Jahrhunderts. Wenn also Diocletian der erste war, in dem dieser neue Zeitgeist seine volle Verkörperung fand, so that er damit nichts anderes, als was alle seine Nachfolger thaten und was seine Zeitgenossen von ihrem Kaiser erwarteten und verlangten. Und er that es trotz aller Härten und Fehlgriffe mit soviel Geist, dass seine Ideen allgemeine Bewunderung fanden und noch ferne Geschlechter unter ihrem Banne erhielten. Wir, die wir vom Standpunkte der Nachwelt aus alle Folgen seines Thuns überschauen können, haben ein Recht, ihn streng zu beurtheilen; doch sollen wir dabei nie vergessen, dass er den Besten seiner Zeit genug gethan hat und aus diesem Grunde für alle Zeiten Anerkennung heischen darf.

Ziele und Wirkungen seiner überhasteten Reformpolitik im Einzelnen zu besprechen, ist hier nicht der Ort; wir verweilen nur bei seiner Thronfolgeordnung. Die erste und dringendste Aufgabe, welche sich der Herrscher gestellt sah, bestand darin, das Zeitalter der Militärrevolten endlich abzuschliessen und eine dauernde Regierung zu begründen. Der erste Caesar hatte nach dem Titel eines erblichen Königs von Rom gestrebt, um so für seine Alleinherrschaft den einzig angemessenen und jedermann verständlichen Ausdruck zu schaffen; er war untergegangen, weil seine Zeit wohl das Wesen, aber noch nicht den Namen der Monarchie ertrug. Hierdurch belehrt, hatte sein Nachfolger sie in eine Form gegossen, welche sich scheinbar den republicanischen Institutionen einfügte. Augustus schuf für sich kein Amt mit festem, einheitlichem Namen und klar umgrenzten Befugnissen, wie es Consulat, Dictatur oder auch das Königthum waren, sondern er liess sich verschiedene Aemter und Rechte übertragen, von denen kein einziges in der Republik ohne Beispiel war, die aber freilich in ihrer Gesammtheit ihrem Inhaber eine Macht verliehen, welche ihn hoch über alle ordentlichen Magistrate erhob. Die Handhabe dazu bot eine Fiction, welche in den vorausgegangenen Bürgerkriegen ihre Rechtfertigung fand. Man nahm an, der Staat befinde sich im Zustande ungewöhnlicher Gefahr, die nur durch eine übermenschliche Kraft abzuwenden sei; eine solche biete sich dar in dem Sohne des Divus Julius, der göttlichen Blutes und selbst bestimmt, dereinst unter die Götter aufgenommen zu werden, einstweilen von ihnen gesandt [52] sei, um dem Reiche die Sicherheit wiederzugeben. Zu diesem Zwecke bedürfe er einer dauernden und überlegenen Stellung inmitten der wechselnden Magistrate, bis sein hoher Beruf erfüllt sei. Es liegt im Wesen dieser Fiction, dass im Princip das Kaiserthum nicht erblich, ja nicht einmal lebenslänglich sein konnte; denn war die Gefahr vorüber, so hörte seine Berechtigung auf. Augustus übernahm die Gewalt daher auch immer nur auf fünf oder zehn Jahre, nach deren Ablauf er regelmässig Miene machte, sie niederzulegen, und sich nur durch die Bitten von Senat und Volk zu ihrer Weiterführung bestimmen liess. Diese Komödie haben sich seine Nachfolger zwar gespart, aber wenigstens bei jedem Thronwechsel musste der Theorie nach die Frage auftauchen, ob denn die ausserordentliche Nothlage des Staates, welche zur Begründung der Kaisergewalt geführt hatte, noch fortdauere und ob wieder der ausserordentliche Mann sich finden lasse, dem man die Macht zu ihrer Ueberwindung anvertrauen könne. Formell bestanden alle republicanischen Magistrate fort; ihre Functionen hatten rechtlich keine Aenderung erfahren: sobald man beim Ableben des Kaisers die Wahl eines neuen unterliess, schien also die Republik von selbst wieder da zu sein. In dieser Weise ist ihre Erneuerung nach dem Tode des Caligula, und zum zweiten Male nach dem des Nero thatsächlich versucht worden, und vielen der besseren Kaiser rühmte man noch in später Zeit mit Recht oder Unrecht nach, sie hätten ihre Gewalt niederlegen und die Volksfreiheit herstellen wollen.

Zu diesen Theorien stand die Praxis freilich im schroffsten Widerspruche. Monarchie und Dynastie sind eben untrennbare Begriffe; kaum begann jene sich vorzubereiten, so regte sich in den Massen schon das dynastische Gefühl. Caesar hat seine Macht als Erbe des Marius empfangen, Augustus als Erbe Caesars, und später galt unabänderlich, nicht rechtlich formulirt, aber stillschweigend anerkannt, der Grundsatz, dass der nächste Verwandte des Kaisers auch sein gegebener Nachfolger sei. Jedem Herrscher, der in Frieden zu seinen Vätern versammelt wurde, ist daher sein civilrechtlicher Erbe, mochte er nach dem Blute oder durch Adoption berufen sein, auf dem Throne gefolgt, ohne dass man doch die Erblichkeit des Kaiserthums principiell zugestanden hätte.

Trotzdem kann man es auch nicht ein Wahlamt nennen; denn man wählte nicht dazu einen aus mehreren geeigneten Candidaten, [53] wie zum Consulat oder zur Prätur. Es war eben überhaupt kein einheitliches, gesetzlich dauerndes Amt, das immer neu besetzt werden musste, wenn es erledigt war, sondern eine Summe von Aemtern und Würden, die ausserordentlicher Weise auf einem Manne um seiner besonderen Verdienste und Fähigkeiten willen vereinigt wurden. Mit dem Kaiser starb daher auch jedesmal das Kaiserthum, und wenn es in seinem Nachfolger wieder auferweckt wurde, so brauchten die Ehren und Befugnisse, welche man ihm übertrug, keineswegs genau dieselben zu sein, welche sein Vorgänger besessen hatte. Dieser zusammengesetzten Competenz entsprechend ist auch die Bestellung des Kaisers keine einheitliche Handlung, sondern sie zerfällt in eine ganze Reihe von Einzelceremonien. Ein besonderer Act verleiht ihm das Proconsulat; dann beräth der Senat seine tribunicische Gewalt, formulirt das Ausnahmegesetz, durch welches sie ihm übertragen werden soll, und definirt in den Paragraphen desselben die unterscheidenden Befugnisse, welche der Kaiser vor den wirklichen Volkstribunen und den übrigen Beamten voraus hat. Durch einen Volksbeschluss wird dies bestätigt; ein zweiter eröffnet ihm den Eintritt in die hohen Priesterthümer, deren Mitglieder ihn dann, jedes Colleg in einer besonderen Sitzung, als ihren Genossen cooptiren. Hierauf erhebt ihn eine dritte Volksversammlung zum Pontifex maximus; noch später, mitunter erst nach Jahren, ertheilt ihm der Senat den Titel Vater des Vaterlandes. Der wesentlichste dieser Acte war rechtlich das Gesetz über die tribunicische Gewalt, durch welches nach der Auffassung der späteren Juristen das Volk seine Souveränität auf den Kaiser übertrug; an praktischer Wichtigkeit aber wurde es durch die Verleihung des Proconsulates weit übertroffen. Denn diese gab mit den Provinzen zugleich die Heere in seine Hand, und wer die Macht hat, ist der Herr, welches immer sein Rechtstitel sein mag. Deshalb knüpft dasjenige, was man allenfalls die Kaiserwahl κατ᾽ ἐξοχήν nennen kann, durchaus an das Proconsulat an, und eben dies war das Verhängniss des Römischen Reiches.

Augustus und seine nächsten Nachfolger haben sich nie Proconsuln genannt, obgleich ihnen das Recht dazu zweifellos zustand. Sie verschleierten es gern, dass ihre Gewalt auf dem Degen beruhte, und stützten sie formell lieber auf ihre bürgerlichen Stellungen. Gleichwohl mochten sie die wichtigste ihrer Befugnisse nicht ganz ohne titularen Ausdruck lassen. Sie nannten sich [54] daher Imperator, was damals ungefähr dasselbe bedeutete, aber einerseits prächtiger klang, andererseits minder durchsichtig war. Der Feldherr, welcher kraft eigener vom Volke verliehener Macht, nicht im Auftrage eines andern, höher Gestellten, einen Sieg errang, pflegte nach demselben mit diesem Titel begrüsst zu werden; in der Regel galt er als ein Vorzeichen des künftigen Triumphes. In der Republik haben ihn Consuln und Prätoren eben so oft erhalten, wie Proconsuln und Proprätoren; jedem, der ein selbständiges Commando führte, war er erreichbar. Erfocht dagegen ein Unterfeldherr in Stellvertretung seines Vorgesetzten einen Sieg, so wurde nicht er selbst, sondern sein Auftraggeber Imperator. Dieser uralte Rechtssatz erklärt sich aus dem frommen Sinne der früheren Zeit, welcher das Kriegsglück als göttliche Gnade, nicht als Verdienst des Führers anzusehen gewohnt war. Da die Auspicien immer bei dem Höchstcommandirenden ruhten, so konnte auch nur er es sein, dem die Götter Sieg gewährten, nicht das Werkzeug, dessen er sich zufällig bediente. Als nun im Anfange des ersten Jahrhunderts alle Provinzen, in denen eine nennenswerthe Heeresmacht stand, allmählig den Händen des kaiserlichen Proconsuls übergeben und folglich alle Kriege entweder durch ihn selbst oder in seinem Auftrage und unter seinen Auspicien geführt wurden, war er auch der einzige, welcher noch Imperator werden konnte. Obgleich dieser Titel unter Augustus und Tiberius noch von mehreren senatorischen Proconsuln errungen war, wurde er so schon eine Generation später zum eigentlich characteristischen Abzeichen der Kaisergewalt, mit Recht, da sich nur in ihm die Feldherrnstellung des Herrschers ausdrückte, welche der Kern seiner Macht war.

In der Republik wurde der Imperatorentitel auf zweierlei Weise verliehen: entweder der Senat liess in dem Schreiben, durch welches er die Siegesbotschaft beantwortete, den Feldherrn damit anreden, oder die Soldaten begrüssten ihn damit durch lauten Zuruf gleich auf dem Schlachtfelde. Beide Formen galten als gleichberechtigt; da es sich hier nur um einen leeren Titel handelte, der dem Beamten kein neues Recht gewährte, schien die Concurrenz ungefährlich. Seit Claudius änderte sich dies; wer jetzt durch die imperatorische Acclamation geehrt wurde, dem war damit die wichtigste Machtbefugniss der kaiserlichen Gewalt beigelegt. Nichtsdestoweniger blieb der alte Rechtssatz bestehen, dass Senat und Heer dazu in gleicher Weise competent seien. [55] Da nun die Römischen Truppen, welche an der ungeheuren Grenzlinie von Brittannien bis zum Nil und Euphrat vertheilt lagen, niemals alle zu einem gemeinsamen Wahlact versammelt werden konnten, so musste jeder Theil des Heeres als Vertreter des Ganzen dienen, d. h. jede Soldatenbande von beliebigem Umfange durfte sich nach Gutdünken ihren Kaiser machen. Otho wurde von dreiundzwanzig Unteroffizieren zum Imperator ausgerufen, und doch ist das formelle Recht seiner Erhebung nicht angezweifelt worden. Usurpatoren im Rechtssinne hat es also auf dem Römischen Throne niemals gegeben und niemals geben können; denn ohne militärische Unterstützung konnte keiner daran denken, nach der Krone zu greifen, und wer eine Anzahl Soldaten für sich hatte, konnte immer auch in der vorgeschriebenen Form Imperator werden. Ob er später die tribunicische Gewalt, das Oberpontificat und die andern Attribute des Kaiserthums noch dazu gewann, hing von seiner Anerkennung in Rom ab. Aber selbst wenn diese ihm dauernd versagt blieben, war sein Imperium darum nicht minder rechtsgiltig; denn die Bestandtheile der Herrschermacht wurden ja alle gesondert verliehen, und das Fehlen des einen bildete kein Hinderniss für den Besitz des andern.

Wie bedenklich es war, den Soldaten ein solches Recht zuzugestehen, ist den Kaisern selbst gewiss am wenigsten verborgen geblieben; doch forderten die Umstände gebieterisch seine Anerkennung. Denn viele Herrscher, darunter auch mehrere, die eine Dynastie gründeten, wie Claudius, Vespasian, Hadrian, Severus, waren durch Acclamation des Heeres auf den Thron gelangt. Hätten sie oder ihre Nachkommen diese Form der Kaiserwahl für ungiltig erklärt, so hätten die einen sich selbst, die andern ihre Rechtsvorgänger damit zu Usurpatoren gestempelt. Ueberdies scheint jenes Recht gefährlicher, als es thatsächlich war. Denn hatte erst ein Herrscher sich längere Zeit hindurch mit Ehren im Besitze der Macht zu erhalten vermocht und hinterliess dann bei seinem Ableben legitime Erben, so war das dynastische Gefühl der Soldaten immer stark genug, um Usurpationen entweder ganz auszuschliessen oder im Keime zu ersticken. Nur beim Aussterben einer Dynastie führte das militärische Wahlrecht, das dann meist von mehreren Heeren zugleich in verschiedenem Sinne ausgeübt zu werden pflegte, fast regelmässig zu Bürgerkriegen. Als nun gar nach dem Tode Caracallas sich mehr als ein halbes Jahrhundert lang kein Kaiser dauernd zu behaupten, [56] geschweige denn eine Dynastie zu gründen vermochte, da enthüllte sich jenes thörichte Wahlprincip erst in seiner ganzen Furchtbarkeit. Jedem schien jetzt die Herrschaft zugänglich; unzählbare Ehrgeizige befragten heimlich Wahrsager und Zeichendeuter, ob sie ihnen nicht beschieden sei, und stifteten, wenn sie die ersehnte Zusage erhielten, Verschwörungen und Morde an. Durch keine eingewurzelte Loyalität mehr gebändigt, machten die Truppen jeder Unzufriedenheit, die sich unter ihnen regte, durch eine Kaiserwahl Luft. Noch aus den letzten Jahren Diocletians wird uns folgende sehr charakteristische Thatsache überliefert[31]. In Seleucia war eine Cohorte mit Hafenarbeiten beschäftigt, bei welchen die Soldaten nach ihrer Meinung überanstrengt wurden. Flugs riefen sie ihren Tribunen Eugenius zum Kaiser aus, bedrohten den Widerstrebenden mit dem Tode und kleideten ihn, als er aus Furcht nachgab, in einen Purpurmantel, welcher dem Götterbilde eines benachbarten Tempels geraubt wurde. Die erste That der neuen Regierung war, dass die umliegenden Dörfer und Landhäuser gründlich ausgeplündert wurden und die kühnen Streiter sich an den erbeuteten Weinvorräthen bis zur Bewusstlosigkeit betranken. Taumelnd zog das Kriegsheer, ganze 500 Köpfe stark, nach Antiochia, um für seinen Kaiser die Hauptstadt der Provinz zu erobern; doch machte die tapfere Einwohnerschaft noch an demselben Abend dessen Herrlichkeit ein Ende, indem sie die Bande in den Strassen der Stadt niederhieb. Trotzdem liess Diocletian sowohl in Seleucia, wo der Aufstand ausgebrochen war, als auch in Antiochia, wo er sein Ende gefunden hatte, eine ganze Anzahl der Vornehmsten als verdächtig hinrichten. Blut genug kostete also auch dieser Mummenschanz, obgleich er verhältnissmässig harmlos blieb, und wie oft hatte die Zuchtlosigkeit der Soldatesca noch ganz andere Folgen. Erhoben doch die Heere das Kaisermachen geradezu zum lucrativen Geschäft. Denn da jeder neue Imperator seine Wähler unter der Maske eines freiwilligen Geschenkes blank und baar bezahlte – oft mit Summen, die für jeden einzelnen Soldaten ein Capital bedeuten mussten –, so lagen recht häufige Regierungswechsel im Interesse der Landsknechtschaaren, mochte auch das Reich darüber zu Grunde gehen. Jeder Usurpator sah [57] sich gezwungen, um sein neugebackenes Thronrecht zu sichern, die Heere von den Grenzen weg gegen seine Gegenkaiser zu führen. Des gewohnten Schutzes entblösst, wurden so die Provinzen den Barbaren zur Beute, und wo diese nicht hinkamen, da hausten die Soldaten, welche sich Römer nannten, nicht selten schlimmer als Germanen und Sarmaten. Und dazu musste das verwüstete Land noch unter furchtbarem Steuerdruck die Summen aufbringen, um die Heere zu den ewigen Bürgerkriegen zu verstärken und durch reiche Geschenke bei guter Laune zu erhalten. Man erinnere sich, wie unser Deutschland nach dem dreissigjährigen Kriege aussah, und man wird ein schwaches Bild der Zustände gewinnen, welche Diocletian bei seiner Thronbesteigung vorfand. Auch im Römerreiche waren auf weiten Strecken die Einwohner fast ausgerottet[32], so dass hunderttausende unterworfener Barbaren auf den wüsten Aeckern angesiedelt werden konnten[33].

Den Provinzen endlich Ruhe zu schaffen, war jetzt die dringendste Aufgabe. Die schlechteste Regierung, wenn sie nur dauerte, war dem ewigen Wechsel selbst der vorzüglichsten Herrscher immer noch vorzuziehen; kein noch so harter Druck einer geordneten Verwaltung konnte so schwer lasten, wie die Morde und Plünderungen der stets wiederholten Bürgerkriege. Das Wahlrecht der Truppen anzutasten, wagte Diocletian nicht; denn erstens verdankte auch er ihm seine Erhebung und konnte sich nicht selbst als illegitim brandmarken; zweitens besassen sie ja doch immer die Gewalt und hätten gewiss auch ohne Rechtstitel davon Gebrauch gemacht, sobald sich die Gelegenheit darbot. So richtete sich denn seine ganze Politik darauf, keinen geeigneten Throncandidaten aufkommen zu lassen. Hochverrathsprocesse und Justizmorde allein reichten, so freigiebig er sie auch zur Anwendung brachte, für diesen Zweck nicht aus; er musste zu verhindern suchen, dass irgend ein Privatmann sich kriegerischen Ruhm und dadurch Ansehen bei den Soldaten schuf, mit andern Worten, der Kaiser musste alle nennenswerthen Kriege persönlich führen. Natürlich war es nicht ganz zu vermeiden, dass auf den entlegenen Grenzgebieten ein unvorhergesehener Barbareneinfall glücklich [58] von einem Feldherrn abgewehrt wurde; doch in solchen Fällen erhob es Diocletian zum Princip, den Erfolg seines Untergebenen zu ignoriren. In den ersten Monaten seiner Regierung folgte er noch dem Beispiel aller seiner Vorgänger und legte sich nach einem derartigen Siege den Titel Brittannicus bei; später aber hat er ihn wieder abgelegt[34] und keinen Siegestitel, keine imperatorische Acclamation mehr angenommen, die nicht er selbst oder einer seiner Mitregenten erkämpft hatte[35]. Solche neuen Ehren [59] des Kaisers wurden nämlich im ganzen Reiche durch öffentlichen Anschlag bekannt gemacht[36], und da bei dieser Gelegenheit ihr Anlass nicht verschwiegen werden konnte, so hätten sie, falls Diocletian anders verfahren wäre, den Ruhm privater Feldherrn in allen Städten und, was gefährlicher war, in allen Feldlagern verbreitet. Die Unterthanen und namentlich die Soldaten sollten von keinen andern Grossthaten wissen, als von denen ihrer Kaiser; wer sonst das Unglück hatte, siegreich gewesen zu sein, wurde gewiss bald vom Heere abberufen oder gar unter irgend einem Vorwande aus der Welt geschafft[37]. So ist es gekommen, dass aus dieser wild bewegten Zeit, wo der Kampf fast ununterbrochen an allen Grenzen tobte, uns nur zwei Kriege überliefert sind, in denen Privatleute hervorragende Erfolge gewannen. Im J. 288 oder 289 besiegte Constantius, der Präfectus Prätorio Maximians, die Franken[38], 296 Asclepiodotus, der Präfect des Constantius, den Brittannischen Usurpator Allectus[39]. Von diesen beiden wurde der eine unschädlich gemacht, indem ihn sein Kaiser erst zum Schwiegersohn, dann gar zum Mitregenten annahm; der zweite verschwindet nach seinem Siege aus der Geschichte[40]. Uebrigens waren beide als Präfecten an die Person ihrer Herrn gebunden; dass ihnen in Abwesenheit derselben eine Schlacht gelang, war also ohne Zweifel ein Zufall, der vielleicht den Herrschern wie den Dienern gleich unerwünscht kam.

[60] Viele Gründe mögen zusammengewirkt haben, dass Diocletian nicht, wie alle seine Vorgänger, seine Residenz in Rom nahm. Wahrscheinlich war der entscheidende, dass dem Manne von niedriger Geburt und sehr geringer Bildung der stete Verkehr mit den vornehmen Herrn Senatoren trotz ihrer Kriecherei unbehaglich gewesen wäre[41]. Freilich wird er dies gewiss keinem andern, vielleicht nicht einmal sich selbst eingestanden haben, um so mehr als er auch einen zweiten, sehr ostensiblen Grund besass. Der oberste Feldherr gehörte an die Grenzen des Reiches, in die Mitte seiner Krieger oder doch in ihre Nähe, um jederzeit zu Vertheidigung und Angriff bereit zu sein; nicht in dem üppigen Treiben der Hauptstadt war sein gegebener Platz. Wenn er Nicomedia zu seinem bevorzugten Standquartier erhob, so lag dies wohl in erster Linie daran, dass es zwischen den beiden schwer gefährdeten Grenzen der Donau und des Euphrat ungefähr in der Mitte lag. Aber weilte er hier auch gerne, so war doch sein Aufenthalt immer nur vorübergehend. Principiell besass er gar keine Residenz, sondern war immer dort, wo das Reich seiner bedurfte. Hatte man den Hof bis dahin Palatium genannt, weil auf dem palatinischen Hügel die ständige Wohnung des Kaisers war, so erhielt er jetzt den Namen Comitatus, d. h. Reisebegleitung. Ein stetes Hin- und Herreisen sollte eben der normale Zustand des Herrschers werden, damit er überall zum Rechten sehen, namentlich aber alle seine Kriege selbst führen könne.

Dies erkannte Diocletian als gebieterische Nothwendigkeit, nur war leider das Kriegführen gerade seine Sache nicht, wie sich gleich nach seiner Erhebung zeigte. In der Schlacht, in welcher er den neugewonnenen Thron vertheidigen musste, wurde er schmählich von Carinus geschlagen; und nur dass dieser im Augenblicke des Sieges dem Mordstahl persönlicher Feinde erlag, entschied den Kampf schliesslich doch noch zu Gunsten des Usurpators[42]. Schneller Entschluss und kühnes Beharren sind eben die wichtigsten Eigenschaften des Feldherrn; ein Grübler und Pläneschmied, der alle Möglichkeiten ängstlich erwägt und jeden Augenblick seine Meinung ändert, wird nie dazu geeignet sein. Es ist nicht das geringste Verdienst Diocletians, diese seine Unzulänglichkeit sogleich erkannt zu haben. Er hütete sich fortan, [61] sein Prestige in den Augen der Soldaten durch Misserfolge zu gefährden. Zwar meinte er mit Recht, auf kriegerische Lorbeeren nicht ganz verzichten zu können, doch übernahm er persönlich das Commando nur in unbedeutenden Kämpfen, deren Erfolg von vorn herein feststand; wo ein ernstlicher und gefährlicher Krieg zu führen war, da überliess er ihn immer seinen Werkzeugen[43].

Aber als solche waren private Feldherrn nicht zu brauchen. Zeigten sie sich tüchtiger als der Kaiser, so konnte man mit Sicherheit darauf rechnen, dass sie, selbst gegen ihren Willen, mit dem Purpur bekleidet wurden. Und eben jetzt erwartete ihn ein Kampf, dem er selbst sich nicht gewachsen fühlte, obgleich die Gefahr desselben wohl nicht so gross war, wie sie anfangs schien. Noch unter Carinus hatten sich in Gallien die schwer bedrückten Bauern gegen ihre Gutsherrn erhoben, und wie jeder Aufstand sich damals mit dem Kaisernamen zu decken pflegte, so hatten auch sie sich zwei Augusti aus ihrer Mitte erwählt. Unter dem Keltischen Namen der Bagauden, d. h. der Streitbaren, durchstreiften grosse und kleine Rauberhaufen das ganze Land, überall sengend und mordend[44]. Im Keime hätte sich die Bewegung leicht unterdrücken lassen; doch da Carinus anfangs durch die Usurpation eines Marcus Aurelius Julianus[45] und nach deren Niederwerfung durch den Kampf gegen Diocletian vollauf beschäftigt war, hatte er sich um Gallien nicht zu kümmern vermocht. Unterdessen hatte sich der Aufruhr furchtbar ausgebreitet, und falls die Legionen des Rheins die Bauernkaiser anerkannten, was nicht geschah, aber jeden Augenblick zu befürchten war, konnte er für Diocletians Herrschaft zu einer sehr ernsten Gefahr werden. In dieser Noth ergriff er den rettenden Gedanken der [62] Mitregentschaft, der ihm den Thron sichern und zugleich dem Reiche ein dauerndes Kaiserthum wiedererschaffen sollte.

Diocletian besass keinen Sohn und durfte bei seinem hohen Alter auch keinen mehr erwarten; die Gründung einer Dynastie, welche für das Reich ein dringendes Bedürfniss war, liess sich also nur auf dem Wege der Adoption erreichen. Vollzog er sie gleich, so konnte er sich nicht nur einen Thronerben für den Todesfall, sondern auch einen Helfer und zuverlässigen Feldherrn bei Lebzeiten schaffen. Hatte es doch schon der erste Augustus ebenso gemacht, indem er zuerst dem Agrippa, dann dem Tiberius einen Theil seiner ausserordentlichen Gewalten übertragen liess, und viele seiner Nachfolger hatten dieses Beispiel befolgt. In der Umgebung Diocletians befand sich ein sehr viel jüngerer Mann[46], der Pannonier[47] Marcus Aurelius Maximianus, der mit dem Kaiser das Datum des Geburtstages gemein hatte[48]. Der alte Landsknecht, der, wie alle seines Standes, höchst abergläubisch war[49], mochte darin einen Wink der Götter sehen, dass ihrer beider Schicksal an einander gefesselt sei[50]. Auch Maximian war aus der Hefe des Volkes durch den Kriegsdienst emporgekommen[51]; auch er war so ungebildet, dass, schon als er Kaiser war, ein Lobredner in öffentlicher Festversamralung ihn fragen durfte, ob er schon etwas von Hannibal und Scipio gehört habe[52]. Im Uebrigen aber besass er gerade die Eigenschaften, welche Diocletian an sich vermisste. Eine leidenschaftliche Natur von starker Sinnlichkeit[53] und wild aufbrausendem Jähzorn[54], immer den Impulsen des Augenblicks nachgebend, ohne viel an die Folgen zu denken, war er vielleicht kein Feldherr, aber jedenfalls ein tüchtiger Haudegen, der die Soldaten zu feurigem Angriff und zu schneller Verfolgung des Sieges mit sich fortzureissen wusste[55]. [63] Dazu hatte er einen Sohn Maxentius, der damals etwa sechs Jahre zählen mochte[56]; auch nach dem Blute, das in den Augen von Volk und Heer immer einen besseren Anspruch begründete, als das künstliche Erbrecht der Adoption, schien also in ihm die Fortdauer der Dynastie sicher gestellt. So beschloss denn Diocletian, auf diesen Mann seine Zukunftspläne zu gründen.

Am 1. Apr. 285, nur vier Monate nach der eigenen Thronbesteigung des Kaisers[57], wurde Maximian auf einem Hügel vor den Thoren Nicomedias den Soldaten vorgestellt, mit dem kaiserlichen Purpur bekleidet und von dem Heere als Caesar begrüsst[58]. Es war das der Titel, den seit Hadrian der zur Nachfolge designirte Sohn des Herrschers zu führen pflegte; irgend welche Rechte, die schon bei Lebzeiten desselben ausgeübt werden konnten, verlieh er nicht. Eben hierauf legte der misstrauische Diocletian das höchste Gewicht; ja selbst die nichtssagenden Ehren, welche sonst jedem Caesar gewährt worden waren, suchte er dem seinen möglichst zu verkürzen. Zwar schrieb er auch ihm göttliche Abstammung zu – wie er sich selbst für einen Jupiterssohn erklärte, so sollte jener von Hercules gezeugt sein[59] –; doch liess er keine Münzen auf seinen Namen schlagen und ernannte ihn nicht, wie dies sonst üblich war, für das nächste Jahr zum Consul. Der Creatur sollte es immer gegenwärtig bleiben, dass nur ein schwacher Widerschein des kaiserlichen Glanzes ihre Stirn umstrahle und dass sie, nur wenig über die andern Unterthanen erhoben, ihrem Schöpfer unbedingten Gehorsam schuldig sei. Wenn Diocletian erwartete, dass ein Mann von brennendem Ehrgeiz und unbesonnener Leidenschaftlichkeit, der über ein starkes und ergebenes Heer zu gebieten hatte, sich diese untergeordnete Stellung so nahe am Throne dauernd gefallen lasse, so zeugt dies von sehr geringer Menschenkenntniss. Kaum hatte Maximian die ersten, leichten Siege über die Gallischen Räuberhaufen erfochten, so liess er sich von seinen Soldaten zum Imperator ausrufen (Anfang 286). Es stand jetzt bei Diocletian, ob er den bisherigen Adoptivsohn [64] als Bruder und gleichberechtigten Mitregenten anerkennen oder dessen Usurpation durch einen Bürgerkrieg rächen wolle. Er war besonnen genug, das erstere vorzuziehen[60], aber fast drei Jahre lang blieb eine bedenkliche Spannung zwischen den beiden Herrschern bestehen, und es schien nicht ausgeschlossen, dass sie bei passender Gelegenheit mit den Waffen um die Alleinherrschaft streiten könnten[61].

Diese Gefahr wurde im Winter 288/89 beseitigt. Von Osten und Westen kamen die Kaiser in Mailand zusammen und regelten in friedlichen Besprechungen endgiltig ihr gegenseitiges Verhältniss[62]. Das Reich wurde nicht etwa zwischen ihnen getheilt[63], sondern alle Gesetze und Verordnungen erschienen unter dem Namen beider, und jeder behielt sich vor, auch persönlich an jedem Orte einzugreifen, wo seine Anwesenheit nöthig oder wünschenswerth sein könne. So hat Diocletian, gleich nachdem er Mailand verlassen hatte, einen Krieg in Rätien geführt[64], das, wenn eine Theilung stattgefunden hätte, zweifellos zur westlichen Hälfte hätte gehören müssen, und später commandirte Maximian gegen die Carpen in Pannonien[65], das dem Osten des [65] Reiches zugerechnet wurde. Freilich sollten beide in der Regel ihre zeitweiligen Residenzen recht weit von einander aufschlagen, damit auch an den entlegensten Grenzen immer ein Kaiser zur Hand sei, der bei jeder Kriegsgefahr den Oberbefehl persönlich übernehmen könne. Dass, wenn man sich nicht gar zu nahe war, auch Collisionen leichter vermieden wurden, mag unausgesprochen diesen Entschluss mit beeinflusst haben. Die Unterthanen wies man natürlich an, sich mit Appellationen und sonstigen Anliegen an denjenigen Kaiser zu wenden, der in ihrer Reichshälfte hauste. Obgleich sie beiden in gleicher Weise zu Gehorsam verpflichtet waren und eine Theilung principiell ausgeschlossen wurde, trat sie so in Justiz und Verwaltung doch thatsächlich ein. Um die Einheit des Rechts zu wahren, behielt sich Diocletian die Gesetzgebung vor[66], doch sollte wichtigen Entschlüssen wohl in der Regel ein Meinungsaustausch mit dem Collegen vorangehen[67]. Konnte man sich nicht einigen, [66] so entschied die Stimme des älteren Augustus; im Uebrigen sollten sie als vollkommen gleichberechtigt gelten[68].

Nachdem dem Ehrgeiz Maximians so Genüge geschehen war, bewährte sich die Doppelherrschaft vortrefflich. Er respectirte die geistige Ueberlegenheit seines Genossen und zeigte sich ihm in jedem Stücke gehorsam[69]. Die Macht Diocletians über ihn befestigte sich so sehr, dass dieser später den herrschsüchtigen Mann zweimal zum Niederlegen der Krone vermögen konnte. Dazu bewies er in manchem schweren Germanenkriege seine militärische Tüchtigkeit und ergänzte so auf’s Glücklichste den Mangel des älteren Mitregenten.

Wie Leute seines Schlages pflegen, hatte Diocletian die Neigung, aus einmaligen Erfahrungen sogleich allgemeine Principien abzuleiten. Da durch ein treffliches Zusammenpassen der Charaktere, wie es in der Welt nicht oft vorkommt, sich das Doppelregiment bequem für ihn und heilsam für das Reich erwies, so stand es ihm schon nach kurzer Zeit fest, dass dies die einzig zweckentsprechende Form des Kaiserthums sei und daher verewigt werden müsse. Selbst wenn man dies zugab, wäre doch das Angemessenste gewesen, ruhig den Tod des einen Herrschers abzuwarten und dann dem andern die Wahl desjenigen Mitregenten, mit dem er sich am Besten vertragen zu können meinte, frei zu überlassen. Doch zuwarten und den Dingen ihren natürlichen Lauf lassen war nicht die Art Diocletians, der immer selbst die Hand im Spiele haben, alles vorsehen und einrichten wollte. Auch war die Furcht nicht ganz unbegründet, dass wenn der eine Augustus fern dem andern starb, die Soldaten, der unmittelbaren Aufsicht des Herrscherauges entzogen, einen Usurpator aufstellen könnten, ehe der neue Mitregent ernannt war[70]. So beschloss denn Diocletian zwei Reservekaiser zu schaffen, die in die Lücke, sobald sie entstand, der eine im Westen, der andere im Osten eintreten sollten. Da ausserdem sich die militärischen Aufgaben in der letzten Zeit vermehrt hatten, musste es erwünscht sein, wenn man zwei weitere Feldherrn, die nicht Privatleute [67] und keiner Usurpationsgelüste verdächtig waren, für alle Fälle zur Hand hatte. Maximian willigte ein; hatte er selbst doch schon eine Persönlichkeit ausgefunden, die er, falls beim Ableben Diocletians sein Sohn noch nicht volljährig war, wahrscheinlich zu seinem Mitregenten ernannt hätte. Auch dies war ein Emporkömmling, der auf der gleichen Bildungsstufe stand, wie seine Kaiser[71], Flavius Constantius, ein Mann von stiller Pflichttreue und geringem Ehrgeiz, sehr geeignet, jeden Auftrag tüchtig und erfolgreich auszuführen und sich zugleich willig unterzuordnen. Schon seit Jahren bekleidete er bei Maximian die Vertrauensstellung des Gardepräfecten[72]; als solcher hatte er einen glücklichen Feldzug gegen die Franken geleitet und die Stieftochter seines Herrn, Theodora, zur Gattin erhalten. Diocletian fügte ihm einen Genossen von sehr verschiedener Art hinzu, Galerius, der jetzt des guten Omens wegen den Namen Maximians annehmen musste[73]. Ein Tropfen barbarischen Blutes floss damals wohl in den Adern sämmtlicher Kaiser, doch bei den übrigen war dies wenigstens nicht mehr nachzuweisen; von diesem wusste man dagegen, dass erst seine Mutter über die Donaugrenze in das Reich eingewandert war, und immer sind die Sitten und Anschauungen des civilisirten Römerthums dem Halbbarbaren fremd und verhasst gewesen[74]. Ungebildet waren auch seine Collegen, aber sie trugen den Forderungen der Zeit doch soweit Rechnung, dass sie sich hin und wieder beim Vortrage rhetorischer Prunkstücke mit Anstand langweilten und literarische Talente sogar ehrten und beförderten[75]; Galerius hasste die Schönrednerei, welche damals jedem Römer als die höchste Blüte des geistigen Lebens erschien, und verfolgte ihre Pfleger[76]. Mit Recht und Verfassung des Reiches experimentirte Diocletian pietätlos genug; sein Caesar aber erkannte überhaupt kein Recht und keine Verfassung an: er sprach es offen aus, dass nach dem Vorbilde des Perserkönigs [68] auch der Römische Kaiser seine Unterthanen als rechtlose Sclaven betrachten müsse, und handelte demgemäss. Vor seinem Richterstuhle schützte kein Standesprivileg gegen die Tortur oder diejenigen Strafen, welche nach dem Gesetz nur gegen Sclaven und Vagabunden anzuwenden waren[77]; Rechtswissenschaft und Advocatur hätte er am liebsten ausgetilgt. Und wie der Kaiser selbst sich jede Willkür gestattete, so erlaubte er das Gleiche auch den richterlichen Beamten, welche er meist aus den ungebildeten Soldaten seines Gefolges ernannte[78]. Waren Diocletian und Maximian grausam, wo es ihr Vortheil gebot, so ergötzte sich Galerius in widriger Freude an den Qualen seiner Opfer und war erfinderisch darin, sie zu verlängern und zu verschärfen[79]. In seiner Jugend war er Viehhüter gewesen[80], was damals fast gleichbedeutend mit Räuber war, und die zügellose Wildheit dieses Standes hat er niemals abgelegt. Freilich hatte seine abenteuerliche Vergangenheit auch einen Muth, der sich oft bis zur Tollkühnheit steigerte, in ihm grossgezogen. Noch als Kaiser ist er mitunter nur von einzelnen Reitern begleitet persönlich auf gefährliche Recognoscirungen ausgezogen, und seine Niederlage im Beginn des Perserkrieges hatte nur darin ihren Grund, dass er mit einem kleinen Heere den weit überlegenen Feind anzugreifen wagte[81]. Als er in die Armee eingetreten war, musste diese Tapferkeit bald die Augen der Vorgesetzten auf ihn hinlenken; fiel er doch schon durch seine hohe Gestalt und aussergewöhnliche Schönheit auf[82], welche damals noch nicht, wie in späteren Jahren, durch übermässige Dickleibigkeit entstellt war[83]. Schnell war er emporgestiegen, um endlich auf den Thron selbst berufen zu werden. Masslos im Hasse, wie in seiner abergläubischen Götterverehrung[84], von rücksichtsloser Herrschsucht und starker Energie, unbedenklich bereit, Dankbarkeit, Pflicht und Vaterlandsliebe dem egoistischen Interesse seiner Person zu opfern, ist er für das Römerreich zum Manne des Verhängnisses geworden. Aber gerade Naturen von dieser wilden, thatkräftigen Leidenschaftlichkeit scheinen auf den stillen Grüblergeist Diocletians [69] eine besondere Anziehungskraft ausgeübt zu haben. Wie früher Maximian, so adoptirte er jetzt auch dessen kräftigeres und roheres Gegenbild, und vermählte Galerius zugleich mit seiner Tochter Valeria, wie ja auch Constantius, der jetzt zum Sohne seines Mitregenten erhoben wurde, schon vorher dessen Eidam gewesen war[85]. Nach ihren neuen Vätern erhielt jener den Beinamen Jovius, dieser Herculius[86].

Am 1. März 293 wurden beide den Heeren vorgestellt und von ihnen zu Caesaren ausgerufen[87]. Durch Schaden klug geworden, legte ihnen Diocletian nicht mehr die Beschränkungen auf, wie seinem ersten Caesar, sondern verlieh ihnen freigiebig alle Machtbefugnisse und Ehren, welche sich mit ihrer untergeordneten Stellung den Augusti gegenüber irgend noch vertrugen. Sie erhielten das Consulat für das nächste Jahr, das Recht, mit ihrem Bilde Münzen zu prägen und die Siegestitel, welche ihre Väter künftig erwarben, sich gleichfalls beizulegen; selbst die tribunicische Gewalt blieb ihnen nicht versagt. Von den älteren Kaisern unterschieden sie sich nur durch den Mangel des Augustustitels, des Oberpontificats und des Imperium[88], d. h. des Commandos unter eigenen Auspicien. Die Heere wollten Diocletian und Maximian wenigstens rechtlich in ihren Händen behalten, wenn auch ihre Caesaren factisch eben so selbständig an deren Spitze standen, wie sie. Die Trennung der Residenzen und die damit verbundene Theilung der Verwaltungsbezirke wurde jetzt für alle vier Kaiser durchgeführt[89]. Constantius erhielt die Länder westlich der Alpen[90], Maximian Italien mit den nördlich angrenzenden Provinzen und Africa[91], Galerius die Balkanhalbinsel, im Norden bis zur Donau, im Westen bis zu einer Linie, die [70] sich über Istrien bis in die Nähe von Wien erstreckte[92]; Diocletian behielt sich den Orient mit Aegypten vor[93], weil dieser Theil des Reiches, nachdem 288 ein Vertrag mit den Persern geschlossen war[94], die leichtesten militärischen Aufgaben darzubieten schien. Doch bestanden diese Grenzen nur thatsächlich, nicht rechtlich[95] und wurden niemals streng eingehalten, sondern, wie das Bedürfniss es forderte, griffen bald die Augusti in die Verwaltungsbezirke der Caesares ein, bald commandirten sie diese in die ihren. Als Constantius zur Bekämpfung des Brittannischen Usurpators Allectus über das Meer ging, nahm Maximian an der Rheingrenze Aufstellung, um die Germanen zu beobachten[96]; als dieser später nach Africa übersetzte, übertrug er seinem Caesar Italien[97]; Diocletian, der es noch immer vermied, gefährliche Kriege selbst anzuführen, liess Galerius für sich gegen die Perser kämpfen[98], und etwa gleichzeitig leitete Maximian in dem Gebiete des Galerius den Carpenkrieg[99]. Diocletian hat Monate lang in den Donauprovinzen residirt[100] und ist zeitweilig selbst in Italien gewesen[101]. Der gewöhnliche Aufenthaltsort aber war für ihn Nicomedia[102], für Galerius Sirmium[103], für Maximian bald Aquileia[104], bald Mailand[105], für Constantius wahrscheinlich Trier. In Rom sollte kein Kaiser dauernd wohnen[106], weil ihm sonst die grossen Ueberlieferungen der Stadt vielleicht in den Augen der [71] Provinzialen ein Uebergewicht über seine Collegen verliehen hätten. Gesetze und Verordnungen wurden mit den Namen aller vier Herrscher überschrieben und galten also formell als ihr gemeinsames Eigenthum; doch behielt sich den Erlass der ersteren auch jetzt Diocletian allein vor, während die letzteren auch den Caesares gestattet waren[107] Jeder der Viere hatte seinen Präfectus Prätorio zur Seite[108] und gebot innerhalb seiner Grenzen so selbständig, wie es früher die beiden Augusti gethan hatten; doch waren diesen die Caesares und ausserdem noch Maximian seinem älteren Collegen zum Gehorsam verpflichtet.[109].

Schon damals scheint Diocletian die Absicht gehegt zu haben, dass dereinst beide Caesares gleichzeitig die Oberherrschaft übernehmen sollten. Ob er sie sich in der Form erfüllt dachte, dass bei dem Ableben des einen Augustus der andere die Regierung niederlege, oder durch eine gleichzeitige Abdankung beider, wie sie später eintrat, muss unentschieden bleiben[110]. Constantius ernannte er zum älteren Caesar und designirte ihn dadurch für die Zukunft zum älteren Augustus. Formell liess sich dies durch seine frühere Verwandtschaft mit dem Kaiserhause, vielleicht auch durch sein höheres Lebensalter begründen; doch war der Zweck jedenfalls, dass auch künftig der Stillere und Bedächtigere das entscheidende Wort haben und der feurige Galerius ihm als Werkzeug dienen solle. Auch in dieser Beziehung wollte Diocletian das Verhältniss, welches zwischen ihm und Maximian [72] bestand, wenigstens für die nächste Generation aufrecht erhalten sehen.

Und er bildete sich ein, auch für die dritte Generation, ja vielleicht gar für die vierte die Nachfolge regeln zu können. Besassen doch zwei seiner Collegen Leibeserben, von denen der ältere damals eben das Knabenalter, d. h. nach Römischem Rechte das vierzehnte Jahr, hinter sich gelassen hatte. Maxentius, der Sohn Maximians, und Constantin, der Sohn des Constantius, sollten der Ansprüche, welche ihnen ihr Blut verlieh, nicht beraubt werden; sie waren zu Caesaren der künftigen Augusti ausersehen[111]. Deswegen wurden die Bande, welche sie schon jetzt mit dem Kaiserhause verknüpften, durch Verschwägerungen noch fester geschürzt. Gleichzeitig mit der Erhebung des Constantius und Galerius wurde Maxentius mit der Tochter des letzteren, Valeria Maximilla, verheirathet, und Constantin verlobte sich mit Fausta, der damals etwa zweijährigen Tochter Maximians[112]. Die Enkel, welche er sich aus der Ehe des Galerius mit seiner Tochter Valeria versprach, dachte sich Diocletian dann wahrscheinlich als Caesaren, wenn einst Maxentius und Constantin Augusti sein würden.

So schien für die fernste Folgezeit gesorgt zu sein; nur waren leider diese schönen Pläne auf die unmögliche Voraussetzung gebaut, dass alle Kaiser sich so gut vertragen würden, wie die derzeitigen Augusti, dass alle jüngeren sich so willig unterordneten, wie Maximian es that. Dessen heissblütiger Leichtsinn hatte sich unschwer beherrschen lassen; doch des Galerius wilde Energie unterwarf sich trotz seiner niedrigeren Stellung den Willen des eigensinnigen, aber immer schwankenden Alten[113]. Der Caesar hatte 297 die Perser besiegt und zum Frieden gezwungen, und damit den glänzendsten kriegerischen Erfolg, welchen die ganze Regierung Diocletians aufzuweisen hatte, mit seinem Namen verknüpft[114]. Im Schmucke des Lorbeers, den er durch immer neue Siege über die Donaubarbaren vermehrte und frisch [73] erhielt[115], populär und bewundert vor allen seinen Collegen[116], ertrug er die Oberherrschaft der Augusti nur mit immer steigendem Ingrimm, den sein entscheidender Einfluss auf den ältesten der Kaiser nicht zu beschwichtigen vermochte. Das Wesen der höchsten Macht war ihm nicht genug; er dürstete auch nach ihrem Scheine. Wenn er Briefe empfing und in der Anrede seinen Caesartitel las, soll er mitunter wüthend ausgerufen haben: „Wie lange noch Caesar?“ Die mittelbare Abstammung von Jupiter, welche ihm als Adoptivsohn des Jovius zugeschrieben wurde, genügte ihm nicht mehr; er verbreitete, dass Mars mit seiner Mutter, einer Frau niedrigster Herkunft, die zufällig den Namen Romula führte, ihn als den zweiten Romulus erzeugt habe[117]. Empfing er selbst von Diocletian nur widerwillig Befehle, so mochte er sie von dem jüngeren Augustus vollends nicht dulden. Aehnliche Naturen harmoniren in der Regel schlechter als sehr verschiedene. Die zwei rohen und leicht erregbaren Männer, welche beide den gleichen Namen führten, rieben sich, da sie zum Unglück benachbarte Gebiete verwalteten und die Berührungen zwischen ihnen in Folge dessen sehr häufig sein mussten, fortwährend an einander, und zwischen ihnen entwickelte sich eine Feindschaft, welche endlich den Galerius bis zur offenen Drohung mit einem Bürgerkriege hinriss[118]. Noch vermochte Diocletian zu vermitteln und auszugleichen, doch musste er sich überzeugen, dass es auf die Dauer so nicht weiter gehen könne. Und Galerius drängte heftiger und heftiger, dass die Augusti zurücktreten und die Caesares in ihre Stellen einrücken sollten.

Der alte Kaiser hatte grosse Erfolge errungen, aber noch [74] mehr Enttäuschungen erfahren; überall umgaben ihn die Trümmer gescheiterter Pläne und Hoffnungen. Eben jetzt tobte die Christenverfolgung, welche seine letzten Jahre mit Blut und Flüchen füllte und doch niemals ihr Ziel erreichen wollte. Er war müde und verbittert geworden. Und, was vielleicht den Ausschlag gab, der Abdankungsplan liess sich in eine so hübsche, schematische Form bringen, dass sich aus ihm eine dauernde Institution, ein allgemeines Regierungsprincip entwickeln konnte, geistreich und spitzfindig, wie es Diocletian liebte. Die Vicennalien Maximians, das Fest, mit welchem er den Ablauf seines zwanzigsten Regierungsjahres feiern sollte, standen nahe bevor[119]; schon traf man grosse Vorbereitungen zu den Wettrennen, Thierhetzen und Spielen, die, wie vorher bei der entsprechenden Feier Diocletians, einen ganzen Monat ausfüllen sollten[120]. Liess es sich nicht erreichen, dass fortan jeder Kaiser genau zwanzig Jahre regierte, zehn als Caesar und zehn als Augustus, um dann bei seinen Vicennalien seinem Caesar freiwillig den Platz zu räumen? Dies hätte zwei grosse Vortheile gewährt: erstens hätte jeder Herrscher, ehe er zur Vollgewalt gelangte, eine Probezeit durchgemacht; erwies er sich in dieser untauglich, so konnte er durch die überlegene Macht der Augusti noch rechtzeitig beseitigt werden. Zweitens sahen die beiden Caesaren – denn die Doppelherrschaft sollte natürlich bestehen bleiben – immer in erreichbarer, genau bestimmter Zeit das Ziel der höchsten Gewalt vor sich und konnten so vor ungeduldiger Neigung zu ihrer Usurpation, wie sie Galerius verrathen hatte, bewahrt bleiben. Und dazu diese prächtig klare Ordnung, diese schöne Harmonie wohlgerundeter Zahlen, ganz dazu gemacht, das Herz eines rechnenden Projectenschmiedes zu entzücken! Gesetzlich liess sich so etwas leider nicht einführen, denn der Kaiser stand über dem Gesetz und, wenn er nicht wollte, konnte ihn keiner zum Abdanken zwingen. Doch für den Preis des Diadems liess sich Galerius mit tausend Freuden zu dem Versprechen bereit finden, dass auch er an seinen Vicennalien die Herrschaft niederlegen wolle[121], und Constantius war fügsam, wie immer. Der schwerste Kampf war mit Maximian zu bestehen[122], doch die festgewurzelte Autorität des älteren Augustus bewährte sich auch in dieser gefährlichen [75] Probe. Bei der Vicennalienfeier Diocletians (17. Nov. bis 18. Dec. 303) trafen die beiden Kaiser in Rom zusammen[123], und Maximian leistete im Tempel des Capitolinischen Jupiter feierlich den Eid, dass er bei seinem bevorstehenden Jubiläum dem Thron entsagen wolle[124]. So blieb denn nur die leichte Aufgabe übrig, künftig jedem Throncandidaten, ehe man ihn zum Caesar machte, eidlich die Verpflichtung aufzulegen, dass auch er die vorgeschriebene Zeitgrenze einhalten und seinen Nachfolgern den gleichen Eid abnehmen wolle. Wie viele sich dadurch gebunden erachten würden, war eine wohl aufzuwerfende Frage, die nur dem hoffnungsseligen Diocletian nicht in den Sinn kam.

Aber der Abdankungsplan bot noch eine andere grössere Schwierigkeit. Dass die Augusti unter einander und mit ihren Caesares in gutem Einvernehmen stehen mussten, war eine Nothwendigkeit, der sich Diocletian nach den Erfahrungen, die er mit den beiden Maximianen gemacht hatte, nicht verschliessen konnte. Mit Constantius vertrug sich jeder; auch den Constantin, dessen feuriges Temperament in harter Schule zur Besonnenheit und Schmiegsamkeit erzogen war, hätte sich Galerius vielleicht gefallen lassen: aber Maxentius hatte sich, in stolzer Sicherheit auf die erwartete Erbschaft pochend, immer so hochfahrend und übermüthig gegen seinen Schwiegervater betragen, dass er diesem noch verhasster war als sein Vater[125]. Dass ein gedeihliches Zusammenwirken zwischen dem Sohne und dem erklärten Feinde des Maximian nicht möglich sei, konnte Galerius dem alten Kaiser, über den er längst zum Tyrannen geworden war, ohne Mühe klarmachen. Was aber dem Leibeserben des Augustus recht war, musste dem Bastard des Caesar billig sein. Ohne Maximian aufs Schwerste zu beleidigen, konnte man Constantin nicht die Nachfolge übertragen, wenn man Maxentius davon ausschloss. So wurde denn wieder ein neuer Grundsatz proclamirt, der auch nicht übel klang, nur leider zu dem dynastischen Gefühl der Heere sehr übel passte. Nicht nach dem Zufall einer hohen Geburt sollten die Caesares bestellt werden, sondern nach freier [76] Auswahl unter den Besten, die sich der ältere von den abtretenden Augusti vorbehielt. Im gegebenen Falle bedeutete dies, dass Galerius Diocletian als Werkzeug benutzte, um diejenigen Caesaren, welche ihm genehm waren, seinem Mitregenten zu octroyiren[126].

Vom 1. April bis zum 1. Mai 305 wurden mit grossem Prunke die Vicennalien Maximians begangen[127]. Am Schlusstage des Festes versammelte Diocletian, der erst kurz vorher von einer schweren Krankheit genesen war[128], einen Theil seines Heeres bei Nicomedia am Fusse desselben Hügels, auf dem er einst Maximian den Purpur gegeben hatte und wo jetzt zur Erinnerung daran eine Statue seines göttlichen Vaters Jupiter errichtet war. Die Entsagung, zu der er sich freiwillig entschlossen hatte, wurde dem machtgewohnten Greise doch nicht leicht. Begleitet von Galerius trat er vor seine Soldaten, welche ihm so manchen Sieg erfochten hatten, und redete zu ihnen mit Thränen im Auge. Er sei alt, schwach und krank geworden und bedürfe nach der schweren Regierungsarbeit der Ruhe; jüngere Schultern müssten ihm die Last abnehmen. Seine letzte That solle sein, dass er den lang erprobten Augusti, welche an sein und seines Mitregenten Stelle treten sollten, die Caesares zugeselle. In Heer und Volk zweifelte keiner, dass er jetzt Maxentius und Constantin nennen werde[129]; wenn er in seiner Rede, wie kaum bezweifelt werden kann, scharf betont hatte, dass nicht das Blut, sondern die Tugend diese Wahl bestimmen müsse, so brauchte man dies nicht zu ihren Ungunsten zu deuten. Aller Augen richteten sich auf den Sohn des Constantius, der in der Umgebung des Kaisers der Feier [77] beiwohnte. Da hörte man aus dessen Munde die unbekannten Namen Flavius Valerius Severus und Galerius Valerius Maximinus. Ein erstauntes Murmeln ging durch die Menge: hatten etwa Maxentius und Constantin ihre Namen ändern müssen, wie dies ja auch Galerius und Diocletian selbst bei ihrer Thronbesteigung gethan hatten? Dieser Zweifel sollte bald gelöst werden: Galerius streckte die Hand rückwärts und zog aus dem Gefolge einen Jüngling hervor, den fast Niemand kannte. Es war Daja, sein Schwestersohn, welchen er kurz vorher mit leichter Abänderung seines eigenen Namens in Maximinus umbenannt hatte[130]. Diesen bekleidete Diocletian mit dem Purpur, den er sich selbst von den Schultern nahm, und stieg dann herab, um sich in den Wagen zu setzen, der ihn zu seinem Ruheplatz nach dem fernen Salona bringen sollte[131]. Der Greis, welcher bis dahin in rastloser Pflichttreue durch die ganze Welt gestreift war, kehrte jetzt an das Felsengestade der blauen Adria zurück, um dort, wo in der engen Zelle einer Sclavin einst seine Wiege gestanden hatte, sein thatenreiches Leben friedlich zu beschliessen. So vollzog sich diese denkwürdige Ceremonie nach der Schilderung eines Augenzeugen bei Nicomedia; in Mailand, wo an demselben Tage Severus erhoben wurde[132], wird sie ähnlich verlaufen sein.

In der neuen Tetrarchie erhielt dem Namen nach zwar Constantius die oberste Stelle[133], thatsächlich aber ruhte die höchste Gewalt in den Händen des Galerius. Dies prägte sich schon in der Vertheilung der Verwaltungsbezirke aus, welche jetzt beliebt wurde. Während der älteste Augustus die Gallischen, Spanischen und Brittannischen Provinzen, welche er schon vorher regiert hatte, auch ferner behielt[134], wurde dem Severus zu Italien und Africa, welche er aus den Händen des abtretenden Maximian übernahm, noch Pannonien hinzugefügt[135]. Galerius entschädigte sich für diese Abtretung, indem er mit Illyricum und Thracien noch die [78] Diöcesen Asien und Pontus vereinigte und dadurch den Beherrscher des Orients, Maximinus Daja, auf die Länder südlich des Taurus beschränkte[136]. So wurde der Caesar des Galerius beträchtlich geschwächt, der des Constantius entsprechend gestärkt und zu eventuellem Widerstande gegen seinen Augustus besser befähigt. Was aber noch wichtiger war, beide Caesaren waren Creaturen des Galerius; wäre also ein Conflict zwischen ihm und seinem Mitkaiser ausgebrochen, so hätte er drei Viertel des Reiches auf seiner Seite gehabt[137]. Ausserdem befand sich der junge Constantin an seinem Hofe und konnte, falls es erforderlich war, als Geissel gegen seinen Vater benutzt werden[138]. Dieser war sich denn auch über die Sachlage vollkommen klar und hütete sich wohl, von seiner nominellen Oberherrschaft irgend welchen Gebrauch zu machen. Die Westprovinzen, welche ihm durch seine zwölfjährige Verwaltung lieb und vertraut geworden waren, regierte er auch ferner mit der alten Milde[139] und Pflichttreue, sehr erfreut, dass ihm wenigstens hier kein Mensch mehr dreinzureden hatte; was östlich der Alpen vorging, liess ihn unbekümmert[140].

Die neuen Caesaren waren beide recht unbedeutend und eben darum dem herrschsüchtigen Galerius bequem[141]. Severus, ein Soldat von niederer Herkunft und bäurischen Sitten, wie er selbst, war ihm als lustiger, wenn auch oft überlustiger Zechkumpan lieb geworden[142]; auf seinen Gehorsam konnte er rechnen. Auch von seinem jugendlichen Schwestersohne glaubte er keine Eigenwilligkeit befürchten zu müssen, eine Erwartung, die ihn freilich täuschen sollte. Maximinus hatte mit seinem Blutsverwandten [79] eine grosse Familienähnlichkeit, die sich aber nur auf die Fehler, nicht auch auf die Tugenden zu erstrecken schien. Von der militärischen Tüchtigkeit[143], dem klaren Zweckbewusstsein, der Herrschaft über die Gemüther der Menschen, welche dem Galerius eigen waren, hat er niemals Proben abgelegt; doch an Leidenschaftlichkeit und Herrschgier, an Selbstsucht und Grausamkeit stand er nicht hinter ihm zurück. Galerius war dem Bechern nicht abhold[144]; Maximinus betrank sich fast täglich bis zur Sinnlosigkeit und musste zuletzt auf Bitte seines Präfecten die Bestimmung treffen, dass kein Befehl, den er nach dem Abendessen gebe, auszuführen sei[145]. Der Glaubenseifer seines Oheims verzerrte sich in ihm zur Carricatur: das Martern und Hinschlachten der Christen betrieb er mit wahrer Begeisterung[146]. Eben so feige wie abergläubisch, war er immer von Wahrsagern und Zeichendeutern umgeben und wagte kaum das unbedeutendste Unternehmen, ehe er sich durch sie über den Ausgang vergewissert hatte[147]. Die Pflichten gegen die Götter erfüllte er mit ängstlicher Sorgfalt, weil er Furcht vor ihnen hegte; doch eine Pflicht gegen den Wohlthäter, der ihn auf den Thron erhoben hatte, oder gegen die seiner Obhut vertrauten Unterthanen hat er nie gekannt. Hastig zutappend griff er nach allem, was seine Begierde reizte, mochten es fremde Weiber oder fremde Provinzen sein; doch stiess er auf gefährlichen Widerstand, so verlor er alsbald den Muth und die Besonnenheit. Ein Mensch wie dieser taugte ebenso wenig zum Dienen, wie zum Herrschen. Er gehorchte dem Galerius, so lange er ihn zu fürchten hatte, und lehnte sich gegen ihn auf, sobald er dessen Macht gebrochen sah. Sie selbst zu erschüttern, war er freilich nicht der Mann; dies blieb den beiden Kaisersöhnen vorbehalten, die bisher das Ziel der höchsten Gewalt dicht vor sich gesehen hatten und sich nun plötzlich bequemen sollten, anspruchslos in die Masse der Unterthanen zurückzutreten. Dies Opfer war zu schwer für zwei so feurige und hochstrebende Jünglinge; aber selbst wenn sie es hätten bringen wollen, wäre ihnen dies kaum möglich gewesen. [80] Denn das Heer, welches sich zwölf Jahre lang gewöhnt hatte, in ihnen seine künftigen Herrscher zu sehen, erkannte auch jetzt noch die Rechte ihres Blutes an und blickte grollend auf die neuen Caesaren, die ihm als Thronräuber an seinen echten Prinzen erschienen[148]. Sobald irgend ein Anlass die Unzufriedenheit zum Ausbruch brachte, konnte man sicher sein, dass Constantin oder Maxentius oder alle beide zu Kaisern ausgerufen wurden. War dies aber einmal geschehen, so mussten sie, selbst wider ihren Willen, den Purpur nehmen. Denn wer sich in jener Zeit den Herrschern als gefährlicher Nebenbuhler erwiesen hatte, der war unrettbar dem Beile des Henkers verfallen, wenn er nicht die Macht, welche ihn schützen konnte, zu behaupten verstand. Diese Gefahr ist Galerius nicht verborgen geblieben. Um ihr vorzubeugen, hatte er dem Maxentius in der Nähe von Rom, weit entfernt von jeder nennenswerthen Truppenmacht, seinen Wohnsitz angewiesen[149], und Constantin behielt er in seiner eigenen Umgebung, wo er ihn stets beobachten und, falls es noththat, unschädlich machen konnte.

Da kamen Briefe des Constantius mit der Bitte, ihm seinen Sohn, den er seit langen Jahren nicht mehr gesehen hatte, endlich zurückzusenden[150]. Dieser berechtigte Wunsch des Vaters, der als ältester Augustus hätte befehlen können, liess sich nicht abschlagen, und schweren Herzens musste sich Galerius entschliessen, dem gefährlichen Menschen die Reise zu gestatten. Constantin erreichte seinen Vater, als dieser eben in Boulogne zur Ueberfahrt nach Brittannien bereit stand[151]. Die Picten und Scoten waren wieder einmal aus den Gebirgen des Nordens in den Römischen Theil der Insel eingefallen, und zu ihrer Abwehr schien die Anwesenheit des Kaisers erwünscht. So bot sich Constantin Gelegenheit, die frische Wagelust, welche er in den Sarmatenkriegen des Galerius schon oft gezeigt hatte[152], auch im Angesicht [81] des Brittannischen Heeres zu bewähren und die Anhänglichkeit der Soldaten, welche dem Sohne ihres Kaisers auch ohnedies sicher war, noch durch Thaten zu befestigen. Kaum war der Sieg gewonnen und das Heer in das alte Legionslager von York zurückgeführt, so wurde Constantius, der schon lange kränkelte[153] vom Tode ereilt[154]. Seinem Erben fiel die Krone in den Schooss, ohne dass er die Hand danach auszustrecken brauchte.

Der Jüngling[155], welcher durch die Kaiserwahl vom 25. Juli 306[156] dazu berufen wurde, in dem gewaltigen Drama, das sich jetzt abspielen sollte, die erste Rolle zu übernehmen, ist später von der Geschichte mit dem Beinamen des Grossen geehrt worden, den sie nur sehr wenigen ihrer Helden und fast keinem mit Unrecht verliehen hat. Dürfen wir ihr Urtheil über Constantin auch heute noch bestätigen? Wohl hat er eine gewaltige Kraft uneigennützig in den Dienst eines idealen Reichsgedankens gestellt; aber dieses Ideal war das Hirngespinnst eines Andern, welches niemals gedeihliche Verwirklichung finden konnte. Wohl war er einer jener wenigen Feldherrn, die nie besiegt worden sind; doch die Vortheile, welche der Soldat errang, wusste der Politiker nicht immer auszunutzen. Aber mag das Menschliche und Kleine an ihm die grossen Eigenschaften auch vielleicht überwogen haben, er ist es doch gewesen, der in dem Christenthum die Macht der Zukunft, wenn nicht klar erkannte, so doch instinctiv ahnte, und dieses Eine muss für Vieles zählen. Wer es vermocht hat, Jahrhunderten ihre Bahnen vorzuweisen, der darf den Grossen der Geschichte beigezählt werden, auch wenn die entscheidende That vielleicht aus einer Auffassung der Religion entsprang, die uns heute kindlich erscheint.

[82] Flavius Valerius Constantinus war als unehelicher Sohn[157] zu Naissus[158], dem heutigen Nisch in Serbien, am 27. Februar[159] um das Jahr 280 geboren[160], also bei seiner Thronbesteigung etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Seine Mutter Helena war Gastwirthin gewesen, als sie Constantius, damals noch ein einfacher Officier, auf einer seiner Reisen kennen lernte[161] und zu wilder Ehe mit sich nahm. Ein Verhältniss dieser Art galt bei einem Weibe niederen Standes keineswegs für schimpflich. Nach Recht und Volksanschauung wurde ihre Frauenehre dadurch nicht verletzt; war doch Untreue der Concubine, wie die der ehelichen [83] Gattin, sogar gesetzlich strafbar. Ihre Kinder waren freilich Bastarde, doch scheint es, dass Constantius sie später heirathete[162] und seinen Sohn durch kaiserliches Rescript legitimiren liess. Jedenfalls ist die Rechtmässigkeit seiner Erbfolge auch von seinen Gegnern niemals angefochten worden. Bei den Soldaten vollends schadete ihm seine uneheliche Geburt nicht das geringste. Ihnen allen war ja eine Heirath gesetzlich untersagt, und da die festen Standquartiere, welche sie nur mit Unterbrechung der Kriegszüge ihre ganze Dienstzeit hindurch zu bewohnen pflegten, ihnen ein Familienleben sehr wohl gestatteten, so standen die meisten im Concubinat und sahen die Kinder, welche solchen Verbindungen entsprangen, durchaus als rechte Erben an. Dass sie nur durch Testament oder kaiserliches Privileg die Rechtsnachfolge ihrer Väter antreten konnten, that jener Anschauung gewiss keinen Abbruch. Vielleicht hätte das Legitimitätsgefühl der Soldaten die Söhne, welche dem Constantius von der Stieftochter Maximians geboren waren, um ihrer vornehmen Mutter willen bevorzugt, wenn sie damals nicht in zartem Knabenalter gestanden hätten. Da aber nur ein Mann sich auf dem schwerbedrohten Throne behaupten konnte, musste das Heer in Constantin den einzig möglichen Nachfolger seines Vaters sehen.

Gegen seine Mutter, die ihm bis fast an sein Lebensende erhalten blieb[163], hat der grosse Kaiser stets eine rührende Pietät bewiesen. Gewiss hätte ihm keiner einen Vorwurf daraus machen können, wenn er die niedrig geborene Frau vor den Augen der Welt verborgen und schonend in ihr Dunkel zurückgewiesen hätte. Statt dessen hat er ihr unzählige Statuen errichtet und errichten lassen[164], Münzen mit ihrem Bilde geschlagen[165] und Städte nach ihrem Namen benannt[166]. An seinem Hofe spielte sie die erste Rolle[167], und als sie durch ihren Sohn zum Christenthum bekehrt worden war[168], wurde ihr namentlich die Aufgabe zugetheilt, in [84] den Werken der Frömmigkeit und Mildthätigkeit den Kaiser zu vertreten[169]. Freilich hätte Constantin, der auf den Glanz seines Hofes grossen Werth legte, sie kaum in dieser Weise hervortreten lassen, wenn sie nicht verstanden hätte, die Pflichten der Repräsentation mit Tact und Würde zu erfüllen. Dass die ehemalige Gastwirthin sich einer solchen Aufgabe gewachsen zeigte, ist kein geringes Zeugniss für die geistige Bedeutung dieser Frau.

Es ist eine alte Wahrheit, dass jede Epoche sich die Talente gebiert, deren sie am meisten bedarf. Als das Römerreich nur noch durch die Faust eines Soldaten zusammenzuhalten war, trat in Constantin die vollkommenste Verkörperung des Soldatenthums an seine Spitze. Die eigenthümlichen Tugenden und Fehler jenes Standes, aus dem er hervorgegangen war, zeigt er in der seltensten Reinheit ausgeprägt. Er war keck und schneidig, leicht zu begeistern und immer zu hitzigem Dreinfahren bereit, aber zugleich in strenger Disciplin geschult, sein Interesse und seine Neigung dem Wohle des Ganzen unterzuordnen. Die strotzende Kraft, welche seine hohe Gestalt erfüllte[170], machte ihm die Aufregung der Gefahr zur höchsten Lust. Als Jüngling hat er zum Vergnügen gegen Löwen gekämpft[171] und einst an der Donau vor den Augen des Kaisers und seines Heeres einen tapfern Sarmaten im Zweikampfe bestanden[172]. Auch in den Schlachten seiner späteren Jahre hat er selten oder nie das kalte Blut bewahrt, um ruhig vom Feldherrnhügel aus die Entscheidung zu leiten; wo die Gefahr am grössten war, da stürmte er selbst an der Spitze seiner Truppen in den Feind hinein, theilte Wunden aus und empfing sie[173]. Bei einem Feldzuge gegen die Barbaren der Rheingrenze ging er einmal mit nur zwei Begleitern bis dicht an das feindliche Lager und knüpfte unerkannt ein Gespräch mit den Germanischen Kriegern an[174]. Es war der Reiz des Abenteuerlichen, für den seine lebhafte Phantasie nur zu empfänglich war, welcher ihn zu einem so seltsamen Wagestück getrieben hatte. Seine Kriegführung war immer die der schnellen Offensive. In kühnem [85] Ansturm rannte er die Macht des Gegners nieder, in hurtiger Verfolgung liess er ihm keine Zeit, wieder zu Athem zu kommen. Selbst wo es ihm möglich war, mit einigem Zeitverlust bedeutende Streitkräfte zusammenzuziehen, hat er doch mitunter nur eine kleine Schaar gegen weit überlegene Heere ins Feld geführt, weil Ueberraschen des Feindes und höchste Beweglichkeit der Truppe seinem kriegerischen Genius besser zusagte, als die sichrere, aber langsamere Wirkung grosser, schwerfälliger Massen. So hat er fast immer in der Minderheit gefochten, aber niemals ist er besiegt worden[175]. Denn den Geist tollkühner Siegeszuversicht, welcher ihn selbst beseelte, wusste er auch jedem Gemeinen einzuflössen, und wo der Kaiser persönlich keine Gefahr und Strapaze scheute, konnte er auch von seinen Truppen die höchsten Leistungen beanspruchen[176]. Im Heerlager aufgezogen, beherrschte er das Technische des Kriegsdienstes bis zur Vollendung. Der vorzügliche Drill seiner Soldaten gestattete ihm, ihnen auf dem Schlachtfelde die schwierigsten Manöver zuzumuthen, und eine eiserne Disciplin machte sie in seinen Händen zu willenlosen Werkzeugen. Hat er es doch fertig gebracht, Städte, welche im Sturm genommen waren, vor jeder Plünderung zu schützen[177], und das in einem Zeitalter, wo die Zuchtlosigkeit der Soldatesca jeden Augenblick in Meutereien ausbrach.

Die Kehrseite der Tapferkeit ist der Leichtsinn. Wer mit jeder Gefahr fertig zu werden meint, wird künftigen Gefahren nicht ängstlich vorbauen, ja sie mitunter selbst heraufbeschwören. Dies war auch Constantins Fehler: für seine Person ist er nie besorgt gewesen, und auch was dem Reiche drohte, hat er nicht immer vorgesehen und rechtzeitig abgewandt. Politischen Theorien zu Liebe hat er die Macht derjenigen, welche einst seine Gegner werden sollten, in thörichter Uneigennützigkeit gross gezogen und seine eigene über die Massen geschwächt. Eine sanguinische Vertrauensseligkeit bestimmte sein Verhalten, wie zu den feindselig lauernden Mitregenten, so auch zu seiner schmeichelnden Umgebung. Von den Rathschlägen seiner Günstlinge war er in hohem Grade abhängig[178], ja sogar seine Kammerdiener [86] sollen eine verhängnissvolle Macht über ihn ausgeübt haben[179]. Dass er oft Unwürdige zu den höchsten Ehrenstellen befördert und die Provinzen schutzlos ihrer Raubgier preisgegeben habe, mussten auch seine parteiischsten Bewunderer zugestehen[180]. Entdeckte er dann, dass er getäuscht war, so fuhr er mit doppeltem Grimme auf, und manchmal gelang es wohl auch der Verläumdung, den leichtgläubigen Kaiser gegen einen Unschuldigen aufzureizen[181]. So sind viele, welche einst für seine Freunde gegolten hatten, dem Schwerte des Henkers zum Opfer gefallen[182], ja selbst sein edler Sohn Crispus wurde leichtsinnig auf einen Verdacht hin getödtet[183]. Gleichwohl lag ihm nichts ferner, als die misstrauische Furcht des Tyrannen; es gibt dafür keinen bessern Beweis, als dass er alle Angeberei, namentlich die anonyme, mit den härtesten Strafen belegte[184] und sogar die gesetzliche Anklage auf Majestätsverbrechen, welche sich nicht wohl verbieten liess, durch sehr wirksame Abschreckungsmittel zu hindern suchte[185].

Vor allem machte sich Constantins Mangel an vorschauender Klugheit in seiner Finanzverwaltung geltend. Auch darin war er der flotte Officier, dass er auf das Geld keinen Werth legte und niemals mit dem, was er hatte, auszukommen verstand[186]. Gewiss war es des höchsten Lobes werth, wenn der Kaiser sich öffentlich zu dem Grundsatze bekannte, dass das Interesse der Privaten dem des Fiscus vorgehen müsse[187], doch hatte diese Gesinnung auch ihre Kehrseite. Selbst fröhlichen Gemüthes, liebte er es, Fröhliche zu machen, und streute daher mit vollen Händen Geschenke[188] [87] und Steuererlasse[189] aus. Dazu verschlang der Prunk seines Hofes[190], später auch die prächtigen Kirchenbauten im ganzen Reiche[191], endlich die Ausschmückung seiner neuen Hauptstadt[192] ungeheure Summen. Der Silber- und Goldschmuck der Götterbilder, welcher überall zusammengesucht und massenhaft eingeschmolzen wurde[193], wirkte nur wie ein Tropfen auf den heissen Stein, und der wohlwollende Mann, welcher keinem Bittenden Nein zu sagen vermochte[194], musste den geleerten Seckel durch harten Steuerdruck aus den Taschen seiner Unterthanen wieder füllen[195]. Am Schlusse seiner Regierung zwang ihn diese unverbesserliche Verschwendungssucht sogar zu einer Verschlechterung des Geldes, obgleich er schon in seinen ersten Jahren hatte erproben können, wie zweischneidig und wenig wirksam dieses Hilfsmittel war[196].

Die Schuld daran trug neben jenem gutmüthigen Leichtsinn vor allem die Eitelkeit[197], welche ja bekanntlich auch eine echt militärische Untugend ist. Denn freilich setzte nichts die Schmeichelzungen stärker in Bewegung als unbegrenzte Freigebigkeit, und sich rühmen und bewundern zu lassen, war dem Kaiser Bedürfniss[198]. Schon durch seine Erscheinung wollte er wirken und verwendete daher keine geringe Sorgfalt auf den [88] Schmuck derselben.[199] Es ist charakteristisch dafür, dass er der Schöpfer einer neuen Mode wurde; nachdem zweihundert Jahre lang jeder Römer den Vollbart getragen hatte, liess er sich zuerst wieder das Gesicht rasiren, was natürlich allgemeine Nachahmung fand. Seine Lobredner wurden nicht müde, in der geschmacklosesten Weise die Schönheit ihres Herrn zu rühmen[200], weil sie wohl wussten, dass er gerade für dieses Lob sehr empfänglich war. Freilich suchte er auch nicht minder durch Geist zu glänzen. Epigrammatische Bemerkungen von ihm wurden vielfach im Publikum weiter erzählt[201], und seine scharfe Zunge verletzte oft[202], weil er, nach dem Sprichwort, lieber einen Freund, als einen Witz verlor. Das Kind des Lagers hatte sich in der Jugend nur eine sehr mässige Bildung aneignen können, und dieser Mangel liess sich im späteren Leben nicht mehr ganz beseitigen[203]. Aber da seine Zeit den Ruhm des Literaten und Redners über die Gebühr hochschätzte, suchte Constantin auch auf diesem Gebiete Lorbeeren zu pflücken. Es war ihm nicht genug, in grossartiger Weise den Maecenas zu spielen, Dichter, Redner und Philosophen um seine Person zu versammeln und mit Geld und Ehren zu überschütten[204]: er selbst wollte als Schöngeist gelten. Er las, schrieb und declamirte daher mit unermüdlichem Eifer[205] und hat in seinen späteren Jahren oft den Hof durch endlose Predigten gelangweilt, welche mindestens ebenso sehr bestimmt [89] waren, die Redekunst des Kaisers zur Schau zu stellen, wie seine Umgebung in christlicher Gesinnung zu befestigen[206].

Am schlimmsten machte sich sein Mangel an Bildung auf dem juristischen Gebiete bemerkbar. Soweit seine Gesetzgebung Fragen der Volkswirthschaft oder der Verwaltung regelt, zeugt sie von practischem Scharfblick; aber wo sie das Civil- oder Criminalrecht umgestalten will, ist sie fast immer unzureichend und verletzt oft die elementarsten Regeln der Rechtswissenschaft[207]. Dieselbe Leidenschaftlichkeit, welche die kühne Kriegführung Constantins beseelte, zeigte sich auch in einem unbesonnenen Dreinfahren mit Edicten und Verordnungen, sobald die Erfahrung einen kleinen Uebelstand im geltenden Rechte blosslegte. In der Regel waren sie überhastet und unreif und bedurften immer neuer Ergänzungen und Umgestaltungen, so dass die Ueberproduction an Gesetzen in ganz unglaublichem Maasse anwuchs. Wir besitzen Fragmente von beinahe dreihundert Gesetzen Constantins, und doch ist die Zahl derjenigen, welche er wirklich erlassen hat, damit noch lange nicht erschöpft[208]. Die Pietät gegen das Ueberlieferte, welche der echten Bildung eigen zu sein pflegt, kannte er ebenso wenig, wie sein Vorgänger[209]. Nur darin unterscheidet sich seine Gesetzgebung von der Diocletians, dass sie vielleicht etwas weniger durch Speculationen und Theorien, [90] häufiger durch das unmittelbare practische Bedürfniss, oft freilich auch durch persönliche Impulse bestimmt wird. Ungerecht war Constantin nicht; von willkührlichen Hinrichtungen und Confiscationen, wie sie bei den anderen Kaisern jener Zeit an der Tagesordnung waren, weiss seine Geschichte trotz seiner steten Finanznöthe nichts zu erzählen; wohl aber fehlte ihm das geschulte Rechtsgefühl, welches auch den geständigen Verbrecher der schützenden Formen des Processes nicht zu berauben gestattet. Wo er von der Schuld überzeugt war, schien ihm eine Untersuchung überflüssig, und ob der Henker oder der Meuchelmörder das Urtheil vollzog, betrachtete er als eine gleichgiltige Formfrage. Im Feldlager aufgewachsen und von Jugend auf an Blut und Wunden gewöhnt, hatte er das Mitleid früh verlernt. Unter dem Einfluss des Christenthums hat er später zwar reichlich Almosen gespendet[210], das Loos der Gefangenen möglichst zu erleichtern gesucht[211] und für Wittwen und Waisen nach Kräften Sorge getragen[212]; doch war dies alles ihm nur religiöse Pflicht, nicht Bedürfniss des menschlichen Empfindens. Wenn Flehende zu seinen Füssen lagen und auf seine erregbare Phantasie durch rhetorische Schilderungen ihres Elends zu wirken wussten, so konnte er nach der Art nervöser und sanguinischer Naturen wohl Thränen der Rührung vergiessen[213]. Und doch hatten Menschenleben für ihn keinen Werth; gefangene Barbaren hat er, nur um die Feinde zu schrecken und die Schaulust des Pöbels zu befriedigen, ohne Bedenken wilden Bestien vorgeworfen[214] oder unter furchtbaren Martern hinrichten lassen[215], und sein Strafrecht war ebenso hart und grausam, wie das Diocletians und all der folgenden Soldatenkaiser[216]. Gleichwohl hat er sich nie mit einem Morde befleckt, zu dem er nicht nach dem Rechte jener Epoche und der Stimme seines eigenen Gewissens befugt gewesen wäre, und mitunter hat er geschont, wo er hätte hinrichten dürfen, ja vielleicht müssen.

[91] Denn was den Charakter dieses merkwürdigen Mannes vor allem auszeichnete, war ein tiefgewurzeltes Pflichtgefühl und ein religiöses Empfinden, das freilich die Farbe seiner Zeit und seines rohen Standes an sich trug, darum aber nicht minder ernst und fromm war. Gleich den meisten grossen Kriegshelden vertraute Constantin blindlings seinem Glücke; wie aber fast alle Menschen seiner Epoche von der Deisidämonie in einer oder der andern Form beherrscht wurden[217], so hüllte sich auch sein Fatalismus in ein religiöses Gewand. Nach einigem Tasten und Schwanken entwickelte sich in ihm die Ueberzeugung, dass er das erwählte Rüstzeug des höchsten Gottes sei, berufen dessen Feinde auszutilgen und sein Reich auf Erden zu verbreiten. Es war der klarste Ausdruck derselben, wenn er sich später in seinem Palaste auf einem grossen Gemälde darstellen liess, wie er den alten Drachen unter die Füsse trat und mit der Lanze durchbohrte[218]. Auf andern Bildnissen war er in der Stellung eines Betenden gemalt, und viele seiner Münzen zeigen ihn mit zum Himmel gerichteten Augen[219]. Durch Träume und Visionen, welche [92] seine leicht erregten Nerven ihm vorspiegelten, meinte er in persönlichem Verkehr mit seinem hohen Schutzherrn zu stehen[220], und die Geistlichkeit bestärkte ihn eifrig in diesem Glauben, nicht nur weil er ihr vortheilhaft war, sondern auch weil sie selbst ihn redlich theilte.

An der Wirklichkeit des Christengottes zu zweifeln, hatten die Heiden keinen Grund, da ja in ihrem Pantheon, das aus den Götterkreisen unzähliger Völkerschaften zusammengesetzt war, ein Gott mehr sehr gut Platz finden konnte. Nicht dass sie ihn anbeteten, wurde den Christen zum Vorwurf gemacht, sondern dass sie über seinem Cultus diejenige Religion, welche die Weisheit der Väter eingeführt hatte, gänzlich vernachlässigten. Und andererseits leugnete kaum ein christlicher Bischof, dass Apoll die Zukunft verkündigen könne und Asklepios wunderbare Heilungen vollbringe, so gut wie die Gebeine der Märtyrer. Sie galten ihm eben als böse Dämonen, deren Gewalt zwar hinter der des höchsten Gottes weit zurückstehe, aber an sich keineswegs [93] verächtlich sei. Also nicht ob ihre Gottheiten existirten, war Gegenstand des Streites zwischen den beiden religiösen Parteien, sondern nur ob der einheitliche Christengott oder die heidnische Göttervielheit ihren Anhängern mehr Heil und Segen gewähren, ihren Feinden mehr schaden könnten. Sehr wenige auserlesene Köpfe, welche sich hoch über das geistige Mittelmass erhoben, mochten vielleicht anders denken: für die grosse Masse lag in jener Machtfrage die Entscheidung. Eunapius und ihm folgend Zosimus bewiesen aus der Geschichte, dass seit der Staat sich der neuen Religion zugewandt habe, der Zorn der vernachlässigten Götter alles Unheil über ihn heraufbeschwöre und dass der Christengott es nicht abzuwenden vermöge. Orosius führte den Gegenbeweis, dass schon unter der Herrschaft des Heidenthums Blut und Thränen im Uebermass geflossen seien und also auch Jupiter und seine Genossen ihren Getreuen nicht das erwartete Glück verliehen hätten. Lactanz und Eusebius stellten dar, wie alle Verfolger der Christen trotz ihrer abergläubischen Götterverehrung ein schreckliches Ende genommen hätten, und noch von vielen andern wurde das Argument der Macht auf beiden Seiten wieder und wieder in’s Feld geführt. Gerade dieses Beweismittel musste auf einen Soldaten und Herrscher ganz besondere Wirkung ausüben. Ueber den Aberglauben des Landsknechts, welcher sich durch Amulette kugelfest macht und bald durch Gebete, bald durch Teufelsbeschwörungen das Glück an seine Fahnen heftet, war Constantin ebenso wenig erhaben, wie alle andern Soldatenkaiser seiner Zeit. So hat er später durch das Monogramm Christi seinen Helm gegen Hieb und Stich gefestigt[221] und in sein Diadem und den Zügel seines Rosses Nägel vom heiligen Kreuz einfügen lassen[222]. Dass man durch Zauberei das Wetter machen könne, glaubte er fest; zu guten Zwecken hat er es ausdrücklich gestattet[223], und einen seiner Günstlinge liess er hinrichten, weil er angeblich durch solche Künste die Kornzuführ nach Constantinopel gehemmt hatte[224]. Es ist daher kein Zufall, dass er nach langem Schwanken seine Entscheidung zu Gunsten des Christenthums gerade in dem Augenblicke [94] traf, wo ihm durch den Sieg über Maxentius die Uebermacht des Christengottes über die heidnischen Dämonen, deren Hilfe sein Gegner angerufen hatte, unzweideutig erwiesen schien.

Die Modernen schreiben den Uebertritt Constantins meist weltlichen Rücksichten zu, insofern mit Recht, als Sieg und Erdenglück, welche er von der Gunst seines Gottes erwartete, ja freilich weltliche Vortheile sind. Doch wer da meint, er habe die Religion als Mittel der Politik ausnutzen wollen, befindet sich gewiss im Irrthum. Ausser ihren Gebeten, deren Zauberwirkung man damals allerdings sehr hoch anschlug, hatten die Christen jener Zeit nichts zu bieten, was die Macht eines Kaisers wesentlich hätte vermehren können. Die technischen Namen, mit denen die Heiden von ihnen benannt wurden, waren pagani und gentiles, d. h. Bauern und Barbaren. Damit sind die Kreise bezeichnet, in welchen die alte Religion trotz einzelner christlicher Eindringlinge sich noch am unvermischtesten behauptet hatte. In der beweglichen städtischen Bevölkerung übte die Lust am Neuen und Fremden eine grössere Wirkung aus; die halbverstandenen Schlagworte der Griechischen Philosophie waren auch in die Massen gedrungen und hatten Zweifel an den alten Göttern wachgerufen, so dass hier der Boden für das Christenthum wohl vorbereitet war und es überall schnell Wurzeln fasste. Dagegen bildeten die Bauern damals, wie noch heute, das conservativste Element des Reiches; sie hingen an ihren Göttern, weil ihre Väter, so lange man denken konnte, sie ebenso verehrt hatten, und verhielten sich gegen das Christenthum ablehnend, weil es etwas Neues war. Und zu den Barbaren jenseit der Reichsgrenzen hatten sich bis dahin nur wenige Glaubensboten gewagt, und diese wenigen waren an den meisten Stellen gleichfalls auf die Vorurtheile von Bauern gestossen. Bauern und Barbaren aber waren es, welche Kaiser erheben und stürzen konnten; denn aus ihnen setzten sich die Heere damals fast ausschliesslich zusammen[225] Auch der hohe Adel des Senats, welcher [95] durch seinen weitverbreiteten Grundbesitz in allen Provinzen Einfluss besass, hielt noch zum allergrössten Theil an der alten Religion fest, und ebenso die meisten Vertreter der Wissenschaft und Literatur, da sie mit dem Glauben des Homer und Vergil auch das Verständniss ihrer Werke gefährdet meinten und durch den Hass der Christen gegen die Künste der Rhetorik die Wurzeln ihres eigenen Ansehens untergraben sahen. Also fast alles, was im Reiche durch Bildung oder Geburt, Besitz oder Tapferkeit Macht und Einfluss hatte, gehörte in seiner grossen Masse zur Partei des Heidenthums. Dem gegenüber stand nur ein Theil des städtischen Pöbels und des Mittelstandes, der damals politisch so gut wie gar nichts bedeutete. Und diese ärmliche Schaar war noch dazu durch Diocletians Verfolgung von allen Elementen gereinigt, welche den Trieb in sich fühlten, etwas in der Welt vorzustellen. Der treugebliebene Rest lebte nur in der Hoffnung auf das Jenseits und kümmerte sich principiell nicht um die Politik. Wohl hielten die Christen eng zusammen, soweit sie nicht durch das Sectenwesen getrennt waren; wohl bildeten sie einen Staat im Staat, aber nicht um diesen zu beherrschen, sondern nur um sich jeder Berührung mit ihm möglichst zu entziehen. Welche Stütze seiner Macht konnten diese weltvergessenden Heiligen einem Kaiser wohl gewähren? Wahrlich es gehörte der Heldenmuth und das Gottvertrauen eines Constantin dazu, um diese Gemeinschaft der mächtigen Hilfe vorzuziehen, welche die Anhänger des Heidenthums darbieten konnten.

Freilich war die Gefahr ihrer Gegnerschaft nicht ganz so gross, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte. Zwar Adel und Literatur hatten im Christenthum längst ihren Feind erkannt, und wo sie keine Lauscher fürchteten, werden sie bitter über den Kaiser geschmäht haben, welcher die Pöbelreligion zu der seinen gemacht hatte[226]. Denn dass er in einer Zeit so scharf ausgesprochener religiöser Gegensätze zwischen beiden Glaubenslehren habe durchlaviren können, ohne dass ihre Bekenner recht merkten, welcher er eigentlich angehöre, ist eine höchst naive Anschauung. Aber des ohnmächtigen Zornes der vornehmen und gebildeten Heiden konnte der despotische Herrscher lachen, so lange er seiner Soldaten sicher war. Der unschuldige Barbar aber sah in Christus und seinem hohen Vater wahrscheinlich nur zwei neue Götter, denen er neben Wodan und Jupiter, Mithras [96] und Serapis gern ihren Platz einräumte. Erschien ihr opferloser Dienst ihm neu und seltsam, so that dies nichts zur Sache; mussten doch dem Germanen die Römischen und Syrischen, Persischen und Aegyptischen Culte, welche das vielsprachige Lager erfüllten, nicht minder fremdartig sein. Wenn jene neuen Götter nur das Heer zum Siege führten! So schützte die unendliche Toleranz des Heidenthums den Kaiser vor seinen Soldaten. Dass der Christengott all ihren alten Göttern den Tod geschworen habe, wussten sie wohl kaum; jedenfalls durften sie nicht daran erinnert werden. Wenn man die Ehrlichkeit von Constantins Religionswechsel bezweifelt hat, weil er die heidnischen Bräuche auch weiter duldete, ja zum Theil selbst mitmachte[227], so verkennt man die Zwangslage, in welcher der Kaiser sich befand. Als er nach dem Sturze des Licinius sich seiner Herrschaft sicher fühlte, da verschwanden die Götterbilder von den Münzen, mit welchen er seine Söldner bezahlen musste[228], und endlich schritt er sogar zu einem Verbot der heidnischen Culthandlungen[229], das er freilich niemals in vollem Ernste durchzuführen wagte.

Die Eltern Constantins waren beide Heiden gewesen, doch scheinen sie von dem Einfluss des Christenthums, der damals ja schon die niedrigsten und die höchsten Kreise durchdrang, nicht unberührt geblieben zu sein. Als Diocletians Verfolgungsedict erging, liess sich Constantius wohl zum Niederreissen der Kirchen bereit finden, aber die Bekenner der neuen Religion an [97] Leib und Leben zu strafen, unterliess er[230] trotz der Befehle seines Augustus und seiner sonst immer bewährten Fügsamkeit. Constantin eröffnete seine Regierung damit, dass er in seinem Reichstheil den Christen volle Toleranz gewährte[231]. Doch blieb er selbst einstweilen noch dem alten Glauben treu[232], bis das berühmte Traumgesicht und die ihm folgende Schlacht an der Milvischen Brücke ihn völlig bekehrten.

So weit es ihm seine Herrscherpflicht gestattete, hat er sich seitdem stets als treuen Sohn der Kirche bewährt und nie den Versuch gemacht, sich zum Herrn derselben aufzuschwingen, obgleich ihm dies leicht genug geworden wäre. Die Bischöfe waren durch die lange Verfolgung so mürbe gemacht, dass sie um den Preis gesetzlicher Duldung jeden Eingriff des Kaisers ertragen hätten; ja als sie dessen freundliche Gesinnung sahen, forderten sie seine Einmischung in die innern Angelegenheiten der Kirche sogar selbst heraus. Nach der streitigen Bischofswahl in Karthago, welche zu dem Donatistischen Schisma Anlass gab, führte die unterlegene Partei bei Constantin Klage, und auch ihre Gegner wagten seinen Richterspruch nicht zurückzuweisen[233]. Aber der weltliche Herrscher hielt sich strenger an die Satzungen des geistlichen Rechts als dessen berufene Vertreter und wies die Entscheidung einer Synode zu. Wieder appellirten die Donatisten an ihn, und wieder berief er eine zweite grössere Synode, welche den Spruch der ersten prüfen sollte. Erst als zum dritten Male seine Macht angerufen wurde, griff er persönlich in den Streit ein, aber nur um die Beschlüsse der beiden Synoden einfach zu bestätigen. Es galt bei den Christen damaliger Zeit für sündlich, wenn Mitglieder der Gemeinde gegen einander vor den Vertretern der Staatsgewalt Processe führten. Aus diesem Grunde verlieh Constantin den Bischöfen die Befugnisse von Civilrichtern und untersagte jede Appellation von ihren Entscheidungen [98] an den Kaiser oder dessen Stellvertreter[234]. Gewiss war dies nicht der Weg, um sich die Kirche dienstbar zu machen. Was das Vorgehen des Herrschers bestimmte, waren eben die Lehren des Christenthums, denen er von ganzem Herzen anhing, nicht der Vortheil der weltlichen Gewalten.

Wohl hat Constantin Bischöfe und Geistliche verbannt, aber einerseits vollzog er damit nur die Beschlüsse der Synoden, andererseits war es für die öffentliche Ruhe und Sicherheit nothwendig. Es ist bezeichnend dafür, dass sein Vorgehen gegen Athanasius nicht durch dessen Lehre bestimmt wurde, sondern durch die Anklage seiner Gegner, der Bischof habe den Alexandrinischen Pöbel veranlassen wollen, die nach Constantinopel bestimmten Kornschiffe zurückzuhalten[235]. Wo Gegenbischöfe vorhanden waren, da kam es regelmässig zu Tumulten und Strassenkämpfen, nach denen mitunter hunderte von Leichen das Pflaster bedeckten. Hier Ruhe zu stiften, war die Pflicht jeder geordneten Staatsgewalt, und eine mildere Form liess sich wahrhaftig nicht finden, als wenn der Kaiser das eine der streitenden Parteihäupter aus der Stadt, in welcher es seine Knittelarmee besass, an einen Ort verwies, wo es keinen Aufruhr entzünden konnte. Denn niemals hat Constantin dissentirende Geistliche auf wüste Inseln oder nach Strafkolonien verbannt, sondern er bestimmte ihnen immer ganz behagliche Wohnsitze, die sich von ihrer ursprünglichen Heimath nur dadurch unterschieden, dass sie ungefährlich waren.

Als der Kaiser durch den ersten Krieg gegen Licinius Italien endgiltig erobert hatte, betheiligte er sich persönlich an der Synode zu Arles[236]; als der Orient in seine Gewalt gekommen war, an dem Concil von Nicäa. So eröffnete er in beiden Reichshälften seine Herrschaft damit, dass er sich den erstaunten Unterthanen in der Mitte seiner Bischöfe und als Theilnehmer an deren Beschlüssen vorstellte[237]. Dies war für die Ausbreitung [99] des Christenthums von höchster Bedeutung, da alle zweifelhaften Heiden durch das Beispiel ihres Herrschers fortgerissen werden mussten, und jedenfalls war dies der einzige Zweck, welcher Constantin zu so ostensibler Anerkennung der neuen Religion veranlasste. Denn hätte er durch die Concilien die Kirche beherrschen wollen, so wäre er gewiss nicht allen übrigen Bischofsversammlungen fern geblieben. Ueberdies war ein Organ wie die ökumenischen Synoden, das alle zehn Jahre höchstens einmal in Wirksamkeit trat, zu einem dauernden und consequenten Eingreifen in die kirchlichen Angelegenheiten ganz ungeeignet. Dazu hätte es ständiger vom Kaiser ernannter Aufsichtsbeamten bedurft, denen die Mehrzahl der Bischöfe, durch die vorhergegangene Verfolgung eingeschüchtert, gewiss nicht den Gehorsam versagt hätte. Aber an die Schöpfung solcher Institutionen, welche die Zügel des geistlichen Regiments fest in seine Hand gelegt hätten, hat Constantin niemals gedacht. Er strebte als demüthiger Catechumene nach der Gnade des Herrn, nicht nach der Herrschaft über seine Kirche.

Der Beistand der heidnischen Dämonen liess sich durch reiche Opfer und Gelübde erkaufen; der Christengott aber stellte an seine Gläubigen sittliche Anforderungen, und Constantin war eifrig bemüht, ihnen genug zu thun. Die Moral des damaligen Christenthums gipfelte in der Verherrlichung der Askese und einer überstrengen Verurtheilung aller Fleischessünden. Dass auch Constantin sich ihr anschloss, zeigt die Aufhebung aller rechtlichen Nachtheile, mit denen Augustus die Ehe- und Kinderlosen bestraft hatte[238], sowie eine lange Reihe der strengsten Gesetze, durch welche er die Sittlichkeitsvergehen mit grausamer Härte auszurotten suchte[239]. Auch hat er sich nicht gescheut, die Gattin und den ältesten Sohn, auf welchem die Hoffnung des Reiches beruhte, dem Henker zu übergeben, weil sie des Ehebruchs verdächtig waren und sowohl die Bibel als [100] auch sein eigenes Recht bestimmte, dass das untreue Weib und ihr Verführer des Todes sterben müssten[240] Wie sein feuriges Temperament erwarten lässt, war er für weibliche Reize durchaus nicht unempfänglich. Munkelte man doch sogar, dass sein Günstling Optatus, der vom grammatischen Lehrer zum Patricius und Consul (334) aufstieg, diese erstaunliche Carriere dem Einfluss seiner schönen Frau verdanke[241]. Trotzdem ist seine Keuschheit immer unbefleckt geblieben[242], und keine Tugend hat er fester seinen Söhnen eingeprägt[243], wie auch er selbst sie durch die Erziehung seiner Eltern überkommen zu haben scheint. Denn wenn diese den Verlobten der Kaisertochter, als er kaum die Kinderschuhe ausgetreten hatte, zur wilden Ehe mit einer gewissen Minervina veranlassten[244], so kann der Zweck kaum ein anderer gewesen sein, als ihn vor jugendlichen Verirrungen, welche das Heidenthum kaum als Verirrungen betrachtete, in christlichem Sinne zu bewahren[245]. Und die Sittenlehre des neuen Glaubens, welche Constantin eingeprägt war, noch ehe er sich ihm völlig zugewandt hatte, beobachtete er auch sonst, so weit er eben konnte. Hat doch der unbezwingliche Kriegsheld sogar alle Kriege vermieden, die ihm nicht aufgedrungen wurden[246]. Seinen feindlichen Mitkaisern gegenüber ist er bis zur äussersten Grenze der Nachgiebigkeit gegangen, ehe er den hingeworfenen Handschuh aufnahm, und wenn er strategisch auch stets die Offensive ergriff, so ist er politisch doch jedes Mal der Angegriffene [101] gewesen. Die Pflichten der Verwandtschaft erfüllte er treulich nicht nur gegen Helena, sondern auch gegen seine Stiefmutter Theodora und deren Descendenz[247], obgleich ihre Söhne ihm die gefährlichsten Nebenbuhler hätten werden können; denn den feigen Argwohn des Sultanismus, welcher in jedem Spross des Herrscherblutes einen Feind wittert, hat Constantius kühne Seele nie gekannt. Mildthätigkeit, die nach dem Worte der Verheissung den Himmel erschloss, war seinem freigiebigen Sinne natürlich[248]. Beherzigte er doch keinen Bibelspruch freudiger, als denjenigen, welcher gebiete, sich Freunde mit dem ungerechten Mammon zu machen[249]. Auch seine Gesetzgebung ist reich an Bestimmungen zu Gunsten der Gefangenen[250], der Wittwen und Waisen[251]; die Freilassung der Sclaven sucht sie zu befördern[252], die ausgesetzten Kinder dem Tode zu entreissen[253]. In seiner heidnischen Jugend hatte er sich daran ergötzt, gefangene Barbaren gegen wilde Thiere kämpfen zu lassen; später nahm er selbst an den viel menschlicheren Gladiatorenspielen Anstoss, suchte sie nach Möglichkeit zu hindern und verbot es, Verbrecher dazu zu verurtheilen[254]. Auch den Feinden zu verzeihen, hat er sich oft bemüht[255], soweit das Interesse des Reiches es eben zuliess. Denn dass die christliche Sittenlehre in ihrer damaligen Strenge, nach der sogar die Hinrichtung eines Verbrechers als Sünde gegen das fünfte Gebot verdammt wurde, sich mit den Aufgaben eines Herrschers nicht ganz vereinigen liess, hat Constantin zu seinem [102] Schmerze freilich einsehen müssen. Da die Taufe alle Sünden, welche vorher begangen waren, abwusch und nur die späteren den strengen Christen für unverzeihlich galten, hat er ihre Vollziehung an sich in naiver Schlauheit bis zu seiner Todesstunde verschoben[256]. Aber obgleich er als Catechumene sich eine etwas laxere Moral gestatten zu können meinte, hat er sich doch sorgfältig gehütet, die Strafe des Herrn gegen sich heraufzubeschwören, und deshalb nicht mehr gesündigt, als er nach seiner Ueberzeugung sündigen musste. Denn die Pflichten gegen das Reich hat er immer noch über seine religiösen Pflichten gestellt, so ernst er diese auch auffasste.

Als er kaum zum Jüngling erwachsen war, hatte ihn Diocletian an seinen Hof berufen[257] und ihm eine militärische Stellung übertragen, die für sein Alter recht ansehnlich war[258]. Dann war er in der Umgebung des alten Kaisers bis zu dessen Abdankung durch die Provinzen des Reiches gezogen[259]. Dem launischen Greise gegenüber wird die Stellung des Kaisersohnes, der zum Thronerben bestimmt, aber noch nicht officiell als solcher anerkannt war, und durch jede Unbesonnenheit seiner Anwartschaft verlustig gehen konnte, wahrlich keine leichte gewesen sein. Er musste schweigen und sich bücken lernen, damit er die stolzen Entwürfe, welche seine junge Brust verschloss, dereinst zur Ausführung bringen könne; strenge Selbstbeherrschung bändigte seinen heftigen Sinn. Doch sein langjähriger Verkehr mit Diocletian hatte noch eine andere Folge gehabt. Der Alte hatte seine Regierungsgrundsätze mit seinem künftigen Nachfolger gewiss oft besprochen, und die Worte des gedankenreichen Greises konnten nicht ohne Einfluss auf den werdenden Herrschergeist sein. Schien doch sein System trotz vieler Mängel im Einzelnen sich bewährt zu haben, indem es dem Reiche nach unendlichen Wirren eine dauernde Regierung verschafft hatte, und gerade das Schematische desselben konnte dem unreifen Kopfe eines [103] Jünglings wohl imponiren. Der Ausschluss der Leibeserben, welchen der Sohn des Constantius aus naheliegenden Gründen nicht hätte billigen können, war ja damals in den politischen Katechismus des alten Kaisers noch nicht aufgenommen, so dass Constantin ihn in allen seinen Hauptpunkten zu dem seinigen machen konnte. Mit vollem Bewusstsein und klarer Absicht wurde er in allem ausser der Religionspolitik[260] der Fortsetzer Diocletians. Auch er hat seine Kriege entweder persönlich geführt oder durch seine Caesaren, nicht durch private Feldherrn, führen lassen; auch er hat Rom fast nur besucht, um dort Triumphe oder Jubiläen zu feiern, und fünfundzwanzig Jahre lang seinen Aufenthaltsort fortwährend gewechselt[261], wozu freilich die Unrast seiner lebhaften Natur gewiss ebensoviel beigetragen hat, wie seine Ueberzeugung von der Trefflichkeit des Systems. Als er dann endlich im Alter sich eine feste Residenz gründete, da wählte er dazu einen Ort, der von Nicomedia nur wenige Meilen entfernt war und die Vortheile der Lage, welche Diocletian zur Bevorzugung dieser Stadt veranlasst hatten, ganz ebenso, nur noch in erhöhtem Masse darbot. Sich schon bei Lebzeiten unter die Götter aufnehmen zu lassen, wie sein Vorgänger es gethan hatte, war dem Christen freilich versagt; dafür schmückte er sich zuerst mit dem Diadem[262], dem Abzeichen des orientalischen Königthums, nach dessen Staatsrecht die Unterthanen Eigenthum des Herrschers und dessen Macht über sie eine unbeschränkte war. Im wesentlichen behielt er also das Diocletianische Princip bei, nur dass er an die Stelle des Gottes den allmächtigen Menschen setzte, was praktisch dasselbe bedeutete. Auch die Mitregentschaft als solche erschien ihm heilsam, ja unentbehrlich, namentlich da es nur durch sie möglich war, die Thronfolge von den Launen der Soldatesca, welche im verflossenen Jahrhundert das Reich in so schwere Wirren gestürzt hatten, dauernd zu emancipiren. Ihr Wahlrecht gesetzlich abzuschaffen, hielt zwar auch er für gefährlich und wirkungslos, doch hoffte er, wie Diocletian, es auf [104] dem Wege des Gewohnheitsrechtes allmählich zur leeren Formalität herabdrücken zu können, wie dieses ja mit der Volks- und Senatswahl thatsächlich längst geschehen war. Denn der fruchtbarste Satz des ganzen Systems, dass die Thronfolge in erster Linie nicht durch das Heer, sondern durch den Willen des ältesten Augustus zu ordnen sei, war auch ihm zur Glaubensregel geworden. Diese Anhänglichkeit an die Ideen seines politischen Lehrers sollte der verhängnissvolle Irrthum seines Lebens werden; er hinderte ihn in der Jugend, die Früchte seines Glücks und seiner Thaten unbekümmert einzuheimsen; er machte noch seinen letzten Willen für das Reich zum Unheil. Aber was Constantin einmal als recht erkannt zu haben meinte, daran hielt er sich mit einer Zähigkeit, die durch keine Erfahrung ganz zu bekehren war, und am festesten hafteten in ihm die Principien, welche er noch als halber Knabe in sich aufgenommen hatte.

Die Versuchung, ihnen zuwider zu handeln, trat gleich nach dem Tode seines Vaters verführerisch an ihn heran. Es hätte nur eines Winkes bedurft, und er wäre von den Truppen zum Kaiser ausgerufen worden; doch war mit Sicherheit vorauszusehen, dass damit die Aera der Bürgerkriege, welcher Diocletian ein Ende bereitet hatte, sogleich von neuem begann. Vor dieser Verantwortung scheute Constantin zurück. Zwar gedachte er wohl kaum auf das Kaiserthum ganz zu verzichten; denn wer zum Herrscher das Zeug hat, ist immer herrschsüchtig und muss es sein, weil er sonst seinen Beruf verfehlen würde; für den äussersten Nothfall mochte er also wohl auf die treuen Soldaten seines Vaters bauen. Doch so lange sich ihm die Möglichkeit bot, mit Aufrechterhaltung von Diocletians System Kaiser zu werden, hielt er an ihr fest. Er reizte daher Galerius nicht durch den Zwang der vollendeten Thatsache, sondern hielt sich einstweilen vor dem Heere verborgen und sandte einen Brief an die anerkannten Herrscher ab, in dem er einfach den Tod des Constantius meldete und nur die bescheidene Frage hinzufügte, was jetzt seine Herrn und Kaiser über das Reich beschliessen wollten[263].

Die Soldaten waren nicht so geduldig, die Antwort abzuwarten. Namentlich ein Alamannenhäuptling namens Erocus, der für den Brittannischen Feldzug die Hilfstruppen seines Volkes hatte herbeiführen müssen und neue Wirren im Römerreiche nicht ungern [105] sehen mochte, soll für den Kaisersohn gewühlt haben[264]. Als dieser, nachdem er eine Zeitlang das Sterbehaus seines Vaters nicht verlassen hatte, den ersten Ausritt wagte, warfen ihm die Soldaten, sobald sie ihn erblickten, ein Purpurgewand über[265] und begrüssten ihn mit dem Augustustitel[266]. Wahrscheinlich war es nicht Verstellung, wenn er seinem Rosse die Sporen gab und dem Andrang der Menge zu entfliehen versuchte[267]; der verfrühte Ausbruch ihrer Loyalität mochte ihm wirklich unbequem sein. Aber da das Geschehene nicht ungeschehen zu machen war, blieb ihm nichts weiter übrig, als auch darüber an Galerius zu berichten und dessen Anerkennung zu erbitten. Bis der Bescheid des Augustus kam, traf er schnell und energisch seine Vorkehrungen, um sich für alle Fälle den Besitz von Gallien und Spanien zu sichern. Ein Frankeneinfall gewährte ihm den willkommenen Anlass, sein Heer auf’s Festland zurückzuführen und der neugewonnenen Krone sogleich im Kampfe gegen den barbarischen Landesfeind ihre erste Weihe zu geben[268]. Nach einem raschen und glänzenden Siege liess er die Truppen in Gallien ihre Quartiere aufschlagen und begab sich selbst in den Süden der Diöcese, um in nächster Nähe der Alpenpässe die Nachrichten aus dem Osten schnell empfangen zu können und für jede Eventualität vorbereitet zu sein[269].

Dass der Tod des kränklichen Constantius in nicht zu langer Zeit eintreten werde, hatte Galerius erwartet und schon einen Nachfolger bereit gehabt. Es war dies Licinianus Licinius, sein alter Freund und Kampfgenosse, der ihm im Perserkriege wesentliche [106] Dienste geleistet hatte und dessen Erhebung zum Caesar im J. 305 nur deshalb unterblieben war, weil die Adoption eines gleichalterigen, wenn nicht gar älteren Mannes nicht nur den Gesetzen widersprach, sondern auch den Spott des Publikums wachzurufen drohte. Er hatte daher beschlossen, ihn mit Ueberspringung der Caesarenwürde zum Augustus zu machen, sobald die Stelle seines Collegen freigeworden sei[270]. Die Nachrichten aus Brittannien zerstörten diesen Plan; denn um seinetwillen einen Bürgerkrieg zu entfachen, konnte Galerius nicht wagen. Wusste er doch nur zu gut, dass seine eigenen Soldaten die Zurücksetzung der beiden Kaisersöhne als ein Unrecht betrachteten und namentlich Constantin, der in ihrer Mitte die ersten Proben seines jugendlichen Heldensinnes abgelegt hatte, liebten und bewunderten[271]. Mit einem Heere, das mindestens widerwillig in den Kampf ging, vielleicht sogar auf Abfall sann, liessen sich die siegreichen und zuversichtlichen Legionen von Gallien und Brittannien nicht bezwingen. So machte denn Galerius nach einigem Besinnen gute Miene zum bösen Spiel. Er übersandte selbst dem Constantin ein Purpurgewand und liess sein Bildniss in den Lagercapellen neben dem der andern drei Kaiser aufstellen. Nur verlangte er, dass das jüngste Mitglied des Herrschercollegiums sich mit dem Caesarentitel begnüge und die Würde des zweiten Augustus dem Severus überlasse[272].

Ohne jede Gefahr für sich selbst hätte Constantin dies Ansinnen zurückweisen und die Kaisergewalt in dem vollen Umfange, wie sie das Heer ihm angetragen hatte, behaupten können. Dieselben Gründe, welche dem Galerius seine Anerkennung als Caesar abzwangen, hätten ihn auch zu grösseren Zugeständnissen genöthigt. Dies musste Constantin, der erst kürzlich im Donauheer gefochten hatte und die Stimmung desselben kannte, sehr genau wissen. Und er brauchte sich nicht einmal formell gegen den älteren Augustus aufzulehnen, wenn er dessen Forderung nicht nachgab. Denn mit leichter Mühe hätte er Werkzeuge finden können, um das Heer in Gallien zu tumultuarischen Kundgebungen gegen die Rangminderung seines Kaisers zu veranlassen, und falls er sich darauf berief, dass die Soldaten ihm den Gehorsam [107] nicht gestatteten, was konnte Galerius dagegen thun? Aber selbst wenn dieser es wagte, mit seiner Anerkennung grollend zurückzuhalten, so wurde damit nicht einmal die Legitimität, geschweige denn die Machtstellung Constantins angetastet. Waren doch Diocletian, Carus, Probus, Aurelian und fast alle übrigen Kaiser des jüngst verflossenen Jahrhunderts, denen der Staat noch immer göttliche Verehrung erwies, durch das Heer auf den Thron gelangt. Das Wahlrecht desselben war nie gesetzlich beseitigt worden, sondern nur persönliche Verabredungen innerhalb des Herrschercollegiums hatten das Ziel verfolgt, jene gefährliche Befugniss allmählich ihrer Wirksamkeit zu entkleiden. Wenn Constantin, der nicht, wie Galerius und seine Caesaren, durch ein Versprechen gebunden war, den unmassgeblichen Wünschen Diocletians seine Zustimmung versagte, wer konnte ihn deshalb tadeln? Aber diese Wünsche lagen im Interesse des Reiches: wer sich gegen den Willen des ältesten Augustus auf den Willen der Soldaten berief, der hinderte das Mitregentschaftssystem, in dem auch Constantin die Panacee gegen künftige Bürgerkriege zu sehen meinte, sich in den Anschauungen von Volk und Heer zum Gewohnheitsrecht auszubilden, und dies musste vor allem vermieden werden. Nicht seiner augenblicklichen Sicherheit, sondern einem Princip, das ihm für die Folgezeit den Frieden des Reiches zu gewährleisten schien, brachte Constantin das Opfer und liess sich aus der zweiten Stelle im Herrschercollegium in die letzte zurückweisen[273].

Diese grossherzige Entsagung sollte ihren Zweck nicht erreichen. Kaum war sie ausgesprochen, so brach ein Sturm los, der das ganze schön ausgeklügelte System hinwegfegte.

(Schluss folgt.)



[189]

(Schluss.)

Seit seiner Entstehung hatte das Kaiserthum daran gearbeitet, die Rechtsunterschiede der Städte und Provinzen auszugleichen; doch die Privilegien der Stadt, welche sich einst den Weltkreis unterworfen hatte und ihn noch immer als ihr rechtmässiges Eigenthum betrachtete, hatte noch kein Herrscher ernstlich anzutasten gewagt. Alljährlich wurden ungeheure Summen für die Fütterung und das Vergnügen des Römischen Pöbels verschleudert, aber das Geld dazu mussten fast ausschliesslich die Provinzen hergeben. Die Hauptstadt selbst war von jeder direkten Steuer befreit, wenn sie auch von den indirekten, deren Druck viel weniger empfunden wurde, einen gewissen Antheil zu tragen hatte. So ungerecht dieser Vorzug war, die Gewohnheit eines halben Jahrtausends liess ihn Jedermann so natürlich und selbstverständlich erscheinen, dass selbst die Provinzialen eine Besteuerung Roms als Frevel betrachtet hätten. Galerius war frei von solchen Vorurtheilen; er wies seinen Caesar Severus an, auch die Hauptstadt der Einschätzung zu unterwerfen, die eben damals mit einer Grausamkeit gehandhabt wurde, wie sie selbst unter Diocletian nicht erlebt worden war[274]. Auch gegen die Bürger der Weltbeherrscherin sollten jetzt Geissel und Folter wüthen, um ihnen Geständnisse über ihre Besitzthümer abzupressen. Man wusste, dass schon die Schatzungsbeamten ernannt [190] wurden[275], und ein dumpfer, angstvoller Ingrimm gährte in den Gassen der Millionenstadt.

Auch in der kleinen Schaar von Soldaten, die in ihren Mauern zurückgeblieben war, herrschte, obgleich sie von jenem Unheil nicht betroffen wurden, doch keine bessere Stimmung. Die Prätorianer waren als Leibwache des Herrschers gedacht und hatten nur desshalb ihre Quartiere in Rom, weil hier seine ständige Residenz war. Seit die Kaiser in den Provinzen hausten, hätte ihnen auch die Garde dorthin folgen müssen. Diocletian hatte ihre Zahl vermindert[276], scheute aber vor ihrer Abberufung zurück, vielleicht weil er der Lösung des Kaiserthums von der weltgebietenden Stadt keinen so schroffen und unzweideutigen Ausdruck geben mochte[277], vielleicht auch weil er zur Bändigung der ungeheuren Volksmenge, welche sich nur zu leicht zu Tumult und Aufruhr fortreissen liess, eine ansehnliche Truppenmacht für erforderlich hielt. Galerius hatte Rom nie gesehn[278] und war mit den dortigen Verhältnissen gänzlich unbekannt; dem logischen Schlusse, dass der Soldat die Grenzen zu vertheidigen habe und folglich auch an die Grenzen hingehöre, nicht in das Centrum friedlicher Landschaften, stand also bei ihm kein hinderndes Bedenken im Wege. So hatte er beschlossen, das Prätorianerlager aufzulösen; der grösste Theil der Truppen war bereits weggerückt und der kleine Rest erwartete die Ordre dazu[279]. Der verwöhnten Soldaten, welche an allen öffentlichen Spenden, an allen Freuden des Circus und Amphitheaters ihren vollen Antheil gehabt hatten, harrte jetzt im besten Falle die Langeweile eines kleinstädtischen Garnisondienstes, vielleicht gar ein elendes Barackenlager an den kalten Ufern der Donau. Um dies Schicksal abzuwenden, wären sie zu jeder Tollkühnheit bereit gewesen; doch schien bei ihrer sehr geringen Zahl diese Stimmung keine ernste Gefahr zu drohen.

Auch der höchste Magistrat der Stadt gesellte sich, wie es [191] scheint, zu den Unzufriedenen[280]. Es war eine uralte Praxis des Kaiserthums, diejenigen Beamten, deren Machtstellung sie gefährlich erscheinen liess, durch concurrirende Gewalten beobachten und schwächen zu lassen. So wurde die Gardepräfectur meist collegialisch verwaltet, und jede Provinz, in der Truppen standen, besass schon seit Augustus einen kaiserlichen Finanzbeamten, dessen Competenzen mit denen des Statthalters sich so mannigfach berührten und durchkreuzten, dass Conflicte unvermeidlich waren und sich in Folge dessen zwischen den beiden Beauftragten des Herrschers fast regelmässig ein erbitterter Hass entwickelte. Dies System des gegenseitigen Hemmens und Belauerns war von dem misstrauischen Diocletian noch sehr viel weiter ausgedehnt worden; namentlich war auch dem Stadtpräfecten, welcher bis dahin in Rom die höchste Gerichtsbarkeit und die oberste Polizeigewalt allein besessen hatte, jetzt ein Vicar an die Seite gestellt, der ihn von einem Theil seiner Geschäfte entlasten sollte, ihn aber thatsächlich bei jeder Gelegenheit zu chicaniren, mitunter wohl auch beim Kaiser zu denunciren pflegte. Diese Rolle war im Jahre 306 dem Präfecten Annius Anullinus gegenüber einem gewissen Abellius zugewiesen, der als ergebenstes Werkzeug der Kaiser galt[281]. Wahrscheinlich bestand auch zwischen diesen Männern die übliche Feindschaft, und Anullinus scheute selbst vor einem halsbrechenden Wagniss nicht zurück, um an dem verhassten Beobachter Rache zu nehmen und sich seiner zu entledigen.

Da wurden auf Befehl des Galerius die Bildnisse Constantin’s in Rom aufgestellt und seine Ernennung zum Cäsar officiell verkündigt[282]. Das Gerücht, dass der Sohn des Constantius von den Brittannischen Truppen mit dem Purpur bekleidet sei, hatte [192] sich wohl schon früher verbreitet; man hatte die Entscheidung des Galerius mit Spannung erwartet, und als sie jetzt bekannt wurde, zweifelte keiner, dass der Augustus nur widerwillig und durch Furcht vor seinen eigenen Soldaten gezwungen die Anerkennung der vollendeten Thatsache ausgesprochen habe. Da die Rechte des einen Kaisersohnes sich hatten durchsetzen können, hefteten sich die Erwartungen der Unzufriedenen alsbald an den zweiten Jüngling, dem sein Blut mindestens ebenso hohe Ansprüche verlieh. Schnell bildete sich eine Verschwörung unter den Officieren der städtischen Truppen, der wohl auch der Präfect nicht ganz fern stand. Abellius, dessen Widerstand man befürchtete, wurde ermordet[283], und Volk und Soldaten, welche einer Anreizung kaum bedurft hatten, tobten in wildem Aufruhr[284]. Ein Prätorianerhaufe zog auf die Labicanische Strasse hinaus, in deren Nähe das Landgut, welches Maxentius zum Aufenthaltsorte gewählt hatte, gelegen war[285]. Sechs Millien von Rom entfernt, in einem städtischen Meierhofe traf man den Prinzen an[286], bekleidete ihn mit dem Purpur und rief ihn zum Augustus aus[287]. Dies geschah am 28. October 306, kaum drei Monate, nachdem die Rechte des kaiserlichen Blutes in Brittannien ihre erste Anerkennung gefunden hatten[288].

Marcus Aurelius Valerius Maxentius war um das Jahr 279 [193] geboren[289], also wenig älter als Constantin. Hässlich und unansehnlich von Gestalt[290], von ebenso viel Hochmuth wie Unfähigkeit, grausam, wollüstig und abergläubisch, besass er ausser seiner hohen Geburt keine Eigenschaft, welche die Gemüther der Unterthanen an ihn zu fesseln vermocht hätte. Später hat er sich freilich auch durch die unsinnige Verschwendung, mit der er seine Soldaten wieder und immer wieder reich beschenkte, deren Treue und Anhänglichkeit zu erhalten gewusst, obgleich er militärisch ganz untüchtig war und seine Heere fast immer durch Andere commandiren liess. Einstweilen wusste man von ihm im Reiche kaum viel mehr, als dass er der Sohn des Maximian und der Schwiegersohn des Galerius war[291], aber dies genügte, um ihn dem Legitimitätsgefühl der Massen zu empfehlen. Ob er mit seinem Willen auf den Thron erhoben ist, darf bei einem Menschen, der sich immer als Feigling erwiesen hat[292], wohl bezweifelt werden; denn damals musste es scheinen, als wenn der Römische Aufstand kaum eine andere Folge haben könne, als seinen Erwählten auf die Schlachtbank zu liefern. Constantin’s Unternehmen stützte sich auf ein starkes und sieggewohntes Heer; Maxentius dagegen besass keinen Schutz als eine Handvoll Stadtsoldaten, die ihre kriegerische Tüchtigkeit bisher nur in Circusraufereien und Gassentumulten erprobt hatten. Keine andere Hoffnung, seinen Kopf zu retten, blieb ihm übrig, als dass sich im Lager des Galerius selbst Stimmen für die Rechte des zurückgesetzten Kaisersohnes erheben würden, und diese sollte ihn nicht täuschen. Aber er hatte nicht, wie Constantin, unter den Soldaten der Grenzheere gelebt. Seine Person als solche war ihnen gleichgültig, und welche Anschauungen über sein Thronrecht unter ihnen herrschten, darüber konnten höchstens unsichere Gerüchte zu ihm gedrungen sein. Auch ihm selbst mussten also seine Aussichten beinahe verzweifelt erscheinen, aber der Zwang der Verhältnisse riss ihn fort; denn die Krone abzulehnen war noch gefährlicher als sie zu behaupten.

[194] Zunächst bewarb auch er sich um die friedliche Anerkennung des Galerius. Er nahm daher weder den Augustus- noch den Cäsartitel an, sondern nannte sich einfach Princeps, was beides bedeuten konnte[293]. So blieb es den anerkannten Herrschern überlassen, über seine künftige Stellung innerhalb ihres Collegiums frei zu entscheiden. In dem Diocletianischen Schema fand ein dritter Cäsar zwar keinen Raum[294], aber im Grunde war die Zahl doch gleichgültig. Noch vor anderthalb Jahren bei der Abdankung Diocletian’s hatte man drei der Kaiserlichen Verwaltungsbezirke in ihrem Umfange verändert und damit ihre Begrenzung als etwas Unwesentliches anerkannt: warum hätte man also aus den vier vorhandenen nicht fünf neue zurechtschneiden können? Freilich bedurfte es dazu der Nachgiebigkeit und des guten Willens, und diese waren bei Galerius keineswegs zu finden. Die Person Constantin’s war ihm zwar nicht genehm, aber auch nicht durchaus zuwider gewesen; trotzdem hatte er dessen Erhebung nur zugestimmt, weil er musste. Maxentius dagegen war ihm tief verhasst und besass scheinbar kein Mittel, um seine Ansprüche durchzusetzen. Galerius schwankte daher keinen Augenblick[295]. Sogleich schickte er eilige Botschaft an Severus nach Mailand[296], dieser solle mit den Truppen, welche er eben zur Hand habe, unverzüglich gegen Rom aufbrechen und den kindischen Aufruhr der fast waffenlosen Stadt schleunigst im Blute seiner Urheber ersticken[297].

Severus gehorchte, und schon nach wenigen Tagen stand ein ansehnliches Heer[298] unter den Mauern der Hauptstadt, aber der Ausgang des scheinbar so leichten Unternehmens sollte alle Erwartungen täuschen. Die Hauptmacht des Severus bestand [195] aus Afrikanischen Soldaten[299], welche im Maurenkriege des Jahres 297 unter Maximian gefochten hatten und es für einen Frevel hielten, gegen den Sohn und Erben ihres siegreichen Kaisers die Waffen zu führen. Als sie nach jenem Kriege in Italien landeten (298), und später wieder im Jahre 303 hatten sie dem alten Kaiser bei seinen Besuchen in der Hauptstadt das Ehrengeleit gegeben, und die Spiele und Bewirthungen, mit welchen sie damals gefeiert waren, hatten sich tief ihrem Gedächtniss eingeprägt und liessen ihnen Rom als das Paradies ihrer Hoffnungen erscheinen[300]. Dass die Krone des Severus eigentlich dem Maxentius gebühre und dieser in seinem Rechte sei, wenn er nach dem Beispiel Constantin’s das ihm vorenthaltene Erbtheil kühn ergreife, war die Ueberzeugung der ganzen Masse. Endlich war derjenige, welcher im Heere die erste Stelle nächst dem Kaiser bekleidete und mit den Soldaten in viel engerem und unmittelbarerem Verkehr stand als dieser selbst, persönlich an das Interesse des Maxentius geknüpft. Der Gardepräfect Anullinus war, wie sein Name beweist, ein Verwandter, vielleicht gar der leibliche Bruder jenes Stadtpräfecten, der an der Erhebung des Kaisersohnes einen kaum unwesentlichen Antheil gehabt hatte und durch den Sieg des Severus zweifellos dem Henker verfallen wäre. Da sich dem Maxentius ein solches Werkzeug darbot, fiel es ihm nicht schwer, im feindlichen Heere grosse Geldsummen unter seinem Namen vertheilen zu lassen[301] und so die ohnehin schon günstige Stimmung der Soldaten völlig für sich zu gewinnen. Der unvorsichtige Augustus musste erleben, dass fast alle seine Truppen unter Führung des Gardepräfecten selbst in’s Lager des Feindes übergingen[302]. Mit dem kleinen Reste, der ihm die Treue noch bewahrte, floh er eilig nach Norden, vermuthlich in der Absicht, sich über die Alpen auf die Macht des Galerius zurückzuziehen. Da aber Maxentius mit dem neugewonnenen Heere ihm auf den Fersen folgte, konnte er sein Ziel nicht mehr erreichen, sondern musste unterwegs [196] hinter den Mauern von Ravenna Schutz suchen[303]. Die Festung war auf der Landseite durch ausgedehnte Sümpfe gegen jeden Angriff gesichert und beherrschte durch die Flotte, welche hier stationirt war, zugleich das Meer, so dass es den Eingeschlossenen an der nöthigen Zufuhr nicht fehlen konnte. Mithin durfte Severus hoffen, sich so lange gegen die Belagerer zu halten, bis sein Mitaugustus zum Entsatz heranrücke.

Als Maxentius die erste Nachricht erhielt, dass Severus auf Rom ziehe, musste ihm seine Lage so gut wie hoffnungslos erscheinen. Obgleich er sich durch trotzigen Hochmuth auch seinem Vater längst verhasst gemacht hatte[304], meinte er doch in diesem den einzig möglichen Retter zu erblicken. So sandte er ihm denn ein Purpurgewand und forderte ihn auf, die Herrschaft aufs neue zu ergreifen und kraft seiner alten Autorität dem Severus Einhalt zu gebieten[305]. Dem rührigen Greise war die Unthätigkeit längst unerträglich geworden; seine Abdankung hatte er schon oft bitter bereut, doch war zunächst der alte Respect vor seinem früheren Mitregenten in ihm noch zu mächtig, als dass er sie ohne dessen Zustimmung rückgängig zu machen wagte. Als auf dem Landgute in Süditalien[306], wo er in missvergnügter Ruhe seine Tage hinschleppte, die Boten seines Sohnes anlangten, nahm er den Purpur aus ihren Händen nicht ohne Weiteres an, sondern schrieb zuerst an Diocletian und stellte ihm vor, in welche Verwirrung das Reich durch ihre Abdankung gestürzt sei und wie nur ihre gemeinsame Rückkehr auf den Thron ihm die Ruhe wiedergeben könne[307]. Ohne die Antwort abzuwarten, eilte er dann nach Rom, wo er einstweilen noch als Privatmann für die Rettung seines Sohnes zu wirken gedachte[308].

[197] Noch ehe er ankam, war die Gefahr vorüber; Severus befand sich auf der Flucht, Maxentius auf der Verfolgung. Da dieser seines Vaters jetzt nicht mehr bedurfte, hätte er es gewiss viel lieber gesehen, wenn der Alte geblieben wäre, wo er war; denn wozu sollte er die Regierung, welche er allein hätte behaupten können, mit einem herrischen Greise theilen? Aber der Senat hatte einmal die Parole empfangen, dass Maximian zum Wiederergreifen der höchsten Gewalt veranlasst werden solle, und da Maxentius abwesend war, konnte er nicht zu rechter Zeit hindernd eingreifen. So bestürmte denn die hohe Körperschaft den früheren Kaiser mit ihren Bitten, erklärte es feierlich für seine Pflicht, das Reich in so bedrohtem Zustande nicht länger seiner Fürsorge entbehren zu lassen, und bald durften es die officiellen Lobredner preisen, dass Maximian sich dem Rufe, welchen seine Mutter, die hehre Roma, durch ihre Vertreter an ihn richtete, nicht in selbstischem Ruhebedürfniss entzogen habe[309]. Volk und Senat brachten den Göttern feierliche Gelübde dar, damit sie dem Kaiser auch das dritte Jahrzehnt seiner Herrschaft glücklich zu vollenden gestatteten[310], und die Vorschrift, dass jede Regierung mit ihren Vicennalien enden müsse, war damit in aller Form zu Grabe getragen. Auf’s neue mit dem Purpur geschmückt, erschien Maximian im Lager vor Ravenna, wo er die Entscheidung herbeiführen sollte.

Severus war durch seine kampflose Niederlage tief entmuthigt. Der Winter war hereingebrochen und hatte wahrscheinlich die Alpenpässe ungangbar gemacht, wodurch der Anmarsch des Galerius Monate lang verzögert werden konnte. Waren seine meisten Truppen zu Maxentius übergegangen, nur weil dieser sich den Sohn Maximian’s nannte, wie konnte Severus auf die Treue der übrig gebliebenen rechnen, wenn ihr alter Herrscher selbst ihnen entgegentrat? So liess er sich zu Unterhandlungen bereit finden, und als Maximian ihm eidlich versprach, dass sein Leben nicht [198] angetastet werden solle, lieferte er die Festung und sich selbst in die Hände seiner Feinde aus[311]. Maxentius stellte den Mann, der eben noch den Purpur getragen hatte, in höhnischem Uebermuthe dem Pöbel Roms als Gefangenen zur Schau und internirte ihn dann in einem Dorfe an der Appischen Strasse[312], um ihn gegen Galerius als Geisel[WS 2] benutzen zu können. Denn diesen fürchtete er noch immer und hütete sich wohl, ihm gegenüber jede Brücke zu einer Verständigung abzubrechen. Noch am 1. Januar 307 hatte er an Stelle des Severus, der diesem Jahre gemeinsam mit Maximinus im Orient den Namen gab, in Rom den Galerius als Consul verkündigen lassen und annullirte diese Ehrenbezeugung nicht früher, als bis mit dem Anbruch des Frühlings das Donauheer sich gegen Italien in Bewegung setzte[313].

Die Truppen des Orients und der Donauprovinzen hatten theils gar nicht, theils nur sehr vorübergehend unter dem unmittelbaren Befehl des alten Maximian gestanden. Sie konnten gewissermassen als die Hausmacht des Galerius gelten, unter dessen Führung die einen den grossen Perserkrieg, die anderen zahlreiche Sarmatenkämpfe ausgefochten hatten. Dass sie sich ebenso unzuverlässig erweisen würden, wie das Heer des Severus, war also durchaus nicht zu erwarten. Maxentius und sein Vater waren jetzt in Italien die unbestrittenen Gebieter, aber so ansehnlich die Macht auch war, welche sich hier in ihren Händen befand, den vereinigten Legionen der ganzen östlichen Reichshälfte hätte sie unter normalen Verhältnissen gewiss nicht widerstehen können. Da es zum mindesten zweifelhaft war, ob Galerius sich durch die nichtssagenden Höflichkeiten der Römischen Machthaber zum Nachgeben werde bestimmen lassen, so musste man gegen ihn nach einem Bundesgenossen suchen, und als solcher bot sich Constantin von selber dar[314]. War doch auch er gegen den Willen des Augustus, wenngleich nicht ohne dessen nachträgliche Zustimmung, auf den Thron erhoben, und das Princip des Erbrechts nach dem Blute, dem er selbst seine [199] Krone verdankte, musste er auch in der Person des Maxentius zu schützen geneigt sein. Wenn aber in dem bevorstehenden Bürgerkriege der ganze Westen gegen den Osten zusammenhielt, so standen die Chancen gleich. Während sein Sohn nach Rom zurückkehrte, eilte daher Maximian von Ravenna aus sogleich über die Alpen[315], um Constantin, der noch immer im südlichen Gallien verweilte und die Entwicklung der Italienischen Ereignisse unthätig beobachtete, auf ihre Seite herüberzuziehen.

Dieser schlug auch jetzt den Weg ein, der ihm am besten geeignet schien, das Princip der legalen Thronfolge aufrecht zu erhalten und zu befestigen. Ob Maximian befugt gewesen wäre, die Herrschaft, nachdem er sie freiwillig niedergelegt hatte, aus eigener Machtvollkommenheit wieder an sich zu reissen, konnte vielleicht bezweifelt werden; denn welche Rechte einem abgedankten Kaiser zustanden, liess sich weder durch Gesetze noch durch Präcedenzfälle entscheiden[316]. Aber der Senat, dessen Wahlrecht unbestritten war, hatte ihm die Krone angeboten, und Constantin hätte es am wenigsten geziemt, dem Greise, der seinen Vater adoptirt und auf den Thron erhoben hatte, die Anerkennung zu versagen. Bestand aber die neuerworbene Gewalt des Maximian zu Recht, so konnte auch kein Zweifel sein, dass ihm die erste Stelle im Herrschercollegium gebühre und alle anderen Augusti und Cäsares ihm Gehorsam schuldig seien. Wenn er die Wahl des Maxentius legalisirt hatte, war keiner mehr befugt, sie anzufechten. Constantin liess daher auch ohne Zögern Münzen schlagen, deren Umschrift die beiden Beherrscher Italiens als regierende Augusti anerkannte[317]. Als Maximian in Gallien eintraf, empfing ihn sein Enkel mit offenen Armen und gab ihm die Zusicherung, dass seine berechtigten Ansprüche des Schutzes der Rheinlegionen gewiss sein könnten. Zum Danke verlangte er nur, dass der Augustustitel, den er ja schon von den Truppen empfangen hatte, ihm durch den alten Kaiser aufs neue verliehen werde[318], damit er hinter Maxentius, welchem er an thatsächlicher [200] Macht weit überlegen war, auch an Würde nicht zurückstehe. Zugleich wünschte er die Familienbande, welche ihn mit dem Kaiserhause verknüpften, noch fester zu schlingen, indem er Fausta, die Tochter Maximian’s, die ihm schon als kleines Kind verlobt gewesen und jetzt zur Jungfrau herangeblüht war, endlich als Gattin heimführte. Beide Forderungen erschienen billig und wurden ohne Weiteres zugestanden.

Wäre der Plan, welchen Constantin damals wahrscheinlich hegte, unverändert zur Ausführung gekommen, so hätte die Verfassung des Reiches wohl folgende Gestalt gewonnen. Die Cäsarenwürde wäre ganz beseitigt gewesen. Vier jüngere Augusti hätten in derjenigen Vertheilung, welche thatsächlich schon bestand, das Reich verwaltet, aber die Einheit desselben hätte in einem fünften ältesten ihre Verkörperung gefunden, der ohne eigenes Gebiet über den Collegen thronte und ihnen seine Befehle austheilte[319]. Ihm hätte es auch obgelegen, den Ersatzmann zu bestellen, falls einer der Viere mit dem Tode abging[320]; doch wäre er, so lange Leibeserben der Kaiser vorhanden waren, in seiner Auswahl an diese gebunden gewesen[321]. Starb er selbst, so wäre der Nächstälteste an seine Stelle getreten und hätte seinerseits die Zahl des Collegiums vervollständigt. Dieser Verfassungsplan bewahrte von dem Diocletianischen System die Vierzahl der Verwaltungsbezirke und mit ihr die Allgegenwart der Kaisergewalt an jeder gefährdeten Grenze, ferner den entscheidenden Grundsatz, dass der Herrscher nur durch den Herrscher, nicht durch die Truppen zu erwählen sei. Auch die Regel, dass jeder Augustus, der lange genug lebte, vor seinem Tode in den Ruhestand treten müsse, war in gewissem Sinne aufrecht erhalten. Denn wenn beim Abscheiden seines Vordermannes der älteste von den übrigbleibenden Kaisern jedesmal auf die Verwaltung seines Reichstheils verzichten und dafür ein allgemeines Recht des höchsten Befehls und der Oberaufsicht eintauschen sollte, so erhielt er im Vergleich mit seiner früheren Thätigkeit eine Art von Ruheposten, welcher freilich sein Ansehen und seine Macht [201] nicht minderte, sondern erhöhte[322]. Dass Blutsverwandtschaft und Verschwägerung wieder in ihre Rechte eingesetzt wurden, war nur ein Zurückgreifen auf Diocletian’s frühere Pläne. Dagegen fiel der Termin der Vicennalien und die Künstlichkeit der vierfachen Abstufung nach dem Alter der Augusti und Cäsares. Denn die vier jüngeren Herrscher sollten gleichstehen und ihre Bezirke selbständig von einander verwalten. Brach ein Conflict zwischen ihnen aus, so sollte nicht der jedesmal ältere der Streitenden zu befehlen haben, sondern die Entscheidung des obersten Augustus sollte angerufen werden. Da dieser durch seine Loslösung von den einzelnen Reichstheilen von allen Particularinteressen frei war, durfte man bei ihm Unparteilichkeit voraussetzen. Verweigerte ihm ein College den Gehorsam, so besass er zwar keine selbständige Macht, um ihn zu erzwingen, aber in der Regel mussten ihm die übrigen drei Augusti mit ihren Heeren zur Verfügung stehen. Ohne Zweifel war auch dieses System etwas künstlich ausgeklügelt, doch wenn man die Theilung der Kaisergewalt als etwas Unvermeidliches betrachtete, so war es unter den gegebenen Umständen das denkbar beste. Die Reibungen zwischen den zahlreichen Herrschern konnte es zwar nicht ganz aufheben, musste sie aber wesentlich vermindern, und was die Hauptsache war, es schloss sich aufs engste an die bestehenden Zustände an und suchte diese nur in eine dauernde Form zu bringen. Denn vier Kaiser, von denen jeder seinen Reichstheil ohne Rücksicht auf den andern beherrschte und die alle mit Ausnahme Maximian’s, bei welchem solche Wünsche noch nicht öffentlich hervorgetreten waren, den Augustustitel für sich in Anspruch nahmen, hatte man ja schon thatsächlich, und zu ihnen war kürzlich der fünfte hinzugetreten, welcher kein eigenes Gebiet besass, aber durch seine Vergangenheit zu einer Oberherrschaft über die andern wohl befugt erschien.

Dieser Plan wäre also nicht so übel gewesen, doch stiess er schon bei Maximian auf Schwierigkeiten. Die Stellung des beherrschenden Oberkaisers wollte er sich zwar gern gefallen lassen, im Uebrigen aber war er von der Trefflichkeit des Diocletianischen Systems zu fest überzeugt, um mehr, als [202] unumgänglich nöthig war, daran zu ändern. Namentlich das Institut der Cäsares, das sich durch die Fügsamkeit des Constantius für ihn selbst höchst bequem erwiesen hatte, wollte er nicht beseitigen. Dass Constantin nicht hinter Maxentius zurückstehen könne, musste der Alte freilich einsehen. Denn einerseits war er früher zum Kaiser ausgerufen, hatte also das Recht der Anciennität für sich, welches nach Diocletian’s Ordnung über den Rang der Herrscher entschied; andererseits – und dies war die Hauptsache – schien seine militärische Hilfe damals noch unentbehrlich. So beschloss denn Maximian, seinen Sohn wieder zum Qäsar zu degradiren[323], was dieser sich natürlich nicht gefallen liess. Es kam zu sehr gereizten Verhandlungen und bald zum offenen Bruche. Als im Frühling 307 gleichzeitig die Erhebung Constantin’s zum Augustus und seine Hochzeit mit der Fausta gefeiert wurde[324], wagte der Festredner den Namen des Maxentius vor den beiden Kaisern nicht einmal mehr zu nennen[325].

Auch von Galerius liess sich nicht erwarten, dass er die Oberherrschaft Maximian’s, gegen welche er sich schon als Cäsar aufgelehnt hatte, jetzt, nachdem er selbst eine Zeitlang ältester Augustus gewesen war, gutwillig werde über sich ergehen lassen. Er hatte den Winter benutzt, um östlich der Alpenpässe eine sehr bedeutende Truppenmacht zusammenzuziehen[326], und drang, sobald die Jahreszeit es erlaubte[327], damit in Italien ein. Auf’s[WS 3] neue war Maxentius in der grössten Gefahr. Die Hilfe Constantin’s hatte er verscherzt und das Heer, welches er dem Severus geraubt hatte, konnte sich mit dem des Galerius nicht messen. So wagte er nicht, ihm im offenen Felde entgegen zu treten, sondern hielt seine Macht hinter den Mauern Roms concentrirt. [203] Einstweilen entlud er seinen feigen Zorn gegen den unglücklichen Severus und liess ihn den Kriegszug, welcher zu seiner Wiedereinsetzung unternommen war, mit dem Tode büssen[328].

Inzwischen gelangte der Feind ungehindert bis vor die Thore Roms, um erst hier wahrzunehmen, dass die Aufgabe, welche er sich gestellt hatte, mit den vorhandenen Mitteln unlösbar sei. Von dem Umfange der gewaltigen Stadt hatte Galerius keine Ahnung gehabt; so gross sein Heer auch war, reichte es doch nicht entfernt aus, um den Mauerring einzuschliessen[329], und einen Handstreich gegen die starken Befestigungen, die von einer mehr als ausreichenden Truppenzahl besetzt waren, mochte er nicht wagen. Denn die Wirkung, welche eine Schlappe auf die Stimmung seiner Soldaten ausüben konnte, war unberechenbar. Rathlos blieb er eine Zeitlang stehen, bis die Meuterei auch in seinen Truppen sich zu regen begann. Für diese war Maxentius ja legitimer Herrscher, und dass der Schwiegervater sich gegen die Rechte des Eidams auflehnte, der Römische Kaiser Rom mit Mord und Brand bedrohte, erschien ihnen frevelhaft. Schon gingen einzelne Abtheilungen zum Feinde über[330] und auch die Masse des Heeres war missvergnügt und schwankend. Galerius sah mit Entsetzen das Schicksal des Severus vor sich. Durch Weinen und fussfälliges Flehen suchte er das Mitleid der Soldaten wachzurufen, durch grosse Versprechungen ihren Eigennutz an sich zu fesseln, und sein Bemühen war nicht ganz vergeblich. Als sie die unförmliche Gestalt des alten Mannes, der sie so oft zum Siege geführt hatte, sich vor ihnen im Staube krümmen sahen und sein klägliches Bitten hörten, sie möchten ihn nicht einem unerbittlichen Feinde zu sicherem Tode preisgeben, da wurden auch die Herzen der harten Söldner von Rührung ergriffen. Sie stellten sich willig wieder in seine Dienste[331] und liessen sich von ihm einige Meilen rückwärts nach Terni führen.

[204] Als seine Soldaten der unmittelbaren Berührung mit den Verführern in der Hauptstadt entzogen waren, wagte es Galerius, aufs neue Halt zu machen und mit Maxentius in Unterhandlung zu treten. Er verlangte jetzt nichts weiter, als dass dieser ihn zum zweiten Male um seine Anerkennung bitte, und indem er die Krone aus seiner Hand entgegennehme, das Ansehen des ohne Schwertstreich Geschlagenen vor dessen eigenen Truppen wiederherstelle. Doch was vor Kurzem noch das höchste Ziel von Maxentius’ Wünschen gewesen war, wurde jetzt mit Hohn zurückgewiesen[332].

Der herrschgewohnte Augustus musste sich auch diese Demüthigung gefallen lassen. Als die Verhandlungen gescheitert waren, setzte er schleunigst den Rückzug fort, in heller Angst, dass er, wie Severus, verfolgt werden könne. Denn in seinem Heere war jede Mannszucht, jede Achtung vor den Befehlen des Herrschers geschwunden; es bildete nur noch eine wüste, ordnungslose Masse, die trotz ihrer grossen Zahl selbst dem Angriff einer kleinen Macht nicht hätte widerstehen können. Aber Maxentius war zu feige, um seinen Vortheil auszunutzen. Dem Severus hatte er nachgesetzt, weil seine Ohnmacht augenscheinlich war; ein Heer, das an Kopfzahl dem seinen immer noch überlegen blieb, griff er ohne Noth nicht an. Er freute sich, dass es ihm persönlich nichts mehr that, und überliess Italien ohne jede Vertheidigung einem ganz unmenschlichen Plündern, Morden und Sengen. Denn den Ausschreitungen seiner aufgelösten Banden Einhalt zu thun, hätte Galerius nicht gewagt, selbst wenn er es gewollt hätte. Zudem hielt er es für das beste Mittel, einer Verfolgung vorzubeugen, wenn alles Land, das der Feind durchziehen musste, vorher zur Wüste gemacht war, und der Römische Kaiser gab ohne Bedenken weite und blühende Landschaften Italiens dem Verderben preis, nur um seine dicke Person vor einer eingebildeten Gefahr zu schützen[333].

Wie anders Constantin, den die moderne Geschichtschreibung als gewissenlosen Egoisten zu charakterisiren liebt! Maximian, seines alten Hasses gegen Galerius eingedenk, trieb und drängte, dass er diesen auf dem Rückzüge überfallen und sich seines Reichstheils bemächtigen solle[334]. Das Unternehmen wäre aussichtsreich [205] im höchsten Grade gewesen. Da die zuchtlos plündernde Masse des Donauheeres sich nur sehr langsam vorwärts wälzte, so hätte Constantin, der in Südgallien stand, mit seinen wohldisciplinirten und leistungsfähigen Truppen wahrscheinlich früher am Fusse der Julischen Alpen eintreffen können als Galerius. Denn vorher grosse Massen zu concentriren, war unnöthig; auch eine kleine, aber gut geführte Schaar hätte genügt, um jene aufgelösten Banden in alle vier Winde zu zerstreuen, und Constantin hat sich vor dem Angriff auf weit überlegene Heere bekanntlich nie gescheut. Aber selbst wenn er sich Zeit liess und den Fliehenden nicht abschnitt, sondern erst im Gebiet der Save oder der Donau einholte, war ihm der Sieg so gut wie gewiss. Denn die Hauptmacht der Illyrischen Provinzen war ja nach Italien geführt und dort beinahe kampfunfähig geworden, und der kleinere Rest stand in weit zerstreuten Quartieren am ganzen Laufe der Donau vertheilt, konnte also schwerlich noch zu rechter Zeit zusammengezogen werden. Und wenn das Wagniss auch grösser gewesen wäre, der Preis war seiner werth. Nach Vernichtung des Galerius hätte Constantin ausser seinen alten Provinzen den Lauf der Donau von der Quelle bis zur Mündung, die ganze Balkanhalbinsel und ausserdem noch Oberitalien beherrscht. Da Afrika dem alten Maximian blind ergeben war, wäre Maxentius auf die Italische Halbinsel südlich des Appennin beschränkt geblieben, und hier konnte er sich kaum ein paar Monate halten. Denn die Kornproduction dieses Landes genügte schon seit Jahrhunderten nicht mehr, um seine Bewohner zu ernähren; nach den Verwüstungen des Galerius musste dies erst recht der Fall sein. Der Afrikanischen Zufuhren beraubt, wäre das Heer in Rom ohne Belagerung ausgehungert worden oder es hätte sich zu einem Verzweiflungskampfe den weit überlegenen Massen der vereinigten Rhein- und Donautruppen entgegenstellen müssen. Dann wäre nur noch Maximinus Daja zu besiegen übrig geblieben, falls er sich nicht, die Uebermacht des Gegners erkennend, freiwillig unterwarf. Wäre also Constantin dem Rathe seines Schwiegervaters gefolgt, so hätte er die Alleinherrschaft, um welche er noch siebzehn Jahre ringen sollte, schon jetzt gewinnen können, und dass es ihm nicht an Muth zu einem so kühnen Vorgehen fehlte, hat er genugsam bewiesen. Trotzdem blieb er als unthätiger Zuschauer in Gallien stehen [206] und hat auch die nächsten fünf Jahre an dieser passiven Rolle, die seiner feurigen Natur so wenig entsprach, entschlossen festgehalten. Und während dieser ganzen Zeit, d. h. so lange noch ein älterer Augustus als er selbst vorhanden war, hat er sich nicht einmal das Recht einer selbständigen Gesetzgebung angemasst, sondern diese Prärogative in hochherziger Bescheidenheit immer demjenigen überlassen, welchem sie nach dem Diocletianischen System zukam[335]. In dem damaligen Stadium seiner politischen Entwicklung wünschte er also die Alleinherrschaft noch gar nicht, sondern betrachtete die Mitregentschaft als eine Nothwendigkeit.

Um diese in eine geregelte und Dauer versprechende Form zurückzuführen, war es vor allem nöthig, dass Maxentius, welcher der jüngste der Augusti war, aber nach seinen neuesten Erfolgen sich weniger denn je einer Autorität fügen wollte, endlich zur Vernunft gebracht werde. Dieser Aufgabe unterzog sich Maximian. Besass er doch, wie er meinte, in der Treue seiner alten Truppen, die sie durch den Abfall zu seinem Sohne bewiesen hatten, nöthigen Falles auch die Macht zu befehlen, wo er kein gutwilliges Nachgeben fand[336]. Der Uebermuth des Maxentius war so hoch gestiegen, dass er seinem Vater nicht einmal die leere Höflichkeit erwiesen hatte, das Consulat, welches dieser kürzlich mit Constantin gemeinsam angetreten hatte, in Rom verkündigen zu lassen[337]. Dem alten Kaiser die Aufnahme zu versagen, wagte er zwar nicht, doch musste dieser gleich von Anfang an wahrnehmen, dass er entweder gar keinen oder nur zögernden Gehorsam fand. Eine Zeitlang versuchte er es, die Rolle des obersten Augustus, wie Constantin sie ihm zugetheilt hatte, in Rom zu spielen, das als Mittelpunkt des Reiches für ihn ja die gegebene Residenz schien; doch bald überzeugte er sich, dass sein Sohn am wenigsten zu ihrer Anerkennung geneigt war. Keine Unterhandlung mit ihm wollte zum Ziele führen, und in Kurzem stieg die Erbitterung zwischen dem heftigen und anspruchsvollen Greise und seinem Sprössling, der ihm leider nur zu ähnlich war, bis zum höchsten Gipfel.

[207] In Maximian reifte unter diesen Umständen der Plan, den Undankbaren seines Thrones wieder zu berauben, was auszuführen ihm ein Leichtes schien. Ohne den Zweck anzugeben, berief er das Heer zu einer Versammlung. Auch sein Sohn wollte der Staatsaction, deren Grund er nicht kannte, beiwohnen; denn da er nichts Gutes ahnen mochte, konnte er auf das Geltendmachen seines persönlichen Einflusses bei den Soldaten nicht verzichten. Auf erhöhtem Platze standen die beiden Kaiser vor den erwartungsvollen Truppen, die von einer neugierigen Volksmenge dicht umdrängt waren. Maximian nahm das Wort. In bewegter Rede schilderte er die Verwirrung, welche seit seiner Abdankung über das Reich hereingebrochen war; dann rief er, plötzlich zu seinem Sohne gewandt, dieser sei der Urheber alles Unglücks, seine Erhebung sei der Grund der Leiden, welche den Staat betroffen hätten, und riss bei diesen Worten den Purpur von den Schultern des Maxentius. Starr vor Staunen blickte die Menge auf diese bedeutungsvolle Handlung. Aber der Alte hatte sich das Publikum für seine Expectorationen schlecht gewählt. Die Verwirrung, welche er beklagte, war ja keinem willkommener gewesen, als den Soldaten, denen sie die Taschen mit unendlichen Geldspenden gefüllt und eine Garnison verschafft hatte, wie keine bessere zu denken war. Wenn er seinen Sohn verdrängte, wer schützte sie davor, dass er nicht wieder seine Residenz in Mailand nahm, und dann war es für die Mehrzahl von ihnen, wenn nicht gar für alle, mit dem lustigen Lotterleben der Hauptstadt vorbei. Als daher Maxentius vom Tribunal herab sich in die Arme der ihn auffangenden Soldaten stürzte, wurde er mit Jubelgeschrei empfangen, in das sich wilde Zornrufe gegen den unnatürlichen Vater mischten. An den geheiligten Leib des alten Kaisers Hand anzulegen, scheute sich die Menge noch; doch blieb sein Leben in der Nähe des gewissenlosen Sohnes und der aufgeregten Truppen so gefährdet, dass er bald aus Rom entwich und zu Constantin zurückkehrte[338]. Die Zeit seiner Flucht, durch welche auch die letzten Beziehungen zwischen den Beherrschern von Gallien und Italien abgebrochen wurden, scheint Mitte April 308 gewesen zu sein[339].

[208] Die nächste Folge dieser Ereignisse war der Abfall Afrikas. Seit Maximian im Jahre 297 die Diöcese von den Einfällen der Mauren befreit hatte, hingen Volk und Soldaten des Landes treu an dem alten Kaiser[340]. Auf sein ausdrückliches Geheiss hatten sie Maxentius als Cäsar anerkannt[341]; als jetzt dessen Bildnisse mit dem Augustustitel in der Inschrift anlangten und zugleich wahrscheinlich die seines Vaters entfernt werden sollten, war das Afrikanische Heer zum äussersten Widerstande entschlossen. Ohne Führer und ohne Unterstützung wagte es zwar nicht, der Uebermacht des Römischen Tyrannen in offenem Kampfe entgegenzutreten; doch wollten die Soldaten wenigstens sich selbst ihrem rechtmässigen Herrscher erhalten oder doch seinem Feinde entziehen. Sie bestiegen Schiffe, anfangs wohl um nach Gallien überzusetzen; da aber die Fahrt an Italien vorbei, das mit der Flotte von Misenum diesen Theil des Meeres völlig beherrschte, zu gefährlich schien, wandten sie sich nach Osten, um an der Küste von Afrika entlang nach Alexandria zu rudern. Aber auch hier fanden sie den Weg durch eine übermächtige Flotte verlegt und mussten nothgedrungen umkehren. Maxentius hatte die Thorheit begangen, dem Heere, dessen feindliche Gesinnung ihm über kurz oder lang den Besitz der wichtigen Kornprovinz rauben musste, den freien Abzug, welchen es einzig ersehnte, nicht zu gestatten. Jetzt rüstete er einen Kriegszug zur Unterwerfung Afrikas, und bei der allgemeinen Niedergeschlagenheit, welche hier herrschte, wäre dieser kaum erfolglos gewesen. Doch im entscheidenden Augenblick wollten seine Wahrsager schlechte Zeichen erblicken, und der Feigling blieb zu Hause. Nichtsdestoweniger war das entmuthigte Heer, so lange es zum Widerstande keinen Führer hatte, bereit, sich zu fügen, und der [209] einzige Beamte, welcher das Ansehen besass, um sich an seine Spitze zu stellen, der Vicar L. Domitius Alexander[342], war ein schwacher Greis von ruheliebender und furchtsamer Natur. Trotzdem wagte Maxentius, durch seine Orakel geschreckt, es nicht, ihn abzuberufen; doch forderte er von ihm als Geisel für sein Wohlverhalten die Auslieferung seines Sohnes. Der Vater, welcher den schönen Jüngling nicht den unsauberen Begierden des Wüstlings preisgeben wollte, leistete Widerstand. Bald darauf wurden ein paar gedungene Mörder ergriffen, welche der würdige Kaiser gegen seinen Vicar ausgesandt hatte. Jetzt sah Alexander, dass er sein Leben nur mit den Waffen beschützen könne, und liess sich von den Truppen, welche gern dazu bereit waren, mit dem Purpur bekleiden. Afrika war für den Beherrscher Italiens einstweilen verloren[343].

Die Folgen liessen nicht auf sich warten. In Italien, das jetzt von jeder äusseren Zufuhr abgeschnitten war, brachen furchtbare Hungersnöthe aus[344] und, wie immer, waren sie in der Hauptstadt von Tumulten der verzweifelten Volksmassen begleitet. Der rohe Tyrann erstickte das Geschrei des hungrigen Pöbels, indem er 6000 Menschen durch seine Prätorianer hinschlachten liess[345]. Auch unter den Truppen war die Mannszucht gelockert, was sich in Aufständen und Strassenkämpfen kundgab[346]. Bei all dem Blut und Jammer dachte Maxentius nur daran, seine Herrschaft zu geniessen. Kein schönes Weib, kein blühender Jüngling war vor brutalem Zwange sicher[347]; ungeheure Summen wurden in Spielen und Belustigungen aller Art verschleudert. Da auch die Soldaten durch stets erneute Geschenke bei guter [210] Laune erhalten werden mussten[348] und die regelmässigen Staatseinkünfte in den Hungerjahren natürlich nur sehr sparsam einliefen, war der Schatz in kurzer Zeit bis auf’s äusserste erschöpft. Maxentius hatte seine Regierung schon gleich damit eingeleitet, dass er das Geld leichter schlagen liess, und in den fünf Jahren seiner Herrschaft sank es allmählig bis auf ein Drittel seines normalen Gewichtes herab[349]. Doch solche Künste konnten nur für den Augenblick helfen; durch das schnelle Steigen aller Preise wurde der Vortheil, welchen die Vermehrung des Geldes anfangs gebracht hatte, in Kurzem weit überwogen. Als auch die Geldgeschenke, welche er von den wohlhabenderen Unterthanen erzwang[350], für die Befriedigung der Staatsbedürfnisse und der unersättlichen Lüste des Kaisers nicht mehr ausreichten, blieb kein anderes Mittel als Plünderung der Tempelschätze[351] und ausgedehnte Confiscationen[352], verbunden mit den Justizmorden, welche sie voraussetzten. Da sich zur Geldnoth bald auch das Misstrauen gesellte, welches keinem Tyrannen auf die Dauer fremd bleiben kann, so wüthete das Schwert des Henkers furchtbar unter den Häuptern der Römischen Aristokratie[353]. So knirschten Hoch und Niedrig unter dem harten Joche; nur der Soldat, dessen Taschen immer voll waren und der an den Freuden seines Herrschers seinen reichen Antheil genoss, fand, dass er niemals lustigere Tage gehabt habe, und war entschlossen, den letzten Blutstropfen daranzusetzen, damit diese unvergleichliche Regierung kein zu frühes Ende finde[354]. Und fest genug schien sie zu stehen. Nachdem Maxentius drei Kaiser, von denen zwei mit weit überlegener Heeresmacht herangezogen waren und der dritte gegen ihn die Autorität des Vaters geltend machen konnte, fast spielend hatte abthun können, hielt Jeder ausser Constantin ihn für unangreifbar[355]. Dieser brauchte zwar keinen Abfall seiner Truppen [211] zu fürchten, aber es erschien ihm als Todsünde, Bürgerblut zu vergiessen, ohne dass er dazu gezwungen war. Doch so fest er auch daran hielt, immer nur auf gesetzlichem Wege vorzugehen und seinen älteren Collegen alle schuldige Achtung zu erweisen, die Thorheiten der letzteren sollten auch ihn in die Opposition hineinzwingen.

Als Galerius seinen Angriff gescheitert, sein Ansehen bei dem eigenen Heere tief erschüttert sah; als er fürchten musste, dass ein Einfall des Maxentius in seinen Reichstheil ihm auch den letzten Rest seiner Macht und vielleicht das Leben rauben werde: da wusste er sich keinen andern Rath, als bei seinem alten Gebieter Hilfe zu suchen. An Diocletian, den er einst selbst zur Abdankung getrieben hatte, wandte er sich jetzt mit der flehenden Bitte, die Herrschaft auf’s Neue zu übernehmen und dem Reiche, wie er es schon einmal gethan, die Ruhe wiederzugeben. Wie dieser früher die gleiche Aufforderung Maximian’s zurückgewiesen hatte, so blieb er auch jetzt standhaft[356], doch sagte er Rath und Vermittlung zu. In Carnuntum[357], dem Hauptquartier der Pannonischen Heere, einige Meilen donauabwärts von Wien, traf er mit Galerius zusammen. Auch Maximian, der wahrscheinlich zugleich im Namen Constantin’s unterhandeln sollte, fand sich hier ein[358]. Diocletian hatte in den drei Jahren, die er still in seinem Dalmatinischen Ruhesitze zugebracht hatte, nichts gelernt und nichts vergessen. Wie er an seiner Abdankung trotz der erneuten Bitten seiner Collegen hartnäckig festhielt, so wollte er auch im Uebrigen den Zustand, welchen er dem Reiche hinterlassen hatte, unverändert wieder herstellen. Maximian sollte in das Privatleben zurückkehren, und zwei Augusti sollten mit zwei Cäsares das Reich in der alten Weise theilen. Galerius und Maximinus Daja sollten den Platz, welchen Diocletian selbst ihnen früher angewiesen hatte, natürlich behalten. Auch Constantin hatte genügende Proben einer guten Gesinnung abgelegt, um ihn aus dem Collegium nicht ganz auszuschliessen; aber zum Augustus war er noch zu jung[359]. Er konnte ruhig die fünf Jahre warten, [212] welche bis zu den Vicennalien des Galerius, die ja der Termin von dessen Abdankung sein sollten, noch übrig waren. Unterdessen sollte er Cäsar bleiben und die Stelle des zweiten Augustus dem alten Licinius überlassen[360], der schon früher dafür in Aussicht genommen war. Mit Maxentius, dessen rohe Tyrannennatur deutlich hervorgetreten war, wollte Diocletian kurzen Process machen. Hatte er selbst doch so viele Usurpatoren abgethan: warum sollten seine Nachfolger nicht mit diesem einen fertig werden? Licinius, welchem Pannonien[361] und der Italische Reichstheil zugewiesen wurden, erhielt mit diesem zugleich die angenehme Aufgabe, der Katz die Schelle anzuhängen[362]; um der Krone willen übernahm er sie, hat sich aber immer vor ihrer Ausführung weislich in Acht genommen. Am 11. November 308 wurde er feierlich mit dem Purpur bekleidet[363]. Dies und die erneute Abdankung Maximian’s, der zum zweiten Male der Autorität seines alten Mitregenten nicht zu widerstehen vermochte[364], waren aber auch die einzigen Resultate des Congresses von Carnuntum. Diocletian sah mit hoher Genugthuung sein System bis in die kleinsten Einzelheiten gerettet, aber er hatte es diesmal völlig in die Luft gebaut, ohne auf die Zustände, welche sich auf Erden entwickelt hatten, irgend welche Rücksicht zu nehmen.

Constantin hatte er mit väterlichem Wohlwollen zu behandeln gemeint; aber so sehnlich dieser auch die Eintracht im Herrschercollegium aufrecht erhalten wünschte, den Beschlüssen von Carnuntum konnte er sich gar nicht fügen, selbst wenn er gewollt hätte. Er wäre bei seinen Truppen, auf deren Zuneigung seine ganze Macht beruhte, zum Gespötte geworden, falls er den Augustustitel, welchen er sich bei seiner Vermählungsfeier mit so grossem Prunk hatte verleihen lassen, zum zweiten Male kleinlaut bei Seite gethan hätte. Nicht einmal das Consulat, welches [213] man ihm gnädig für das Jahr 309 mit Licinius gemeinsam übertragen hatte[365], konnte er sich gefallen lassen, ohne sich selbst zu desavouiren. Denn wie Diocletian alle Regierungshandlungen Maximian’s, welche hinter dessen erster Abdankung lagen, einfach als nichtig behandelte, so auch das Consulat, das dieser sich selbst und Constantin im Jahre 307 beigelegt hatte. Letzterer sollte also wieder Consul zum ersten Male werden, eine neue Lächerlichkeit, die er nicht über sich ergehen lassen konnte. Doch ging er nicht über eine passive Ablehnung hinaus und gestattete sich auch ferner keinen Uebergriff in die Rechte, welche dem ältesten Augustus vorbehalten blieben. Weder erliess er Gesetze noch bestellte er Consuln, obgleich er die von Galerius ernannten auch noch im nächsten Jahre nicht in seinem Reichstheil verkündigen liess[366].

Zu diesem bescheidenen, aber darum nur um so wirksameren Widerstande gesellte sich unerwartet ein neuer aus dem eigenen Lager des Galerius. Maximinus Daja war es müde geworden, die Rolle des artigen Kindes zu spielen, welches nicht fragt, aber darum auch nichts kriegt. Alle anderen Kaiser waren jetzt Augusti, nur er, der nächst Galerius die ältesten Rechte besass und sich immer fügsam gezeigt hatte, sollte hinter ihnen zurückstehen. Vergebens ermahnte ihn sein Augustus durch wiederholte Botschaften zur Geduld; seine Forderung wurde immer drohender. Da der Cäsarentitel Keinem mehr gefallen wollte, suchte Galerius das Princip zu retten und zugleich seine jungen Collegen zu befriedigen, indem er ihn abschaffte und sie statt dessen zu „Söhnen der Augusti“ (filii Augustorum) ernannte[367]. [214] Doch mit einer blossen Aenderung der Titulatur war ihnen begreiflicher Weise nicht gedient. Eines schönen Tages traf von Maximin die trockene Meldung ein, seine Soldaten hätten ihn bei ihrer letzten Versammlung zum Augustus ausgerufen. Galerius musste dies schweigend hinnehmen[368] und die Anordnungen Diocletian’s, welche ihm so genehm gewesen waren, endgültig zu den Todten werfen (310)[369].

Unterdessen war Maximian nach Gallien zurückgekehrt, wo er kaum sehr freundlich, aber ehrenvoll, wie immer, empfangen wurde[370]. Nur wurde seine Abdankung, die er wieder freiwillig ausgesprochen hatte, diesmal natürlich für Ernst genommen. Alle äusseren Ehren des Kaiserthums blieben ihm im vollsten Masse bewahrt, sein Rath wurde höflich angehört, aber thatsächlich in seine Regierung dreinreden liess sich Constantin von ihm nicht mehr. Dieser Schein der Macht ohne ihr Wesen wurde dem unruhigen Greise bald noch unerträglicher, als die frühere Ruhe auf seinem stillen Landgute. Etwa ein Jahr lang hielt er ihn aus; aber schon schmiedete er neue Pläne, die plötzlich zu seinem eigenen Verderben hervorbrechen sollten.

Aus guten Gründen hielt Constantin seine Hauptmacht noch immer in der Nähe der Alpenpässe concentrirt. Am Rhein, dessen barbarische Anwohner er durch einige schnelle und kühne Schläge in einen heilsamen Schrecken versetzt hatte[371], standen nur die nothwendigsten Garnisonen; Arles war seine ständige Residenz und zugleich der Mittelpunkt seiner Truppenaufstellung. Hier traf ihn im Frühling 310[372] die Nachricht, dass die Grenze auf’s neue bedroht sei, doch schien die Gefahr nicht so gross, um ein bedeutendes Heeresaufgebot nöthig zu machen. Mit [215] kleiner Macht[373] zog Constantin selbst ins Feld. Sein Schwiegervater hatte ihm eine Strecke das Geleit gegeben und kehrte jetzt langsam mit der Leibwache und dem zahlreichen Gefolge, welches seinem Range gebührte, nach Arles zurück, wobei er bei allen Magazinen, welche an der grossen Militärstrasse nach dem Norden angelegt waren, so lange Halt machte, bis ihre Vorräthe aufgezehrt oder verschleudert waren. Auf diese Weise hoffte er den Rückmarsch Constantin’s aufzuhalten[374]. In der Residenz angelangt, nahm er plötzlich wieder den Purpur und sandte Briefe an alle Heere des Westens, in denen er sie zum Anschluss aufforderte und ihnen zur Belohnung ungeheure Geldgeschenke in Aussicht stellte[375]. Diese Verführungskünste blieben wirkungslos. Nur die Truppen, welche in Arles und in seiner nächsten Umgebung standen und von Constantin selbst daran gewöhnt waren, dem alten Kaiser Achtung und Gehorsam zu zollen[376], liessen sich zum Theil von ihm gewinnen. Da drang die Nachricht von dem Geschehenen auch an den Rhein, und mit beispielloser Schnelligkeit marschirte Constantin zurück[377]. Als die ermatteten Soldaten an die Saône gelangt waren, wurden sie auf vorher bestellte Boote und Flösse gesetzt und im Fluge ging es die grosse Wasserstrasse hinunter[378]. Da auf diese Weise die nothwendigen Lebensmittel leicht mitgeführt werden konnten, hielt auch die Ausleerung der Magazine das Heer nicht auf. Nach wenigen Tagen war es in Arles, aber Maximian wurde dort nicht mehr vorgefunden. Die Macht, welche sich ihm angeschlossen hatte, war zu klein gewesen, um Constantin ernstlichen Widerstand zu leisten. Er hatte sich in das feste Marseille geworfen[379] und wahrscheinlich seinem Sohne die Gewinnung Galliens als lockenden Preis gezeigt, um von seiner Flotte Entsatz und Beistand zu erhalten[380]. Denn seinen Versuch, sich wieder eine selbständige Herrschaft zu verschaffen, musste er schon jetzt als gescheitert betrachten, und bei Maxentius konnte [216] er, wenn auch nicht die Macht, so doch das nackte Leben retten, das ihm bei einem Siege Constantin’s verfallen schien. Aber schon stand dieser auch vor Marseille und im ersten Ansturm bemächtigte er sich des Hafens, wodurch für ihn die dringendste Gefahr abgewandt war. Auch die Mauern der Stadt selbst versuchten seine Truppen sogleich zu ersteigen, doch erwiesen sich die mitgebrachten Sturmleitern als zu kurz für ihre Höhe[381].

So liess denn Constantin zum Rückzug blasen. Eine Stadt seines eigenen Reiches dem Unheil preiszugeben, das eine Einnahme mit stürmender Hand ihr bereiten musste, wäre ihm selbst nicht lieb gewesen[382]. Maximian wurde zu Verhandlungen eingeladen und von der Mauer herab redete er mit seinem untenstehenden Schwiegersohn. Den Versprechungen desselben wollte der heftige Greis, welcher selbst so oft die Treue gebrochen hatte, nicht Glauben schenken, und die Unterredung schien ergebnisslos bleiben zu wollen. Da öffneten die abgefallenen Soldaten, welche bei dem Anblick ihres Kaisers schnell von Reue erfasst waren, selbst die Thore, und ungehindert drang das Heer Constantin’s hinein. Maximian wurde als Gefangener vor den Sieger geschleppt, und dieser schenkte ihm grossmüthig sein verwirktes Leben[383].

Kurze Zeit darauf fand man ihn in einem Gemache des Palastes erhängt[384]. Die Verantwortung für seinen Tod lehnte Constantin ab[385], aber schon damals haben ihm weder Freund noch Feind Glauben geschenkt. Wer ohne Erfolg nach der Krone gegriffen hatte, der musste den Versuch mit seinem Kopfe bezahlen. Dieser Satz galt den Zeitgenossen für so selbstverständlich und ausnahmslos, dass sie die officiell verbreitete Nachricht, Maximian habe freiwillig seinem Leben ein Ende gemacht, nur mit ungläubigem Kopfschütteln aufnehmen konnten. Nichtsdestoweniger haben sie Constantin von jedem moralischen Verschulden [217] einstimmig frei gesprochen[386]. Wenn er einem gefährlichen Hochverräther, dessen Leben nach den Gesetzen verwirkt war, die Wahl des leichtesten Todes und die eigenhändige Vollziehung der Strafe gestattete, so war dies in ihren Augen ein Act der Milde, nicht der Grausamkeit. Dies Urtheil der Geschichte haben die neueren Schriftsteller auf Grund ihres modernen Sittenkodex umstossen zu müssen geglaubt und auch bei dieser Gelegenheit schaudernd von den Verwandtenmorden Constantin’s geredet. Wie mich dünkt, hängt die Entscheidung einzig und allein von der Frage ab, ob Maximian noch als gefährlich gelten konnte oder nicht; denn dass er unverbesserlich war, stand durch vielfache Proben fest. Bejaht man sie, so wird man es als eine Pflicht des Kaisers gegen sein Reich anerkennen, wenn er dem Rechte freien Lauf liess und den Urheber künftiger Bürgerkriege aus dem Wege räumte. Höchstens dass er von den gesetzlichen Formen des Processes absah, wird man ihm zum Vorwurf machen können; doch diese waren gegen Usurpatoren auch vorher nie zur Anwendung gekommen. Hält man dagegen Maximian für ungefährlich, so liegt kein Grund vor, warum man der eigenen Versicherung Constantins nicht Glauben schenken sollte, um so mehr, als er zu seiner Rechtfertigung vor den Zeitgenossen einer Lüge nicht bedurfte. Ein freiwilliger Selbstmord des erregbaren Greises, dem zu einem schnellen Entschlusse der Verzweiflung der Muth wahrlich nicht fehlte, ist doch psychologisch nichts weniger als unwahrscheinlich. Er, der als Soldat emporgekommen war und dessen Andenken bei den Truppen auch nach seinem Rücktritt noch Kaiser gemacht und Kaiser vernichtet hatte, sah jetzt jeden Einfluss bei seinem geliebten Heer und damit jeden Rest der altgewohnten Macht dahingeschwunden. Die Truppen seines Sohnes hatten ihn zornig aus Rom getrieben; von denen seines Schwiegersohnes war selbst der kleine Theil, den er anfangs hatte verführen können, wieder von ihm abgefallen. Jede Hoffnung auf künftigen Erfolg, jede Möglichkeit eines neuen Versuches sah er sich abgeschnitten; er selbst fühlte sich ungefährlich und konnte dies Bewusstsein nicht ertragen. Der dreimal [218] erhobene und dreimal abgesetzte Herrscher, welcher aus allen Wechselfällen doch immer sein elendes Leben gerettet hatte, war zum Spott und Hohn der Unterthanen geworden; selbst die kaiserlichen Ehren, welche ihm Constantin noch immer erweisen liess, mussten ihn beleidigen. Bei seinem Schwiegersohn und seiner Tochter, die ihm mit höflicher Kälte begegneten, unter den Hofbeamten, deren knechtische Mienen ihre Verachtung des schimpflich Begnadigten kaum verbergen konnten, erlitt er stete Qualen der Reue und des ohnmächtigen Zornes. Es blieb ihm nur übrig, seine Schmach in ländlicher Zurückgezogenheit zu begraben oder ein noch tieferes Grab zu suchen. Er hatte Selbstgefühl genug, um das Zweite zu erwählen.

Die Pläne und Ideen Constantin’s wurden durch den Tod seines Schwiegervaters auf’s Empfindlichste durchkreuzt. Die Aufrechterhaltung und Festigung der dynastischen Thronfolge war bisher das leitende Princip seiner ganzen Politik gewesen, und jetzt sah er den Gründer seiner Dynastie und damit seine eigene Legitimität mit einem unauslöschlichen Makel befleckt. Wäre Maximian erst nach einigen Jahren erzwungener Ruhe gestorben, so konnte man seine Verbrechen und Thorheiten vergessen und seinem Andenken die göttliche Verehrung, welche dem Grossvater des regierenden Kaisers zukam, angedeihen lassen. So aber war sein Tod fast unmittelbar seinem Aufruhr gefolgt, und kein Mensch im Reiche zweifelte daran, dass Constantin ihn herbeigeführt habe. Jedes Leugnen war nutzlos; die einzige Rechtfertigung des Herrschers, welche man anerkennen musste, lag in der Verurtheilung Maximian’s. War er kein Tyrann und Usurpator, der sein Leben rechtlich verwirkt hatte, so wurde Constantin in den Augen des Volkes zum Mörder. So konnte dieser nicht umhin, die Verfluchung des Andenkens, welche bei Verbrechen dieser Art regelmässig die Todesstrafe zu verschärfen pflegte, auch über seinen Grossvater auszusprechen, seine Statuen umstürzen, seine Inschriften tilgen zu lassen[387]. Damit aber waren nach dem Staatsrecht jener Zeit alle seine Regierungshandlungen für nichtig erklärt, und zu diesen gehörte sowohl die Erhebung des Constantius, als auch die Verleihung des Augustustitels an [219] dessen Sohn. So war das formelle Thronrecht, dessen strenge Aufrechterhaltung Constantin in diesem Zeitalter der Soldatenwillkür als der einzige Rettungsanker erschienen war, für ihn selbst in Nichts zerfallen und das ganze System, welchem er bisher mit Ueberzeugung und Entsagung gedient hatte, rettungslos zusammengestürzt. Der böse Schwiegervater hatte ihm mit seinem Tode einen schwereren Streich versetzt, als je in seinem Leben; wahrlich, es war nicht nur Grossmuth gewesen, wenn er dem grauhaarigen Thoren die verdiente Strafe geschenkt hatte. Aber Constantin pflegte nicht um Mittel verlegen zu sein. Schnell entschlossen setzte er an die Stelle seiner untergegangenen Legitimität eine neue, die freilich fadenscheinig genug war, sich aber doch allmählig einbürgern und ein Princip für die Zukunft schaffen konnte. Einer seiner Hofgelehrten machte plötzlich die glückliche Entdeckung, dass sein Vater Constantius aus einer unehelichen Verbindung des Divus Claudius herstamme[388], eines der wenigen Kaiser, welche im dritten Jahrhundert weder entthront noch ermordet waren. Auch Constantin selbst war ja einem Concubinat entsprossen, und wie wir schon dargelegt haben, [220] galten zwar nicht nach dem Rechte, wohl aber nach der Anschauung der Soldaten Bastarde dieser Art den rechtmässigen Söhnen gleich. Wenige Monate nach dem Tode Maximian’s rief es schon ein Lobredner laut in die Welt hinaus, dass Constantin seine Krone nicht der Wahl des Heeres oder der zufälligen Gunst irgend eines Menschen verdanke, sondern nur den unverlierbaren Rechten seiner kaiserlichen Abstammung[389] Dass das Blut allein den Herrscher mache, sollte die neue Theorie der Legitimität werden, und ohne Zweifel war sie natürlicher und versprach eine grössere Dauer, als das ausgetiftelte System Diocletian’s. Freilich stempelte sie alle Mitregenten Constantin’s zu Usurpatoren und stellte ihn allein als den berechtigten Herrscher hin. Derselbe Mann, welchen früher seine Bewunderung für die Diocletianische Reichsordnung zur äussersten Fügsamkeit gegen die älteren Augusti veranlasst hatte, war jetzt durch die Macht der Ereignisse, vor allem durch die Thorheiten des Congresses von Carnuntum dazu getrieben worden, seinen Mitkaisern offen den Handschuh hinzuwerfen und eine Parole auszugeben, die in ihren Consequenzen zwar nicht nothwendig zu seiner Alleinherrschaft, wohl aber zur Herrschaft seiner Familie führen musste. Ganz verliess er darum sein früheres System noch nicht[390]; einstweilen war es nur eine Forderung, die er theoretisch an die Zukunft stellte. Aber bald sollte er ihr auch praktische Folgen geben können, obgleich er noch immer sein Verhalten darauf einrichtete, jeden Bürgerkrieg so lange als möglich zu vermeiden.

Denn schon bereitete sich ein Ereigniss vor, das den Zuständen des Reiches eine ganz neue Gestalt geben sollte. Noch ehe den älteren Maximian sein Schicksal ereilte, war dessen Namensgenosse und bitterster Feind von einer Krankheit befallen worden, die ihn unter furchtbaren Qualen langsam, aber unaufhaltsam dem Tode entgegenführte. Die geschicktesten Aerzte erschöpften vergebens ihre Kunst; das Orakel des Apollo gab neue Heilverfahren an, die das Uebel noch schlimmer machten; endlich wurde sogar den Christen, deren eifrigster Verfolger Galerius bis dahin gewesen war, gesetzliche Duldung gewährt, damit sie zu [221] ihrem Gotte für die Genesung des Kaisers beten könnten. Es war die letzte Regierungsthat des Sterbenden; wenige Tage nach Erlass des Toleranzedictes wurde er von den Schmerzen befreit, die ein ganzes Jahr lang seinen Leib verzehrt hatten (Mai 311)[391]. Die Zurüstungen für seine Vicennalien, zu deren prächtiger Begehung er unter grausamem Steuerdruck die Summen zusammengetrieben hatte, waren vergebens gewesen[392].

Der Unglückliche, welcher nach einem ruhelosen Leben jetzt endlich Frieden fand, hatte sich übermüthig in der Macht, kleinmüthig in der Bedrängniss erwiesen. Er hatte durch Aberglauben und Selbstsucht viel Blut und Elend über das Reich gebracht; aber in seinen letzten Jahren war er doch der Einzige gewesen, der die auseinanderfallenden Theile desselben noch einigermassen zusammenhielt. Die Autorität ihres Aeltermannes hatten wenigstens drei Augusti anerkannt; jetzt stand jeder auf sich allein und spähte, wie er seine Macht auf Kosten der anderen vergrössere. Kaum war die Nachricht von dem Tode des Galerius in den Orient gedrungen, so durchflog Maximinus mit der Eilpost die Provinzen von Asien und Pontus, um sie für sich in Besitz zu nehmen. Die Unterthanen gewann er durch Steuernachlässe; den Soldaten gegenüber wird er es an Geschenken nicht haben fehlen lassen. Licinius, dem mit dem Augustustitel nur ein Theil der Donauprovinzen und die leere Anwartschaft auf das Gebiet des Maxentius zugefallen war, hatte jetzt die Erbschaft des Galerius antreten zu können gemeint, als er sich plötzlich die reichere Hälfte derselben vorweggenommen sah. Mit dem Donauheere eilte er herbei, um seine Rechte zu wahren. Die Creaturen des Verstorbenen standen sich an beiden Ufern des Bosporus kampfbereit gegenüber. Aber jeder scheute den Uebergang und zum Schlusse wurde ein Vertrag auf Grund des thatsächlichen Besitzstandes geschlossen, den keiner der Contrahenten dauernd aufrecht zu erhalten gedachte[393]. Die Theile des Reiches, welches noch immer als ein einheitliches gelten sollte, verhielten sich auch ferner zu einander wie kriegführende [222] Staaten. Selbst der Handelsverkehr zwischen ihnen war gänzlich unterbrochen, weil jeder Kaufmann, der aus dem Gebiete des feindlichen Mitregenten kam, Gefahr lief, als Spion betrachtet zu werden und der Folter oder gar der Todesstrafe zu verfallen[394]. Licinius grollte ob der geraubten zwei Diöcesen; Maximinus lauerte nur auf die Gelegenheit, um auch Illyricum an sich zu reissen, und seiner rührigen Begehrlichkeit sollte es gelingen, auch die träge Natur des Maxentius endlich in Bewegung zu setzen.

So günstig für diesen schon mehrmals die Chancen gewesen waren, hatte er doch niemals den Ehrgeiz gehabt, über Italien hinaus, das ihm von selbst in den Schooss gefallen war und zur Befriedigung seiner Lüste vollauf genügte, die Grenzen seines Machtbereiches auszudehnen. Auch die Provinzen zwischen Alpen und Donau, welche bis zum Wiener Wald noch zur Norditalischen Diöcese gehörten, überliess er kampflos dem Licinius[395], ja er brüstete sich sogar, dass er die anderen Kaiser an den Grenzen für sich kämpfen lasse, während er im Centrum des Reiches mühelos die Herrschaft geniesse[396]. Selbst nach dem unentbehrlichen Afrika scheint er seine Hand nicht mehr ausgestreckt zu haben, seit böse Vorzeichen seinen ersten Kriegszug aufgehalten hatten. Jetzt aber bedurfte Maximin der Bundesgenossenschaft des römischen Tyrannen[397]. Nach seinem Plane sollte dieser den Theil der Donauprovinzen, welcher zu Italien gerechnet wurde und dem Beherrscher desselben von Rechtswegen zukam, zu besetzen versuchen[398], und indem er so die Heeresmacht Illyricums auf sich zog, für Maximinus selbst den Uebergang über den Bosporus freimachen. Licinius wäre dann von zwei Seiten zugleich angegriffen und wahrscheinlich erdrückt worden. Später [223] sollte Constantin an die Reihe kommen, und endlich das ganze Reich zwischen Maxentius und Maximinus allein getheilt werden. Der Plan war nicht schlecht entworfen und der Siegespreis hoch genug, um selbst einen Maxentius aus seiner trägen Ruhe aufzustören, um so mehr, als er ja den Freuden der Hauptstadt keinen Augenblick den Rücken zu wenden brauchte, sondern alles durch geschickte Feldherren abmachen konnte. Dass er zum Schlusse wahrscheinlich der Uebertölpelte gewesen wäre, blieb seinem stumpfen Geiste verborgen. Denn wenn Maximin erst einmal Illyricum in seiner Hand hielt, so stand es ihm ja frei, ob er sich mit Maxentius gegen Constantin oder mit Constantin gegen Maxentius verbünden wolle, und er war treulos genug, um lieber Italien für sich, als Gallien für seinen Bundesgenossen zu erobern. Doch dies waren Sorgen der Zukunft; einstweilen stand es fest, dass man in Rom an einen Angriffskrieg nicht denken könne, ehe durch Wiederherstellung der Afrikanischen Kornzufuhr die Verpflegung des Heeres sicher gestellt war. So schiffte denn Rufius Volusianus, der tüchtige Gardepräfect des Maxentius, einen kleinen Theil der Römischen Truppen ein und setzte nach Afrika über. Das Unternehmen gelang überraschend schnell und glücklich. Der schwächliche Alexander verfiel seinem Geschick, furchtbar wüthete der Henker unter seinen wirklichen oder vermeintlichen Anhängern, und Ueberfluss herrschte wieder in der Hauptstadt[399].

Die nächste Sorge hätte jetzt sein müssen, Constantin so lange in Unthätigkeit zu erhalten, bis man mit Licinius fertig war, und er selbst machte seinen Feinden, deren Pläne er noch nicht kannte, diese Aufgabe leicht genug. Aber Maxentius war zu unklug und leidenschaftlich, als dass er seine augenblicklichen Stimmungen irgend welcher Rücksicht hätte unterordnen können.

Bis dahin hatte er Constantin als legitimen Herrscher anerkannt. Dessen Statuen standen auf den öffentlichen Plätzen [224] Roms[400], und mit seinem Bildniss wurden fortdauernd in Italien Münzen geschlagen; Höflichkeiten, die der Gallische Imperator bisher nicht erwidert hatte. So lange der älteste Augustus, als welcher ihm zuerst Maximian, nach dessen zweiter Abdankung Galerius gegolten hatte, Maxentius die Anerkennung verweigerte, glaubte auch er diesem Beispiel gehorsam folgen zu müssen. Jetzt war die erste Stelle im Collegium nach der Reihenfolge der Anciennität auf Maximinus übergegangen, und da dieser sich dem Römischen Tyrannen freundlich zeigte, kam ihm auch Constantin entgegen. Die Reichseintheilung Diocletians hatte sich mit einer unbedeutenden Veränderung von selbst wiederhergestellt; wenn es gelang, diesen Zustand zu einem dauernden zu machen und zugleich ein freundliches Verhältniss zwischen den Beherrschern der einzelnen Theile herbeizuführen, so konnte das Reich ungefähr in derselben Weise friedlich verwaltet werden, wie vor dem Jahre 306. Denn dass die Cäsaren verschwunden waren, schien unwesentlich, sobald den älteren Augusti den jüngeren gegenüber ein legitimes Befehlsrecht eingeräumt wurde. Der Besitz Italiens lockte Constantin nicht; denn er konnte sich nicht verhehlen, dass ein Reichstheil, welcher von Anfang an dem Licinius zugewiesen war und von dem dieser noch immer ein Stück besetzt hielt, zwischen ihnen alsbald zum Zankapfel werden musste. Es schien ihm daher für den Frieden des Reiches das Angemessenste, wenn dieses Land seinen gesonderten Herrscher behielt; nur auf diese Weise konnte das nothwendige Gleichgewicht der Macht zwischen den Kaisern erhalten bleiben. So trat er denn in Unterhandlungen mit seinen drei Mitregenten[401]; aber nur bei Licinius hatten sie gedeihlichen Fortgang, weil dieser die Gefahr über seinem Haupte schweben sah und eine Anlehnung an den mächtigen Gebieter Galliens ihm sehr willkommen [225] sein musste. Er verlobte sich mit dessen Schwester Constantia und erwarb so nach Constantin’s neuer Legitimitätstheorie das Recht auf einen Antheil an der Erbschaft des Divus Claudius. Der Bruder der Fausta gehörte bereits zur Verwandtschaft, und auch mit Maximin hätten sich bei einigem guten Willen ähnliche Bande knüpfen lassen, so dass alle Kaiser wieder eine Familie gebildet hätten. Aber die Beiden, welche sich nicht bedroht wussten, hatten keinen guten Willen. Maxentius hatte mit seinem Vater stets in Feindschaft gelebt; als aber dieser, wie das Gerücht sagte, auf Constantin’s Befehl gestorben war, erhob er den Aufrührer, dessen Andenken in Gallien mit dem Fluche belegt war, in Rom unter die Götter, liess Münzen zu seiner Erinnerung schlagen und forderte Genugthuung für seinen Tod[402]. Dass der pietätvolle Sohn nur deshalb seine edle Entrüstung zur Schau trug, um einen anständigen Kriegsgrund zu gewinnen, konnte Constantin nicht lange verborgen bleiben. Immer noch suchte er den Frieden, doch die Unterhandlungen wurden bald scharf und gereizt und endeten damit, dass Maxentius in seinem Reichstheil die Statuen Constantin’s umstürzen liess und ihn officiell als Tyrannen brandmarkte[403]. Dies war die förmliche Erklärung des Krieges; ihm auszuweichen war nicht mehr möglich; das Heil des Reiches lag jetzt in seiner energischen Führung und schnellen Beendigung.

So sehr Constantin auch bemüht gewesen war, den Kampf zu vermeiden, hatte er ihn doch schon lange kommen sehen und auf das sorgfältigste vorbereitet. Ueber die Truppen des Maxentius war er genau unterrichtet und hatte die seinen durch langwierige Exercitien darauf eingeübt, gerade diesen Soldaten und ihrer eigenthümlichen Kampfart wirksam entgegenzutreten[404]. Trotzdem war die Zeit für ihn die denkbar ungünstigste. Denn eben gährte es wieder unter den Germanen, und ein neuer Angriff von ihnen schien nahe bevorzustehen. Da Constantin pflichttreu genug war, sein Gallien nicht schutzlos den Barbaren preiszugeben, so konnte er kaum ein Viertel seiner Truppenmacht [226] gegen Maxentius führen, im Ganzen etwa 25 000 Mann[405]. Dem gegenüber hatte sein Feind mit dem Heere, welches er dem Severus abtrünnig gemacht und dann noch durch die zahlreichen Ueberläufer des Galerius verstärkt hatte, jetzt das Afrikanische des Alexander vereinigt und diese Doppelmacht durch umfangreiche Aushebungen in Italien und Afrika bis auf 170 000 Mann und 18 000 Rosse vermehrt[406]. Dazu brauchte er keine bedrohte Grenze zu schützen, sondern konnte sämmtliche vorhandenen Truppen im Bürgerkriege verwenden. Alle Officiere Constantin’s waren voll banger Sorge; auch die Haruspices, welche bei dieser Gelegenheit noch befragt wurden, verkündeten schlimme Zeichen[407]. Aber er selbst traute es sich zu, durch Schnelligkeit und Feldherrngabe auszugleichen, was ihm an Truppenzahl fehlte, und als seine Feinde ihn noch am Rheine wähnten, wo er eben erst den Grenzschutz gegen die Barbaren geordnet hatte[408], stand er schon jenseits des Mont Genèvre vor dem festen Susa (Frühling 312).

Auch Maxentius hatte den Feldzug bereits eingeleitet. Obgleich er einen Angriffskrieg zu führen gedachte, hatte er doch das Gros seines Heeres zum Schutze seiner werthen Person in Rom behalten und die Stadt mit Kornvorräthen auf ungemessene Zeit ausgestattet[409]. Ein Corps, das kleiner, aber der Macht Constantin’s noch überlegen war, stand unter dem Gardepräfecten Pompejanus Ruricius[410] in Verona, um demnächst über die Brennerstrasse in das Gebiet des Licinius einzufallen[411]; vielleicht hatte eine starke Vorhut sogar schon den Pass überschritten. Gegen Gallien war das kleinste der drei Heere in Marsch gesetzt, vermuthlich weil man hier in Folge des drohenden Germaneneinfalls leichtes Spiel zu haben meinte. Doch ist es auch möglich, dass [227] man einstweilen nur von dem Passe des Mont Genèvre Besitz ergreifen wollte und den entscheidenden Schlag für die Zeit aufsparte, wo man mit Licinius fertig war. Diese immer noch sehr ansehnliche Truppenmacht war bis Turin gelangt und hatte eine Abtheilung nach Susa vorgeschoben, das den Ausgang der Gebirgsstrasse sperrte.

Hier wurde sie von Constantin überrascht und zur Uebergabe aufgefordert. Ihr Commandant, der meinte, er habe es nur mit einer Vorhut zu thun und der Kaiser und sein Heer seien noch weit zurück in Gallien, weigerte sich. Sogleich wurde Feuer an die Thore gelegt und die Mauern mit Sturmleitern angegriffen, und in kurzem war die kleine, aber wichtige Festung in den Händen Constantin’s. Bei dieser Gelegenheit gab sein Heer Beweise einer Mannszucht, wie sie damals fast unerhört war. Die in Sturm genommene Stadt blieb nicht nur von jeder Plünderung bewahrt, sondern die Soldaten löschten sogar selbst die Feuersbrunst, welche sich von den angezündeten Thoren aus weiter verbreitet hatte[412]. Die Folge war, dass später alle Städte, die nicht mit feindlichen Truppen belegt waren, dem Kaiser ihre Thore freiwillig öffneten und ihn mit Jubel und Festlichkeiten begrüssten[413]. Da sie dadurch die Rache des Tyrannen herausforderten, mussten die Bürger selbst bedacht sein, sich gegen diesen auf’s Aeusserste zu vertheidigen. Constantin brauchte also nirgends Besatzungen zurückzulassen und konnte sein kleines Heer ungeschwächt mit sich führen.

Schon wenige Meilen weiter traf er auf eine Macht, die der seinigen gewachsen war und ihr im freien Felde entgegentrat. Den Kern derselben bildete eine Schaar Panzerreiter, die, von Kopf bis zu Fuss mit Eisenschuppen bedeckt und selbst die Leiber ihrer Rosse durch eine gleiche Umhüllung schützend, für jede Waffe unverwundbar schienen. Sie pflegten der Art verwendet zu werden, dass man sie an die Spitze eines Keiles stellte; dieser durchbrach langsam vordringend das Centrum des Feindes, welches gegen die unangreifbare Schaar machtlos war, und theilte sich dann in der Mitte, um die zerrissene Schlachtreihe nach den beiden Flügeln hin aufzurollen. Gegen diese [228] Kampfweise, welche er genau kannte, hatte Constantin seine Truppen auf ein sehr schwieriges Manöver eingeübt, das die alten Söldner jetzt so exact, wie auf dem Exercierplatze, ausführten. Als der Keil vordrang, wich sein Centrum langsam zurück, ohne darum den Zusammenhang mit den Flügeln zu lösen, so dass die ganze Schlachtordnung aus einer geraden Linie sich allmählich in einen einspringenden Winkel verwandelte, der den Keil auf zwei Seiten dicht umschloss. Als der Feind, welcher im muthigen Vorgehen die Gefahr nicht bemerkte, fest in der Zange sass, liess Constantin zum Angriff blasen, und zwischen den Schenkeln des Winkels eingepresst, wurde das Heer fast aufgerieben. Auch die Eisenreiter vermochten nicht durchzudringen; denn ihnen war eine erlesene Schaar von Keulenträgern gegenübergestellt, welche mit wuchtigen Schlägen unter dem biegsamen Panzerhemd die Knochen zermalmten. Ein kleiner Rest der feindlichen Truppen konnte sich aus der tödtlichen Umklammerung lösen und rückwärts nach Turin fliehen, fand aber hier die Thore verschlossen und wurde noch angesichts der Rettung verheissenden Mauern niedergehauen[414]. Die Bürgerschaft hatte die zuchtlose Soldateska des Maxentius zur Genüge kennen gelernt und beeilte sich, die Gunst eines Siegers zu gewinnen, der in Susa so viel Grossmuth und so gute Disciplin gezeigt hatte.

Wie im Triumphe durchzog Constantin Oberitalien. Die Städte, welche mit schwerem Steuerdruck die Prasserei des Maxentius hatten bezahlen müssen und unter der Einquartierung seiner durchmarschierenden Banden schwer gelitten hatten, schickten ihrem Retter Festgesandte entgegen und überboten sich in jeder Art freiwilliger Leistungen für die Unterstützung seines Heeres. In Mailand verweilte er kurze Zeit und versuchte Unterhandlungen mit den in Verona stehenden Truppen zu eröffnen[415]. Aber die Soldaten sahen ihr Interesse mit dem ihres freigiebigen Kaisers zu eng verknüpft, um zum Abfall Lust zu verspüren. Ruricius rüstete sich sogar, Constantin entgegenzuziehen, und hatte seine starke Reiterei bereits bis Brescia vorgeschoben. Hier aber wurde sie überrascht und nach kurzem Kampfe auf Verona [229] zurückgetrieben[416]. Dort war man jetzt zu entmuthigt, um eine Entscheidung im freien Felde zu wagen. Die Truppen, welche noch in der Umgegend der Stadt zerstreut lagen, wurden hinter ihren Mauern zusammengezogen und alles zum Aushalten einer Belagerung vorbereitet.

Da Keiner dies vorausgesehen hatte und Verona nur als Durchgangsstation für das Ueberschreiten der Brennerstrasse hatte dienen sollen, konnten dort kaum so grosse Vorräthe aufgehäuft sein, um ein ansehnliches Heer längere Zeit zu erhalten. Aber da die Stadt auf beiden Ufern der Etsch liegt und die Angreifer nur das rechte hatten besetzen können, vermochte man von der andern Seite noch eine Zeitlang Korn in die Mauern zu bringen. Endlich gelang es Constantin, bei Nacht die Hälfte seines Heeres überzusetzen und den Feind gänzlich einzuschliessen, doch waren jetzt die beiden Theile seiner Truppen durch den reissenden Strom getrennt und konnten sich bei Ausfällen der Belagerten nicht unterstützen. Trotzdem wurde ein grosser Angriff siegreich zurückgeschlagen; aber bald darauf schlich sich Ruricius mit einer kleinen Schaar durch den Ring der Feinde, um Entsatz herbeizuholen. Mit einer bedeutenden Macht kehrte er wieder; wahrscheinlich waren es die Vortruppen, welche den Brenner schon überschritten und bis dahin von der Bedrängniss ihrer Genossen nichts gewusst hatten. Constantin sah sich vor die Alternative gestellt, entweder die Einschliessung von Verona zu lösen, und indem er der halbausgehungerten Stadt eine neue Verproviantirung erlaubte, die Frucht langer Kämpfe zu verlieren, oder mit der geringen Truppenzahl, welche vor den Mauern entbehrt werden konnte, dem weit überlegenen Feinde entgegenzuziehen. Kühn wie immer wählte er das Zweite. Erst am späten Nachmittage traf er auf Ruricius und beeilte sich, die dargebotene Schlacht anzunehmen. Verlief sie ungünstig, so erlaubte ihm wohl die Nacht, sie abzubrechen und von Verona her Verstärkungen heranzuziehn. Anfangs hatte er eine doppelte Schlachtreihe gebildet, doch als er wahrnahm, dass der Feind ihn auf beiden Seiten weit überflügelte, zog er auch seine Reserven in’s erste Treffen. Er selbst kämpfte mit Löwenmuth unter den Vordersten, und die Soldaten liessen ihren Kaiser nicht im [230] Stich. Ihre dünne Schlachtlinie warf die tiefen Rotten der Feinde; Ruricius selbst fiel, und das Gemetzel währte bis tief in die Nacht hinein. Ehe der Morgen anbrach, war das Entsatzheer zerstreut, und die siegreichen Truppen wieder unter die Mauern Veronas zurückgeführt[417].

Die Belagerten waren jetzt so eingeschüchtert, dass Constantin eine Abtheilung seines Heeres detachiren konnte, um Aquileja zu berennen. Als Beherrscherin des Julischen Alpenpasses, welcher die nächste Verbindung Italiens mit dem Reichstheile des Licinius herstellte, hatte diese wichtige Stadt wahrscheinlich eine kleine Besatzung des Maxentius aufnehmen müssen. Aber sehr bald schickte sie Gesandte an Constantin und ergab sich[418]; vermuthlich hatte die Einwohnerschaft dies von den Soldaten erzwungen. Endlich konnte auch Verona sich nicht länger halten; voll finsteren Trotzes streckte die ausgehungerte Besatzung die Waffen. Doch ihre Zahl war so gross und ihre Anhänglichkeit an Maxentius so unerschütterlich, dass Constantin entweder einen sehr ansehnlichen Theil seines Heeres zu ihrer Bewachung verwenden oder gefährliche Aufstände der Gefangenen befürchten musste. Um sie sicher hüten zu können, musste er sie in Fesseln schlagen, die eilig aus dem Eisen ihrer abgelieferten Schwerter geschmiedet wurden[419]. Noch wurde einige Zeit verwandt, um alle Städte Oberitaliens in Besitz zu nehmen, wobei eine kurze Belagerung Modenas nöthig wurde[420]. Doch der kaiserliche Feldherr scheute keinen Aufenthalt; für den schweren Kampf, der ihm noch bevorstand, musste seine Rückzugslinie und seine Verbindung mit Licinius völlig gesichert sein. So war der Herbst herangekommen, ehe der entscheidende Marsch auf Rom beginnen konnte[421].

Wenn Maxentius auch nur ein Drittel der grossen Armee, die er zu seinem Schutze in Rom festhielt, zum Entsatze Veronas geschickt hätte, so wäre Constantin’s Verderben allem Anscheine nach besiegelt gewesen. Aber die Unthätigkeit des Tyrannen, welche für den ersten Theil des Feldzuges die unerlässliche Bedingung [231] des Erfolges gewesen war, liess den zweiten, der jetzt bevorstand, so gut wie hoffnungslos erscheinen. Das kleine Heer, welches Constantin über die Alpen geführt hatte, war durch seine blutigen Siege nicht grösser geworden. Mit 20 000 Mann aber lassen sich 100 000 vielleicht unter besonders günstigen Umständen in offener Feldschlacht besiegen, doch liegt eine solche Uebermacht in einer festen Stadt, so ist jeder Versuch eines Angriffs offenbarer Wahnwitz. Dass Maxentius, der sein ganzes Reich dem vordringenden Feinde schutzlos preisgab, durch eine Schlacht die Mauern Roms werde schützen wollen, welche sich selbst schon genügend schützten, lag ausser aller Berechnung. Und blieb er ruhig stehen, wie er es in den Kriegen gegen Severus und Galerius gethan hatte, so musste auch Constantin’s Unternehmen zweifellos scheitern[422]. Anfangs hatte dieser gehofft, Rom auch ohne Belagerung durch Hunger zu zwingen. Zu diesem Zwecke hatte er eine starke Flotte ausgerüstet, welche die drei grossen Inseln und einige Häfen des Italienischen Festlandes schon besetzt hatte und von hier aus den Afrikanischen Kornschiffen auflauerte[423]. Doch unterdessen war ihm gewiss schon durch Gefangene oder Spione bekannt geworden, dass in den Speichern der Hauptstadt Vorräthe aufgehäuft lagen, welche die Verpflegung von Volk und Heer auf lange hinaus sicher stellten[424]. Langte er also vor Rom an, ohne vorher die Armee des Feindes vernichtet zu haben, so boten sich ihm, da an einen Handstreich kaum zu denken war, nur zwei Möglichkeiten, die beide zum sicheren Untergange führten. Entweder er versuchte eine Belagerung oder er zog thatlos wieder ab. Im ersten Falle musste sein kleines Heer, um einen Befestigungsgürtel von zwei und einer halben Meile vertheilt, durch die Ausfälle weit überlegener Massen in Kurzem aufgerieben werden; im zweiten hätte ein so schmähliches Misslingen die Stimmung seiner Soldaten tief herabgedrückt und eine Verfolgung, vollends eine solche, welche mit 100 000 Mann siegesfreudiger Truppen ausgeführt werden konnte, den Rückzug bald in wilde [232] Flucht verwandelt. Und gesetzt, Maxentius stellte sich wirklich zur Schlacht, was sehr unwahrscheinlich war; gesetzt, er wurde besiegt und liess die ganze Hälfte seiner Armee auf dem Felde liegen, was noch weniger Wahrscheinlichkeit hatte: sobald er nur die zweite Hälfte nach Rom zurückzuführen vermochte, stand die Sache genau wie vorher. Im Schutze sicherer Mauern hätte sein geschlagenes Heer den Muth wiedergefunden; der Macht Constantin’s wäre es noch immer überlegen gewesen, und eine Belagerung blieb nach wie vor unmöglich.

Aber der Zug nach Rom war nicht nur ein verzweifeltes Unternehmen; er war auch keineswegs nothwendig. Endlich mussten die Kornvorräthe des Maxentius doch verbraucht sein, und sobald dies eintrat, zwang ihn der Hunger, selbst nach Oberitalien vorzubrechen. Wurde er aber hier, fern von seinen uneinnehmbaren Befestigungen, geschlagen, so konnte sein Heer vielleicht abgeschnitten oder durch die Verfolgung aufgerieben werden, ehe es nach Rom zurückgelangte. Und siegte er, so war Constantin seiner Operationsbasis näher, konnte also schneller und leichter Gallische Reserven herbeiziehen, welche das Kriegsglück vielleicht wendeten. Er brauchte also nur stehen zu bleiben, um den Kampf unter viel günstigeren Bedingungen aufnehmen zu können. Freilich hätte er noch Monate darauf warten müssen; aber da er mit Licinius im Bündniss stand, drohte ihm damals von Osten ja kein Angriff, und die Gefahr an der Rheingrenze, so sehr sie den pflichttreuen Kaiser zu schleuniger Entscheidung antreiben mochte, war doch auch kein ernstliches Hinderniss. Denn durch die gefangenen Soldaten des Maxentius, welche zwar nicht zum Kampfe gegen ihren Herrn, wohl aber gegen die Barbaren zu brauchen waren und später thatsächlich dazu gebraucht worden sind[425], konnte das Rheinheer eine Verstärkung erhalten, die an Zahl, wenn auch nicht an Güte, den in Italien abwesenden Truppen wahrscheinlich gleichkam. Der einzige Kriegsplan, welchen die gesunde Vernunft billigen konnte, hiess also abwarten; wenn Constantin, der sonst seine Mittel sehr klug zu wählen wusste, trotzdem in tollkühner Ungeduld auf ein Ziel losstürmte, das nach menschlichem Ermessen unerreichbar war, so liess er sich eben nicht von gesunder Vernunft leiten, sondern von visionärer Eingebung.

[233] Jedes Kind kennt die Geschichte, wie Constantin im Traum geoffenbart wurde, dass er unter dem Zeichen Christi siegen werde[426]. Für Träume lassen sich nicht die gesetzlichen zwei Zeugen beibringen, durch deren Mund jede Wahrheit kund wird; die historische Kritik ist ihnen gegenüber machtlos. Doch dass sie in einem Zeitalter hoher religiöser Erregung auch geschichtlich ihre Rolle gespielt haben, kann keinem Zweifel unterliegen. Träume und Weissagungen jagten später den Maxentius in sein Verderben[427]; warum sollen sie nicht auch seinen Gegner zum Siege geführt haben? Dass Constantin’s Jugend von christlichen Einflüssen nicht unberührt geblieben war, haben wir schon dargelegt. Er hatte die Verfolgung erlebt und hatte gesehen, dass ihre Urheber seit dem Beginn derselben vom Unglück heimgesucht wurden. Im Jahre 303 war das Edict gegen die Christen publicirt; unmittelbar nach seinen Vicennalien, die er im selben Jahre gefeiert hatte, wurde Diocletian von monatelanger Krankheit ergriffen. Es folgte der Zwist zwischen Galerius und Maximian, der die ursprüngliche Thronfolgeordnung zu vernichten zwang und den Keim zu allem künftigen Unheil legte; dann die Abdankung und die tiefe Zerrüttung des Reiches, deren Ursache sie war. Von den Verfolgern schleppte nur Diocletian noch ein sieches Dasein hin, um alle Früchte seiner Lebensarbeit um sich her untergehn zu sehen; Maximian hatte durch schmählichen [234] Selbstmord geendet, Galerius durch eine Krankheit von unsäglich schmerzvoller und ekelhafter Art, die ihm noch kurz vor seinem Tode die Ueberzeugung aufdrängte, dass der angefeindete Christengott an ihm seine Rache genommen habe. Gallien, welches nie von der Verfolgung ernstlich berührt worden war, hatte allein von allen Reichstheilen bis jetzt einer vielbeneideten Ruhe genossen. Sollte dies nicht Constantin zu dem Glauben veranlassen, dass der Gott der Christen über alle Heidengötter Gewalt habe? Bei seinem Auszuge hatten ihm die Haruspices Unheil geweissagt. Als Antwort darauf scheint er christliche Bischöfe zu sich geladen zu haben, um sich von ihnen über ihren Glauben näher unterrichten zu lassen[428]. Der Erfolg seines kühnen Unternehmens hatte jeden Augenblick auf des Messers Schneide geschwebt; während der langen Belagerung von Verona musste er täglich erwarten, dass das Heer aus Rom anrücke und seinem Siegeslauf ein schreckliches Ende bereite. Aber beispielloses Glück hatte ihn bisher überall begleitet, und die heidnische Unglücksdrohung war vor den Gebeten seiner Bischöfe zu Schanden geworden.

Auch Maxentius hatte bei seinem Regierungsantritt der Christenverfolgung in Rom Einhalt gethan und das confiscirte Eigenthum der Kirchen zurückgegeben[429]. Damals haschte er eben noch nach Popularität und erkannte diese Massregel als ihr förderlich. Aber immer war er ein eifriger Heide geblieben und liess jeden seiner Schritte von den Aussprüchen der Eingeweideschauer und Wahrsager bestimmen[430]. Und diese hatten ihn bis dahin nicht schlecht geleitet. War doch das Glück, mit dem er alle seine Feinde einen nach dem andern niedergeworfen hatte, [235] so unerwartet und erstaunlich gewesen, dass es in jener abergläubischen Zeit gewiss von den Meisten dem Eingreifen übernatürlicher Mächte zugeschrieben wurde. Aber die Dämonen, welche den Tyrannen schützten, hatten ihre Gewalt bisher nur gegen Götzendiener gezeigt; es lohnte wohl des Versuches, ob sie auch gegen einen Christen etwas vermöchten oder ob der Gott des neuen Glaubens ihnen überlegen sei. Solche Gedanken mochten Constantin damals beschäftigen; was aber den wachenden Geist erfüllt, das geht auch in die Träume über, und in der körperlichen Erscheinung, mit welcher sie das Gedachte umkleiden, gewinnt es den Charakter göttlicher Offenbarung. So zog denn der Kaiser blindlings seinem Sterne nach; er wusste, dass er siegen werde, nicht weil dies nach menschlicher Berechnung wahrscheinlich oder selbst nur möglich gewesen wäre, sondern weil seine Soldaten das Monogramm Christi auf ihren Schilden trugen und, wie die Stimme eines Höheren verkündet hatte, an dieses Zeichen der Sieg geheftet war. Und seine heidnischen Landsknechte blickten vertrauensvoll auf den neuen Schmuck ihrer Waffen, dessen Bedeutung sie kaum verstanden. Sie hielten ihn für ein magisches Zeichen, an dessen Wunderkraft sie nicht zweifelten, da ihr grosser Feldherr bis jetzt auch unter den schwierigsten Umständen immer siegreich gewesen war. Und sein Vertrauen liess das Glückskind auch diesmal nicht zu Schanden werden: das ganz Unerwartete, ja fast Unglaubliche geschah. Maxentius, der sich bisher vor jedem Angriff hinter seinen unbezwinglichen Mauern verkrochen hatte, führte diesmal sein Heer in’s freie Feld und lieferte es in einer Stellung, welche seine Niederlage schon im Voraus entschied, dem kühnen Gegner zur Vernichtung aus.

Bis zum letzten Augenblick hatte er an dem Plane festgehalten, den Angriff an der Aureliansmauer zerschellen zu lassen; noch während der Feind herannahte, hatte er begonnen, sie mit einem Graben zu umziehen, der freilich nie vollendet wurde[431]. Um den Muth seiner Soldaten nicht zu lähmen, hatte er zwar alle Nachrichten vom Kriegsschauplatze unterdrückt, zugleich aber öffentlich den höhnischen Wunsch ausgesprochen, dass Constantin nur vor den Thoren erscheinen möge, wo ihm sein Untergang [236] ja doch gewiss sei[432]. Plötzlich schlug sein Entschluss um. Am 26. Oktober 312 verliess er mit seiner Familie das Palatium und siedelte in eine Privatwohnung über; ein Traum hatte ihm verkündet, dass er am bisherigen Orte seiner Freuden und Erfolge nicht mehr verweilen dürfe[433]. Er liess die Sibyllinischen Bücher befragen und erhielt die Weissagung, am Feste seines Regierungsantritts, das in zwei Tagen bevorstand, werde den Feind Roms sein Verderben ereilen[434]. Da ein so schneller Erfolg bei einer Belagerung unmöglich eintreten konnte, so combinirte der abergläubische Mann diese Prophezeihung mit der Weisung des Traumes, dass er seinen Wohnsitz verlassen solle, und beschloss, vor die Thore hinauszuziehn und am 28. Oktober eine Schlacht zu liefern. Noch ein weiteres Omen fügte er hinzu: Hatte er unter der Stadtpräfectur eines Annius Anullinus die Krone erhalten und die Angriffe des Severus und Galerius abgeschlagen, so ernannte er auch jetzt, noch am Vorabend der Schlacht, einen andern Annius Anullinus, wahrscheinlich den ehemaligen Gardepräfecten des Severus, zum höchsten Beamten Roms[435], damit dieser Name des Heils auch seinem dritten Entscheidungskampfe Glück bringe. So waren alle Mächte des Aberglaubens aufgeboten. Beide Gegner hatten das denkbar Unzweckmässigste gethan, denn beide liessen sich nicht durch klugen Rathschlag und strategische Erwägung, sondern durch Träume und Zeichen leiten. Wer jetzt den Sieg gewann, der gewann ihn nicht nur für sich, sondern vor allem für seine Götter[436].

[237] Um die grossen Massen, welche ihm zu Gebote standen, schneller an den Feind zu bringen, liess Maxentius neben dem steinernen Pons Milvius eiligst eine Schiffbrücke schlagen[437]; dann führte er sein Heer über den Tiber und liess es etwa eine Meile stromaufwärts vorgehen, bis die Spitze Saxa Rubra, das heutige Prima Porta, erreichte. Hier, wo die Flaminische Strasse aus der Enge hervortritt, welche durch den Fluss und eine Kette steil abfallender Felsen gebildet wird, fand er seinen Vormarsch wahrscheinlich schon durch den Feind gehindert, als die Nachhut seiner langen Kolonne, bei welcher der Kaiser selbst sich befand, kaum die Brücken überschritten hatte. Die Heere standen sich jetzt in einer Stellung gegenüber, welche die Möglichkeit eines erfolgreichen Kampfes auf beiden Seiten ausschloss. Versuchte Maxentius unter den Augen der feindlichen Armee aus dem engen Passe zu debouchiren, so war seine Niederlage gewiss; aber auch Constantin konnte auf der Flaminischen Strasse, welche jetzt durch 100 000 Soldaten gesperrt war, nicht weiter vordringen. Es ist ein Verdienst, das ihn seines Glückes würdig zeigt, wenn er nicht, wie sein Gegner, zaudernd stehen blieb, sondern schnell entschlossen einen Ausweg suchte und fand.

Eine kleine Schaar zurücklassend, welche zur Schliessung des Passes eben genügte, überschritt Constantin ohne Weg und [238] Steg den Rücken der Hügel, unter deren schroffem Absturz seine Feinde standen. Diesen unerreichbar, zog er an ihrer Flanke hin, bis er auf die Cassische Strasse gelangte, welche, von Nordwesten kommend, bei der Brücke in die Flaminische einmündet[438]. Zu beiden Seiten derselben dehnt sich ein sanft hügeliges Gelände aus, gerade breit genug, um ihm die Entwicklung seiner Schlachtordnung zu gestatten, gerade schmal genug, um seinem kleinen Heere rechts und links durch steile Abhänge die nöthige Flankendeckung zu bieten. Hier nahm er seine Aufstellung den beiden Brücken gegenüber, deren Besitz das Ziel des Kampfes sein musste. Denn gelang es ihm, sie in seine Gewalt zu bringen, so wurde Maxentius, dem der Vormarsch in den Pässen von Saxa Rubra schon gesperrt war, auch im Rücken abgeschnitten und musste sich mit seinem ganzen Heer ergeben. Als dieser den Feind plötzlich in der Flanke seiner Nachhut aufmarschieren sah, konnte er ihm die Schlacht nicht verweigern, da angesichts des kühnen Gegners ein Rückzug über die Brücken unausführbar war. So wusste er keinen andern Rath, als stehen zu bleiben, wo er war, und die linke Seite seiner Marschkolonne einfach in die Front der Schlachtordnung zu verwandeln, wodurch die Vorhut bei Prima Porta zum rechten Flügel, die Nachhut, welche noch immer vor den Brücken stand, zum linken wurde. Auf diese Weise blieb aber ein grosser Theil seines Heeres zwischen Berg und Tiber eingeklemmt und sah sich jeder Möglichkeit beraubt, an den Feind heranzukommen[439]. Zwar blieb, auch wenn nur sein linker Flügel zum Schlagen gelangte, seine Uebermacht immer noch erdrückend, aber selbst diese sollte ihm zum Verderben gereichen. Denn auf dem engen Raume konnte er sie nicht anders verwerthen, als indem er die Rotten so tief stellte, dass die hinterste Reihe bis unmittelbar an den Fluss heranreichte[440][WS 4]. So mussten die Soldaten bei jedem auch nur zeitweiligen [239] Zurückweichen, wie es in einer grossen Schlacht ja kaum zu vermeiden ist, in den Tiber gedrängt werden[441], dessen braune Fluthen, von den Herbstregen geschwellt, in wilden Strudeln dahinschossen[442]. Hoch zu Rosse und mit den Abzeichen der Kaiserwürde geschmückt, so dass er weithin kenntlich war, stürzte sich Constantin selbst, seinen Reitern voransprengend, auf die dichten feindlichen Massen[443]. Gleich der erste Anprall brachte die vordersten Reihen in’s Wanken; um nicht in’s Wasser zu stürzen, drängten die hintersten vor, und es entstand im Heere des Maxentius die furchtbarste Verwirrung[444]. Noch kämpften die Prätorianer für den Kaiser, welchen sie gemacht hatten, mit wilder Verzweiflung; wo sie standen, da fielen sie[445]. Aber diese heldenmüthige Aufopferung konnte das Verhängniss nicht abwenden. Die grosse Masse drängte angstvoll nach den Brücken hin, deren Enge ihre ungeheure Zahl nicht zu fassen vermochte. Da noch dazu die eine, welche erst ganz kurz vorher eilig und schlecht hergestellt war, unter dem Gewicht der Rettungsuchenden zusammenbrach[446], wurde der ganze linke Flügel in den Fluss gesprengt. Der rechte stand unterdessen unberührt, aber völlig machtlos, in seinen Engen, deren Auswege ihm jetzt nach beiden Seiten versperrt waren; ihm blieb nichts übrig als bedingungslose Uebergabe, umsomehr als jeder weitere Kampf gegenstandslos geworden war. Denn unter dem Gewühl von Männern und Rossen, die sich, mit dem Tode ringend, in den lehmigen Fluthen wälzten, [240] war auch der Usurpator selbst verschwunden. Die näheren Umstände seines Todes wurden sehr verschieden erzählt[447]; wahrscheinlich war kein Augenzeuge, der sichere Kunde hätte geben können, mit dem Leben davon gekommen.

Der Sieg war ebenso schnell, wie vollständig gewesen; ein einziger, alles vor sich niederwerfender Ansturm auf die Brücken hatte die Schlacht begonnen und beschlossen[448]. In ein paar Stunden hatte sich ein Ereigniss vollzogen, das der Weltgeschichte auf Jahrtausende ihre Bahnen vorzeichnen sollte. Denn was der 28. October des Jahres 312 entschied, war nicht etwa die Herrschaft Constantins über Italien – diese bedurfte noch eines neuen schweren Kampfes –, wohl aber der Sieg des Christenthums im Römischen Reiche. Seine unmittelbaren Erfolge, so wichtig sie auch waren, wurden an historischer Bedeutung weit übertroffen durch die psychologische Wirkung, welche er auf den Sieger ausübte. Dass den Dämonen, welche sich unter den Namen des Jupiter und Apollo versteckten, Gewalt gegeben sei, unterlag für ihn, wie für seine ganze Zeit, keinem Zweifel. Hatten doch noch die Weissagungen, welche durch sie dem Maxentius ertheilt waren, sich als richtig erwiesen, wenn gleich in anderem Sinne, als er gemeint hatte. Constantin hat es daher nicht verschmäht, noch lange nachher bei Blitzschlägen, welche öffentliche Gebäude trafen, die Deutung der Haruspices einholen zu lassen[449]. Da der Gott der Christen nur selten die Zukunft verkündete und ihre Kenntniss dem Herrscher nicht zu entbehren schien, hat er die heidnischen Weissagekünste ebensowenig ganz bei Seite geschoben[450], wie Krieg und Blutgericht, welche der christlichen Moral gleichfalls für verwerflich galten. Auch in dieser Beziehung [241] ging ihm der Vortheil des Reiches, wie er ihn verstand, über seinen Glauben. Aber dass alle Dämonen, so stark sie auch waren, vor der Macht des höchsten Gottes nichts vermöchten, ja dass selbst ihre Künste den Zwecken desselben dienen müssten, das hatte die Schlacht an der Milvischen Brücke für Constantin unzweideutig erwiesen. Durch ein Wunder war sein Feind aus den sicheren Mauern Roms herausgescheucht worden, und das Zeichen Christi auf den Schilden seiner Soldaten hatte die übermächtigen Schaaren der Gegner niedergeblitzt. Wer konnte da zweifeln, wem die Ehre des Sieges gebühre? Es heisst, dass Constantin sich, auf das Kreuz gestützt, auf einem öffentlichen Platze der Hauptstadt habe darstellen und durch die Inschrift des Standbildes der Welt verkündigen lassen, dies heilbringende Zeichen habe Rom befreit[451]. Jedenfalls war nach dem Siege eine seiner ersten Regierungshandlungen, dass er die christliche Priesterschaft von allen municipalen Leistungen befreite, ihren Unterhalt auf seine Kasse übernahm und damit das Christenthum unter die anerkannten Staatskulte einreihte[452].

In der seltenen Kette von Glücksfällen, welche diesen Feldzug begleiteten, war es ein neues Glied, dass der Körper des Maxentius nicht von den reissenden Wassern in’s Meer geschwemmt wurde oder unter den Leichenhaufen, welche den Grund des Tiber bedeckten, spurlos verschwand, sondern an der Stelle, wo er versunken war, aufgefischt werden konnte. Sein Anblick überzeugte alle Anhänger des Todten, dass für sie jede Hoffnung vorüber sei[453], und nach Afrika geschickt, eroberte das abgeschlagene Haupt die wichtige Diöcese ohne Schwertstreich für Constantin[454]. [242] Einstweilen wurde es in dem Triumphzuge, der am 29. October die Strassen der ewigen Stadt mit frohem Getümmel füllte[455], auf einer Stange vor dem Sieger hergetragen, und der Pöbel ergötzte sich daran, nach dem Antlitz, vor welchem er sechs Jahre lang gezittert hatte, mit Steinen und Koth zu werfen[456]. Keiner aber empfing den neuen Herrscher freudiger als der lang unterdrückte Senat, dessen Mitglieder endlich von der Furcht vor Confiscationen und Todesurtheilen aufathmeten. Constantin erwies ihm alle Ehrfurcht, welche seine grosse Vergangenheit beanspruchte[457], aber er that es nicht umsonst. Endlich schien ihm der Augenblick gekommen, um sich durch eine friedliche Macht, deren Befugniss unbestreitbar war, nicht durch die tumultuarischen Zurufe der Soldaten, aus der untergeordneten Stellung des jüngeren Augustus emporheben zu lassen. Der Senat ertheilte ihm auf seinen Wink bereitwillig die erste Stelle im Herrschercollegium und damit das Recht der Consulnernennung und der Gesetzgebung[458]. Von jener machte er sogleich Gebrauch, indem er sich selbst und Maximinus Daja für das nächste Jahr designirte[459]. Für das Reich sollte dies ein Zeichen sein, dass zwischen den überlebenden Kaisern die vollste Eintracht herrsche, für Maximinus selbst, dessen Umtriebe Constantin gewiss nicht mehr unbekannt waren, eine Aufforderung, den dargebotenen Frieden ehrlich anzunehmen.

Das erste Gesetz, welches aus der Kanzlei Constantin’s hervorging, verlieh der aufgeregten Bevölkerung Roms die Sicherheit, dass sie keine neuen Hinrichtungen und Confiscationen zu befürchten habe. Gleich nach seinem Einzuge hatte sich der Kaiser von Angebern umdrängt gesehen; selbst der Senat forderte gegen einige Creaturen des Maxentius, unter deren Willkür er besonders schwer gelitten hatte, Recht und Gericht[460]. Aber Constantin war entschlossen, die Diener, welche den Befehlen ihres [243] Herrn, wenn auch mit verbrecherischem Uebereifer, gehorcht hatten, nicht dafür büssen zu lassen. Nur wenige der allerschlimmsten traf die verdiente Strafe[461]; dagegen erhob er zahlreiche Magistrate, die durch Maxentius ernannt waren und sich jetzt, da alle Regierungshandlungen desselben für nichtig erklärt wurden, der Ehren ihres ehemaligen Amtes beraubt sahen, zu denselben Stellungen, welche sie unter dem Tyrannnen bekleidet hatten, und legalisirte so ihre frühere Würde[462]. Von denjenigen, welche einer solchen Restitution nicht würdig schienen, wehrte er wenigstens die Ankläger ab, indem er durch sein erstes Edict alle criminellen Denuntiationen mit der Todesstrafe bedrohte[463]. Dies Gesetz war auf die Dauer juristisch unhaltbar und hat auch noch durch Constantin selbst vielfache Beschränkungen erfahren; aber für den Augenblick gab es der angstvollen Stadt, in der jeder dem Maxentius geschmeichelt hatte und jetzt fürchten musste, dass ihm dies zum Verbrechen werde, die heiss ersehnte Ruhe wieder. Nachdem der Kaiser noch seinen Consulatsantritt am 1. Januar 313 mit prächtigen Festen und Spielen begangen hatte[464], verliess er Rom wieder, um mit Licinius in Mailand zusammenzutreffen und dort dessen Vermählung mit seiner Schwester Constantia zu vollziehen[465].

Maximinus hatte die Verabredungen, welche mit Maxentius getroffen waren, auch seinerseits nicht in’s Werk setzen können. Im Winter 311/12 waren im Orient die gewohnten Regengüsse ausgeblieben; eine Hungersnoth war die Folge gewesen, und an diese hatte sich eine furchtbare Pest angeschlossen[466]. Während so die Naturgewalten jede kriegerische Operation hemmten, erhoben sich noch dazu die Armenier und zwangen den Kaiser, [244] sein Heer vom Bosporus weg nach Süden zu führen[467]. Licinius brauchte also im Sommer und Herbst 312 keinen Angriff zu fürchten; als Constantin seinen schweren Kampf ausfocht, hatte er die Hände frei. Trotzdem hatte er zur Unterstützung seines Bundesgenossen und künftigen Schwagers nicht einen Finger gerührt[468], obgleich diesem eine Verstärkung seines kleinen Heeres durch die Donautruppen ohne Zweifel sehr erwünscht gewesen wäre. Vermuthlich beabsichtigte er im Streite seiner beiden Mitkaiser den tertius gaudens zu spielen. Wenn er zum Schlusse über den geschwächten Sieger, wer dies auch sein mochte, mit seiner ganzen Macht herfiel, so konnte er vielleicht die Reichstheile des Maxentius und Constantin beide an sich bringen. Aber falls er solche Pläne gehegt hatte, waren sie gründlich zu Schanden geworden; denn der Sieger war nicht geschwächt, sondern mächtiger als je. Doch lag diesem zur Zeit nichts ferner, als an dem treulosen Verbündeten Rache zu nehmen. Bei Constantin wurde jede andere Rücksicht durch den Wunsch zurückgedrängt, der bedrohten Rheingrenze, welche im vorigen Sommer wider Erwarten nicht durchbrochen war, ihre Sicherheit persönlich wiederzugeben. Zudem hoffite er noch immer in Verbindung mit Licinius, den er als tüchtigen Krieger schätzen musste, das Gesammtregiment, wie es Diocletian geschaffen hatte, einigermassen wiederherzustellen. So wurde denn die Hochzeit begangen und gleichzeitig die Verhandlungen zwischen den beiden Kaisern nach Möglichkeit gefördert.

Constantin’s erste Sorge war, dem Christenthum auch in der östlichen Reichshälfte gesetzliche Anerkennung zu verschaffen, und hierin stiess er bei seinem Bundesgenossen, wie es scheint, auf keinen Widerstand[469]. Der alte Landsknecht verehrte die Götter in erster Linie als Schlachtenhelfer und Siegbringer. Da an der Milvischen Brücke auch für ihn der Beweis geführt war, dass Christus mehr vermöge, als die Dämonen, zu welchen Maxentius gebetet hatte, so war er nicht dawider, die Hilfe einer so mächtigen Gottheit auch für sich zu gewinnen[470], ohne dass [245] er darum das Verhältniss zu seinen alten Schutzpatronen aufgegeben hätte. Als Gegengabe forderte er die Anerkennung der Thronfolge für den einzigen Spross seines Blutes, welchen er besass. Kürzlich hatte ihm eine Sklavin einen Sohn geschenkt, und da er bei seinem hohen Alter von Constantia keine Kinder mehr erwarten konnte, wollte er jenen unverhofften Spätling als seinen Erben bestätigt sehen. Constantin selbst war vor der Ehe seines Vaters geboren und ebenso sein eigener Sohn Crispus, aber das gesetzliche Concubinat, dem beide entsprossen waren, stand in seinen Augen und in denen der Welt unendlich hoch über dem rohen Verhältniss eines Herrn zu seiner Magd. Trotzdem willigte er ein, das Sklavenkind durch kaiserliches Rescript zum Adoptivsohne seiner Schwester zu[WS 5] machen[471].

Schwieriger gestaltete sich die Frage nach der Stellung des ältesten Augustus, welche jetzt Constantin, gestützt auf den Beschluss des Senates, für sich in Anspruch nahm. Dass man das ausschliessliche Recht der Gesetzgebung nicht in den Händen eines Maximinus lassen dürfe, war klar; ging man aber einmal von der Rangfolge ab, welche durch die Zeit der Thronbesteigung gegeben war, so kam Licinius, der an Jahren fast doppelt so alt war, wie seine Mitregenten, unstreitig der Vorrang zu. Wenn der zufällige Umstand, dass ein Kaiser Rom in seiner Gewalt hatte und in Folge dessen jedes beliebige Votum von dem Senate zu erpressen vermochte, ein so wichtiges Recht verleihen konnte, so war Maxentius legitimer gewesen, als irgend einer der anderen Herrscher. Freilich hatte Constantin diesem die Rechte des Blutes, auf denen sein eigenes Legitimitätsprincip beruhte, jetzt absprechen lassen, indem er die Mutter des Verstorbenen zu der Lüge zwang, Maxentius sei nicht der Sohn Maximians, sondern ein untergeschobenes Kind gewesen[472]. Aber wenn dem Senat die Befugniss zustand, die höchste Stelle im Kaisercollegium und folglich auch das Kaiserthum selbst durch seine Beschlüsse zu verleihen, so war mit jenem Betruge nichts gewonnen. Diese Gründe dürfte Licinius geltend gemacht haben, obgleich er nicht soweit ging, die Umstossung des Senatusconsultes [246] zu verlangen. Das rein formelle Vorrecht, seinen Namen in Urkunden und öffentlichen Denkmälern denen der anderen Herrscher vorzusetzen, liess er Constantin gern, nicht aber das Recht der Gesetzgebung. Dieses sollte beiden Kaisern selbständig zustehen, und obgleich jedes Gesetz und jede Verordnung nach wie vor die Namen sämmtlicher Mitregenten an der Spitze trug, sollten sie doch nur für den Reichstheil Gültigkeit besitzen, durch dessen Beherrscher sie erlassen waren. Um die Einheit des Reiches nach Diocletians Princip wenigstens im Rechte zu wahren, hatte Constantin sechs Jahre lang auf jede Neuorganisation in grossem Stile verzichtet und sich entsagungsvoll den Beschlüssen seines ältesten Collegen gebeugt. Jetzt, wo er endlich dessen Rang selbst gewonnen und schon mit hastigem Feuereifer die Umgestaltung des Römischen Rechtes in Angriff genommen hatte, konnte er auf dessen Einheitlichkeit nicht verzichten. Wahrscheinlich gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen ihm und Licinius, welche in der kurzen Zeit, die sie in Mailand zusammen waren, kaum zu einem Ergebniss geführt haben werden. Als sich dann die Kaiser getrennt hatten, fragte der Beherrscher Illyricums natürlich nicht mehr um Erlaubniss, wenn er ein Gesetz erlassen wollte, und um Bürgerkriege zu vermeiden, musste Constantin es dulden[473]. Wieder war ein Stück des Diocletianischen Systems, um dessen Aufrechterhaltung er so ängstlich bemüht war, dem Zwange der Umstände zum Opfer gefallen.

Noch grössere Schwierigkeiten musste die Theilung von Maxentius’ Erbschaft machen, da es sich hier nicht um blosse Rechte, sondern um sehr reelle Machtfragen handelte. Constantin zeigte sich nachgiebig bis zur Unvorsichtigkeit, vielleicht weil er dadurch sein Gesetzgebungsprincip zu retten vermeinte. Den wichtigsten Bestandtheil der Kriegsbeute, das grosse Heer, theilte er ohne Zögern zwischen sich und Licinius[474], und auch das eroberte Land wollte er nicht behalten, sondern einem Cäsar übergeben, auch hierin auf die Diocletianische Ordnung zurückkommend[475]. Für diese Entsagung musste er freilich verlangen, dass [247] auch Licinius diejenigen Provinzen, welche er seinerseits von dem ehemaligen Reichstheil des Severus im Besitz hatte, d. h. Rätien, Noricum und die Pannonische Diöcese, dem Gebiete des neu zu schaffenden Cäsar hinzufüge. Hierüber waren die Verhandlungen noch nicht zum Abschluss gediehen, als Mitte Februar 313 eine unerwartete Nachricht den Licinius plötzlich zur Heimkehr zwang und die Festversammlung zu Mailand nach kaum zwei- bis dreiwöchentlicher Dauer[476] jählings auseinandersprengte.

Seit Maximinus durch den Tod des Galerius zum ältesten Augustus geworden war und keine Autorität mehr über sich anzuerkennen brauchte, hatte er allen Tyrannenlaunen mit noch grösserer Frechheit als bisher die Zügel schiessen lassen. In Asien hatte er sein Regiment damit begonnen, in thörichtem Haschen nach Popularität alte Steuern aufzuheben[477]: bald musste er sogar Steuervorschüsse für künftige Jahre mit unerträglicher Härte eintreiben[478]. Was ihm von dem Eigenthum seiner Unterthanen gefiel, nahm er an sich, ohne ängstlich nach Vorwänden zu suchen; selbst den Rechtstitel der Confiscation, der, wenn auch grausam, doch immerhin ein Rechtstitel war, glaubte er sich sparen zu können. Seine Werkzeuge zogen in den Städten des Reiches umher, um nicht nur die Gesichter, sondern auch die Leiber schöner Weiber und Jünglinge der sorgfältigsten Ocularinspection zu unterziehen, ob es lohne, sie ihrem Herrscher zuzuführen; wer sich weigerte, seiner Wollust zu dienen, wurde als Majestätsverbrecher mit dem Tode bestraft. Das Jus primae noctis nahm er alles Ernstes für sich in Anspruch, und an den Freuden des zügellosen Tyrannen erhielt die Schaar seiner Günstlinge reichen Antheil. Denn an Freigiebigkeit mit fremdem Gute liess er es nicht fehlen: Gold und Mädchen, Landgüter und reiche Frauen vertheilte er nach Lust und Laune[479]. Während im Lande Pest und Hungersnoth wütheten, wurden ungeheure Summen in Geschenken verschleudert; namentlich die Soldaten, welche dem Allverhassten als seine einzige Stütze erschienen, suchte er ganz in der Art des Maxentius an sich zu fesseln[480].

[248] Schmerzlich empfand er es, dass er nicht, wie dieser, auch durch kaiserliche Abstammung das Legitimitätsgefühl der Truppen gewinnen konnte, und suchte diesem Mangel abzuhelfen, so gut es eben ging. Valeria, die Tochter Diocletians, hatte sich nach dem Tode ihres Gatten Galerius mit ihrer Mutter in seinen Reichstheil begeben, weil sie bei dem Neffen ihres Mannes am sichersten zu sein wähnte. Noch ehe ihr Trauerjahr abgelaufen war, verlangte er von derjenigen, welche erst kürzlich nach dem Rechte der Adoption seine Mutter gewesen war, dass sie ihm die Hand zur Ehe reichen solle, zu welchem Zwecke er seine Gattin zu verstossen bereit sei. Die edle Frau wies dies Ansinnen zurück, worauf ihre Güter eingezogen, ihr Gesinde unter Foltern ermordet, ihre Freundinnen auf schmähliche Anklagen hin zum Tode verurtheilt wurden. Sie selbst und ihre Mutter wurden verbannt; die Briefe Diocletians, der um die Rücksendung seiner Gattin und Tochter bat, hatten keinen Erfolg[481]. Der unglückliche Greis, welcher den Zusammensturz aller seiner Schöpfungen mit angesehen hatte, sollte auch noch die Ausrottung seiner ganzen Familie erleben, ehe er fünf Jahre später in das ersehnte Grab sank (3. Dezember 316)[482].

Nachdem dieser Plan, durch den Maximin sich auch nach dynastischem Rechte über seine Mitkaiser erheben wollte, an dem Widerstande Valeria’s gescheitert war, klammerte er sich nur um so fester an seine Götter an, auf deren Gunst er alle seine abergläubischen Zukunftshoffnungen gründete. Ihren Gegner, den Christengott, verfolgte er mit geradezu persönlichem Hasse, der wohl nicht zum wenigsten durch eine heimliche Furcht hervorgerufen wurde. Denn er kannte das Christenthum zur Genüge, um zu wissen, dass sein wüstes Leben ihm nicht erlaubte, die himmlische Macht, wie Constantin es vermocht hatte, sich auch für seine Zwecke dienstbar zu machen. Mit den heidnischen Dämonen, die nur reiche Opfer und Gelübde beanspruchten und an die Sittlichkeit keine Anforderungen stellten, liess sich jedenfalls besser auskommen.

[249] Als Galerius ihm sein Toleranzedict zuschickte, hatte Maximin nicht gewagt, dem Befehl des ältesten Augustus den Gehorsam zu versagen. Seiner Unzufriedenheit gab er nur dadurch Ausdruck, dass er das Gesetz in seinem Reichstheil nicht durch öffentlichen Anschlag publiciren liess und nur durch ein Rundschreiben seines Präfecten, nicht durch eigene Verordnung, den Provinzialbeamten die Einstellung der Christenprocesse anbefahl[483]. Aus Bergwerken und Kerkern entlassen, wurden die Märtyrer jubelnd von den Glaubensgenossen in ihren Heimathstädten eingeholt; wieder füllten sich die Kirchen, und die Abgefallenen suchten demüthig um Vergebung nach[484]. Da kam die Nachricht von dem Tode des Galerius, und alsbald reute den Maximin seine Nachgiebigkeit; doch wollte er sich nicht die Blösse geben, die eben erst erlassene Verordnung ohne Weiteres zurückzunehmen. Um sich dazu einen Vorwand zu schaffen, veranlasste er schon im Herbst 311[485] den Stadtrath von Nicomedia, wo er sich damals aufhielt[486], dass er durch eine Deputation dem Kaiser die Bitte vortragen liess, er möge die Christen, welche die Opfer und Culthandlungen der Götter durch ihre Anwesenheit befleckten, aus dem Stadtgebiete ausweisen[487]. Mit Freuden kam der Kaiser diesem Wunsche entgegen und überhäufte zum Danke seine Residenz mit Wohlthaten, was natürlich entsprechende Bittgesuche auch von anderen Gemeinden hervorrief[488]. So brach die Verfolgung auf’s neue über den unglücklichen Orient herein. Das Verbot, die Christen um ihres Glaubens willen hinzurichten, blieb zwar bestehen, doch wurden sie nicht nur aus dem Umkreis zahlreicher Städte verbannt, sondern vielen liess man ein Auge ausreissen, andern einen Fuss oder eine Hand, die Nase oder die Ohren abschneiden[489]. Eifrige Diener des Kaisers nahmen es auch mit dem Verbote der Tödtung nicht gar zu genau, und Uebertretungen desselben wurden nicht ungern [250] gesehen[490]. Sehr ernste Briefe Constantin’s, der, während er unter dem Zeichen Christi gegen Maxentius focht, auch den Schutz seiner fernen Glaubensgenossen für seine Pflicht hielt, machten diesem Treiben zwar ein Ende. Maximinus, dessen Reichstheil eben von Pest, Hunger und Krieg heimgesucht war, fühlte sich zu schwach, um der Forderung seines Mitregenten, der auch Licinius Unterstützung gewährte, in dieser Zeit Widerstand zu leisten. Er erliess also eine neue Verordnung, durch welche er seine Beamten anwies, sie sollten nicht mehr durch Gewalt, sondern nur noch durch Lockungen und Versprechungen die Christen zu bekehren suchen, aber heimlich dauerten die Morde noch immer fort[491] und die eingeschüchterten Gemeinden schenkten diesem Toleranzerlasse mit Recht keinen Glauben mehr[492].

Auch auf die öffentliche Meinung suchte der Tyrann zu Gunsten der alten Götter zu wirken. Gefälschte Acten des Processes, der gegen den Heiland vor Pilatus geführt worden war, wurden in allen Städten und Dörfern durch Maueranschläge verbreitet und sollten sogar den Kindern beim Schulunterricht eingeprägt werden[493]. Die Nichtswürdigkeit desjenigen, zu welchem die Christen beteten, war darin mit den schwärzesten Farben dargestellt. Durch einen Militärbeamten wurden ein paar Dirnen zu der Aussage veranlasst, dass sie ehemals Christinnen gewesen seien und in den Zusammenkünften der Gemeinde grobe Ausschweifungen und Gottlosigkeiten mit angesehen hätten, und auch hierüber wurde das Protokoll zur allgemeinen Kenntniss gebracht[494]. Um dem Heidenthum neue Stützen zu gewähren, wurde in jeder Stadt und jeder Provinz ein Oberpriesterthum geschaffen, dessen Inhaber, durch glänzend weisse Gewänder vor der Menge ausgezeichnet, die Aufsicht über die Opfer zu führen und den Cultus der Christen zu hindern hatten[495]. Der Kaiser [251] selbst genoss bei jeder Mahlzeit Opferfleisch und fütterte seine Soldaten damit so reichlich, dass sie die üblichen Brotrationen kaum mehr anrühren mochten. Zu seiner sonstigen Verschwendung trat ein unglaublicher Verbrauch an Opferthieren hinzu, welche man von den Feldern und Wiesen, wo man sie eben fand, den Bauern wegtrieb[496]. Natürüch wurden auch Orakel und Eingeweideschau bei jeder wichtigen Angelegenheit zu Rathe gezogen[497]. Wie in allem, so wetteiferte auch hierin der Tyrann des Orients mit seinem würdigen Bundesgenossen in Rom[498].

Nach Beendigung des Armenischen Krieges, in welchem sein geschickter Feldherr Verinus ihm den Sieg gewonnen hatte[499], stand Maximinus im Winter 312 in Syrien, jetzt endlich im Stande und bereit, in die Verwicklungen des Westens thätig einzugreifen. Da wurde ihm gemeldet, dass Maxentius wider alles Erwarten besiegt und selbst im Kampfe umgekommen sei. Aber diese Schreckenskunde begleiteten hoffnungsvollere Nachrichten. Die Germanen an der Rheingrenze schienen endlich Ernst zu machen; man erwartete, dass der Sieger ihnen entgegenziehen und in der nächsten Zeit nicht die Hände frei haben werde, um seinen Bundesgenossen Licinius wirkungsvoll zu unterstützen. Und dieser selbst hatte seinen Reichstheil verlassen, um in Mailand Feste zu feiern; sein Heer lag in weit zerstreuten Garnisonen vertheilt; nichts war in Illyricum gegen einen Angriff vorbereitet. Für Maximin schien der letzte Augenblick gekommen, in dem er eine Verwirklichung seiner stolzen Pläne noch erhoffen konnte. Er wusste, dass Licinius das Geld sehr zu Rathe hielt; [252] oft mochten die Soldaten Illyricums mit Neid auf ihre glücklicheren Kameraden im Osten hingeblickt haben, die immer von Neuem mit Geschenken überhäuft wurden und fast täglich Opferbraten schmausten. Mit denselben Mitteln, durch welche sich Maxentius die Treue des Römischen Heeres erkauft hatte, meinte sein Nachahmer die des Illyrischen erschüttern zu können. Er vergass dabei nur, dass auch die Seelen gesinnungsloser Landsknechte nicht nur durch Geld zu gewinnen sind und dass Licinius ein Krieger war, zu dessen Energie und Feldherrntalent der Soldat mit hoher Verehrung aufblickte. So stand es ihm denn fest, dass, sobald er mit Spenden und Versprechungen vor das Donauheer hintrete, dieses ohne Weiteres zu ihm übergehen werde; es galt nur, die Abwesenheit des Licinius auszunützen, damit die ersten Garnisonen, ohne durch die persönliche Autorität ihres Kaisers gehemmt zu sein, den weiter zurückstehenden Kameraden ein Beispiel geben könnten.

So brach denn Maximinus mitten im Winter aus Syrien auf und durchzog in doppelten Tagemärschen die schneebedeckten Gebirge Kleinasiens. In Regen und Schneegestöber blieben auf den durchweichten Strassen die Lastthiere des Heeres massenhaft liegen; aber er stürmte unaufhaltsam weiter. Was kam es darauf an, ob seine Ausrüstung vollständig blieb, wo er doch alles Heil vom Abfall der feindlichen Truppen erwartete? Mit 70 000 Mann gelangte er nach Byzanz und versuchte seine Künste zuerst an der kleinen Besatzung dieses wichtigen Ortes. Wider Erwarten scheiterten sie; elf Tage hielten sich die Licinianer und übergaben dann die Stadt, nicht um der Versprechungen des Tyrannen willen, sondern weil sie seinem übermächtigen Heere nicht länger widerstehen zu können meinten. Unterdessen war Botschaft nach Mailand gelangt, und Licinius eilte zurück in seinen Reichstheil. Was er unterwegs an Truppen aufraffen konnte, nahm er mit sich, und stand mit einem Heere von 30 000 Mann schon bei Adrianopel, als Maximinus eben erst mit der Belagerung von Heraclea, wohin er sich von Byzanz aus gewendet hatte, fertig geworden war. Von hier zog dieser auf der grossen Heerstrasse, welche durch Thrakien an die Donau führte, noch 18 Millien weiter nach der Poststation Tzirallum. Dort musste er Halt machen, weil Licinius schon die nächste Station Drizipara besetzt hatte. Jetzt lagen die beiden Heere nur drei deutsche [253] Meilen von einander entfernt; in den nächsten Tagen musste die Entscheidung erfolgen[500].

Licinius wusste, mit welcher Siegeszuversicht die Soldaten Constantin’s durch das Traumbild ihres Herrn erfüllt worden waren, mit welcher Begeisterung sie unter dem Zeichen Christi gefochten hatten. Dass Maximinus sich ebenso, wie vor Kurzem der Römische Tyrann, mit Ostentation unter den Schutz der alten Götter gestellt hatte, war allbekannt. Selbst wenn Licinius den Aberglauben seiner Landsknechte nicht getheilt hätte, musste ihm doch der Gedanke kommen, die Mittel, welche sich an der Milvischen Brücke bewährt hatten, auch auf dem neuen Schlachtfelde zu versuchen. Das heilige Monogramm auf den Schilden der Soldaten anzubringen, reichte die Zeit nicht mehr; aber seinen Traum hatte auch Licinius, und noch in der Nacht dictirte er einem Schreiber das Gebet, welches ihm angeblich ein Engel als siegbringende Zauberformel vorgesagt hatte. Alsbald wurde es in vielen Exemplaren abgeschrieben und im Heere verbreitet. Selbst darin suchte er Constantin nachzuahmen, dass er anfangs die Schlacht auf den Thronbesteigungstag seines Feindes ansetzte; aber das Omen, welches Licinius suchte, schreckte Maximin. Er rückte schon am Tage vorher, den 30. April 313, in’s Feld, und sein Gegner wies die angebotene Schlacht nicht zurück. Zwischen Tzirallum und Drizipara, auf einem flachen, unbebauten Felde, das den Namen Campus Serenus führte, trafen die Heere auf einander; 30 000 sollten sich mit 70 000 messen.

Den Soldaten Maximin’s war es oft gesagt, dass die Armee des kargen Licinius nur der Gelegenheit harre, um einen freigiebigeren Kaiser zu gewinnen, und gleich beim Beginn des Kampfes übergehen werde; sie erwarteten gar keinen ernstlichen Widerstand. Da sahen sie, wie die feindlichen Reihen vor ihnen aufmarschierten und wie jeder Soldat, als sie in Schlachtordnung standen, seinen Schild neben sich stellte und sein Haupt entblösste. Ein dumpfes, unheimliches Gemurmel tönte herüber; es war das Zaubergebet des Engels, welches nach Licinius’ Befehl von allen dreimal hergesagt wurde. Dann setzten sie ihre Helme wieder auf, ergriffen ihre Schilde und machten sich zum Angriff bereit. Die orientalischen Truppen, deren Aberglauben [254] von ihrem Herrscher geflissentlich genährt war, überkam bei dieser ungewohnten Ceremonie ein Grauen. Sie sahen darin eine magische Beschwörung, deren seltsam fremde Art eine ganz besondere Kraft ahnen liess. Noch versuchte Licinius dem ungleichen Kampfe auszuweichen; zwischen den beiden Heeren trafen sich die Kaiser zum Zwiegespräch, doch Maximin wies alle Anerbietungen zurück[501]. So war die Schlacht denn unvermeidlich; die Tuben gaben das Zeichen zum Angriff, und todesmuthig stürzten sich die Licinianer auf den Feind. Maximinus hielt noch vor der Front der Seinen und rief seine Lockungen und Versprechungen den andringenden Schaaren entgegen; aber keiner hörte auf ihn. Von tausend Schwertern bedroht, musste er hinter seine Schlachtreihe zurückweichen. Seine Soldaten, welche bis zum letzten Augenblicke gemeint hatten, die feindlichen Truppen würden kampflos zu ihnen übergehen, wurden durch deren wüthenden Ansturm höchlichst überrascht. Die abergläubische Furcht, mit welcher sie das Massengebet ihrer Gegner erfüllt hatte, wirkte mit, um ihnen völlig die Sinne zu verwirren. Nach kurzem und mattem Widerstande lösten sie sich in wilder Panik auf. Maximinus selbst warf den Purpur von sich und floh mit dem Mantel, welchen er einem Sklaven abgerissen hatte. Von seinem Heere ergab sich ein Theil dem Licinius; die Uebrigen wurden theils zerstreut, theils niedergemacht[502].

[255] Jetzt war auch der verstockteste unter den Verfolgern bekehrt. Die Priester und Wahrsager, welche ihm den Sieg verkündet hatten, liess er als Betrüger hinrichten. Dann suchte auch er, wie Galerius, in der letzten Stunde noch den Christengott zu versöhnen, indem er nicht nur seine Toleranzedicte in der entschiedensten Weise erneuerte, sondern auch den Kirchen ihr confiscirtes Eigenthum zurückgeben liess[503]. In Cappadocien hatte er wieder ein Heer zu vereinigen vermocht[504], doch als Licinius ihm entgegenrückte, zog er sich hinter die Pässe des Taurus nach Tarsus zurück. Hier wurde er von einer äusserst qualvollen Krankheit befallen, die ihm den Tod brachte, ehe er zum zweiten Male die Entscheidung der Waffen anrufen konnte[505].

So beherrschte denn Licinius jetzt den ganzen Orient, und seine erste Sorge war, Jeden, der ihm oder seinem Sohne in künftigen Zeiten den Thron hätte streitig machen können, aus dem Wege zu räumen. Selbst die Frauen schonte er nicht, deren Hand einem dereinstigen Usurpator irgend einen Schein der Legitimität verleihen konnte. Nicht nur Gattin, Sohn und Tochter seines todten Gegners[506], sondern auch den Sohn des Severus und alles, was von der Familie seiner Wohlthäter Diocletian und Galerius noch übrig war, liess er ohne Rücksicht und Dankbarkeit hinmorden[507]. Der eben noch als Kämpfer Christi aufgetreten war, befleckte sich jetzt mit dem unschuldigen Blute von Weibern und Kindern. Dem Reiche war es vielleicht zum Heil, dass jeder Keim eines zukünftigen Prätendententhums ausgerottet wurde; aber Licinius selbst brachten diese Morde in einen unversöhnlichen Gegensatz zu den Forderungen der Religion, auf deren Seite jetzt sein gegebener Platz war, und eben hierin dürfte die Lösung des psychologischen Räthsels liegen, dass wir später auch ihn unter den Verfolgern finden.

Ueberhaupt waren die beiden Verbündeten, welche jetzt ihre Gegner im Westen und Osten siegreich niedergeschlagen hatten [256] und sich anschickten, das Reich gemeinsam zu beherrschen, zu verschieden an Sitten, Anschauungen und Temperament, als dass ihre Freundschaft hätte von Dauer sein können[508]. Constantin ein noch junger, hitziger Mann, schnell in seinen Entschlüssen bis zur Uebereilung, ehrlich und vertrauensselig bis zur Unvorsichtigkeit, Licinius ein besonnener Greis von zäh festhaltender Energie und tückischer Hinterhaltigkeit. Während jener in grossmüthigem Leichtsinn mit dem Gelde um sich warf, so dass seine Finanzen nie in Ordnung waren, scharrte dieser gierig Schätze zusammen, scheute dabei weder Erpressungen noch Justizmorde und konnte sich kaum zu den kargen Geschenken an sein Heer entschliessen, welche für seine Sicherheit eben unentbehrlich waren[509]. Aber trotz seines Geizes und trotz der scharfen Disciplin, welche er mit unerbittlicher Strenge aufrecht erhielt[510], hingen seine Soldaten an ihm nicht minder treu, als an seinem freigiebigen Mitregenten; denn auch er war ein Feldherr, mit dem sich damals nur Constantin messen konnte. Aber wenn dieser dem kühnen Angriff alle seine Erfolge verdankte, wusste zwar auch Licinius, wo es noth that, schnell entschlossen drein zu fahren, doch fand er seine eigentliche Stärke in der zähen Vertheidigung. Dass diese auf die Dauer immer die schwächere bleibt und man durch kluge Auswahl fast unangreifbarer Stellungen einen Krieg nicht entscheidet, musste er freilich auch an sich erfahren. Beide Nebenbuhler waren ohne Bildung, aber während Constantin dies als Mangel empfand und in der Protection von Kunst und Wissenschaft eine Herrscherpflicht erkannte, verachtete sein Mitregent mit cynischer Offenheit, was er nicht verstand. Namentlich die Rechtskunde, welche sich seiner Willkür, nicht praktisch, aber doch theoretisch entgegenstellte, war ihm bitter verhasst[511]. Denn eine zügellose Selbstsucht, die sich durch kein Pflichtbewusstsein, kein Gefühl der Dankbarkeit hemmen liess, beherrschte sein ganzes Thun ebenso, wie bei seinem ehemaligen Freunde Galerius. Zwar war er klug genug, den Bauern vor Bedrückung zu schützen und die Landwirthschaft nach Kräften zu heben, gewiss [257] nicht nur, weil er als Bauernsohn für den Stand seiner Väter eine natürliche Vorliebe hegte[512], sondern mehr noch, weil nur ein reicher Bodenertrag ihm den Unterhalt seiner Heere und die Füllung seines geliebten Schatzes möglich machen konnte. Aber dass auch ein gesicherter Rechtszustand für die Wohlfahrt des Staates nöthig ist, blieb ihm immer ein Geheimniss. Geld und Weiber seiner Unterthanen betrachtete er als sein Eigenthum und nahm davon, was ihm gefiel[513]. Niemals hat er sich, wie Constantin oder auch Diocletian, als Vertreter und Vorkämpfer einer Idee gefühlt. Abergläubisch gleich allen Kaisern seiner Zeit suchte auch er den Schutz höherer Mächte für sich zu gewinnen[514], aber ob er unter dem Banner Christi oder der Heidengötter focht, war für ihn nur eine Frage der Opportunität. Die Einheit des Reiches, welche Constantin mit solcher Opferwilligkeit aufrecht zu erhalten suchte, hat er leichten Herzens seiner grösseren Selbständigkeit geopfert; nie hat er gezaudert, wo es die Sache seiner Person und seiner Herrschaft galt, die Grenzen von ihren Vertheidigern zu entblössen, und ihren Schutz durch seinen Mitregenten fasste er sogar als Beleidigung auf, weil dieser dabei auf sein Gebiet übergreifen musste. So war er in jeder Beziehung ein würdiger Genosse des Maximian und Galerius. Der letzte Kaiser, den Diocletian eingesetzt hatte, sollte an Rohheit und Grausamkeit[515], an wüster Genusssucht und selbstischer Gewissenlosigkeit nicht hinter den übrigen zurückstehen.

Doch wie dem immer sein mochte, Constantin konnte seine Mitherrschaft nur durch einen Bürgerkrieg beseitigen und wollte sie daher ertragen, so lange es ging. Nach dem Sturze des Maximinus, während dessen er seine Abrechnung mit den Germanen der Rheingrenze gehalten hatte[516], sandte er einen Vertrauten an Licinius, um die in Mailand unterbrochenen Verhandlungen jetzt zu Ende zu führen. Noch einmal kam er auf die Diocletianische Reichstheilung zurück. Auch nach der Schlacht [258] bei Tzirallum hatte er Daja noch als Mitregenten anerkannt[517] und Licinius gehindert, die Absetzung des Besiegten auszusprechen[518]. Die Legitimität eines Herrschers, dem einst der Gründer der Dynastie den eigenen Purpur um die Schultern geschlungen hatte, sollte trotz seiner Thorheiten und Verbrechen nicht angefochten werden. Wahrscheinlich sollte er nur die beiden Diöcesen, welche er sich nach dem Tode des Galerius eigenmächtig unterworfen hatte, an Licinius abtreten. Blieb seine Gewalt auf die Länder südlich vom Taurus beschränkt, so war sie schwach genug, um eine wirksame Controle der beiden Mitregenten zu gestatten, namentlich falls er, wie dies vielleicht beabsichtigt war, wieder zum Cäsar degradirt wurde. Bei der Absendung des Unterhändlers war sein Tod entweder noch nicht eingetreten oder doch in dem fernen Gallien noch unbekannt. So richteten sich dessen Vorschläge, wie es scheint, auf unveränderte Wiederherstellung des Zustandes, welcher nach der Abdankung Diocletian’s geherrscht hatte. Licinius sollte das alte Gebiet des Galerius in vollem Umfange beherrschen und im Orient den Maximin als untergeordneten Mitregenten dulden. Dafür verpflichtete sich Constantin, Italien und Afrika, denen Licinius noch die Pannonische Diöcese hinzufügen sollte, einem Cäsar zu übergeben, so dass, falls diese Anträge angenommen wurden, auch der Reichstheil des Severus in seiner früheren Umgrenzung hergestellt war. Zum Beherrscher desselben hatte [259] Constantin einen gewissen Bassianus ausersehen, von dem er wusste, dass seine Persönlichkeit dem Licinius genehm sei. Um auch ihn an das Haus des Divus Claudius anzuknüpfen, war die zweite Schwester Constantin’s, Anastasia, bereits mit ihm vermählt worden. So sollte auch in diesem Falle zugleich mit den Grundsätzen Diocletian’s das neue dynastische Princip gewahrt bleiben.

Die Voraussetzungen dieses Planes hatten sich durch den Tod Maximin’s in etwas geändert, doch schien dies seine Ausführung nur zu erleichtern. Konnte man jetzt doch auch im Orient zur Wahl eines geeigneten Cäsars schreiten und brauchte sich nicht den verrückten Tyrannen, bloss weil er legitim war, gefallen zu lassen. Auch Licinius strebte nicht nach der Alleinherrschaft; auch ihm erschien die Mitregentschaft unentbehrlich, was er dadurch bewiesen hat, dass er jedesmal, wenn er mit Constantin im Kriege lag und dessen Absetzung ausgesprochen hatte, einen anderen Augustus an seiner Statt ernannte. Dass sein Mitherrscher sich auf die Treue des Bassianus nicht verlassen konnte, wusste er. Die Vorschläge Constantin’s, welche dessen Macht beträchtlich geschwächt, seine eigene aber bei Auswahl eines passenden Cäsars für den Orient kaum beeinträchtigt hätten, konnten ihm also sehr willkommen sein, wenn ihm nur die Person Constantin’s nicht zuwider gewesen wäre. In den Reichstheilen, die er nicht unmittelbar unter sich hatte, wollte er gefügige Werkzeuge haben, nicht einen Kaiser von eigenem, energischem Willen, der noch dazu gegen ihn die Rechte des älteren Augustus in Anspruch nahm. Er wies die Anträge des Unterhändlers also nicht zurück, suchte aber heimlich durch den Bruder des Bassianus, Senecio, welcher sich in seiner Umgebung befand, auf den künftigen Cäsar einzuwirken. Dieser sollte das Ansehen, welches er durch seine Verschwägerung mit Constantin bei den Truppen des Westens besass, dazu benutzen, um sie völlig für sich zu gewinnen und denjenigen, welcher ihn erhoben hatte, vom Throne zu stossen. Bassianus ging auf den sauberen Plan ein; er versuchte wirklich eine Militärrevolte anzuzetteln, wurde aber noch in den Anfängen seines Unternehmens ertappt und niedergehauen.

Constantin war tief empört über die Treulosigkeit seiner Creatur; dass Senecio der Anstifter war, ergab sich wahrscheinlich [260] aus den Papieren des Todten. So verlangte er denn die Auslieferung des Schuldigen. Aber Licinius wies diese gerechte Forderung zurück und bekannte damit auch seine eigene Mitschuld. Da er jetzt mit den Truppen der Donaugrenze die des Orients vereinigte und noch dazu einen ansehnlichen Theil des Heeres besass, welches früher unter Maxentius gefochten hatte, meinte er sich seinem Gegner so weit überlegen, dass er ohne Furcht den Entscheidungskampf aufnehmen könne. Aus seiner feindlichen Gesinnung machte er gar kein Hehl mehr; an der Italischen Grenze, wo der Gegensatz der beiden Reichshälften in Folge ihrer nahen Berührung am schärfsten zum Ausdruck kam, begannen seine Unterthanen schon die Statuen Constantin’s umzuwerfen[519]. Da erkannte dieser, dass ein Bruch unvermeidlich sei. Um das Diocletianische System zu erhalten oder wieder herzustellen, war er bis zur äussersten Grenze der Nachgiebigkeit gegangen. Er hatte sich selbst in grossmüthigem Leichtsinn geschwächt und seinem Mitregenten ein Uebergewicht gewährt, das dieser jetzt gegen ihn aufzubieten im Begriffe war. Endlich sah er ein, dass mit diesem Genossen ein Zusammenwirken in der Reichsregierung nicht möglich sei, und schweren Herzens ergriff er die Waffen, um zum ersten Male für seine Alleinherrschaft zu kämpfen.

Sobald der Bürgerkrieg beschlossen war, dachte Constantin nur noch daran, ihn schnell zur Entscheidung zu bringen. Das Hauptheer des Licinius stand wahrscheinlich noch im fernen Orient, wohin es den fliehenden Maximinus verfolgt hatte. Ehe der Feind es heranziehen konnte, musste die verhältnissmässig kleine Truppenzahl, welche in Illyricum zurückgeblieben war, über den Haufen gerannt und, wenn möglich, alles Land bis zum Bosporus gewonnen werden. Dort angelangt, konnte man auch einen sehr überlegenen Gegner am Uebergange hindern und gewann Zeit, um sowohl aus den alten als auch aus den neueroberten Provinzen Verstärkungen heranzuziehen und dann mit grösserer Macht den Kampf nach Asien hinüberzuspielen. So eröffnete denn Constantin den Krieg mit einem Heere von nur 20 000 Mann, weil eine stärkere Masse die Schnelligkeit der Bewegung, auf welche alles ankam, gemindert hätte.

[261] Der Herbst hatte schon begonnen, und wie es scheint, beabsichtigte Licinius den Feldzug erst im folgenden Frühling anzutreten. Er wurde daher vollkommen überrascht, als Constantin plötzlich diesseit der Alpen erschien und die Save abwärts auf die Garnisonen der Donaulinie losmarschierte. Trotzdem gelang es ihm noch bei Cibalae, dem heutigen Vinkovcze, südöstlich von Vukovar, eine Macht von 35 000 Mann zu concentriren, sehr wenig im Vergleich zu dem, was er bei längerer Frist hätte aufbieten können, sehr viel im Vergleich zu dem Häuflein seines Gegners[520]. Aber wie schwach dieser war, wusste Licinius wohl kaum; er hatte daher eine Stellung gewählt, die mehr darauf berechnet war, jenen aufzuhalten, als zu schlagen[521]. Der Weg, auf welchem Constantin heranzog, führte unmittelbar vor Cibalae zwischen Sumpf und Berg durch ein Defilée von noch nicht einem Kilometer Breite. Gleich dahinter dehnte sich am Fusse des Bergrückens, den die Stadt krönte, eine weite Ebene aus, und hier hatte Licinius sein Lager geschlagen. Indem er vor demselben, mit der rechten Flanke an den Höhenzug gelehnt, Stellung nahm, gewährte er Constantin nicht den Raum, sein Heer, wenn es aus der Enge hervorgetreten war, ungestört zu entwickeln. Ein vorsichtiger Feldherr hätte also stehen bleiben oder auf weiten Umwegen die Stellung des Feindes umgehen müssen; beides aber hätte diesem die Zeit gewährt, sein ohnehin überlegenes Heer noch bedeutend zu verstärken. So beschloss denn Constantin, auch unter diesen ungünstigen Bedingungen eine Schlacht zu wagen.

Am 8. October 314[522] brach er vor Tagesanbruch[523] mit der Reiterei aus dem Defilée hervor und überrannte den rechten Flügel des Licinius. Dadurch schaffte er sich Luft, um am Fuss der Berge seine Schlachtordnung in der Flanke des Gegners zu entfalten. In der Zeit, welche damit verloren wurde, konnte aber auch dieser seine Front wechseln, und während er vorher senkrecht auf dem Höhenzuge gestanden hatte, sich jetzt parallel demselben Constantin gegenüber aufstellen. Das Zeichen zum Angriff wurde gegeben und es entspann sich ein Kampf, der [262] mit unerhörter Erbitterung und Standhaftigkeit bis zum späten Abend fortgesetzt wurde. Nur auf dem rechten Flügel, den Constantin am Sumpfe Hiulca[524] entlang persönlich gegen den Feind führte, war der Sieg entschieden; aber dass Licinius, alles verloren gebend, sich auf sein Ross schwang und eiligst nach Sirmium, dem jetzigen Mitrovitza, floh, vollendete seine Niederlage. Denn jetzt zog sich auch der bisher unbesiegte Theil seines Heeres ins Lager zurück und floh, nachdem er hier die nothwendigsten Lebensmittel für die Nacht an sich genommen hatte, in wilder Eile gleichfalls nach Sirmium, die reichen Vorräthe des Lagers in Constantin’s Händen zurücklassend. Schlacht und Verfolgung sollen dem Licinius 20 000 Mann gekostet haben, also ebenso viel, wie die ganze Armee seines Gegners zählte[525].

Auch hinter den Mauern der Stadt, deren Belagerung einem so kleinen Heere gewiss nicht leicht geworden wäre, wagte der Besiegte nicht Stand zu halten, sondern nahm nur seine Familie und seinen Schatz, welche er bei dem Zuge nach Cibalae hier, in der Hauptstadt[WS 6] Illyricums, zurückgelassen hatte, wieder zu sich und floh über die Save weiter, die Brücke hinter sich abbrechend[526]. Bald darauf rückte auch Constantin in Sirmium ein und schickte gleich einen Vortrab von 5000 Mann auf der grossen Strasse nach der Donau vor. Denn den Weg, welcher zu den Kastellen der Grenzlinie führte und das Heer des Licinius, indem es deren Besatzungen an sich zog, bei jedem Schritte verstärken musste, hielt er für die gegebene Rückzugsstrasse seines Feindes. Durch unausgesetzte Verfolgung hoffte er hier dessen Armee völlig aufzureiben oder wenigstens auf der Flucht nicht zu Athem kommen zu lassen. Aber bald musste er sich überzeugen, dass Licinius nicht, wie er erwartet hatte, nach Westen, sondern nach Süden über die Save zurückgewichen sei. So liess er denn die Brücke wiederherstellen und zog ihm eiligst nach[527], aber die Fühlung mit dem Feinde war und blieb verloren.

Der Aufenthalt, welchen Constantin in Sirmium erlitten hatte, gewährte, so kurz er auch war, seinem Gegner doch die Zeit, ein neues Heer aus den Garnisonen Thrakiens bei Adrianopel zusammenzuziehen. [263] Auch dieses war der kleinen Schaar der Sieger bedeutend überlegen, und aus dem Orient rückten noch Truppenmassen heran, deren Marsch durch den beginnenden Winter freilich sehr gehemmt war, die aber nach einigen Monaten die Uebermacht des Licinius ganz erdrückend machen mussten. Seine erste Niederlage hatte daher weniger seinen Muth gebeugt, als seinen Hass gesteigert. Erst nach der Schlacht bei Cibalae hatte er die Absetzung seines Mitregenten officiell ausgesprochen, indem er an dessen Statt den Grenzcommandanten Gajus Aurelius Valens zum Augustus ernannte[528]. Wenn er mit Constantin Friedensverhandlungen eröffnete, als dieser auf seiner Verfolgung nach Philippopolis gelangt war[529], so geschah dies wohl nur, um dessen Vormarsch aufzuhalten und unterdessen seine Concentration zu vollenden. Da aber die Gesandten zurückgewiesen wurden und der Feind unaufhaltsam vordrang, hielt auch Licinius es für bedenklich, den Muth seiner Soldaten durch fortgesetztes Rückwärtsweichen zu erschüttern, und wagte eine zweite Schlacht. Selbst wenn sie verloren wurde, blieb ihm der Rückzug auf Byzanz und die Vereinigung mit den Truppen des Orients ja immer noch unbenommen.

Etwa im November 314 trafen sich die beiden Heere bei Castra Jarba, in der Nähe des heutigen Harmanly, auf dem Theilungspunkt der Strassen, welche von Adrianopel aus westlich nach Philippopel, nordwestlich nach Beroea führten. Wieder zog sich der Kampf vom frühen Morgen bis in die Nacht hinein, und diesmal blieb er unentschieden[530]; aber am nächsten Tage fand Constantin sich keinem[WS 7] Feind mehr gegenüber. Sogleich liess er seine Truppen zu energischer Verfolgung ausrücken, selbstverständlich in der Richtung auf Adrianopel und Byzanz; doch die Fühlung mit dem Feinde wollte sich auch diesmal nicht wiederfinden lassen. Da wurde man über die Stellung desselben in sehr unerwarteter Weise belehrt, indem er plötzlich den Tross mit dem Hofgesinde des Kaisers hinter dem Rücken des Heeres [264] wegfing[531]. Licinius hatte in der Nacht, welche der Schlacht bei Jarba folgte, nicht seine natürliche Rückzugsstrasse nach Süden eingeschlagen, sondern war von dem Dreiwege, auf welchem der Kampf stattfand, nordwestlich nach Beroea gegangen, so dass er jetzt zwischen Constantin und der Donau stand[532].

Dieser Zug schnitt den gar zu hastigen Verfolger von seiner Operationsbasis und von allen Verstärkungen, welche er etwa aus Gallien oder Italien erwarten mochte, vollständig ab und brachte ihn, falls das orientalische Heer endlich heranrückte, zwischen zwei Feuer. Aber andererseits führte er auch für Licinius selbst sehr ernste Gefahren mit sich, welche dieser im Augenblicke des schnell gefassten Entschlusses übersehen oder zu gering geschätzt haben mochte. Wenn Constantin sich nach Byzanz hineinwarf und vielleicht auch die starke Flotte, welche er vor zwei Jahren gegen Maxentius aufgestellt hatte, herbeikommen liess, um mit ihr den Bosporus und Hellespont zu sperren, so waren die Truppen des Orients von Europa abgeschnitten und Licinius konnte seinerseits von Italien aus im Rücken gefasst werden. Zudem mochte sein Heer, das durch die Schlacht hart mitgenommen war und nachher noch manchen anstrengenden Marsch durch bergige Gegenden mitten im tiefsten Winter hatte ausführen müssen, nicht im besten Zustande sein. Aber andererseits hinderte die Jahreszeit auch Constantin, seine Flotte schnell heranzuziehen, und ob er das feste Byzanz werde einnehmen können, war für ihn, der die Stärke der Besatzung nicht kannte, wohl zweifelhafter, als für Licinius, der wahrscheinlich von hier wie aus den anderen thrakischen Städten die Truppen zur Verstärkung seines Feldheeres an sich gezogen hatte. So fanden sich beide Gegner durch jenen kühnen Schachzug in eine äusserst gefährliche Lage versetzt, und keiner sah daraus einen anderen Ausweg, als den Friedensschluss. Da aber Licinius zuerst einen Gesandten schickte und dieser eine höchst gedrückte Sprache führte, so merkte Constantin, dass jenem in der von ihm selbst geschaffenen Situation keineswegs wohl sei, und trat trotz seiner eigenen Besorgnisse von Anfang an als der stolze Sieger auf. Zur Verzweiflung durfte er seinen Feind allerdings nicht treiben und musste daher auf die Alleinherrschaft [265] verzichten. Doch forderte er die Absetzung des Valens und die Uebergabe von ganz Illyricum, wogegen Licinius Thrakien und die östlichen Provinzen behalten sollte. Der Gesandte, welcher durch Drohungen und langes Hinhalten mürbe gemacht war, willigte in alles, und auch sein Auftraggeber wagte nicht, Nein zu sagen[533]. Licinius selbst liess seinen kaum ernannten Mitregenten hinrichten, was Constantin gar nicht verlangt hatte[534][WS 8], und dieser gebot unbestritten über drei Viertel des Römerreiches[535]. Ob und wann er das vierte auch noch erobern wolle, blieb jetzt, wo die erdrückende Uebermacht auf seiner Seite war, seinem Willen anheimgegeben. Dass er beinahe zehn Jahre damit gewartet hat und nicht früher zum Schwerte griff, als bis die Christenverfolgung des Licinius seine heiligsten Gefühle verletzte, ist wahrlich kein geringes Zeichen seiner Friedensliebe.

Im December wurde der Vertrag abgeschlossen[536] und am 1. Januar 315 verkündete wieder ein gemeinsames Consulat der beiden Kaiser den Unterthanen des Reiches die wiederhergestellte Eintracht[537]. Der Preis dafür war die vollständige Zerreissung der Reichseinheit, welche Constantin bisher mit so viel Opfern aufrecht zu erhalten gesucht hatte. Jeder Kaiser gab Gesetze, doch galten sie nur in seinem Reichstheil[538]; jeder prägte sein Geld nach einem andern Münzfusse[539]; jeder hatte sich verpflichtet, die Grenzen des andern nicht mit Heeresmacht zu überschreiten, so dass sogar Unterstützung gegen Barbareneinfälle ausgeschlossen war. Das Römische Reich hatte sich in zwei gesonderte Staaten aufgelöst, die sich gegenseitig misstrauisch beobachteten. Freilich war dies nur private Verabredung der Herrscher; officiell kam es nicht zum Ausdruck. Die Statuen Constantin’s standen überall noch neben denen des Licinius; alle Münzstätten prägten mit den Bildnissen von beiden; dieselben Consuln wurden in den [266] Städten vom Hadrianswall bis zum Euphrat alljährlich verkündet; die Gesetze trugen beide Kaisernamen an der Spitze und ihr beschränkter Geltungskreis verrieth sich nur darin, dass sie im andern Reichstheil nicht publicirt wurden. Aber dass dies alles leere Formalitäten waren, wussten die Unterthanen ebenso gut wie die Herrscher selbst[540].

So wenig dieser Zustand den politischen Anschauungen Constantin’s auch entsprach, war er doch entschlossen, ihn einstweilen zu dulden. Licinius war ja ein alter Mann; für das Vermeiden eines Bürgerkrieges war es kein zu grosses Opfer, wenn die Herstellung der Reichseinheit bis zu seinem Tode verschoben blieb. Nicht einmal den Erben seines Gegners, der jung genug war, um gefügig zu sein, gedachte Constantin von der Thronfolge auszuschliessen. Am 1. März 317 ernannte er nach Uebereinkommen mit seinem Mitregenten seine Söhne, den etwa zwölfjährigen[541] Crispus und den neugeborenen Constantinus, zugleich mit dem vierjährigen Bastard des Licinius zu Cäsaren[542]. Diese Bestellung der künftigen Thronfolger hatte für ihn selbst gar keine Eile. Wollte er den Adoptivsohn seiner Schwester übergehen, so brauchte er mit der Regelung der Nachfolge nur bis zum Ableben seines Nebenbuhlers zu warten, der ja seinerseits nicht mehr die Macht besass, eine Beschleunigung zu erzwingen. Wenn er es also zuliess, ja vielleicht gar selbst anregte, dass der kleine Licinius den Truppen als ihr zukünftiger Kaiser gezeigt wurde, und ihm damit ein Prestige verlieh, das, wie er aus eigener Erfahrung wusste, keineswegs von geringer Bedeutung war, so kann dies nur ein Ausfluss seines guten Willens gewesen sein. Auch sonst vermied er jeden Conflict mit seinem Grenznachbarn und erhielt sorgfältig zwischen den beiden Reichstheilen, wenn auch nicht mehr die Einheit, so doch ein freundliches Verhältniss.

[267] Minder friedfertig war Licinius. So lange der Eindruck seiner Niederlagen noch frisch war, hielt auch er sich ruhig; aber je mehr die Wunde verharschte, desto klarer wurde in ihm der Entschluss, lieber Thron und Leben noch einmal zu wagen, als das drückende Uebergewicht des Verhassten dauernd zu erdulden. Durch harten Steuerdruck und gewissenlose Confiscationen presste er sich einen ungeheuren Schatz zusammen und schuf sich mit dem Gelde allmählig ein Heer und eine Flotte, mit welchen er Constantin trotz der viel geringeren Ausdehnung seines Reiches wohl die Spitze bieten konnte. Aber wovor der abergläubische Landsknecht die meiste Furcht hatte, das war der göttliche Schutz, unter dem sein Gegner seit der Schlacht an der Milvischen Brücke zu stehen schien. Wie Constantin jedem Princip, welches er zu dem seinen machte, mit heissem Eifer und pflichtbewusster Consequenz zu dienen pflegte, so hatte er sich auch mehr und mehr zum Ideal des christlichen Herrschers, wie seine Zeit es auffasste, auszubilden bemüht. Der Ausgangspunkt seines Christenthums war das Bedürfniss nach einem starken Helfer in einer Gefahr gewesen, der er mit seinen menschlichen Mitteln sich nicht gewachsen fühlte; aber nachdem er durch die wunderbare Gottesfügung, welche ihm das Haupt des Maxentius zu Füssen gelegt hatte, einmal zum Proselyten des neuen Glaubens geworden war, erfüllte er auch dessen sittliche Forderungen mit strenger Selbstbeherrschung. Zwar hatte er das Heidenthum noch nicht gänzlich abgethan, aber nur weil er es nicht durfte. Bestand doch das Heer, von welchem seine Existenz abhing, fast ausschliesslich aus Heiden. Zwar kämpften die barbarischen Söldner ebenso gern unter dem Kreuze, wie unter dem Hammer des Thor oder dem Hundskopfe des Anubis. Ihnen war Christus nur ein Gott mehr in der bunten Göttermenge, welche von den mannichfachen Nationen, die im Feldlager zusammenströmten, in tausendfach verschiedenen Cultformen geehrt wurde. Erwies seine Kraft sich stärker, als die der anderen Gottheiten, so war er ihnen als Schlachtenführer hoch willkommen. Aber wenn sie neben all’ den fremdartigen Religionsbräuchen, welche sie umgaben, auch das opferlose Gebet ihres Kaisers gelten liessen, so verlangten sie doch auch Respect für ihre Schutzpatrone. Doch dies verstand auch die christliche Geistlichkeit; sie erkannte es freudig an, dass Constantin für ihren Glauben that, was er konnte, [268] und niemals sind die Gebete für das Wohl der von Gott eingesetzten Obrigkeit in allen Kirchen aus aufrichtigeren Herzen emporgestiegen, als in jener Zeit. Aber eben diese Gebete, an deren Zauberkraft er festiglich glaubte, fürchtete Licinius. Für ihn, das wusste er wohl, wurden sie nicht in dem gleichen Sinne dargebracht[543]. War er doch der Tyrann, welcher jedes reiche Besitzthum und jedes schöne Weib, das die Begierden des greisen Wüstlings reizte, mit brutaler Gewalt an sich brachte. Auch er hatte zwar bei Tzirallum unter dem Zeichen des Kreuzes gekämpft; aber dass sein Verhältniss zum Christenthum kein anderes war, als das seiner Landsknechte, war Jedermann wohlbekannt. Um sich vor dem Zauber der Heiligkeit, welcher seinen Gegner umgab, zu schützen, griff er, sobald er zum Kriege fest entschlossen war, zu einem echt heidnischen Mittel. In allen antiken Religionen findet sich der Glaube wieder, dass ein Gebet oder ein Gelübde seine Kraft verliert, wenn es nicht in der vorgeschriebenen Form dargebracht wird. Licinius machte sich also um das Jahr 321[544] daran, die Formen des christlichen Gottesdienstes [269] nach Möglichkeit zu verwirren. Zunächst wurden alle Zusammenkünfte von Bischöfen, namentlich aber die Synoden verboten[545], in denen die Organisation der Kirche ihren Ausdruck und ihre Fortbildung fand; dann folgte ein Gesetz, dass die Frauen von den Versammlungen der Gemeinde auszuschliessen seien und ihre Andachten künftig unter der Leitung weiblicher Priester halten sollten[546]; die Kirchen wurden niedergerissen oder [270] geschlossen[547] und den Christen nur noch unter freiem Himmel ausserhalb der Stadtmauern die Ausübung ihres Cultus gestattet[548]. Da man den Werken der Barmherzigkeit eine ganz besondere Heilskraft beilegte, wurde das augenfälligste derselben, der Besuch und die Speisung von Gefangenen, bei den härtesten Strafen untersagt[549]. Am wenigsten wollte der Kaiser Leute, die für seinen Widersacher beteten, in seiner Umgebung dulden; so wurde denn zuerst der Hof von den Christen purificirt, bald auch der ganze Beamtenstand und das Heer[550]. Es dauerte nicht lange, so begannen die Blutgerichte wieder gegen die Bischöfe zu wüthen[551]. Beim fünfzehnjährigen Regierungsjubiläum des Licinius (11. Nov. 323) wagten es selbst im Reichstheil Constantin’s einzelne Beamte, gegen die Christen Zwang anzuwenden, damit sie sich an den Opfern für das Heil des Kaisers betheiligten[552].

Schon bei den ersten Symptomen der Christenverfolgung hatte Constantin erkannt, dass ihm ein neuer Bürgerkrieg bevorstehe, und seine Rüstungen begonnen[553]. Im Winter 322/23 legte er in Thessalonica einen Kriegshafen an, liess mehr als 2000 Transportfahrzeuge zusammenbringen und 200 Schlachtschiffe bauen, welche er mit 10 000 Matrosen bemannte. Denn da der Kampf jedenfalls einen Uebergang über den Bosporus nöthig machen musste, so forderte er eine starke Machtentfaltung zur See. Dazu wurden an Landtruppen 120 000 Mann Fussvolk und 10 000 Reiter aufgeboten, ein Heer, wie Constantin es noch nie zu einem Feldzuge concentrirt hatte[554]. Der Gegner war freilich wieder trotz seines dreimal kleineren Gebietes noch stärker, denn er scheute sich nicht, um seiner persönlichen Händel willen die Grenzen zu entblössen und den Barbaren preiszugeben[555]. Seine Flotte bestand aus 350 Segeln, sein Heer aus 150 000 Mann [271] und 15 000 Pferden[556]. Einstweilen war er allerdings mit seinen Rüstungen noch zurück. Denn da nach ihrem Vertrage, welcher jedem Herrscher die volle Freiheit des Handelns innerhalb seines Reichstheiles wahrte, Constantin die Christenverfolgung nicht zum Kriegsgrunde machen konnte, war Licinius noch auf keinen Angriff gefasst. Doch hatte er schon 323 begonnen, die Besatzungen von den Grenzen abzurufen und in den Asiatischen Provinzen, wo der Aufmarsch durch die Meerengen gedeckt war, um seine Person zu versammeln.

Da benutzten die Gothen an der unteren Donau die Verminderung der Grenzwachen und fielen in die Thrakische Diöcese ein. Licinius war zu fern, um ihren Plünderungen Einhalt zu gebieten, und Constantin, der in nächster Nähe zu Thessalonica verweilte, durfte in das Gebiet seines Mitregenten nach dem Vertrage von 314 nicht übergreifen. Aber die Aufrechterhaltung desselben war ihm jetzt gleichgültig, da er den Krieg ja doch kommen sah; und Römisches Gebiet vor den Barbaren zu schützen war eine Kaiserpflicht, welche private Verabredungen der Herrscher nicht aufheben konnten. So rückte denn im Sommer 323 Constantin in Thrakien ein, schlug die Gothen über die Donau zurück und zwang sie zur Auslieferung der weggeschleppten Gefangenen[557]. Aber nach dem Siege kehrte er alsbald in seinen Reichstheil zurück; keine Stadt von dem Gebiete seines Gegners, nicht einmal das wichtige Byzanz, von wo aus er den Feldzug gegen die Barbaren eingeleitet hatte[558], behielt er in seiner Hand. Den Vertrag hatte er zwar formell gebrochen, aber nur in Erfüllung einer Aufgabe, deren Dringlichkeit kein Unparteiischer leugnete. Dem Reichstheil des Licinius den Frieden wiederzugeben, war ein Recht, das ihm keine Verträge rauben konnten; doch wenn er zugleich für den sicher bevorstehenden Bürgerkrieg günstige Positionen erobert hätte, so wäre dies allerdings ein Eidbruch gewesen, vor welchem der fromme Christ zurückschreckte.

Aber Licinius sah in dem Geschehenen nur den Eingriff in seine Rechte und forderte drohend Genugthuung. Mehrere Gesandtschaften gingen hin und her, doch der Streit der Kaiser [272] schärfte sich nur in den Verhandlungen. Dazwischen überkam den hasserfüllten Greis wohl auch die Furcht vor seinem von höheren Mächten beschützten Gegner; dann unterbrach er seine Drohungen durch Bitten und Versprechungen; aber immer kehrte er wieder zu der kriegerischen Tonart zurück[559]. Zum Schlusse kam, was Jedermann vorausgesehen hatte, und im Frühling 324 setzten sich die Heere in Marsch[560].

Licinius nahm eine äusserst feste Stellung bei Adrianopel ein[561], dessen Umgegend er von seinem früheren Feldzuge her sehr genau kannte. Am Ufer des Hebrus entlang zog sich seine Armee über eine Linie von fünf Meilen Länge hin, dem Feinde den Uebergang verwehrend. Mehrere Tage lang standen die Heere an beiden Ufern des Flusses einander gegenüber, ohne dass Constantin, der, wie immer, vorwärts drängte, zum Schlagen hätte kommen können. Endlich gelang es ihm, den Gegner zu täuschen. Während er dessen Aufmerksamkeit durch scheinbare Zurüstungen zu einem Brückenbau fesselte, überschritt er an weit entlegener Stelle mit einer kleinen Schaar in einer Furt den Fluss, schlug die dort aufgestellte, wenig zahlreiche Bewachung zurück und führte, nachdem er das jenseitige Ufer besetzt hatte, sein ganzes Heer hinüber. Aber auch jetzt machte ihm der Ansturm auf die Höhen, welche Licinius besetzt hielt, noch harte Arbeit[562]. Nur dass sein Heer dem des Feindes, welches wahrscheinlich zum grossen Theil aus neu ausgehobener, wenig geübter Mannschaft bestand, an Tüchtigkeit und Disciplin weit überlegen war, entschied die Schlacht zu seinen Gunsten. Wieder hatte er persönlich unter den Vordersten gekämpft und selbst eine leichte Verwundung davongetragen[563]. Aber war der Kampf, welcher am 3. Juli 324 bei Adrianopel ausgefochten wurde[564], auch schwer genug, seine Früchte entsprachen den Mühen. Das orientalische Heer löste sich in wilder Flucht auf; am andern Tage ergab sich der grösste Theil der zerrissenen Massen dem Sieger[565]. – Doch war der Rest, welcher Licinius blieb, noch [273] immer ansehnlich. Nachdem er für Byzanz eine sehr starke Besatzung gestellt hatte, wurde noch ein Theil nach Asien übergesetzt[566], wo sich die Streitkräfte aus Norden und Süden zu einem letzten Entscheidungskampfe sammeln sollten[567]. Damit ihre Vereinigung nicht gestört werde, wollte Licinius die Stadt, welche den Uebergang von Europa nach Asien beherrscht, bis auf’s Aeusserste halten[568]. Constantin rückte unter ihre Mauern und rüstete Belagerungsthürme und Sturmwidder[569]. Aber gegen die starken Befestigungen, hinter denen eine so grosse Zahl von Vertheidigern sich barg, bot ein Sturm wenig Hoffnung auf Erfolg. Man musste den Hunger wirken lassen, und dies war nicht möglich, so lange der Hafen von Byzanz offen lag. In den Flotten ruhte also einstweilen die Entscheidung.

Constantin hatte seine Schiffe in[WS 9] Piräus versammelt[570] und unter den Befehl seines Sohnes Crispus gestellt, der schon in Gallien, kaum dem Knabenalter entwachsen, gegen die Franken und Alemannen glänzende Siege erfochten hatte[571]. Dieser erhielt jetzt die Ordre, in die Meerengen einzurücken und die Belagerung von der Seeseite zu unterstützen. Vorher aber musste die Flotte des Licinius geschlagen werden, welche unter dem Commando des Abantus den nördlichen Ausgang des Hellespont gesperrt hielt[572]. Als Crispus am Eingange der Dardanellenstrasse anlangte, erkannte er alsbald, dass in diesem schmalen Fahrwasser ihm die Menge seiner Schiffe nur hinderlich sein könne. Er liess daher den grösseren Theil zurück und zog mit nur 80 auserlesenen Fahrzeugen dem Feinde entgegen. Abantus stellte 200 zur Schlacht, doch diese drängten und störten einander und erleichterten durch ihre Anzahl dem Feinde nur den Kampf. Als aber die Nacht die Streitenden trennte, hielt es Crispus trotz mancher errungenen Vortheile doch für gerathen, sich vor der Uebermacht [274] zurückzuziehen und bei Elaius am Eingange des Hellespont mit dem Gros seiner Flotte zu vereinigen[573]. Am andern Morgen setzte ihm Abantus nach, war aber sehr erstaunt, als er statt der wenigen Schiffe, gegen die er am Tage vorher geschlagen hatte, eine so grosse Anzahl vorfand. Er zögerte mit dem Angriff, und auch Crispus blieb ruhig im Hafen. Da drehte sich gegen Mittag der Wind, welcher vorher von Norden geblasen und die Fahrt des Abantus unterstützt hatte, und verwandelte sich in einen furchtbaren Sturm aus Südwesten. Die Schiffe Constantin’s, welche im Schutze des Hafens lagen, wurden dadurch nicht geschädigt; die des Licinius dagegen erfasste er in der freien Meerenge und schleuderte sie gegen die Felsen des Asiatischen Ufers. 130 Fahrzeuge gingen zu Grunde, 5000 Seesoldaten ertranken; nur mit Mühe rettete sich der Feldherr selbst[574].

In diesem Kampfe, der mehr als einer der vorhergehenden den Charakter eines Religionskrieges an sich trug[575], war wieder einmal der Christengott in Sturm und Wetter für seinen Schützling eingetreten, und die moralische Wirkung davon musste noch bedeutender sein, als der unmittelbare Erfolg, so gross dieser auch war. Licinius, der jetzt auch vom Meere abgeschnitten werden konnte, verliess, noch ehe die feindliche Flotte herankam, mit den besten und zuverlässigsten seiner Truppen Byzanz und setzte nach Asien über, um sich an die Spitze der dort angesammelten Macht zu stellen[576]. Seiner ohnmächtigen Wuth über die Niederlage gab er auch jetzt wieder dadurch Ausdruck, dass er Constantin’s Absetzung aussprach und an dessen Statt seinen Hofmarschall Martinianus zum Augustus ernannte[577]. Noch immer [275] hoffte er den Feind am Uebergange hindern zu können, und während er selbst zu diesem Zwecke bei Chalkedon stehen blieb, sandte er seinen neuen Mitregenten nach Süden, um durch ihn auch den Hellespont beobachten zu lassen[578]. Aber Constantin täuschte diesmal seinen Gegner ganz ebenso, wie er es bei Adrianopel gethan hatte. Während dieser alle Aufmerksamkeit auf die Belagerungsarmee von Byzanz richtete, liess er hier nur ein kleines Cernirungscorps zurück und marschirte unbemerkt mit dem Gros seines Heeres nach Norden bis zum Einfluss des Pontus in den Bosporus. Dort setzte er auf Kähnen und kleinen Transportschiffen über, da er auch die Flotte, um den Argwohn des Licinius nicht zu erregen, aus dem Goldenen Horn nicht wegziehen konnte. So stand Constantin ganz unerwartet auf Asiatischem Boden; kaum blieb seinem Gegner die Zeit, vom Hellespont das Corps des[WS 10] Martinianus noch an sich zu ziehen. Auch jetzt hatte er trotz seiner Niederlagen wieder 130 000 Mann beisammen[579], freilich wohl zum grössten Theil neuausgehobene Truppen, welche in jener Zeit des langen Solddienstes, wo die höchste Ausbildung von den Soldaten gefordert wurde, kaum brauchbar waren. Doch befand sich darunter auch ein bedeutendes Hilfscorps tapferer Gothen, welche, nachdem ihre Stammesgenossen im Jahre vorher von Constantin geschlagen waren, dessen Feinde gern ihre Unterstützung boten[580]. Bei Chrysopolis in der Nähe von Chalkedon kam es am 18. September 324 zur Schlacht[581], in welcher Constantin wieder den vollständigsten Sieg errang. 25 000 Feinde deckten das Feld, die meisten Uebrigen ergaben sich oder hatten sich in wilder Flucht zerstreut[582]; mit kaum 30 000 rettete sich Licinius nach Nicomedia[583]. Jetzt zögerte auch Byzanz nicht mehr mit der Uebergabe, und seinem Beispiel folgte Chalkedon[584]. Die beiden Brückenköpfe des Bosporus waren in der Hand des Siegers und dadurch seine Verbindung mit [276] Europa gesichert. Von dieser Basis aus konnte er furchtlos die Unterwerfung Asiens in Angriff nehmen.

Doch ein weiterer Kampf sollte nicht mehr erforderlich sein. Bald nach der Entscheidungsschlacht erschien Constantia im Lager ihres Bruders, um die Friedensbedingungen ihres besiegten Gatten zu überbringen[585]. Noch hoffte Licinius, der oft missbrauchten Nachgiebigkeit seines Gegners vertrauend, dass ihm die Mitregentschaft erhalten bleibe; doch diese Forderung wies Constantin ohne Weiteres zurück. Schnell rückte er auf Nicomedia vor und begann die Stadt, welche die Reste des geschlagenen Heeres barg, zu belagern[586]. Mit seiner entmuthigten Schaar, welche sich durch seine Auslieferung leicht die Gnade des Siegers gewinnen konnte und, bis auf’s Aeusserste getrieben, gewiss zu diesem Rettungsmittel gegriffen hätte, wagte Licinius keinen neuen Widerstand. Er verzichtete auf jede stolzere Hoffnung und suchte nur noch das nackte Leben zu retten. Wieder entsandte er Constantia, doch diesmal kam sie nicht als Vermittlerin, sondern als Gnadeflehende. Constantin konnte ohne Gefahr bedingungslose Uebergabe fordern; denn die eine Stadt, welche Licinius noch sein eigen nannte, hätte der gesammten Macht des Römerreiches unmöglich widerstehen können. Nur ob die Belagerung Wochen oder Monate dauern würde, konnte fraglich sein, und auch dieses kaum. Wenn also der Sieger den Bitten seiner Schwester Gehör gab und ihr das verwirkte Leben ihres Gatten schenkte, so geschah dies gewiss nicht aus Gründen einer hinterlistigen Politik, sondern einfach aus christlicher Milde und Barmherzigkeit. Licinius, dem diese That freier Gnade schier unbegreiflich war, wagte noch die Bitte, dass ihm seine persönliche Sicherheit durch einen Eid Constantin’s bekräftigt werde, und gern gewährte dieser seinem misstrauischen Sinne die Beruhigung[587]. Jetzt brachte Constantia das Purpurgewand des ehemaligen Kaisers als Zeichen seiner Abdankung in’s Lager[588], und bald folgte er selbst ohne die Insignien der Herrschergewalt[589]. Er wurde achtungsvoll empfangen, und um zum öffentlichen Ausdruck zu bringen, dass alles vergeben und vergessen sei und der Besiegte auch künftig [277] zwar nicht mehr die Ehren des Kaisers, wohl aber die des kaiserlichen Verwandten geniessen solle, zog ihn Constantin an seine Tafel[590]. Dann wurde Licinius nach Thessalonica gesandt[591], einer Stadt, die nach ihrer damaligen Bedeutung mehr als Residenz, denn als Verbannungsort betrachtet werden musste. Auch Martinianus hatte Verzeihung empfangen; er erhielt seinen Wohnsitz in Kappadokien angewiesen[592].

Licinius konnte nicht lange Ruhe halten. Schon im nächsten Jahre (325) vernahm man[593], dass er mit den Donaubarbaren Verbindungen angeknüpft habe, um unter ihnen Söldner zu werben und mit deren Hilfe einen neuen Aufstand zu versuchen[594]. Den Soldaten Constantin’s war der Mann, welchen sie so oft bekämpft hatten und der, immer besiegt, ihnen immer auf’s Neue furchtbar geworden war, tief verhasst. Schon vor Nicomedia hatten sie seine Begnadigung mit stillem Ingrimm hingenommen; als jetzt das Gerücht von neuen Umtrieben zu ihnen drang, machte ihr Zorn sich in wilden Tumulten Luft. Sie waren fast alle Heiden; nach ihrer Moral war Rache Mannespflicht, und dass ihr Kaiser nach dem Gebote seiner Religion dem Feinde verzieh, erschien ihnen unnatürlich. Hatten sie sich vorher schweigend dem Befehl des Herrschers gebeugt, so forderten sie nun mit aufrührerischem Geschrei den Tod des unverbesserlichen Unruhstifters. Auch Constantin musste jetzt in dem entthronten Kaiser eine Gefahr für den Frieden des Reiches, in seiner unnützen Schonung eine gutherzige Thorheit erkennen, und seines Eides war er durch den erneuten Hochverrath des Begnadigten zweifellos entbunden[595]. Trotzdem war er zu gewissenhaft, um dessen Tod auf seine eigene Verantwortung zu nehmen, und setzte deshalb die höchste Behörde des Reiches, den Römischen Senat, zum Richter ein[596]. Wie [278] dessen Spruch lauten würde, konnte man freilich voraussehen, und auch sein Geschöpf, Martinianus, wurde in den Untergang des Licinius mit hineingezogen[597]

Das Leben des jungen Licinius tastete Constantin einstweilen nicht an; er fühlte sich jetzt auf dem Throne zu sicher, um das Prätendententhum eines Knaben zu fürchten. Erst eine Erfahrung seiner allerletzten Jahre sollte ihn belehren, wie heiss noch immer der Boden unter seinen Füssen war und wie leicht der Friede des Reiches gestört werden konnte. Ein gewisser Calocerus, welcher nur die unbedeutende Stellung eines Aufsehers der kaiserlichen Kameelherden bekleidete, brachte es noch um das Jahr 335 fertig, sich zum Kaiser ausrufen zu lassen und einen Aufstand auf der Insel Cypern anzuzetteln. Schnell ereilte ihn die verdiente Strafe[598][WS 11], aber das Misstrauen Constantin’s war durch diese unerwartete Erhebung wachgerufen und wandte sich jetzt auch gegen Licinius, der unterdessen zum Jüngling herangereift war. Wenn schon ein niederer Beamter dies vermocht hatte, welche Gefahr drohte dann erst von dem Kaisersohne, der als Kind selbst den Purpur der Cäsaren getragen hatte! Zwar konnte sich in dem militärisch schwachen Afrika, wo Licinius lebte, ein Usurpator nicht auf die Dauer behaupten und, durch Meer und Wüste von dem übrigen Reiche getrennt, vermochte er auch die Empörung nicht über die anderen Provinzen zu verbreiten. Für seine Person also brauchte Constantin nichts zu fürchten, um so mehr aber für die unglücklichen Landschaften, welche sich dem Aufstande anschlossen. So erklärte er denn gleich nach der Erhebung des Calocerus (Anfang 336) durch ein Gesetz die Legitimation von Kindern, welche Standespersonen mit Sklavinnen, Freigelassenen oder übelberüchtigten Weibern erzeugt hatten, selbst wenn sie durch kaiserliches Rescript erfolgt war, für ungültig, beraubte die Bastarde jedes Erbrechts und wies sie dem Stande ihrer Mutter, welchem sie nach dem gemeinen Recht angehörten, wieder zu. So machte Constantin den jungen Licinius, [279] der ja auch von einer Sklavin geboren war, wieder zum Sklaven und konnte sich doch zugleich vor der Welt und seinem Gewissen darauf berufen, dass er nur den Folgen anstössiger Verbindungen, welche auch seine Religion verdammte, entgegengetreten sei und das alte Römische Recht wieder zur Geltung gebracht habe. Um die gemeine Geburt des Prätendenten der Menge recht grell vor die Augen zu rücken, sollte der unglückliche Jüngling, wie es einem entlaufenen Knechte zukam, in Fesseln gelegt und ausgepeitscht werden. Er entfloh, wurde aber eingefangen und zur Fabrikarbeit in einer kaiserlichen Manufactur verurtheilt[599]. Das Mitleid mit dem Schicksal des Kaisersohnes hat vielleicht im Volk eine Gährung hervorgerufen, welche Constantin bedenklich erschien. Da er sich eben zum Perserkriege rüstete und erwarten musste, die Grenzen des Reiches zu überschreiten und vielleicht gar längere Zeit von ihnen abgeschnitten zu sein, hielt er es für gerathen, den elenden Sklaven abthun zu lassen[600].

Wir haben bei dieser Episode verweilt, weil sie uns für Constantin ganz besonders charakteristisch erscheint. Die Gewissenhaftigkeit des Christen und Regenten tritt darin ebenso deutlich zu Tage, wie die kühle Grausamkeit des Landsknechts. Der Kaiser schont seinen Feind, so lange er in ihm keine Gefahr für den Staat erblickt. Als der Eindruck einer trüben Erfahrung ihn plötzlich mit Besorgniss erfüllt, nicht für sich, sondern für seine Provinzen, da will er noch immer das formelle Recht wahren und das Gebot: „Du sollst nicht tödten“ aufrecht erhalten. Er schreitet ein, nicht durch einen Gewaltakt oder eine Ausnahmebestimmung, sondern durch ein allgemeines Gesetz, das ihm auch abgesehen von seinem besonderen Zwecke recht und billig erscheint, und tastet das Leben des Prätendenten nicht an. Doch dass er diesem ein Schicksal bereitet, tausendmal schlimmer als der Tod, lässt ihn völlig kalt. Als dann aber die [280] Gefahr ernster wird, muss auch das fünfte Gebot vor der Sicherheit des Reiches zurücktreten.

So weit er vermochte, hat Constantin die Reichseinheit immer gewahrt, aber die Alleinherrschaft hatte er nie erstrebt, sondern sie war ihm aufgedrungen. Dem Verfassungsgedanken Diocletians, den er als Knabe sich zu eigen gemacht hatte, ist er auch als Greis treu geblieben. Noch kurz vor seinem Tode hat er das Reich unter seine Söhne und Neffen fast ganz in derselben Weise vertheilt, wie es einst von Diocletian und seinen Genossen verwaltet worden war. Aber sich selbst einen gleichberechtigten Mitregenten zuzugesellen, wagte er nach den traurigen Erfahrungen seiner Jugendjahre denn doch nicht mehr. Die Allgegenwart des Kaiserthums, welche der Grundgedanke des Diocletianischen Systems gewesen war, suchte er dadurch zu[WS 12] erreichen, dass er seine Söhne als Cäsaren in die verschiedensten Provinzen entsandte und dort den kaum erwachsenen Jünglingen nicht selten Aufgaben von hoher militärischer Wichtigkeit anvertraute; aber die Stellung des Augustus und damit die Oberaufsicht über das ganze Reich bewahrte er für sich allein. Zwar der Sultanismus, dessen man ihn beschuldigt hat, lag seiner Natur gänzlich fern; seine jüngeren Brüder, gegen welche er sich doch in erster Linie hätte äussern müssen, hat Constantin in ehrenvollen Stellungen an seinen Hof gezogen und in der Staatsverwaltung vielfach beschäftigt, ja sogar ihre Söhne den seinen als Mitregenten zugesellt. Wenn er sie nicht als Augusti sich selbst zur Seite stellte, so geschah dies, weil er sich die Kraft zutraute, den Frieden des Reiches allein aufrecht zu erhalten, vielleicht auch weil er sie für zu unbedeutend hielt. Doch zur Erfüllung jener schweren Pflicht schien ihm nur seine eigene machtvolle Persönlichkeit befähigt; das Princip der dynastischen Erbfolge durfte er nicht antasten, und für das schwächere Geschlecht, welches ihm dann nachfolgen sollte, stellte er die Diocletianische Vielherrschaft wieder her. Hatte diese Regierungsform auch ihn selbst aus einem Bürgerkriege in den andern gestürzt, so hoffte er doch, dass die enge Blutsverwandtschaft, welche seine Nachfolger verband, zwischen ihnen die Einigkeit besser erhalten werde. Er sollte sich auch diesmal täuschen; die höchste, allumfassende Gewalt ist eben ihrem Wesen nach nicht theilbar, selbst unter Brüdern nicht. Aus der Vielherrschaft erstand unter furchtbaren Kämpfen [281] auf’s Neue die Alleinherrschaft; aber kaum sah sich diese wiederhergestellt, so fühlte sie sich ihrer Riesenaufgabe abermals nicht gewachsen und kehrte freiwillig zur Vielherrschaft zurück. In den früheren, ruhigen Zeiten hatten auch mittelmässige Menschen den Thron zu behaupten und das gewaltige Reich in seinen Fugen zu halten vermocht; unter den Wirren des vierten Jahrhunderts war dies nur ganz aussergewöhnlichen Männern, und auch solchen nur auf kurze Zeit möglich. Hochschotten und Germanen, Sarmaten und Perser, Isaurer, Araber und Mauren bedrohten immer auf’s Neue die Grenzen, und von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wurden ihre Angriffe und Plünderungen häufiger und frecher. Und nicht nur diese äusseren Feinde mussten auf einem Gebiete, das von Schottland bis nach Mesopotamien, von der Donau bis an die Sahara reichte, alle zugleich im Schach gehalten werden, sondern daneben erhob auch die Usurpation immer wieder ihr Haupt. Wer das Unglück hatte, unter diesen Verhältnissen zur Herrschaft berufen zu werden, der stand seiner unlösbaren Aufgabe bald rathlos gegenüber und schaute verzweifelt nach Helfern aus. So ist der Diocletianische Irrthum, obgleich wieder und wieder ad absurdum geführt, doch immer lebendig geblieben, und die Vielherrschaft hat fortbestanden, bis sie die Einheit des Reiches völlig aufgelöst hatte und in seinen Theilen auf’s Neue zur Alleinherrschaft wurde.



Anmerkungen

  1. Eutrop. IX 19, 2; Vict. Caes. 39, 5; epit. 39, 1; Zonar. XII 31. Vor seiner Regierung führte er den Freigelassennamen Diocles. Lact. de mort. pers. 9; 19; 29; 37; 52; Liban. ad Theod. de sedit. I p. 644 (Reiske). Vict. epit. 39, 1. Dieser hat wohl Anlass gegeben, dass man seiner Mutter und seiner Vaterstadt den Namen Dioclea erfand; denn wie die zweifelnden Angaben des Eutrop zeigen, wusste man von seiner Herkunft nichts Genaues. Wahrscheinlich ist er selbst bestrebt gewesen, sie möglichst in Dunkel zu hüllen.
  2. Zon. XII 30; 31; Vict. Caes. 39, 1; Vit. Carini 13, 1. Gleich nach seinem Regierungsantritt übernahm er nach den Fasten sein zweites Consulat, muss also schon als Privatmann Consul gewesen sein. Diesen Schluss hat auch Syncellus gezogen.
  3. Eutrop. IX 18, 1; Vict. Caes. 38, 3; epit. 38, 3; Zon. XII 30; Chron. Pasch. a. 284; Vit. Car. 8. Wenn die letztgenannte Stelle vermuthen lässt, der Kaiser sei durch eine Militärverschwörung umgekommen, so ist darauf gar nichts zu geben; solche Andeutungen des notorischen Fälschers, welcher die Historia Augusta verfasst hat, besitzen nicht den geringsten Quellenwerth.
  4. Eutrop. IX 19, 1; Vict. Caes. 38, 2; Zon. XII 30; Vit. Car. 7, 1; 12, 1; 16, 2. Ein Rescript des Numerianus vom 18. März 284 ist aus Emesa datirt. Cod. Just. V 52, 2.
  5. Zosim. I 73, 2.
  6. Eutr. IX 18, 2; Vict. Caes. 38, 6; epit. 38, 4; Zon. XII 30; Vit. Car. 12.
  7. Vict. Caes. 39, 1 schreibt zwar, Diocletian sei ducum consilio tribunorumque ob sapientiam gewählt worden, aber da er nach Aper die höchste Stelle im Heere einnahm, hätte sich seine Wahl von selbst verstanden, auch wenn er nicht für weise gegolten hätte. In dieser Zeit pflegen heidnische Schriftsteller die Weisheit der heidnischen Kaiser zu preisen, christliche die der christlichen; solche Zeugnisse haben daher gar keine Bedeutung.
  8. Eutrop. IX 20, 1; Vict. Caes. 39, 14; Zon. XII 31. Die Erzählung der Vita Carini 13, 2. Diocletians Handeln sei durch eine Weissagung bestimmt worden, dass er nach Tödtung eines Ebers auf den Thron gelangen werde, ist an sich nicht unwahrscheinlich; nur erregt es Verdacht dagegen, dass die Fälschungen der Historia Augusta sich mit besonderer Vorliebe in Namenspielereien dieser Art bewegen (Dessau, Ueber Zeit und Persönlichkeit der Script. hist. Aug., Hermes XXIV S. 384). In Ermanglung eines minder bedenklichen Zeugnisses wird man sie daher besser auf sich beruhen lassen.
  9. Ueber das Datum s. Jahrbb. f. class. Philol. 1889 S. 634. Rhein. Mus. XLI S. 169.
  10. Lact. de mort. pers. 11; vgl. Euseb. hist. eccl. VIII 4, 4.
  11. Lact. 14; 15; Eutrop. IX 23; 26; 27, 1.
  12. CIL. III S. 826; Lact. 7.
  13. Die Anwendung der Folter wird zuerst beim Census des Jahres 306 unmittelbar nach der Abdankung Diocletians erwähnt. Lact. 23; vgl. 7 in exactionibus iniuriae non ferendae.
  14. Vict. Caes. 39, 15 Nach den Fasten behielt Aristobulus das Consulat, welches ihm Carinus verliehen hatte, auch unter Diocletian. Vgl. Hydat. Fast. 285.
  15. Eutrop. IX 23; Liban. ad Theod. post reconc. I p. 660; de sedit. p. 644; Antioch. p. 324; de vita sua p. 4.
  16. Lact. de mort pers. 7; 8; Euseb. vit. Const. I 14; Liban. de Constante et Constantio III p. 277 (Reiske).
  17. Eutrop. IX 26; Zonar. XII 31; Vict. Caes. 39, 2. Dass Vict. epit. 35, 5 sowohl diesen Schmuck, als auch das Diadem, welches nach epit. 41, 14 und nach den Münzbildnissen erst von Constantin eingeführt wurde, schon dem Aurelian beilegt, muss ein Versehen sein. Denn mit der lux divinum verticem claro orbe complectens, welche Eumenius paneg. II 3 unter den Insignien des Kaiserthums erwähnt, dürfte doch wohl die Strahlenkrone gemeint sein.
  18. Eumen. paneg. II 4, 7; 13. III 2; 3; 10; 14; 16. IV 10; 16; 18. V 4; Lact. 52; CIL. III 3522; 4413; 5325. Eckhel VIII S. 36; 52; 65; 67 und sonst.
  19. Eumen. paneg. III 6; vgl. II 1; 2; 6; Euseb. mart. Palaest. 1, 1. Vgl. CIL. III 710.
  20. Eumen. paneg. III 11; Eutr. IX 26; Vict. Caes. 39, 4; Amm. XV 5, 18; Zon. XII 31.
  21. Die Münzpolitik Diocletians und seiner Nachfolger. Zeitschr. f. Numism. XVII S. 36.
  22. Lact. de mort. 7.
  23. In den ersten Monaten seiner Regierung nahm er den Titel Brittannicus an (CIL. VI 1116; XIV 128), legte ihn aber vor 288 schon wieder ab (CIL. III 22), weil der betr. Sieg durch einen Privatmann, nicht durch die Kaiser selbst erfochten war (s. unten). Nach dem Vertrage mit den Persern im J. 288 (Eumen. paneg. II 7; 9; 10; III 5; V 10) nannte er sich Persicus (CIL. III 5810; VIII 7003), bald darauf aber schien ihm dieser unblutige Siegestitel unter seiner Würde. Denn wenn beide Namen im Preisedict (CIL. III S. 824) sich finden, so zeigt hier doch ihre Wiederholung bei den Caesares, dass sie Diocletian erst nach 293 in Folge neuer Siege zum zweiten Mal angenommen hat. Auch die Zählung der imperatorischen Acclamationen ist in den Inschriften von 292 (CIL. VI 1124) und 294 (Inscr. Helv. 239) eine ganz andere als im Preisedict von 301; dort erscheinen bis zum 1. März 293 bei Maximian 8, also bei Diocletian, welcher eine mehr zählte, 9, während hier nur 6 resp. 7 für denselben Zeitraum berechnet werden. Der Saracenenkrieg und einer der Germanenkriege, welche bis 294 noch in der Titulatur gefeiert wurden, sind eben später als zu unbedeutend nicht mehr berücksichtigt. Ebenso ist die Zählung der Tribuniciae Potestates des Maximian vor und nach 293 verschieden. Vgl. die Erhebung Maximians zum Augustus, Commentationes Woelfflinianae, Leipzig 1891 S. 31 ff. Ueber die fortwährenden Aenderungen in der Münzpolitik Diocletians s. Zeitschr. f. Numism. XVII S. 36 ff.
  24. Lact. 11. Seine Aengstlichkeit erwähnt Lact. 7; 8; 9; 10.
  25. Ueber das Alter Diocletians besitzen wir nur Eine bestimmte Nachricht bei Vict. epit. 39, 7: Vixit annos sexaginta octo ex quibus communi habitu prope novem egit. Hiernach könnte er bei seiner Thronbesteigung nur 38–39 Jahre alt gewesen sein; doch sind die Zahlen sehr bedenklich, ja die zweite sogar erweislich falsch. Denn nach seiner Abdankung lebte der Kaiser nicht beinahe neun, sondern beinahe zwölf Jahre. Eumenius (Paneg. III 7) sagt von Diocletian und Maximian: non fortuita in vobis est germanitatis usque ad imperium similitudo, quaene etiam intervallum vestrae vincit aetatis et seniorem iunioremque caritate mutua reddit aequales, ut iam illud falso dictum sit, non delectari societate rerum nisi pares annos. intellegimus enim, sacratissimi principes, geminum vobis, quamvis dispares sitis aetatibus, inesse consensum. Dies zeigt, dass Diocletian sehr beträchtlich älter war, als sein Mitregent. Da er diesen adoptirt hatte, ehe er ihn aus seinem Sohne zum Bruder und Mitaugustus erhob, so darf man wohl vermuthen, dass der Altersunterschied von 18 Jahren, welchen die Römischen Gesetze für die Adoption vorschrieben, zwischen ihnen wenigstens annähernd vorhanden war. Den Aufstand, welcher im J. 310 den Untergang Maximians herbeiführte, erklärt Eumenius aus der Thorheit seines schon kindisch werdenden Greisenalters (Paneg. VII 15 error iam desipientis aetatis, ut tot natus annos gravissimas curas et bellum civile susciperet). Dies hätte keinen Sinn, wenn der Kaiser nicht mindestens das siebzigste Jahr zurückgelegt hätte (die Nachricht der epit. 40, 11 aetate interiit sexagenarius ist also ebenso wenig glaubwürdig, wie die über das Alter Diocletians). Auch kann er, da er schon als Privatmann an Donau, Euphrat und Rhein mit Auszeichnung gekämpft hatte (Paneg. II 2), nach einer so reichen kriegerischen Vergangenheit bei seiner Thronbesteigung nicht mehr jung gewesen sein. Wir werden daher wohl nicht sehr weit von der Wahrheit abirren, wenn wir uns im J. 284 Maximian etwa als Fünfundvierzigjährigen, Diocletian als Sechzigjährigen denken. Auch der Abdankungsplan wird erst verständlich, wenn der Kaiser bei seiner Ausführung achtzig, nicht wenn er erst fünfundfünfzig Jahre alt war. Eumenius sagt ausdrücklich, dass bei ihrem Rücktritt der eine Herrscher von Alter und Krankheit ganz gebrochen (vgl. Eutrop. IX 27, 1), der andere zwar auch schon ein Greis, aber noch frisch und rüstig war (Paneg. VI 9 sed tamen utcunque fas fuerit eum principem, quem anni cogerent aut valitudo deficeret, receptui canere: te vero, in quo adhuc istae sunt integrae solidaeque vires, hic totius corporis vigor, hic imperatorius ardor oculorum, immaturum otium sperasse miramur). Dies passt vortrefflich auf ein Lebensalter von 80 und 65 Jahren.
  26. Die neue Goldmünze, welche Diocletian einführte, aber schon 286 wieder abschaffte, um sie durch ein Goldstück von höherem Werthe zu ersetzen, ist nicht so selten, dass man glauben könnte, ihre Prägung habe nur wenige Monate gedauert (vgl. Zeitschr. f. Numism. XVII S. 41). Dazu kommt, dass mit dem Namen Maximian’s noch kein Exemplar sicher nachgewiesen ist; wenn also auch nach der Gewichtsübersicht bei Mommsen (Gesch. des Röm. Münzwesens S. 852) einzelne zu existiren scheinen, sind sie doch jedenfalls äusserst selten. Danach muss die grosse Masse dieser Goldstücke vor der Erhebung Maximian’s zum Augustus (Anfang 286) geschlagen sein und folglich ihre Prägung spätestens in den ersten Monaten 285 begonnen haben.
  27. Auch die Trennung von Militär- und Civilgewalt in den Provinzen fällt in die Frühzeit Diocletians, da Eumen. Paneg. II 3 schon im J. 289 iudices und duces unterscheidet.
  28. Die Adoration der Kaiser wird schon bei ihrer Zusammenkunft in Mailand (Winter 288/89) erwähnt, ist also auch in den ersten Jahren Diocletians eingeführt. Eumen. paneg. III 11.
  29. Coll. leg. Rom. et Mos. XV 3, 2 maximi enim criminis est, retractare, quae semel ab antiquis statuta et definita suum statum et cursum tenent ac possident. Vgl. VI 4.
  30. Vgl. Zeitschr. f. Numism. XVII S. 60; 62; 139; 143.
  31. Liban. Antioch. I p. 324; ad Theod. de sedit. p. 644; post reconc. p. 660. Dass der Aufstand in die letzte Zeit Diocletians fiel, ergibt sich aus Euseb. hist. eccl. VIII 6, 8.
  32. Eumen. paneg. IV 18 tot urbes diu silvis obsitas atque habitatas feris instaurari moenibus, incolis frequentari. Vgl. V 10.
  33. Eumen. paneg. V 1; 8; 9; 21; VII 6; VIII 4. Anon. Vales. 6, 32; Eutrop. IX 25, 2; Vict. Caes. 39, 43; Euseb. vit. Const. IV 6 und sonst.
  34. Der Titel Brittannicus erscheint auf Inschriften des Jahres 285. CIL. VI 1116; XIV 128. Schon 288 ist er erweislich nicht mehr geführt worden (CIL. III 22), um dann erst 296 nach der Besiegung des Allectus durch Constantius wieder aufzutauchen.
  35. Im J. 294 zählte man bei Maximian neun imperatorische Acclamationen (Mommsen, Inscr. Helv. 239. Mitthh. d. antiquar. Ges. zu Zürich X S. 47); von diesen waren nach CIL. VI 1124 bis zum J. 292 acht erworben. Die Kriege, welche zu ihnen Anlass gaben, lassen sich alle noch nachweisen und sind sämmtlich von einem der beiden Kaiser persönlich geführt:
    I. Sieg Maximians über die Chaibonen und Heruler. Eumen. paneg. II 5; III 7.
    II. Sieg Maximians über die Germanen beim Antritt seines ersten Consulats (1. Jan. 287) l. l. II 6; III 5.
    III. Einfall Maximians in das Ueberrheinische Gebiet (288) l. l. II 7; III 5; 7; 16; VI 8.
    IV. Einfall Diocletians in die Germanischen Lande von Raetien aus (289) l. l. II 9: III 5; 7; 16.
    V. Sarmatenkrieg Diocletians l. l. III 5; 7; 16.
    VI. Saracenenkrieg Diocletians (290) l. l. Dass der Kaiser die beiden letzten Kriege selbst führte, ergibt sich aus seinen Aufenthaltsorten im J. 290. Am 11. Jan. ist er in Sirmium (Cod. Just. X 3, 4), also in nächster Nähe der Gegenden, welche damals von den Sarmaten bewohnt waren. Bald darauf finden wir ihn in eiligem Zuge nach dem Orient. Am 27. Febr. ist er in Adrianopel, am 3. April in Byzanz, am 6. Mai in Antiochia, am 10. Mai in Emesa (Mommsen, Abhh. d. Berl. Akad. 1860 S. 425), am 26. Mai in Laodicea (Cod. Just. VI 15, 2), mitten in dem Gebiet, welches die Saracenen mit ihren Streifzügen heimzusuchen pflegten.
    VII. Zweiter Einfall Maximians in das Ueberrheinische Gebiet (291 oder 292). Eumen. paneg. V 2; vgl. Jahrbb. f. class. Philol. 1888 S. 718.
    VIII. Der zweite Sarmatenkrieg, welcher nach dem Preisedict (CIL. III S. 824) vor der Ernennung der Caesares (1. März 293) ausgefochten wurde. Auch diesen dürfte Diocletian persönlich commandirt haben, da er sich 290–293 fortdauernd in den Donaulandschaften aufgehalten hat. (Mommsen, Abhh. d. Berl. Akad. 1860 S. 426 ff). Ueber die späteren Kriege sind die Nachrichten zu unvollständig, als dass man bei jedem einzelnen die persönliche Theilnahme eines der vier Kaiser erweisen könnte; doch ergibt sich das Princip aus der besprochenen Reihe klar genug, namentlich da der sehr bedeutende Frankensieg, welchen Constantius kurz vor 289 noch als Präfectus Prätorio Maximians erfochten hatte (Eumen. paneg. II 11; III 7), zu keiner Vermehrung der imperatorischen Acclamationen Anlass gegeben hat. Vgl. Eumen. paneg. V 14 hoc loco venit in mentem mihi, quam delicata illorum principum fuerit in administranda republica et adipiscenda laude felicitas, quibus Romae degentibus triumphi et cognomina devictarum a ducibus suis gentium proveniebant. Hierin liegt doch auch, dass dies unter Diocletian abgeschafft war.
  36. Lact. de mort. pers. 13.
  37. Hierauf bezieht sich wohl Vict. Caes. 39, 46 Valerio parum honesta in amicos fides erat discordiarum sane metu.
  38. Eumen. paneg. II 11.
  39. Eutr. IX 22, 2. Vict. Caes. 39, 42. Zonar. XII 31. Eumen paneg. V 15 ff. Vgl. Vit. Prob. 22, 3.
  40. Wenn der Fälscher, welcher im Anfang des fünften Jahrhunderts die Historia Augusta geschrieben hat (Jahrbb. f. class. Philol. 1890 S. 609), den Asclepiodotus als Quelle für die Geschichte Diocletians anführt, so ist das, wie Mommsen (Hermes XXV S. 257) erkannt hat, weiter nichts als Schwindel.
  41. Vgl. Lact. de mort. pers. 17.
  42. Vict. Caes. 39, 12; epit. 38, 8; vgl. Zos. I 73.
  43. Die Kriege, welche Diocletian bis 292 befehligt hat, findet man S. 58 Anm. 2 aufgezählt. Sie sind alle viel unbedeutender als die von Maximian geführten. In der zweiten Hälfte seiner Regierung hat er nur die Belagerung von Alexandria persönlich geleitet, welche zwar sehr langwierig war, aber deren Ausgang keinen Augenblick zweifelhaft sein konnte. Mit dem schwierigen Kampf gegen Carausius und dessen Nachfolger beauftragte er zuerst den Maximian, dann den Constantius; der Perserkrieg wurde, obgleich er Diocletians Reichstheil in erster Linie anging, doch dem Galerius übertragen.
  44. Eumen. paneg. II 4; III 5; VI 8; Eutr. IX 20, 3; Vict. Caes. 39, 17; Zon. XII 31.
  45. Vict. Caes. 39, 10; epit. 38, 6; 39, 3. Zosim. I 73. Eckhel VII S. 521.
  46. Eumen. paneg. III 7; VI 9.
  47. Eumen. paneg. II 2; III 3. Vict. epit. 40, 10.
  48. Eumen. paneg. III 1; 2; 19 geminus natalis.
  49. Lact. de mort. pers. 10; 11; Zos. II 10, 5; Vict. Caes. 39, 48; Müller, frgm. hist. Graec. IV S. 198.
  50. Burckhardt, die Zeit Constantins des Grossen. 2. Aufl. S. 41 ff.
  51. Eumen. paneg. II 2; Vict. Caes. 39, 17; 26; epit. 40, 10.
  52. Eumen. paneg. II 8; Vict. Caes. 39, 17; Eutrop. IX 27, 1; X 3, 2.
  53. Lact. de mort. pers. 8; Vict. epit. 40, 10; Caes. 39, 46; Julian. Caes. p. 315 c.
  54. Eutrop. IX 27, 1; X 1, 3; Vict. epit. 40, 10.
  55. Vgl. die Schilderung seiner Kriegsthaten bei Eumen. paneg. II 5 ff.
  56. Eumen. paneg. II 14; vgl. Jahrbb. f. class. Philol. 1890 S. 625.
  57. Hydat Fast. 286. vgl. Jahrbb. f. class. Philol. 1889 S. 630.
  58. Lact. de mort. 19; Eutrop. IX 20, 3; 22, 1; Amm. XXVII 6, 16; CIL. VIII 10 227 mit Mommsens Anmerkung. Vgl. Commentationes Woelfflinianae (Leipzig 1891), S. 31.
  59. Eumen. paneg. II 1; 2; 4; 7; 10; 13; III 2; 3; 10; 14; 16; IV 8; 10; 16; 18; V 4; VI 2; 8; 11; Lact. de mort. pers. 8; 52; Anon. Vales. 1, 1 und sonst.
  60. Dass die offizielle Anerkennung als Augustus dem Maximian schon 286 gewährt wurde, beweist CIGr. II 2743.
  61. Die Erhebung Maximians zum Augustus. Commentationes Woelfflinianae S. 31 ff.
  62. Eumen. paneg. II 9; III 2; 4; 8 ff. Ueber die Zeit der Zusammenkunft s. Jahrbb. f. class. Philol. 1888 S. 717.
  63. Eumen. paneg. II 11; 13; III 6.
  64. Eumen. paneg. II 9; III 7.
  65. Der Carpenkrieg war nach Eumen. paneg. V 5 später, als die Besiegung des Achilleus in Aegypten. Der Beginn von dessen Aufstand wird durch das Aufhören von Diocletians Alexandrinischer Prägung bezeichnet, welches nach den Jahreszahlen der Münzen zwischen dem 29. Aug. 295 und dem 28. August 296 eintrat. Eine noch genauere Zeitbestimmung ergibt sich aus dem Folgenden. Es finden sich von Achilleus gar keine Münzen mit seinem uns durch die Historiker überlieferten Namen, wohl aber von einem L. Domitius Domitianus, von dem kein Geschichtschreiber etwas weiss. Da auch dieser nur in Alexandria gemünzt hat, auf dessen Umkreis sich das Reich des Achilleus beschränkte, hat man ihn längst mit letzterem identificirt. Denn dass er in die Zeit Diocletians gehört, ergibt sich mit Sicherheit aus der Fabrik der Münzen. Offenbar hat der Usurpator seinen Freigelassenennamen Achilleus ebenso mit dem vornehm klingenden Römischen vertauscht, wie auch sein Gegner aus einem Diocles zum Diocletianus und einer von dessen Nachfolgern aus einem Daja zum Maximinus wurde. Es ist ganz natürlich, dass die späteren Historiker, welchen der Thronräuber in gehässigem und verächtlichem Lichte erscheinen musste, diese Umtaufe alle ignoriren und ihn einzig bei dem gemeinen Namen nennen, welcher ihm von Geburt zukam. Nur auf diese Weise lässt sich die sonst ganz unbegreifliche Thatsache erklären, dass von Achilleus, der mehr als sieben Monate lang (Eutrop. IX 23) über die leistungsfähigste Prägstätte des Reiches gebot, gar keine Münzen erhalten sind und umgekehrt von Domitianus, welcher sich nach seinen Münzen geraume Zeit in dem wichtigen Alexandria behauptet haben muss, gar keine historischen Berichte. Nun sind alle Münzen des Usurpators aus dessen zweitem Regierungsjahr datirt. Daraus folgt, dass sein erstes zu kurz war, als dass man darin zur Geldprägung Zeit gefunden hätte, mit andern Worten, dass er nicht lange vor dem Aegyptischen Neujahr des 29. Aug. 296 den Thron bestiegen haben kann. Da er nun im achten Monat seiner Herrschaft besiegt und getödtet wurde, so muss das Ende des Krieges gegen ihn ungefähr in den März 297 fallen, wozu es passt, dass ein Gesetz Diocletians vom 31. März aus Alexandria datirt ist (Collat. XV 3). Das Consulat fehlt zwar in der Unterschrift, doch wird von den Persern, mit denen man seit 288 in Frieden gelebt hatte, als von einer feindlichen Nation geredet, wonach das Gesetz nicht lange vor dem Beginn des Krieges mit ihnen (297) angesetzt werden kann. Der Carpensieg gehört also frühestens in den April 297, doch wird er schon in einer Rede, welche im Sommer desselben Jahres gehalten ist (Jahrbb. f. class. Philol. 1888 S. 724), als kurz vorhergegangen erwähnt (Eum. l. l. proxima illa ruina Carporum), womit seine Zeit ganz genau bestimmt ist. In dieser Zeit aber muss Galerius schon an der Persischen Grenze gewesen sein, und folglich kann an der Donau nur Maximian den Krieg geführt haben.
  66. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X S. 179.
  67. Lact. de mort. pers. 15 macht es Diocletian zum Vorwurf, dass er vor dem Beginn der Christenverfolgung den Rath des Maximian und Constantius nicht eingeholt habe. Dass dies ausdrücklich als Ausnahme hervorgehoben wird, lässt auf die Regel schliessen.
  68. Eumen. paneg. II 9; III 6; 11.
  69. Lact. de mort. pers. 8; 18; Vict. Caes. 39, 29; Eutrop. IX 27, 1, Julian. Caes. p. 315 B; or. I p. 7 A.
  70. Vgl. Lact. de mort. pers. 17.
  71. Vict. Caes. 39, 26; 40, 12.
  72. Eumen. paneg. II 11 qui circa te potissimo funguntur officio. Damit kann nur die Präfectur gemeint sein. Der Cursus honorum des Constantius, welchen Anon. Vales. 1, 1 gibt, ist also falsch oder doch unvollständig.
  73. Lact. de mort. pers. 18.
  74. Lact. l. l. 9; 23; 27.
  75. Den Beweis liefert die Geschichte des Eumenius, Jahrbb. f. class. Philolog. 1888 S. 713 ff. Vgl. Eumen. paneg. IV 5; 19.
  76. Lact. l. l. 22.
  77. Lact. l. l. 21.
  78. Lact. l. l. 22.
  79. Lact. l. l. 21; 22; 23.
  80. Vict. epit. 40, 15; vgl. Caes. 39, 24.
  81. Eutrop. IX 24; 25; vgl. X 2, 1; Vict. epit. 40, 15.
  82. Lact. l. l. 9; Vict. epit. 40, 15.
  83. Euseb. hist. eccl. VIII 16, 4; vit. Const. I 57, 2; Lact. l. l. 9.
  84. Lact. l. l. 11; Eus. hist. eccl. VIII append. 1.
  85. Lact. l. l. 9; Anon. Vales. 1, 1; Eutr. IX 22; Vict. Caes. 39, 24; epit. 39, 2; Zon. XII 31; XIII 1; Eumen. paneg. VI 7; 14.
  86. Vgl. S. 46 Anm. 2.
  87. Das Datum nennen Eumenius paneg. V 3; Lact. 35. Das Jahr ergibt sich aus der Zählung der tribunicischen Gewalten im Preisedict CIL. III S. 824 und aus CIL. II 1439, einer Inschrift, welche gleich nach der Erhebung der Caesares gesetzt ist und die achte tribunicia Potestas des Maximian (293) nennt.
  88. Alles dieses ergibt sich aus ihrer Titulatur in den Inschriften, namentlich im Preisedict.
  89. Lact. de mort. pers. 7; Vict. Caes. 39, 30.
  90. Lact. de mort. pers. 16; Julian. or. II p. 51 D.
  91. Lact. de mort. pers. 8; 15; Julian. l. l.
  92. Lact. l. l. 18.
  93. Vict. Caes. 39, 30.
  94. Eumen. paneg. II 7–10; III 5; V 10.
  95. Vict. Caes. 39, 30 quasi partito imperio.
  96. Eumen. paneg. V 13.
  97. Eumen. paneg. IV 14; vgl. Jahrbb. f. class. Philol. 1888 S. 723.
  98. Lact. 9; 21; Eumen. paneg. IV 21; Eutrop. IX 24; X 4, 1; Vict. Caes. 39, 33; Zon. XII 31; Vit. Carin. 18, 3; Amm. XIV 11, 10; Petr. Patr. fragm. 13 (Müller).
  99. Vgl. S. 64 Anm. 6.
  100. Mommsen, Abhh. d. Berl. Akad. 1860 S. 436.
  101. Lact. 17.
  102. Lact. 7; 10 ff.; 17 ff. Euseb. hist. eccl. VIII 13; Abh. d. Berl. Akad. 1860 S. 439; 443; 445; 446.
  103. Cod. Just. II 4, 39; V 12, 27; 51, 10; VII 16, 39; VIII 13, 26. Diese aus Sirmium datirten Rescripte müssen alle von Galerius herrühren, da zu derselben Zeit Diocletian in Nicomedia war.
  104. Eumen. paneg. VI 6; Fragm. Vatic. 313.
  105. Fragm. Vatic. 292; Consult. 5, 7; Eutrop. IX 27, 2; Zonar. XII 32. Vgl. Eumen. paneg. III 11.
  106. Maximian, welcher Italien beherrschte, ist während seiner ganzen Regierung nur zweimal auf kurze Zeit in Rom gewesen. Eumen. paneg. VI 8.
  107. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X S. 177.
  108. Dass den Caesares der Praefectus Praetorio nicht fehlte, zeigt das Beispiel des Constantius. Eutrop. IX 22, 2; Vict. Caes. 39, 42; Zon. XII 31. Für die Augusti bedarf es keines Beweises.
  109. Dass Maximinus Daja, nachdem er bereits zum Augustus erhoben war, dennoch den Befehlen des älteren Kaisers Galerius den Gehorsam nicht versagen durfte, ist ausdrücklich überliefert. Euseb. hist. eccl. IX 1, 1. Ohne Zweifel geht dies bereits auf die Diocletianischen Einrichtungen zurück. Vgl. Lact. 15; Julian. Caes. p. 315 A.
  110. Das consilium olim inter vos placitum, von dem Eumenius (paneg. VI 9) in Bezug auf die Abdankung redet, kann sich auf beides beziehen. Es beweist nur, dass der Plan einer Abdankung, in welcher Form es immer sei, schon lange vor seiner Ausführung gefasst war. Jedenfalls wusste man in den Provinzen noch Ende 303 nichts davon, dass die Augusti in nächster Zeit zurückzutreten gedächten. Denn bei der Vicennalienfeier Diocletians finden wir auf einer Numidischen Inschrift noch Heilswünsche für das folgende Jahrzehnt seiner Herrschaft ausgesprochen. CIL. VIII 4764. Vgl. auch Eumen. paneg. VI 8.
  111. Lact. de mort. pers. 18.
  112. Jahrbb. f. class. Philol. 1890 S. 625, wo den Belegen noch Ephem. epigr. V S. 463 und Julian. or. I p. 7 D hinzuzufügen sind. Vgl. Eumen. paneg. V 20 deposcimus, ut liberi nepotesque nostri et si qua omnibus saeculis erit duratura progenies cum vobis, tum etiam iis quos educatis atque educabitis dedicentur. Auch hier ist die Erwartung, dass die Leibeserben der Kaiser ihnen nachfolgen werden, deutlich ausgesprochen.
  113. Lact. de mort. pers. 9; 11.
  114. Vgl. S. 70 Anm. 7.
  115. Lact. 18. Von 293 bis 301 gewann Galerius nach dem Preisedict zwei Sarmatensiege (CIL. III S. 824); von 301 bis 311 noch drei weitere, Euseb. hist. eccl. VIII 17, 3. Einer davon muss nach Lact. 13 kurz vor der Christenverfolgung (303) erfochten sein.
  116. Vgl. die Urtheile, welche Eutrop. X 2; Vict. Caes. 40, 12; epit. 40, 15 über ihn fällen. Freilich folgen sie alle drei einer heidnischen Quelle, deren Auffassung durch den religiösen Parteistandpunkt bestimmt war.
  117. Lact. 9; Vict. epit. 40, 17. Die Münze mit Marti patri semper victori, welche Cohen unter Maximian 393 verzeichnet, gehört jedenfalls dem Galerius, da dieselbe Legende und die entsprechenden: Marti patri, Marti patri conservatori, Marti patri propugnatori nicht bei Diocletian und Constantius, sondern nur bei Severus (Cohen 54; 55) und Constantin (Cohen 357–370) vorkommen, also ausschliesslich bei Kaisern, welche zu der Zeit, wo Galerius schon Augustus war, den Thron bestiegen.
  118. Lact. de mort. pers. 18.
  119. Eumen. paneg. VI 8; 10; 11.
  120. Zeitschr. f. Numism. XII S. 128.
  121. Lact. 20.
  122. Eutrop. IX 27,1; X 2, 3; Vict. Caes. 39, 48.
  123. Lact. 17; Zon. XII 32; Eutrop. IX 27, 2; Eumen. paneg. VI 8. Der Letztere nennt wohl deshalb das Jahr 304, weil am ersten Januar desselben Maximian sein achtes Consulat in Rom antrat, während Diocletian die Stadt schon einige Tage früher verlassen hatte.
  124. Eumen. paneg. VII 15.
  125. Lact. 18; 26; Vict. epit. 40, 14.
  126. Anon. Vales. 4, 9 hunc ergo (scil. Severum) et Maximinum Caesares Galerius fecit, Constantio (d. Hdschr. Constantino) nihil tale noscente.
  127. Zeitschr. f. Numism. XII S. 125. Das Datum der Abdankung bei Lact. 19. – Hydat. Fast. 304 setzt es auf den 1. Apr., den Anfangstag der Vicennalien. Sein Irrthum ist dadurch erwiesen, dass die stadtrömische Inschrift CIL. VI 497 dem Constantius und Galerius noch am 14. Apr. 305 den Caesarentitel beilegt. Den Ort nennen Lact. 19; Vict. epit. 39, 5; Eutrop. IX 27, 2; Zonar. XII 32. Vgl. noch Eumen. paneg. VI 8 ff.; VII 15; Zos. II 7; Vict. Caes. 39, 48; Euseb. hist. eccl. VIII 13, 11; append. 2; mart. Palaest. 3, 5; vit. Const. I 18.
  128. Lact 17; Eumen. paneg. VI, 9; Euseb. hist. eccl. VIII 13, 11.
  129. Nach den Beobachtungen des Grafen von Westphalen (Schiller, Gesch. d. Röm. Kaiserzeit II S. 167) scheint man in Alexandria schon Münzen mit dem Bilde des Constantinus Caesar geschlagen zu haben, ehe genauere Nachrichten über die neuernannten Caesaren nach Aegypten gelangt waren.
  130. Lact. l. l. 18.
  131. Lact l. l. 19; Eutr. IX 28; Vict. epit. 39, 6; Zon. XII 32; Hydat. Fast. 316; Socr. I 2.
  132. Eutrop. IX 27, 2; Zon. XII 32; Lact. de mort. pers. 18.
  133. Lact. 20; Euseb. vit. Const. I 18; CIL. III 578; VI 1130; VIII 1431, 10 171; IX 5433; 5941 und sonst.
  134. Eutr. X 1, 1; 2, 1; Zos. II 8, 1; Anon. Vales. 3, 5; Vict. Caes. 40, 1; epit. 40, 1; Zon. XII 32; Socrat. I 2; alle aus der gleichen Quelle und alle gleich ungenau.
  135. Anon. Vales. 4, 9.
  136. Bithynien nennt unter den Galerius unterworfenen Provinzen Anon. Vales. 3, 5. Nach Lact. 36 (vgl. 19) besass Maximinus vor dem Tode des Galerius nur Syrien, d. h. den Orient, und Aegypten (fit qualis in Syria ac Aegypto fuit) und eroberte erst später die Lande bis zum Bosporus dazu. Als Bestätigung kommt hinzu, dass das Toleranzedict des Galerius wohl in Nicomedia (Lact. 35) und in der ganzen Asiatischen Diöcese, nicht aber in den Ländern publicirt wurde, welche dem Maximinus untergeben waren. Euseb. hist. eccl. IX 1, 1.
  137. Lact. 20.
  138. Lact. 24; Vict. Caes. 40, 2; epit. 41, 2; Anon. Vales. 2, 2; Zon. XII 33; Euseb. vit. Const. I 19.
  139. Euseb. vit. Const. I 13 ff. Eutrop. X 1, 2; Liban. epit. Jul. I p. 524; de Constante et Constantio III p. 277.
  140. Eutrop. X, 1, 2; 2, 1; Lact. 20.
  141. Lact. 18; 32.
  142. Anon. Vales. 4, 9; Lact. 18.
  143. Lact. 19.
  144. Anon. Vales. 4, 9.
  145. Anon. Vales. 4, 11; dass hier nach Galerius der zweite Name Maximinus ausgefallen ist, beweisen die Parallelstellen bei Vict. epit. 40, 18 ff. und Euseb. hist. eccl. VIII 14, 11.
  146. Euseb. mart. Palaest. 4, 1; 8; hist. eccl. IX 1, 1 und sonst.
  147. Euseb. hist. eccl. VIII 14, 8; vit Const. I 58.
  148. Lact. de mort. pers. 25 milites, quibus invitis ignoti Caesares erant facti.
  149. CIL. XIV 2825; 2826.
  150. Lact. 24. Die Geschichte von dem Unbrauchbarmachen der Post ist wahrscheinlich von Lactanz erfanden und diesem von Anon. Vales 2, 4; Vict. Caes. 40, 2; epit. 41,2; Zos. II 8, 3 mit mannigfachen Entstellungen und Zusätzen nacherzählt. Denn dass alle vier eine gemeinsame Quelle benützt haben, welche ihrerseits von Lactanz nicht ganz unabhängig war, lässt sich auch sonst nachweisen. Auch Euseb. vit. Const. I 20 hat zweifellos den Lactanz gekannt.
  151. Anon. Vales. 2, 4; Eumen. paneg. VII 7.
  152. Anon. Vales. 2, 3; Zon. XII 33; Eumen. paneg. VII 3.
  153. Lact. 20.
  154. Eumen. paneg. VII 7; Anon. Vales. 2, 4; Eutrop. X 1, 3; 2, 2; Vict. Caes. 40, 4; Zon. XII 33; Euseb. hist. eccl. VIII 13, 12.
  155. Für die folgende Charakteristik Constantins sind die Hauptquelle natürlich seine Thaten, wie sie weiter unten zu berichten sein werden. Soweit einzelne Züge direct überliefert sind, ist in den Anmerkungen auf die Belegstellen verwiesen. Die Urkunden der Vita Constantini habe ich nicht benutzt, weil ich sie mit Crivellucci (Della fede storica di Eusebio, Livorno 1888) fast alle (eine unbedeutende Ausnahme IV 35) für gefälscht oder doch für sehr zweifelhaft halte. Die Schlüsse, welche sich aus den echten Urkunden ergeben, hat zum grössten Theil schon Seuffert (Constantins Gesetze und das Christenthum, Würzburg 1891) gezogen.
  156. CIL. I S. 346; 347; Hydat. Fast. 306; 335; Socrat. I 2.
  157. Zosim. II 8, 2; 9, 1; Zon. XIII 1; Hieron. chron. 2322. Vgl. Liban. epit. I p. 524; Chron. Pasch. a. 304.
  158. Firm. Matern. I 4; Anon. Vales. 2, 2; Steph. Byz. s. v. Ναϊσσός.
  159. CIL. I S. 379.
  160. Ueber das Alter Constantins gehen die Quellen in höchst auffälliger Weise auseinander. Nach Vict. Caes. 41, 15 starb er mit 62 Jahren, nach epit. 41, 15 mit 63, nach Euseb. vit. Const. I 5; 7–8; IV 53 mit 64, nach Zonar. XIII 4 mit 65, nach Eutrop (X 8, 2), dem Hieronymus folgt, mit 66 Jahren. Wie die aus niedrigem Stande hervorgegangenen Kaiser jener Zeit die Umstände ihrer Geburt überhaupt in Dunkel zu hüllen liebten (vgl. S. 42 Anm. 1), so scheint auch das Jahr derselben bei Constantin, wie bei Diocletian und Maximian (vgl. S. 48 Anm. 1), den Zeitgenossen unbekannt geblieben zu sein. Denn dass jene Altersangaben sämmtlich falsch sind, ergibt sich aus folgenden Zeugnissen: 1) Nach Eumen. paneg. VI 6 war Constantin bei seiner Verlobung mit Fausta, die nicht vor der Erhebung seines Vaters zum Caesar (293) stattgefunden haben kann, noch ein Knabe, und nach dem Römischen Rechte begann die Mannbarkeit schon mit dem vollendeten vierzehnten Jahre. 2) Als Constantin mit Diocletian durch Palästina zog, stand er eben auf der Grenzscheide zwischen Knabe und Jüngling. Dies bezeugt Eusebius (vit. Const. I 19), der ihn damals selbst gesehn hatte. Nach den Unterschriften der Verordnungen, durch welche wir über die Aufenthaltsorte Diocletians unterrichtet sind (Mommsen, Abhh. d. Berl. Akad. 1860 S. 443), fällt diese Reise frühestens in das Jahr 295. 3) Mehrere Zeitgenossen geben an, dass der Kaiser in aussergewöhnlich jugendlichem Alter den Thron bestieg (Naz. paneg. X 16 inito principatu, adhuc aevi immaturus, sed iam maturus imperio. Firm. Mat. I 4 a primo aetatis gradu imperii gubernacula retinens. Eumen. paneg. VI 5; 9; 13; VII 3; 17; 21; Lact. div. instit. I 1, 14). Dies passt kaum noch, wenn er damals schon das sechsundzwanzigste Jahr vollendet hatte, geschweige denn wenn er schon 30–34 Jahre alt war. Ich habe daher seine Geburt auf das J. 280 gesetzt, aber nur um eine runde Zahl zu wählen; sie kann auch ein bis zwei Jahre später fallen. In der Zeitschr. f. wissensch. Theol. XXXIII S. 68 bin ich durch zu grosse Rücksichtnahme auf Eusebius noch zu einem früheren Ansatz gelangt.
  161. Ambros. de obit. Theod. 42; vgl. Anon. Vales. 2, 2; Zos. II 8, 2; 9, 2.
  162. Als Gattin des Constantius wird sie bezeichnet Anon. Vales. 1, 1; Eutrop. X 2, 2; Vict. Caes. 39, 25; epit. 39, 2; Zon. XII 31; 33; XIII 1; CIL. X 517; 1483.
  163. Euseb. vit. Const. III 46.
  164. CIL. VI 1134–36; VIII 1633; IX 2446; X 517; 1483; 1484 und sonst.
  165. Euseb. vit. Const. III 47, 2; Cohen VII², S. 93.
  166. Euseb. vit. Const. IV 61, 1; Hieron. chron. 2343; Chron. Pasch. ad a. 327; Sozom. II 2.
  167. Ueber den Einfluss, welchen man ihr zuschrieb, vgl. Zos. II 29, 2; Vict. epit. 41, 12; Euseb. vit. Const. III 47.
  168. Euseb. vit. Const. III 47, 2.
  169. Euseb. vit. Const. III 41 ff.
  170. Euseb. vit. Const. I 19, 2; III 10, 4; IV 53.
  171. Lact. de mort. pers. 24; Zon. XII 33; Praxag. bei Phot. bibl. 62.
  172. Anon. Vales. 2, 3; Eumen. paneg. VII 3; Zon. XII 33.
  173. Eumen. paneg. IX 9; Nazar. paneg. X 26; Anon. Vales. 5, 24.
  174. Nazar. paneg. X 18.
  175. Euseb. vit. Const. I 6.
  176. Eumen. paneg. IX 21; Nazar. paneg. X 19; Eutr. X 3, 2.
  177. Eumen. paneg. IX 6: tibi licuit clementiam tuis victoribus imperare.
  178. Dies kann es doch nur bedeuten, wenn Eutrop. (X 7, 2) an ihm die docilitas seinen Freunden gegenüber rühmt.
  179. Dies beruht zwar nur auf einer sehr schlechten Quelle (Vit. Alex. Sev. 67, 1), aber das Schelten des Licinius über die Eunuchen (Vict. epit. 41, 10), welches doch wohl auf die Günstlinge seines verhassten Mitregenten gemünzt war, scheint die Nachricht zu bestätigen.
  180. Euseb. vit Const. IV 30; 31; 54; Vict. Caes. 41, 20; Amm. XVI 8, 12.
  181. Eunap. vit. Aedes. p. 23 ed. Wyttenbach.
  182. Eutrop. X 6, 3; 7, 2; vgl. Cod. Theod. IX 1, 4.
  183. Zeitschr. f. wissensch. Theol. XXXIII S. 66.
  184. Cod. Theod. IX 34, 1–5; X 10, 1–3.
  185. Ephem. epigr. VII S. 417.
  186. Vict. epit. 41, 16; Zon. XIII 4; Julian. or. I p. 8 B.
  187. Cod. Theod. X 15, 2.
  188. Julian. Caes. p. 335 B; Euseb. vit. Const. I 9; 43; III 1, 7; 16; 22; IV 1; 4; 7, 3; 22, 2; 49; hist. eccl. X 9, 8; Cod. Theod. X 1, 2; 8, 1–3; Eumen. paneg. VII 16; 18; 22; IX 15; Nazar. paneg. X 33; Anon. Vales. 6, 30; Zos. II 38, 1; Eutr. X 7, 2; Vict. Caes. 40, 15; epit. 41, 16. Eine Goldmünze Constantins (Cohen 316) trägt die Aufschrift: liberalitas XI imp. IIII cos. p. p. Da der Kaiser schon 312 consul II, und Anfang 311 imperator V war (Euseb. hist. eccl. VIII 17, 4), so muss sie spätestens 310 geschlagen sein. Also in weniger als fünf Jahren hatten schon eilf grosse Geldspenden an Constantins Soldaten stattgefunden.
  189. Eumen. paneg. VIII 10 ff.; Euseb. vit. Const. IV 2; Vict. Caes. 41, 19.
  190. Gegen diesen richtet sich der Tadel der τρυφή, welchen Julian in seinen Caesares bis zum Ueberdruss wiederholt.
  191. Euseb. laud. Const. 9, 13 ff.; 11, 2; 17, 4 ff.; 18, 4; vit. Const. I 42, 2; II 45; III 1, 4; 29 ff.; 58; IV 45 ff.; 58 ff.
  192. Anon. Vales 6, 30; Zos. II 32, 1; Hieron. chron. 2346.
  193. Euseb. vit. Const. III 54.
  194. Euseb. vit. Const. IV 1; 4. Gesetze, wie Cod. Theod. I 2, 2; 3; II 6, 1 beweisen, dass Constantin sich manchmal zu Gunsten einzelner Bittsteller Verordnungen ablocken liess, welche mit dem Recht im Widerspruch standen und ihn selbst später reuten.
  195. Zos. II 38, 1 ff.; Vict. Caes. 41, 20; Zon. XIII 4
  196. Zeitschr. f. Numism. XVII S. 129 ff.
  197. Zos. II 38, 1 τὴν γὰρ ἀσωτίαν ἡγεῖτο φιλοτιμίαν.
  198. Vict. Caes. 40, 15; epit. 41, 13; Eunap. vit. Aedes. p. 22 ed. Wyttenbach.
  199. Vgl. Julian. Caes. p. 335 B.
  200. Eumen. paneg. VI 6; VII 16 ff.; 21; IX 7; 19; Nazar. paneg. X 29; 34; Euseb. vit. Const. I 19; III 10; IV 53.
  201. Müller, Fragm. hist. Graec. IV S. 199; Vict. epit. 41, 13.
  202. Vict. epit. 41, 16.
  203. Anon. Vales. 2, 2 litteris minus instructus.
  204. Dem Redner Eumenius gewährte er ausgedehnte Steuerbefreiungen für seine Vaterstadt (Paneg. VII). Dem Porphyrius Optatianus dankte er für die Widmung seiner höchst geschmacklosen Gedichte durch Rückberufung aus dem Exil (Hier. chron. 2345) und ein äusserst huldreiches Handschreiben, dessen Inhalt freilich zeigt, dass der Kaiser von der Poesie sehr wenig verstand. Auch von Eusebius nahm er Widmungen an und belohnte sie durch bewundernde Briefe (vit. Const. IV 33 ff.; 46). Den Lactanz scheint er veranlasst zu haben, von seinen Divinae Institutiones, die schon früher erschienen waren, eine zweite Ausgabe zu veranstalten und diese dem Kaiser zu dediciren. Ueber sein Verhältniss zu dem Philosophen Sopatros vgl. Eunap. vit. Aedes. p. 21 (ed. Wyttenbach).
  205. Eutrop. X 7, 2; Vict. epit. 41, 14; Zon. XIII 4; Euseb. vit. Const. I 19, 2; IV 29; 55; Porph. Opt. praef. 6.
  206. Euseb. vit. Const. IV 29; 55. Was Eusebius hier schildert, sind Declamationen, welche vor einem geladenen Publikum (συνεκάλει μὲν αὐτός) vom Kaiser gehalten wurden, genau wie die Sophisten der Zeit sie vorzutragen pflegten. Uebrigens waren sie nach den Worten des Biographen: εἰ δέπη λέγοντι θεολογίας αὐτῷ παρήκοι καιρός nicht alle erbaulichen Inhalts, sondern zum grossen Theil reine Prunk- und Uebungsreden. Dies beweist auch die Ueberschrift des Capitels 29: λογογραφίαι καὶ ἐπιδείξεις ὑπὸ Κωνσταντίνου. Denn ἐπίδειξις ist bekanntlich der technische Ausdruck für das rhetorische Prunkstück.
  207. Cod. Theod. XI 39, 1 hebt den selbstverständlichen Rechtssatz: petitori incumbit probatio thatsächlich auf. III 5, 6 schreibt eine verschiedene Behandlung der Brautgeschenke vor, je nachdem die Verlobten einander geküsst haben oder nicht. IX 8, 1 wird dem Tutor der Beweis auferlegt, dass er die Keuschheit seines Mündels nicht angetastet habe. III 16, 1 wird einer Frau, von der sich ihr Mann ohne hinreichende Gründe geschieden hat, das Recht gegeben, in das von ihr verlassene Haus einzubrechen und ihrer Nachfolgerin die ganze Mitgift wegzunehmen. Diese Blüthenlese liesse sich noch beträchtlich vermehren.
  208. Vgl. Eutrop. X 8, 1.
  209. Julian schalt ihn novator turbatorque priscarum legum et moris antiquitus recepti Amm. XXI 10, 8.
  210. Euseb. vit. Const. I 43; III 58, 4; IV 28.
  211. Cod. Theod. IX 3, 1; 2; XI 7, 3.
  212. Euseb. vit. Const. I 43; Cod. Theod. I 22, 2; III 30, 1–5; IX 21, 4 § 1; 42, 1.
  213. Eumen. paneg. VIII 9.
  214. Eumen. paneg. VII 12; IX 23; Eutrop. X 3, 2.
  215. Eumen. paneg. VII 10; 11; Nazar. paneg. X 16.
  216. Eutrop. X 8, 1. Der Codex Theodosianus bietet dazu auf jeder Seite Bestätigungen.
  217. Die Modernen sehen in Constantin einen Vertreter des „aufgeklärten Despotismus“ nach dem Muster Napoleons oder Friedrichs des Grossen; merkwürdiger Weise hat aber keiner den Beweis für erforderlich gehalten, dass eine solche Geistesrichtung zu seiner Zeit überhaupt möglich war. Man weise mir einen einzigen Menschen des vierten Jahrhunderts nach, der nicht abergläubisch gewesen wäre, und ich will mich der herrschenden Meinung bereitwilligst anschliessen.
  218. Euseb. vit. Const. III 3.
  219. Dass viele Münzbildnisse Constantins aus seiner späteren Zeit sich durch die Stellung des Kopfes und der Augen sowohl von denen aller andern Kaiser als auch von seinen eigenen aus früherer Zeit sehr sichtbar unterscheiden, ist wohlbekannte Thatsache (Abbildungen bei Cohen VII² S. 240; 256; 311; Z. f. Numism. VI Tafel I u. sonst). Wie die Christen diese neue Form des Bildnisses auffassten, zeigt Euseb. vit. Const. IV 15, und diese Deutung ist so natürlich, dass sie in einem Zeitalter lebhafter religiöser Erregung sich jedermann von selbst aufdrängen musste. Dass Constantin sie nicht beabsichtigt habe, ist also eine höchst unwahrscheinliche Annahme, die sich freilich ebenso wenig widerlegen wie beweisen lässt. Alle Aeusserungen seiner religiösen Gesinnung finden die Modernen zweideutig, weil sie sie zweideutig finden wollen. Zu diesem Zwecke ist sogar das Monogramm Christi zu einem Symbol des Sonnencultus gestempelt worden. Constantins Zeitgenossen dagegen haben von jener Zweideutigkeit nie etwas bemerkt, sondern Christen wie Heiden sind sich über die Stellungnahme des Kaisers in dem Streite der Religionen vollkommen klar gewesen. Die Vertreter des entschiedenen Heidenthums, Julian, Eunapius, Zosimus, verfolgen ihn daher mit dem ausgesprochensten Hasse, wie ihn die christlichen Schriftsteller nicht genug zu preisen wissen. Hat er doch sogar in Gesetzen sich nicht vor der öffentlichen Erklärung gescheut, dass bei Verleihung gewisser Privilegien an einzelne Orte das christliche Bekenntniss der Bewohner für ihn bestimmend gewesen sei (Hermes XXII S. 317; andere ähnliche Fälle bei Euseb. vit. Const. IV 37; 38). Eine unzweideutigere Parteinahme ist doch kaum möglich. Die vielbesprochene Inschrift von Hispellum (Henzen 5580) beweist nichts dagegen. Denn wie aus dem ganzen Zusammenhange hervorgeht, ist das Templum Flaviae Gentis weiter nichts, als ein Versammlungslocal für die neu eingesetzten Spiele, und in der Stiftungsurkunde verbittet sich der Kaiser ausdrücklich, dass das Gebäude durch irgend welche heidnischen Culthandlungen befleckt werde (ne aedis nostro nomini dedicata cuiusquam contagiosae superstitionis fraudibus polluatur). Wie man selbst an dieser Clausel hat deuteln können, ist mir ganz unverständlich.
  220. Eumen. paneg. IX 2: habes profecto aliquod cum illa mente divina, Constantine, secretum, quae delegata nostri dis minoribus cura uni se tibi dignatur ostendere. Dies ist von einem Heiden gesagt, aber von einem solchen, der sehr genau wusste, was Constantin gern hörte. Es zeigt daher, wie sich der Kaiser selbst sein Verhältniss zur Gottheit dachte, nur dass dessen Auffassung den religiösen Anschauungen des Redners gemäss aus dem Christlichen in’s Heidnische übersetzt ist. Wir haben also hier und entsprechend bei Nazarius (paneg. X 16) eine vollgiltige Bestätigung für die Angaben der christlichen Schriftsteller (Lact. de mort. pers. 44; Euseb. laud. Const. 11, 1; 18, 1; vit. Const. I 47; II 12), deren Zeugniss an sich ja verdächtig sein könnte. Auch die Gründung Constantinopels wurde durch ein Traumgesicht beeinflusst, was nicht nur Sozomenus II 3, sondern auch der Kaiser selbst (Cod. Theod. XIII 5, 7 iubente deo) bezeugt.
  221. Euseb. vit. Const. I 31. Die Wahrheit dieser Angabe wird durch mehrere Münzen bestätigt, welche das Monogramm am Helm deutlich zeigen.
  222. Ambros. de obit. Theod. 47.
  223. Cod. Theod. IX 16, 3.
  224. Eunap. vit. Aedes. p. 23.
  225. Wie wenig zahlreich die Christen sowohl unter den Soldaten selbst als auch in denjenigen Theilen der Bevölkerung waren, welche für Aushebung und Werbung in Betracht kamen, ergibt sich am deutlichsten aus der bekannten Thatsache, dass zuerst Diocletian, dann Licinius sie vom Militärdienst ausschliessen konnten. Gewiss hätten beide sich vor einer solchen Massregel gehütet, wenn eine nennenswerthe Verminderung des Heeres dadurch eingetreten wäre.
  226. Euseb. laud. Const. 11, 3.
  227. Zos. II 29, 3.
  228. Auf den Münzen derjenigen Caesaren, welche erst nach dem Sturze des Licinius ernannt wurden, Constantius, Constans, Dalmatius und Hannibalianus, fehlen die Götterbilder, auf denen der früheren, Crispus und Constantinus, kommen sie noch mitunter vor. Vgl. Brieger, Zeitschr. f. Kirchengesch. IV S. 176. Auch Zosimus II 29 setzt den Umschlag in Constantins Religionspolitik in die Zeit nach der Besiegung seines letzten Gegenkaisers.
  229. Euseb. laud. Const. 8; vit. Const. II 44; 45; III 55–58; IV 23; 25. Diese Angaben des Eusebius hätten nicht angezweifelt werden dürfen, da sie Cod. Theod. XVI 10, 2 die vollste Bestätigung finden. Die Privilegirung der sacerdotales und flamines perpetui (Cod. Theod. XII 5, 2) ist kein Gegenbeweis, denn diese waren weiter nichts als die Vorsitzenden der Provinciallandtage. Ursprünglich hatte ihnen zwar auch die Besorgung des Kaisercultus obgelegen, aber auch als diese Functionen längst aufgehört hatten, behielten sie den priesterlichen Titel aus alter Gewohnheit bei. Es finden sich daher Sacerdotalen und Flamines, die sich in ihren Inschriften ausdrücklich Christen nennen. Schultze, ZKG. VII S. 369.
  230. Lact. de mort. pers. 15. Anders Euseb. hist. eccl. VIII 13, 13; append. 4; vit. Const. I 13.
  231. Lact. de mort. pers. 24; divin. inst. I 1, 13. Die zuletzt angeführte Stelle ist zwar ein Einschiebsel, aber ein solches, das Lactanz selbst bei der zweiten Ausgabe seines Werkes gemacht hat. In dieser Ueberzeugung hat mich Brandt (Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1889 u. 1890) nur befestigt.
  232. Eumen. paneg. VII 21.
  233. Quellen und Urkunden über die Anfänge des Donatismus. Zeitschr. f. Kirchengesch. X S. 504.
  234. Const. Sirm. 1. Der vollständige Text bei Schulte, Festschr. zum 50jährigen Doctorjubiläum Windscheids. Bonn 1888. Die Echtheit dieser Urkunde steht über jedem Zweifel.
  235. Athan. apol. c. Arian. 9.
  236. Euseb. vit. Const. I 44; vgl. Zeitschr. f. Kirchengeschichte X S. 507.
  237. Euseb. vit. Const. III 1, 5; 17, 2 in dem angeblichen Briefe Constantins an die Bischöfe: αὐτὸς δὲ καθάπερ εἷς ἐξ ὑμῶν ἐτύγχανον συμπαρών οὐ γὰρ ἀρνησαίμην ἄν, ἐφ᾽ ᾧ μάλιστα χαίρω, συνθεράπων ὑμέτερος πεφυκέναι. Die Urkunde ist zwar gefälscht, doch zeigt sie, in welchem Sinne die Zeitgenossen die Theilnahme Constantins an den Concilien auffassten und ohne Zweifel auch auffassen sollten.
  238. Cod. Theod. VIII 16; Euseb. vit. Const. IV 26.
  239. Cod. Theod. I 22, 1; II 17, 1 § 1; III 16, 1; IV 6, 2; 3; 8, 7; 11, 1; 5; IX 1, 1; 7, 2; 8, 1; 9, 1; 24, 1; 38, 1; XII 1, 6; XV 8, 1; Cod. Just. V 26. Alle diese Gesetze suchen in der einen oder anderen Weise die Sittlichkeit zu fördern, und die Liste dürfte kaum noch vollständig sein.
  240. Zos. II 29, 2; Eutrop. X 6, 3; Hydat. fast. a. 326; Sozom. I 5; Vict. Caes. 41, 10; epit. 41, 11; Zon. XIII 2; Apoll. Sid. epist. V 8; Joh. Monach. vit. S. Artem. 45; Philost. II 4. Vgl. Zeitschr. f. wissensch. Theol. XXXIII S. 63. Theol. Literaturblatt. 1890 S. 18.
  241. Liban. pro Thalassio II p. 402 (Reiske).
  242. Eumen. paneg. VI 4; IX 4; 7; Nazar. paneg. X 5; 9; 34; Euseb. laud. Const. 5.
  243. Amm. XXI 16, 6 von Constantius II: per spatia vitae longissima inpendio castus, ut nec amaro ministro saltem suspicione tenus posset redargui, quod crimen, etiam si non invenit, malignitas fingit in summarum licentia potestatum. Nichtsdestoweniger glich Constantius auch darin seinem Vater, dass er von weiblichen Einflüssen sehr abhängig war.
  244. Als Concubine bezeichnen die Minervina Zosim. II 20, 2; Vict. epit. 41, 4; Zon. XIII 2.
  245. Eumen. paneg. VI 4.
  246. Euseb. vit. Const. I 46. Dies Zeugniss würde allerdings nicht viel bedeuten, wenn es nicht die später zu erzählenden Thatsachen im vollsten Masse bestätigten.
  247. Mit Theodoras Bildniss hat er Münzen schlagen lassen, wie mit dem seiner leiblichen Mutter. Seine Brüder lebten an seinem Hofe und wurden zu den höchsen Aemtern erhoben. Tillemont, Constantin art. 85. Ihre Söhne sollten bekanntlich an seiner Nachfolge Theil haben.
  248. Euseb. vit. Const. I 43; III 58, 4; IV 28.
  249. Eutrop. X 7, 2 adfectator iusti amoris, quem omni sibi et liberalitate et docilitate quaesivit. Euseb. vit. Const. I 9. Vgl. S. 87 Anm. 1.
  250. Cod. Theod. IX 3, 1; 2; XI 7, 3.
  251. Cod. Theod. I 22, 2; III 30, 1–5; IX 21, 4 § 1; 42, 1; Euseb. vit. Const. I 43, 2.
  252. Cod. Theod. II 8, 1; IV 7, 1; 8, 5; 6; V 6, 1. Dass auch in dem Gesetze über das Züchtigungsrecht des Herrn seinen Sclaven gegenüber (Cod. Theod. IX 12, 1; 2), welches auf den ersten Blick sehr hart erscheint, doch eine Milderung des geltenden Rechtes lag, hat Seuffert S. 13 gezeigt.
  253. Cod. Theod. V 7, 1; 8, 1; XI 27.
  254. Euseb. vit. Const. IV 25; Cod. Theod. XV 12, 1.
  255. Vict. Caes. 41, 3.
  256. Euseb. vit. Const. IV 62; Hieron. chron. 2353; Ambros. de ob. Theod. 40: cui licet baptismatis gratia in ultimis constituto omnia peccata dimiserit etc.
  257. Euseb. vit. Const. I 12; 19; Praxag. bei Phot. bibl. 62.
  258. Eumen. paneg. VI 5; Lact. de mort. pers. 18; Euseb. vit. Const. I 19.
  259. Anon. Vales. 2, 2; Lact. de mort. pers. 18; 19; Euseb. vit. Const. I 19. Sein Besuch von Memphis, wahrscheinlich während des Aegyptischen Aufstandes. Euseb. or. ad. sanct. coet. 16, 2. Anwesenheit in Nicomedia im J. 303. l. l. 25, 2.
  260. Auf diese bezieht sich wohl der Tadel des Nazarius (paneg. X 4) gegen Diocletian, den Erzieher Constantins.
  261. Ueber die Aufenthaltsorte Constantins vgl. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X S. 182 ff.
  262. Vict. epit. 41, 14. Die Richtigkeit dieser Nachricht bestätigen die Münzen, welche bei den Bildnissen Constantins zuerst das Diadem zeigen. Vgl. Euseb. laud. Const 5, 6.
  263. Eumen. paneg. VII 8.
  264. Vict. epit. 41, 3.
  265. Eumen. paneg. VII 8.
  266. Eumen. paneg. VI 5; Lact. de mort. pers. 25. Dass Constantin zum Caesar ausgerufen sei, beruht nur auf späteren und ungenauen Nachrichten. Anon. Vales. 2, 4; Zos. II 9, 1.
  267. Eumen. paneg. VII 8. Wäre es seine Absicht gewesen, von den Truppen zum Kaiser ausgerufen zu werden, so hätte er sich ihnen doch wohl feierlich auf dem Suggestus vorgestellt und durch zweideutige Reden auf sie einzuwirken gesucht. Wie das zu machen war, zeigt das Beispiel Galbas. Dass er bei seinem ersten öffentlichen Erscheinen einfach durch die Soldaten hinritt, sich ihnen also in einer Situation zeigte, die zum Ueberwerfen des Purpurs und den sonstigen Ceremonien so ungeeignet wie möglich war, spricht entschieden gegen ehrgeizige Absichten.
  268. Eumen. paneg. VI 4; VII 10; Nazar. paneg. X 16; Eutrop. X 3, 2.
  269. Zeitschr. f. Numismatik XVII S. 48.
  270. Lact. de mort. pers. 20; Zos. II 11; Eutrop. X 4, 1; Vict. Caes. 40, 8; Socr. I 2.
  271. Lact. de mort. pers. 18; 19; 24; Anon. Vales. 2, 3.
  272. Lact. de mort. pers. 25.
  273. Eumen. paneg. VI 5; VII 9.
  274. Lact. de mort. pers. 23.
  275. Lact. de mort. pers. 26.
  276. Vict. Caes. 39, 47.
  277. Dass man im Jahre 289 die Trennung des Kaisers von der Reichshauptstadt noch nicht als definitiv betrachtete, zeigt Eumen. Paneg. II, 13 ff., vgl. III, 12. Die praetoriani, welche Lact. de mort. pers. 12 in Nicomedia erwähnt, sind die Officialen des Präfectus Prätorio.
  278. Lact. l. c. 27.
  279. Lact. l. c. 26.
  280. Nach dem Chronographen von 354 (Mommsen, Chronica minora I S. 66) ist der Stadtpräfect Annius Anullinus, welchen Galerius ernannt hatte, von Maxentius nicht abgesetzt worden, sondern hat auch nach der Erhebung desselben noch zehn Monate lang sein Amt weiter verwaltet. Wenn ihn aber der Usurpator, wie man hieraus schliessen muss, als ergebenen Anhänger betrachtete, so wird auch der weitere Schluss berechtigt sein, dass er dem Aufruhr, durch welchen das neue Regiment in Rom begründet wurde, zum mindesten nicht sehr energisch entgegengetreten ist. Eine Bestätigung bietet die zweideutige Rolle, welche sein Verwandter, der Präfectus Prätorio des Severus, gespielt hat. Zos. II, 10, 1.
  281. Zos. II, 9, 3.
  282. Zos. II, 9, 2.
  283. Zosim. II, 9, 3; Lact. de mort. pers. 26.
  284. Vict. Caes. 40, 5.
  285. CIL. XIV, 2825; 2826.
  286. Eutrop. X, 2, 3; Vict. epit. 40, 2.
  287. Lact. l. c.; Zonar. XII, 32; Socr. I, 2.
  288. Nach Eumen. Paneg. IX, 16 und Lact. de mort. pers. 44 hat Maxentius an demselben Tage, an welchem er zum Kaiser ausgerufen war, sechs Jahre später den Tod gefunden. Die Schlacht an der Milvischen Brücke fand nach CIL. I S. 352 am 28. Oct. statt. Diesem urkundlichen Zeugniss gegenüber kommt der Irrthum des Lactanz, welcher den 27. Oct. nennt, nicht in Betracht, namentlich da er sich mit dem zweiten Irrthum verbindet, dass die Regierung des Usurpators auf fünf statt auf sechs Jahre angesetzt ist. Den Ausgleichungsversuch Mommsen’s (CIL. I S. 405) halte ich hier nicht für gelungen. Lactanz ist zwar eine ganz vorzügliche Quelle für alles, was die Orientalische Reichshälfte, namentlich Bithynien und seine Nachbarprovinzen, betrifft, aber in der Geschichte des Westens wimmelt seine Darstellung von den gröbsten Fehlern. Es ist besser, dies einfach anzuerkennen, als durch gezwungene Interpretationen das Richtige in ihn hineinzucorrigiren.
  289. Jahrbb. f. class. Philol. 1890, S. 625.
  290. Eumen. Paneg. IX, 4.
  291. Ephem. epigr. V S. 463.
  292. Vict. Caes. 40, 20; Julian. Caes. p. 329 A.
  293. Cohen, Médailles impériales VII² Maxence 47; 48; 80; 87; 89; 134. Nach der Besiegung des Severus legte er sich sogleich den Augustustitel bei, wie die Münze bei Eckhel VIII S. 26 beweist.
  294. Lact. de mort. pers. 26: tres Caesares facere non poterat.
  295. Lact. de mort. pers. 26 : quo nuntio allato aliquantum rei novitate turbatus est, nec tamen nimium territus. Dass Galerius den Severus zu sich berief und dann erst gegen Maxentius entsandte, wie Lactanz erzählt, ist wegen der Kürze der Zeit, in welcher alle die folgenden Ereignisse sich abspielten, unmöglich.
  296. Zos. II, 10, 1; vgl. Vict. Caes. 40, 6.
  297. Eutrop. X, 2, 4; Vict. Caes. 40, 6; Socr. I, 2.
  298. Eumen. Paneg. IX, 3: magnus exercitus.
  299. Zos. II, 10, 1.
  300. Lact. de mort. pers. 26; vgl. Eumen. Paneg. VI, 8.
  301. Zos. II, 10, 1; Vict. Caes. 40, 7.
  302. Eumen. Paneg. VI, 10; IX, 3; 15; Lact. de mort. pers. 26; Anon. Vales. 4, 9; Eutrop. X, 2, 4; Vict. Caes. 40, 7; Euseb. vita Const. I, 26; Socr. I, 2.
  303. Lact. l. c. 26; Anon. Vales. 4, 9; Zos. II, 10, 1; Eutrop. X, 2, 4; Vict. Caes. 40, 7.
  304. Lact. l. c. 18; Vict. epit. 40, 14.
  305. Lact. l. c. 26; Anon. Vales. 4, 10.
  306. Nach Lact. l. c. 26 lag es in Campanien, nach Zos. II, 10, 2; Zon. XII, 32; Eutr. IX, 27, 2; X, 2, 3 in Lucanien. Wahrscheinlich befand es sich an der Grenze der beiden Provinzen. Wenn Eumenius (Paneg. VI, 11) von einem Suburbanum spricht, so beruht dies wohl nur auf der geringen Kenntniss des Galliers von der Italischen Chorographie.
  307. Eutrop. X, 2, 3; Zon. XII, 33.
  308. Eumen. Paneg. VI, 10: cum ad sedandos animos auctoritatem privati principis adtulisses.
  309. Eumen. Paneg. VI, 10 ff. Wenn Roma redend und bittend eingeführt wird, so kann damit hier, wie bei allen andern Schriftstellern dieser Zeit (vgl. Forsch. z. Dt. Gesch. XXIV S. 177), nur der Senat gemeint sein. Denn dieser war die einzige Körperschaft, welche im Namen der Hauptstadt zu sprechen befugt war.
  310. Die Münze, auf welcher der felix ingressus sen(ioris) Aug(usti) zugleich mit dessen vota tricennalia gefeiert wird, bei Eckhel VIII S. 26.
  311. Lact. de mort. pers. 26; Anon. Vales. 4, 10; Zos. II, 10, 2.
  312. Anon. Vales. 4, 10; Zos. II, 10, 2; Vict. epit. 40, 3.
  313. Chronogr. v. 354, S. 66. Die Consuln, welche im Orient verkündet wurden, lehrt uns das Verzeichniss bei Dindorf, Chronicon Paschale II S. 178 kennen.
  314. Lact. de mort. pers. 27.
  315. Zos. II, 10, 5. Dies Stück ist eine aus anderer Quelle entnommene Doublette der Ereignisse, welche zwischen der Gefangennahme des Severus und dem Congresse von Carnuntum liegen.
  316. Vgl. Eumen. Paneg. VI, 12.
  317. Zeitschr. f. Numismatik XVII S. 48.
  318. Eumen. Paneg. VI, 1; 5; 7.
  319. Die Stellung dieses ältesten Augustus skizzirt Eumen. Paneg. VI, 14; vgl. 3.
  320. Eumen. Paneg. VI, 7: tu potes imperium, Maximiane, donare, non potes non habere.
  321. Eumen. Paneg. VI, 2.
  322. Dass für die Folgezeit von einer Abdankung der Kaiser nicht mehr die Rede sein sollte, sagt Eumen. Paneg. VI, 9.
  323. Zeitschr. f. Numismatik XVII S. 125 Anm. 2.
  324. Eumen. Paneg. VI, 1. Die Zeit der Rede bestimmt sich dadurch, dass § 12 der Angriff des Galerius auf Italien noch als bevorstehend erwähnt wird. Vgl. Lact. de mort. pers. 27; Zos. II, 10, 6; Vict. epit. 40, 12; Zon. XII, 33; XIII, 1.
  325. Zeitschr. f. Numism. XVII S. 48.
  326. Eumen. Paneg. IX, 3; Anon. Vales. 3, 6.
  327. Seit dem April 307 erkannte, nach dem Chronographen, Maxentius die Herrscher des Orients nicht mehr als Consuln an. Ohne Zweifel war es der Beginn der Feindseligkeiten durch Galerius, welcher ihn dazu veranlasste.
  328. Die Zeit seines Todes gibt Anon. Vales. 4, 10; Hydat. fast. a. 307; die Umstände desselben werden sehr verschieden überliefert; Lact. de mort. pers. 26; Zos. II, 10, 2; Eutrop. X, 2, 4; Vict. Caes. 40, 7; epit. 40, 3; Chron. von 354 S. 148. Wahrscheinlich drangen darüber nur unsichere Gerüchte in die Oeffentlichkeit.
  329. Lact. de mort. pers. 27.
  330. Eumen. Paneg. IX, 3; 15; Lact. de mort. pers. 27; Anon. Vales. 3, 7; Zos. II, 10, 3; Vict. Caes. 40, 9; Zon. XII, 34; Euseb. vit. Const. I, 26.
  331. Lact. de mort. pers. 27.
  332. Anon. Vales. 3, 6 ff.
  333. Lact. l. c; Anon. Val. l. c.
  334. Zosim. II, 10, 6.
  335. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X S. 177 ff.
  336. Lact. de mort. pers. 28.
  337. Dies beweist die Liste des Chronographen S. 67 und De Rossi, Inscript. christ. urbis Romae I, 29; 30.
  338. Eumen. Paneg. VII, 14; IX, 3; Lact, de mort. pers. 28; 29; Anon. Vales. 3, 8; Zos. II, 11; Eutrop. X, 3, 1; Zon. XII, 33; Socrat. I, 2.
  339. Am 20. April trat, nach dem Chronographen, Maxentius mit seinem Sohne Romulus das Consulat an. Bis dahin nannte man das Jahr in Rom: consulibus quos iusserint domini nostri Augusti. So lange hatte also der Usurpator die Consuln noch nicht selbständig zu ernennen gewagt, sondern die Entscheidung eines älteren Augustus, dessen Autorität er anerkannte, abwarten zu müssen geglaubt. Dies kann nur Maximian gewesen sein, da der Römische Tyrann auf den besiegten Galerius keine Rücksicht mehr zu nehmen brauchte.
  340. Zos. II, 12, 1, wo die beiden Maximiane verwechselt sind.
  341. Die seltenen Münzen, auf welchen Maxentius nobilissimus Caesar genannt wird, sind alle in Carthago geschlagen. Eckhel VIII S. 55. Vgl. CIL. VIII 1220.
  342. Der volle Name CIL. VIII, 7004; das Amt auch CIL. VIII, 962 vgl. p. 1070.
  343. Zos. II, 12; Vict. Caes. 40, 17; 28; epit. 40, 2; 20. Ich habe in diese sehr verwirrten Berichte so viel Sinn hineinzubringen gesucht, wie dies eben möglich war, hoffe aber kaum, das Richtige ganz getroffen zu haben.
  344. Eumen. Paneg. IX, 4; Euseb. hist. eccl. VIII, 14, 6; vita Const. I, 36; Chron. v. 354 S. 148.
  345. Nazar. Paneg. X, 8; Vict. Caes. 40, 24; Euseb. hist. eccl. VIII 14, 3; vita Const. I, 35; Chronogr. v. 354 S. 148.
  346. Zos. II, 13.
  347. Eumen. Paneg. IX, 4; Nazar. Paneg. X, 8; Vict. Caes. 40, 19; Euseb. hist. eccl. VIII, 14, 2; 16; vita Const. I, 33; 34; Socr. I, 2.
  348. Eumen. Paneg. IX, 3.
  349. Zeitschr. f. Numismatik XVII S. 125.
  350. Vict. Caes. 40, 24; vgl. Zon. XII 33; Chronogr. v. 354 S. 148.
  351. Eumen. Paneg. IX, 4: spoliatorum templorum.
  352. Nazar. Paneg. X, 8; 33; Zon. XII, 33.
  353. Eumen. Paneg. IX, 3; 4; Nazar. Paneg. X, 31; Eutrop. X, 4, 3; Zon. XII, 33; Euseb. hist. eccl. VIII, 14, 4; vita Const. I, 35.
  354. Eumen. Paneg. IX 2; 3; 5.
  355. Euseb. vita Const. I, 26.
  356. Zos. II, 10, 4; Vict. epit. 39, 6.
  357. Zos. II, 10, 4; Hydat. fast. a. 308; Chron. Pasch. a. 307.
  358. Lact. de mort. pers. 29; Vict. epit. 39, 6.
  359. Dass er wieder zum Cäsar degradirt wurde, ergibt sich mit Sicherheit aus der Reihenfolge der Namen bei dem Consulat von 309. Dindorf, Chron. Pasch. II S. 178. Wäre Constantin als Augustus anerkannt worden, so hätte er nach der Anciennität dem Licinius vorangehen müssen; nur als Cäsar konnte er die zweite Stelle zugewiesen erhalten.
  360. Lact. de mort. pers. 29; Anon. Vales. 3, 8; Zos. II, 11; Eutrop. X, 4, 1; Vict. Caes. 40, 8.
  361. Anon. Vales. 3, 8.
  362. Anon. Vales. 5, 13; Zos. II, 11.
  363. Hydat. fast. a. 308; vgl. Jahrbb. f. class. Philol. 1889, S. 627 ff.
  364. Eumen. Paneg. VII, 16; Lact. de mort. pers. 29.
  365. Dies legen ihm die Orientalischen Fasten bei Dindorf, Chron. Pasch. II S. 178, bei. Auch die in Thessalonica, also im Reichstheil des Galerius, geprägte Münze Cohen, Constantin 115) mit Constantinus Fil(ius) Augg. und consul(atus) d(ominorum) n(ostrorum) bezieht sich darauf.
  366. Die von Constantin anerkannten Fasten, welche später die allgemein verbreiteten wurden, bezeichnen die Jahre 309 und 310 als post consulatum X et VII und anno II post consulatum X et VII. Sie nennen also gar keine Consuln. In den drei Orientalischen Reichstheilen hiessen diese Jahre: Licinio A. et Constantino C. coss. und Andronico et Probo coss. (Dindorf a. a. O.; CIL. III, 3335; 5565), im Herrschaftsgebiete des Maxentius: Maxentio II et Romulo II und Maxentio III solo cons. Chronogr. S. 67; Hydat. fast. a. 309; 310; De Rossi, Inscr. christ. urb. Romae I, 31.
  367. Eckhel VIII, S. 52 u. 72; CIL. III, 6174. Vgl. Graf C. von Westphalen bei Schiller, Gesch. d. Röm. Kais. II S. 172.
  368. Lact. de mort. pers. 32; Euseb. hist. eccl. VIII, 13, 15.
  369. Vict. epit. 40, 18: Caesar quadriennio, dehinc per Orientem Augustus triennio fuit. Wenn Victor (Caes. 41, 1) sagt, Maximinus sei post biennii augustum imperium gestorben, so rechnet er seine Augustusgewalt erst vom Tode des Galerius an, was zweifellos ein Irrthum ist.
  370. Eumen. Paneg. VII, 14 ff.; Lact. de mort. pers. 29.
  371. Eumen. Paneg. VI, 4; VII, 10; Nazar. Paneg. X, 16–20; Eutrop. X, 3, 2.
  372. In einer Rede, welche kurz nach den Quinquennalien Constantin’s (25. Juli 310) gehalten ist (VII, 2), erzählt Eumenius alle die unten folgenden Ereignisse bis zum Tode Maximian’s. Das Jahr überliefert auch Hydat. fast. a. 310.
  373. Lact. de mort. pers. 29.
  374. Eumen. Paneg. VII, 16.
  375. Eumen. Paneg. VII, 16; Lact. de mort. pers. 29; Zos. II, 11.
  376. Eumen. Paneg. VII, 15.
  377. Lact. de mort. pers. 29.
  378. Eumen. Paneg. VII, 18.
  379. Eumen. Paneg. VII, 18; Vict. epit. 40, 5.
  380. Eutrop. X, 3, 2.
  381. Eumen. Paneg. VII, 19.
  382. Eumen. Paneg. VII, 20.
  383. Lact. de mort. pers. 29.
  384. Lact. de mort. pers. 30; Vict. epit. 40, 5; Zon. XII, 33; Euseb. hist. eccl. VIII, 13, 15; append. 3; vita Const. I, 47.
  385. Eumen. Paneg. VII, 20: sibi imputet, quisquis uti noluit beneficio tuo nec se dignum vita iudicavit, cum per te liceret, ut viveret. Der Lobredner gibt natürlich die officielle Auffassung wieder, welche Constantin selbst vertrat.
  386. Eutrop. X, 3, 2: Herculius – poenas dedit iustissimo exitu. Vict. Caes. 40, 22: iure tandem interierat. Wenn Lactanz es nöthig findet, den Tod des Maximian noch durch ein erfundenes Geschichtchen zu rechtfertigen, so spricht sich darin nur die überstrenge Moral des Christen aus.
  387. Lact. de mort. pers. 42; Euseb. hist. eccl. VIII, 13, 15; vita Const. I, 47; Ephem. epigr. I, S. 123 ff.; CIGr. II, 2743.
  388. Eumen. Paneg. VII, 2; VIII, 2; 4; Anon. Vales. I, 1; Eutrop. IX, 22; Zon. XII, 31; Euseb. hist. eccl. X, 8, 4; vita Const. I, 50; Julian. or. I, p. 6 D; II, p. 51 C; Caes. p. 313 D; Vita Claud. 1 ff.; Tyrann. 31, 6; Aurel. 44, 4; Heliog. 2, 4; 35, 2; Gall. 7, 1; 14, 3; CIL. II, 4844; III, 3705; 5207; XI, 9; Notizie degli scavi 1881, S. 320. Nach der ältesten Version, welche sich bei Eumenius (VII, 2 avita cognatio) und in der Mehrzahl der Inschriften findet, war Claudius Grossvater Constantin’s, also Vater des Constantius. Da dessen legitime Abstammung von einem Kaiser nicht so lange hätte verborgen bleiben können, muss eine illegitime gemeint gewesen sein. Dies war wohl auch der Grund, warum die Claudiuslegende bei den Christen, welche den Concubinat verdammten, so wenig Anklang fand. Lactanz schweigt ganz darüber, Eusebius erwähnt sie nur sehr schüchtern, ja Constantin selbst hat nur dem ersten Sohne, welcher ihm nach der Erfindung jenes Stammbaumes geboren wurde, den Namen Claudius beigelegt. Bei Constantius und Constans unterdrückte er ihn wieder, wahrscheinlich weil zur Zeit ihrer Geburt die christlichen Sittlichkeitsbegriffe sich auch bei ihm schärfer ausgebildet hatten. Später ist jener Stammbaum in der mannichfachsten Weise umgestaltet worden, aber immer so, dass die Herkunft des Constantius vom Divus Claudius zu einer legitimen gemacht wurde. Dessau, Ueber Zeit und Persönlichkeit der Scriptores Historiae Augustae, Hermes XXIV, S. 342 ff. Klebs, Das dynastische Element in der Geschichtschreibung der Röm. Kaiserzeit. Histor. Zeitschr. N. F. XXV, S. 227.
  389. Eumen. Paneg. VII, 2; 3.
  390. In einer Rede, welche Eumenius in dieser Zeit hielt, werden die Rechte der Mitkaiser noch ausdrücklich anerkannt. Paneg. VII, 1.
  391. Lact. de mort. pers. 33–35; Anon. Vales. 3, 8; Zos. II, 11; Vict. Caes. 40, 9; epit. 40, 4; Zon. XII, 34: Euseb. hist. eccl. VIII, 16, 4 ff.; vita Const. I, 57; Hydat. fast. a. 311.
  392. Lact. de mort. pers. 31; 35.
  393. Lact. de mort. pers. 36; 43; Euseb. h. e. IX, 10, 2.
  394. Euseb. hist. eccl. VIII, 15.
  395. Der sicherste Beweis dafür ist die Norische Inschrift CIL. III, 5565, welche, im J. 311 gesetzt, den Maxentius nicht in der Reihe der legitimen Herrscher nennt und sich zur Datirung der Consulnamen bedient, welche nur in der Orientalischen Reichshälfte anerkannt waren. Vgl. S. 213 Anm. 2.
  396. Eumen. Paneg. IX, 14.
  397. Lact. de mort. pers. 43; 44; Euseb. hist. eccl. VIII, 14, 7.
  398. Zos. II, 14, 1. Diese etwas confuse Nachricht wird dadurch bestätigt, dass beim Ausbruch des Krieges die Hauptmacht des Maxentius thatsächlich in Verona, also auf der grossen Strasse nach den Donaulandschaften, nicht nach Gallien stand.
  399. Zos. II, 14; Vict. Caes. 40, 18; 19. Die einzige Inschrift des Maxentius aus Afrika, welche sich datiren lässt (Ephem. epigr. V, 980), nennt den Galerius schon Divus, ist also nach dein Mai 311 gesetzt. Ausserdem haben sich von ihm nur noch folgende Inschriften in Afrika gefunden: CIL. VIII, 10 382; Ephem. epigr. V, 693.
  400. Nazar. Paneg. X, 12.
  401. Von den Unterhandlungen mit Maxentius berichtet Nazar. Paneg. X, 9 ff. Gleichzeitig müssen die mit Licinius geführt sein, da dessen Verlobung mit der Schwester Constantin’s schon vor dem Kriege bekannt wurde. Lact. de mort. pers. 43; Zos. II, 17, 2. Wenn Constantin zugleich mit zweien seiner Mitregenten verhandelte, so ist es nicht wahrscheinlich, dass er den dritten, welcher nach dem Rechte der Anciennität der vornehmste war, ganz unbeachtet gelassen habe. Auch dass er nach der Eroberung Roms den Maximinus zugleich mit sich selbst zum Consuln für 313 ernannte (CIL. VI, 507), lässt auf vorhergegangene Annäherungsversuche schliessen.
  402. Lact. de mort. pers. 43; Zos. II, 14, 1; Eckhel VIII, S. 26; Henz. 5562 a.
  403. Nazar. Paneg. X, 12.
  404. Dies ergibt sich aus dem Manöver, durch welches er die Schlacht bei Turin gewann. Dasselbe ist so complicirt und schwierig, dass es nur nach langer Uebung gelingen konnte (s. unten).
  405. Wenn Zosimus (II, 15, 1) den Constantin 90 000 Mann und 8000 Pferde zuschreibt, so meint er damit wahrscheinlich die ganze Macht, über welche er in seinem Reichstheil verfügte. Gegen Maxentius führte er davon etwa den vierten Theil (Eumen. Paneg. IX, 3), und dieser war kleiner als das Heer Alexander’s des Grossen, welches 40 000 Mann stark war (Eumen. Paneg. IX, 5).
  406. Lact. de mort. pers. 44. Die Truppenzahl bei Zosim. II, 15, 2; vgl. Euseb. hist. eccl. IX, 9, 3; vita Const. I, 37.
  407. Eumen. Paneg. IX, 2.
  408. Eumen. Paneg. IX, 5.
  409. Eumen. Paneg. IX, 16.
  410. Eumen. Paneg. IX, 8; Naz. Paneg. X, 25.
  411. Zos. II, 14, 1.
  412. Eumen. Paneg. IX, 5; 6; Nazar. Paneg. X, 17; 21.
  413. Eumen. Paneg. IX, 7; Zos. II, 15, 1.
  414. Eumen. Paneg. IX, 6; Nazar. Paneg. X, 7; 22–24.
  415. Eumen. Paneg. IX, 7.
  416. Nazar. Paneg. X, 25.
  417. Eumen. Paneg. IX, 8–10; Nazar. Paneg. X, 25–26.
  418. Eumen. Paneg. IX, 11; Nazar. Paneg. X, 27.
  419. Eumen. Paneg. IX, 11 ff.
  420. Eumen. Paneg. IX, 14; Nazar. Paneg. X, 27.
  421. Anon. Vales. 4, 12.
  422. Alle Zeugen stimmen darin überein, dass Constantin nichts mehr gefürchtet habe, als dass Maxentius es auf die Belagerung ankommen lasse, und dass Jedermann dies für wahrscheinlich hielt. Eumen. Paneg. IX, 14–16; Nazar. Paneg. X, 27; Euseb. hist. eccl. IX, 9, 3–4; vita Const. I. 37–38.
  423. Eumen. Paneg. IX, 25.
  424. Eumen. Paneg. IX, 16.
  425. Eumen. Paneg. IX, 21.
  426. Lact. de mort. pers. 44. Die Geschichte von der Himmelserscheinung bei Euseb. vita Const. I, 28 sammt dem Eide Constantin’s, der sie beglaubigen soll, ist natürlich erlogen; denn wenn sie wahr wäre, könnte sie auch dem Lactanz und dem Eusebius selbst, als er die Kirchengeschichte schrieb, nicht unbekannt geblieben sein. Vgl. Crivellucci, Della fede storica di Eusebio. Livorno, 1888. Der Traum dagegen muss unmittelbar nach der Schlacht im ganzen Reiche erzählt worden sein. Denn schon im Herbst 313 spricht der heidnische Rhetor Eumenius in Gallien geheimnissvoll von einer promissa divitus victoria und von dem unmittelbaren Verkehr der Gottheit mit Constantin (Paneg. IX, 2–4). Aehnliche Andeutungen finden sich dann auch in der 321 gehaltenen Rede des Nazarius (Paneg. X, 7; 12; 16). Endlich dürfte wohl auch das instinctu divinitatis des 315 errichteten Constantinsbogens, welches nicht, wie man früher annahm, über ein ausradirtes nutu Jovis optimi maximi gesetzt ist, sondern schon von Anfang an auf der Inschrift gestanden hat, auf den Traum anspielen (CIL. VI, 1139). Vgl. Keim, der Uebertritt Constantin’s des Grossen zum Christenthum. Zürich, 1862, S. 26 ff.
  427. Eumen. IX, 4; 16; Lact. de mort. 44; Zos. II, 16, 1.
  428. Euseb. vita Const. I, 32; vgl. 42. Diese Nachricht des Eusebius wird dadurch bestätigt, dass laut Zeugniss einer zweifellos echten Urkunde (Euseb. hist. eccl. X, 6, 2) unmittelbar nach Constantin’s Ankunft in Rom Hosius von Cordova sich in seiner Umgebung befand. Da dessen Bischofssitz im Gallischen Reichstheil lag und er während des Krieges kaum etwas im Gebiete des Maxentius zu thun haben konnte, so ist es wohl mehr als wahrscheinlich, dass er mit dem Heere Constantin’s nach der Hauptstadt gekommen war.
  429. Euseb. hist. eccl. VIII, 14, 1; Capit. collat. Carthag. III, 499–515; August. brevic. Collat. III, 18, 34–36; ad Donat. post coll. 13, 17.
  430. Eumen. Paneg. IX, 4; 14; 16; Euseb. hist. eccl. VIII, 14, 5 ff.; IX, 9, 3; vita Const. I, 27; 36; Zos. II, 12, 2; 16, 1; Lact. de mort. pers. 44.
  431. Chronogr. v. 354, S. 148.
  432. Eumen. Paneg. IX, 15.
  433. Eumen. Paneg. IX, 16.
  434. Zos. II, 16, 1; Lact. de mort. pers. 44; vgl. Eumen. Paneg. IX, 16.
  435. Chronogr. von 354 S. 67.
  436. Die folgende Schilderung der Schlacht beruht in erster Linie auf der Kenntniss des Geländes, welche ich theils Moltke’s Karte der Campagna, theils eigener Anschauung verdanke. Da meine Erinnerung ein wenig verblasst war, hat mein Schwager Otto Jessen, der sich eben in Rom aufhält, meine Darstellung an Ort und Stelle einer sorgfältigen Controle unterzogen und mir einige wichtige Gesichtspunkte zu ihrer Vervollständigung mitgetheilt. Das Terrain ist so beschaffen, dass es, sobald man die Andeutungen der Quellen sorgsam beachtet, über den Verlauf des Kampfes keinen Zweifel lässt. Die Darstellung Moltke’s in seinem „Wanderbüchlein“ steht in zwei Punkten zu den Quellen im Widerspruch. Erstens ist es durch zahlreiche, zum Theil von einander ganz unabhängige Zeugnisse sicher beglaubigt, dass die Schlacht vor der Milvischen Brücke stattfand (Eumen. Paneg. IX, 17; Lact. de mort. pers. 44; CIL. VIII, 9356; Hydat. fast. a. 312; Chronogr. v. 354 S. 148; Vict. epit. 40, 7; Eutrop. X, 4, 3; Zon. XIII, 1), nicht, wie Moltke annimmt, bei Saxa Rubra. Diesen Ort nennt einzig Vict. Caes. 40, 23, aber nicht um dadurch die Gegend des Schlachtfeldes zu bestimmen, sondern nur als den äussersten Punkt, welchen Maxentius’ Heer bei seinem Vormarsch aus Rom erreichte. Zweitens stand die Schlachtordnung des Tyrannen nicht mit dem rechten Flügel an den Fluss gelehnt, sondern mit dem Rücken gegen das Wasser. Auch dies ist durch zwei Zeitgenossen, die nichts von einander wissen und von denen der eine in Rom selbst lebte, also die genauesten Nachrichten einziehen konnte, ganz unzweideutig bezeugt (Eum. Paneg. IX, 16; 17; Nazar. Paneg. X, 28). Zudem bleibt es bei Moltke’s Auffassung ganz unverständlich, warum die Fliehenden sich alle zur Milvischen Brücke drängten. Stand die Linie des Heeres senkrecht auf dem Tiber, so musste die grössere Masse über das Hügelgelände auf den vaticanischen Stadttheil zurückgeworfen werden, hinter dessen Mauern sie leicht Schutz gefunden hätte. Dies Bedenken scheint übrigens auch Moltke selbst gekommen zu sein.
  437. Euseb. hist. eccl. IX, 9, 5; vita Const. I, 38; Zos. II, 15, 3; Vict. epit. 40, 7.
  438. Dass ohne einen solchen Marsch Constantin’s die Schlacht nicht an der Milvischen Brücke hätte stattfinden können, hat Jessen bemerkt.
  439. Wenn die Schlachtordnung des Maxentius, wie Nazarius (Paneg. X, 28) sagt, sich weiter dehnte, als das Auge reichte, so kann sie nicht nur auf dem engen Raum, welcher hier einen Kampf gestattet, aufgestellt gewesen sein, sondern muss sich tief in die Engpässe hineingezogen haben.
  440. Nazar. Paneg. X, 28: apud Tiberim igitur suos instruit sic ripae locatos, ut ultimorum vestigia unda fatalis adlueret, ita vero multitudine suppeditante, ut ultra quam visus agi posset, extenta acies pertineret; non quo frons imbecilla tractu invalido duceretur, sed tanta subsidiorum atque ordinum confirmatione, ut acies non porrectior quam robustior mirum utrumque praeberet, quod eam non constipatio contraxisset nec longitudo tenuaret.
  441. Eumen. Paneg. IX, 16: at quomodo instruit aciem tot annorum vernula purpuratus? ita prorsus ne quis evadere, ne quis, ut fit, loco motus referre gradum et instaurare proelium posset, cum a fronte armis, a tergo Tiberi amne premeretur.
  442. Naz. l. c. ut ultimorum vestigia – unda fatalis adlueret. Da die Ufer an der Brücke steil und ziemlich hoch sind, ist dies nur möglich, wenn der Fluss sehr stark angeschwollen war. – Nach Nissen, Italische Landeskunde I, S. 393, ist der October in Rom der regenreichste Monat.
  443. Nazar. Paneg. X, 29; Zos. II, 16, 2.
  444. Eumen. Paneg. IX, 17: ad primum igitur aspectum maiestatis tuae primumque impetum totius tui victoris exercitus hostes territi fugatique.
  445. Eumen. l. c. exceptis latrocinii illius primis auctoribus qui desperata venia locum quem pugnae sumpserant texere corporibus.
  446. Lact. de mort. pers. 44; Zos. II, 16, 4; Euseb. hist. eccl. IX, 9, 7.
  447. Eumen. Paneg. IX, 17; Nazar. Paneg. X, 30; Lact. de mort. pers. 44; Anon. Vales. 4, 12; Vict. Caes. 40, 23; epit. 40, 7; Zon. XIII, 1; Eus. h. e. IX, 9, 7; vita Const. I, 38.
  448. Nazar. Paneg. X, 30: ne pugna raptim gesta diutius narrata quam confecta videatur. Eumen. Paneg. IX, 17.
  449. Cod. Theod. XVI, 10, 1. Allerdings befiehlt der Kaiser hier nicht so sehr, als er geschehen lässt. Kurz vorher hatte er seine Missbilligung der heidnischen Mantik deutlich und klar in einem Gesetze ausgesprochen (v. Schultze, Zeitschr. f. Kirchengesch. VII, S. 517 ff.); doch halb schüchtern und nicht ohne ein gewisses Schuldbewusstsein blieb er für’s Erste noch dabei, auch den Teufel in den Dienst des Staates zu zwingen.
  450. Zos. II, 29, 1.
  451. Euseb. h. e. IX, 9, 10; X, 4, 16; de laud. Const. 9, 12; vita Const. I, 40. Vgl. V. Schultze, Zeitschr. f. Kirchengesch. VII, S. 343 ff.
  452. S. die Urkunden bei Euseb. hist. eccl. X, 6; 7; Cod. Theod. XVI, 2, 1; 2; 7. Die vielfach aufgeworfene Frage, ob Constantin das Christenthum zur Staatsreligion gemacht habe, ist ganz falsch gestellt, da das Alterthum diesen Begriff überhaupt nicht kennt. Eine einheitliche Staatsreligion hatte es in Rom zu keiner Zeit gegeben, sondern nur eine Menge einzelner Staatskulte, deren unterscheidendes Merkmal eben kein anderes war, als dass sie aus öffentlichen Mitteln besorgt wurden. – Ueber das Edict von Mailand habe ich nicht geredet, da ein solches meiner Ueberzeugung nach überhaupt nicht existirt hat. Vgl. Zeitschr. f. Kirchengesch. XII, S. 381.
  453. Eumen. Paneg. IX, 17 ff.; Anon. Vales. 4, 12.
  454. Nazar. Paneg. X, 32.
  455. CIL. I, S. 352; Euseb. h. e. IX, 9, 9; vita Const. I, 39.
  456. Eumen. Paneg. IX, 18; Nazar. Paneg. X, 31; Zos. II, 17, 1; Praxag. bei Phot. bibl. 62.
  457. Eumen. Paneg. IX, 20; Nazar. Paneg. X, 35; Cod. Theod. XV, 14, 4, ein Gesetz, das in diese Zeit gehört. Vgl. Zeitschr. f. Rechtsgeschichte X, S. 207.
  458. Lact. de mort. pers. 44. Vgl. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X, S. 179.
  459. CIL. VI, 507 mit Mommsen’s Anmerkung.
  460. Eumen. Paneg. IX, 20; vgl. S. 197 Anm. 1.
  461. Zos. II, 17, 2.
  462. Vict. Caes. 41, 3. Ein Beispiel bietet Rufius Volusianus. Seeck, Symmachus S. clxxvj.
  463. Cod. Theod. X, 10, 2; vgl. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X, S. 207; Vict. epit. 41, 14; Nazar. Paneg. X, 38; Eumen. Paneg. IX, 4.
  464. Eumen. Paneg. IX, 19. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X, S. 182.
  465. Lact. de mort. pers. 45; 48; Anon. Vales. 5, 13; Zos. II, 17, 2; Eutr. X, 5; Zon. XII, 34; XIII, 1; Vict. Caes. 41, 2; epit. 39, 7; 41, 4; Euseb. hist. eccl. X, 5, 3; 8, 2; 4; vita Const. 49; 50; Petr. Patric. ed. Bonn. p. 129; Sozom. I, 7.
  466. Euseb. hist. eccl. VIII, 15, 2; IX, 8, 1; 4; Lact. de mort. pers. 37.
  467. Euseb. h. e. IX, 8, 2; 4; Symm. epist. I, 2, 7.
  468. Eumen. Paneg. IX, 2.
  469. Lact. de mort. pers. 48 = Euseb. hist. eccl. X, 5, 3.
  470. Von dem Wohlwollen des Licinius für die Christen spricht Sozom. I, 2; 7. Auch Lactanz preist in der Einleitung seiner Schrift de mortibus persecutorum beide Kaiser durchaus in gleichem Sinne als Schützer der christlichen Religion, und entsprechend Euseb. h. e. IX, 9, 1; X, 4, 16.
  471. Zeitschr. f. wissensch. Theolog. XXXIII, S. 73 ff.
  472. Eumen. Paneg. IX, 3; 4; Anon. Vales. 4, 12; Vict. epit. 40, 13.
  473. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X, S. 179 ff.
  474. Eumen. Paneg. IX, 21: Rheno Danuvioque praetendunt. Da der Donaulauf in seiner ganzen Länge dem Licinius gehörte, muss hiernach ein Theil des Maxentianischen Heeres schon vor dem Herbst 313, wo diese Rede gehalten wurde, ihm übergeben sein.
  475. Anon. Vales. 5, 14.
  476. Zeitschr. f. Rechtsgeschichte X, S. 182; 208.
  477. Lact. de mort. pers. 36.
  478. Lact. de mort. pers. 37; Euseb. hist. eccl. VIII, 14, 10.
  479. Lact. l. c. 38; Zon. XII, 32; Euseb. VIII, 14, 10 ff.
  480. Lact. de mort. pers. 37; Euseb. hist. eccl. VIII, 14, 11.
  481. Lact. de mort. pers. 39–41.
  482. Hydat. Fast. 316. Ueber die abweichenden Datirungen bei Lact. de mort. pers. 42; Vict. epit. 39, 7 und Zos. II, 8, 1 vgl. Jahrbb. f. class. Philol. 1889, S. 628. Dass er an einer Krankheit gestorben sei, sagt ausdrücklich Euseb. hist. eccl. VIII, append. 3; vgl. Socr. I, 2.
  483. Euseb. hist. eccl. IX, 1, 1.
  484. Euseb. l. c. IX, 1, 9 ff.
  485. Die Toleranz dauerte nach Eusebius (h. e. IX, 2) nicht volle sechs Monate.
  486. Euseb. h. e. IX, 6, 3.
  487. Brief des Maximin bei Euseb. h. e. IX, 9, 4.
  488. Lact. de mort. pers. 36; Euseb. h. e. IX, 2–4; 7, 2; 6.
  489. Lact. de mort. pers. 36; Euseb. hist. eccl. VIII, 12, 10; 14, 13; vita Const. I, 58.
  490. Euseb. h. e. IX, 6.
  491. Lact. de mort. pers. 37; Euseb. h. e. IX, 9, 12 ff. Von einem Toleranzgesetze des Constantin und Licinius kann freilich nicht die Rede sein, da ein solches ja schon durch Galerius gegeben war und im ganzen Reiche, mit Ausnahme des Orients, in voller Kraft bestand. Wahrscheinlich also meint Eusebius jene Briefe, von denen Lactanz redet.
  492. Euseb. h. e. IX, 9, 10 ff.
  493. Euseb. h. e. IX, 5, 1; 7, 1.
  494. Euseb. h. e. IX, 5, 2.
  495. Lact. de mort. pers. 36; Euseb. hist. eccl. VIII, 14, 9; IX, 4, 2.
  496. Lact. de mort. pers. 37.
  497. Zon. XII, 32; Euseb. hist. eccl. VIII, 14, 8.
  498. Euseb. hist. eccl. VIII, 14, 7; 8.
  499. Symmach. epist. I, 2, 7. Diejenigen, welche in diesen Epigrammen gefeiert werden, sind alles Grössen der Römischen Aristokratie. Folglich muss auch Verinus ihr angehört haben. Da Constantin, indem er auch die Präfectur zu einem reinen Civilamt machte, die Senatoren aus allen militärischen Stellungen verbannte, kann jener seinen Sieg über die Armenier nicht nach dem Jahre 318 (Zeitschrift für Rechtsgeschichte X, S. 199) erfochten haben. Andererseits rechnet ihn aber der ältere Symmachus, welcher 375 starb, noch zu seinen Zeitgenossen (boni aetatis meae). Hiernach glaubte ich mich berechtigt, die Kriegsthat des Verinus, welche das Epigramm rühmt, mit dem Armenieraufstand des Jahres 312 in Zusammenhang zu bringen.
  500. Lact. de mort. pers. 45; 46; Anon. Vales. 5, 13.
  501. Lact. de mort. pers. 46. Die Erzählung von dem Gebet wird jetzt fast allgemein für Fabel gehalten. Einen Bericht, der ganz kurze Zeit nach der Schlacht und nur wenige Meilen vom Schlachtfelde entfernt aufgezeichnet ist, hätte man nicht so leicht verwerfen dürfen. Wenn Lactanz dem Publicum von Nicomedia, welches über das Ereigniss auf’s Genaueste unterrichtet war, so unverschämte Lügen aufgetischt hätte, wie man annimmt, so wäre er nur zum Gespötte geworden. Ueberdies redet Licinius in dem Erlass, welchen er am 13. Juni 313 in Nicomedia verkündigen liess, selbst von der Hilfe des Christengottes, die er kurz vorher erprobt habe. Lact. 48: ut possit nobis summa divinitas, cuius religioni liberis mentibus obsequimur, solitum favorem suum benevolentiamque praestare. – hactenus fiet, ut – divinus iuxta nos favor, quem in tantis sumus rebus experti, per omne tempus prospere successibus nostris cum beatitudine publica perseveret. Denn dass dieses Gesetz von Licinius, nicht von Constantin herrührt, habe ich in der Zeitschr. f. Kirchengesch. XII, S. 381 bewiesen.
  502. Lact. de mort. pers. 47; Zos. II, 17, 3; Euseb. h. e. IX, 10, 2–4; vita Const. I, 58.
  503. Euseb. h. e. IX, 10, 6 ff.; vita Const. I, 59.
  504. Lact. de mort. pers. 47.
  505. Lact. l. c. 49; Eutrop. X, 4, 4; Vict. Caes. 41, 1; epit. 40, 8; Euseb. hist. eccl. IX, 10, 14; vita Const. I, 58 ff.; Zos. II, 17, 3. Bei Zos. II, 11 und Socr. I, 2 ist Maximinus mit Maximianus verwechselt.
  506. Euseb. h. e. IX, 11, 7.
  507. Lact. de mort. pers. 50; 51; Zon. XIII, 1; Euseb. h. e. X, 1, 7; 4, 29.
  508. Vict. Caes. 41, 2.
  509. Lact. de mort. pers. 46; Vict. Caes. 41, 2; epit. 41, 8; Euseb. hist. eccl. X, 8, 12; vita Const. I, 55; III, 1, 7.
  510. Vict. epit. 41, 9.
  511. Vict. epit. 41, 8; Caes. 41, 4.
  512. Vict. epit. 41, 9.
  513. Anon. Vales. 5, 22; Vict. epit. 41, 8; Euseb. h. e. X, 8, 13; vita Const. I, 52; 55.
  514. Euseb. vita Const. II, 4; 11, 2.
  515. Vict. Caes. 41, 4.
  516. Eumen. Paneg. IX, 21 ff.; Anon. Vales. 5, 13; Zos. II, 17, 2; 3; Zeitschr. f. Rechtsgesch. X, S. 208.
  517. Die Zahl der erhaltenen Denkmäler, welche noch nach der Besiegung des Maxentius den Maximin im Reichstheil Constantin’s als Mitregenten nennen, ist zu gross, als dass sie alle in den kurzen Zeitraum vom 28. Oct. 312 bis zum 30. April 313 fallen könnten. Cohen VII² Maximin 184; 185, beide Münzen in Rom geschlagen; auch mehrere andere Münzen Maximin’s, welche aus Italischen Prägstätten hervorgegangen sind, weist Graf C. von Westphalen dieser Zeit zu (Schiller, Gesch. d. Röm. Kais. II, S. 193). CIL. V, 8021; 8060; 8963; VI, 507. Auch redet Eumenius in einer Anrede an Constantin (Paneg. IX, 2) noch im Herbst 313 von imperii tui sociis im Plural, was er gewiss nicht gethan hätte, wenn der eine der beiden Mitregenten damals schon für illegitim erklärt worden wäre. Diese Stelle ist auch insofern interessant, als das Bündniss, welches zwischen Maximinus und Maxentius bestanden hatte, hier geflissentlich ignorirt wird.
  518. Das Toleranzgesetz, durch welches Licinius am 13. Juni 313 die christenfeindlichen Verordnungen Maximin’s aufhob (Lact. de mort. pers. 48), trug noch den Namen des Besiegten neben dem des Siegers und seines Bundesgenossen an der Spitze. Zeitschr. f. Kirchengesch. XII S. 383.
  519. Anon. Vales. 5, 14; vgl. Euseb. h. e. X, 8, 5; vita Const. I, 47, 2; 50.
  520. Anon. Vales. 5, 16; Eutrop. X, 5.
  521. Die Schilderung des Geländes und der ganzen Schlacht gibt Zos. II, 18.
  522. Das Datum bei Hydat. fast. 314.
  523. Vict. epit. 41, 5: nocte.
  524. Vict. epit. l. c.
  525. Anon. Vales. 5, 16.
  526. Anon. Vales. 5, 17; Zos. II, 18, 5.
  527. Zos. II, 19, 1.
  528. Anon. Vales. 5, 17; Zos. II, 19, 2; Vict. epit. 40, 2. Dass Valens nicht Cäsar, sondern Augustus wurde, beweisen seine Münzen. Cohen VII² S. 223.
  529. Ueber den Fortgang des Krieges vgl. Zeitschr. f. Rechtsgeschichte X, S. 183 ff.
  530. Zos. II, 19, 2 ff.
  531. Petr. Patric. ed. Bonn. p. 129.
  532. Anon. Vales. 5, 17; 18.
  533. Anon. Vales. 5, 18; Petr. Patric. ed. Bonn. p. 128.
  534. Vict. epit. 40, 9: Valens a Licinio morte multatur. Dass Constantin nur die Absetzung, nicht den Tod des neuen Gegenkaisers gefordert hatte, berichten übereinstimmend der Anonymus Valesianus und Petrus Patricius, die einzigen Zeugen, welche wir für diese Verhandlungen besitzen.
  535. Zos. II, 20, 1; Eutrop. X, 5; Sozom. I, 6.
  536. Zeitschr. f. Rechtsgeschichte X, S. 183.
  537. Anon. Vales. 5, 19.
  538. Cod. Theod. XV, 14, 1. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X, S. 179.
  539. Zeitschr. f. Numismatik XVII, S. 45; 149 ff.
  540. In dem Panegyrikus des Nazarius und in den Lobgedichten des Porphyrius Optatianus werden nur Constantin und seine Söhne gepriesen, die Existenz des Licinius dagegen mit keinem Wort erwähnt. Damit vergleiche man, wie achtungsvoll Eumenius noch im Jahre 310 von den Mitregenten seines Herrschers redet. Paneg. VII, 1.
  541. Zeitschr. f. wissensch. Theologie XXXIII, S. 70.
  542. Anon. Vales 5, 19; Zos. II, 20, 2; Vict. Caes. 41, 5; epit. 41, 4; Hydat. fast. a. 317; Chron. Pasch. a. 317.
  543. Euseb. h. e. X, 8, 9; vita Const. II, 2, 1.
  544. Die Meinung Keim’s, dass der Beginn der Christenverfolgung im Jahre 315 „zweifellos feststehe“ (Protestantische Kirchenzeitung 1875, S. 900), stützt sich nur auf mehr als zweifelhafte Zeugnisse. Orosius und der Anonymus Valesianus sind schon von Klebs (das Valesische Bruchstück zur Geschichte Constantin’s. Philologus N. F. I, S. 57 und 60) beseitigt. Die Zeitbestimmung des Sozomenus (I, 7) ist zu allgemein und beruht auf zu flüchtiger und ungenauer Kenntniss der Geschichte Constantin’s, als dass sie irgend welche Beachtung verdiente. Die Stelle des Eusebius (vita Const. I, 48) ist von dem Autor selbst gar nicht als Zeitbestimmung gemeint, sondern nur als stilistische Ueberleitung von einem Gegenstande zu einem andern. Er hat zuerst von den Decennalien Constantin’s erzählt und reiht daran den letzten Krieg gegen Licinius nebst der Christenverfolgung, welche ihn einleitete. Irgend ein Ereigniss von Wichtigkeit, welches zwischen jenen beiden läge, kennt er nicht. Er verknüpft sie daher in folgender Weise: „Constantin feierte seine Decennalien. Darüber freute er sich, nicht aber über die Nachrichten, welche er aus dem Orient erhielt. Denn dort begann Licinius die Verfolgung.“ Aus einem Satze dieser Art zu schliessen, dass der Beginn der Verfolgung unmittelbar auf die Decennalien gefolgt sei, wäre selbst bei einem Schriftsteller, der im Chronologischen zuverlässiger ist, als Eusebius, nicht gestattet. Es bleibt also nur der Satz der Kirchengeschichte X, 8, 8, aus welchem vita Const. I, 50, 2 abgeschrieben ist. Hier aber sagt Eusebius, Licinius habe, sobald der Krieg gegen Constantin beschlossen war (ὁμόσε Κωνσταντίνῳ πολεμεῖν διαγνούς), die Christenverfolgung begonnen. Wollte man dies auf den Krieg von 314 beziehen, so müsste man also die Massregeln gegen die Christen schon in das Jahr 313 setzen, was Keim selbst als unmöglich erkennt. Mithin kann nur der zweite Krieg der beiden Mitregenten gemeint sein, eine Annahme, die schon dadurch geboten ist, dass Eusebius von dem ersten in keiner seiner Schriften redet. Sein Zeugniss vereinigt sich also hier mit dem des Hieronymus, nach welchem die Verfolgung im Jahre Abraham’s 2337, d. h. 321, also nicht sehr lange vor dem zweiten Kriege begann. Dem scheint auch Sozom. I, 2 zuzustimmen; denn es ist gar nicht abzusehen, warum er sein Werk mit dem Consulat des Crispus und Constantinus (321) beginnt, wenn dieses nicht ein Epochenjahr für die Geschichte der christlichen Kirche darstellte. Ein solches aber konnte es nur insofern sein, als damals die letzte Christenverfolgung ihren Anfang nahm; denn irgend ein anderes hervorragendes Ereigniss ist unter diesem Jahre nicht überliefert. Hierzu kommt dann noch eine wichtige Bestätigung. Nach Eusebius (vita Const. I, 51) war eine der ersten Massregeln, durch welche sich die neue Religionspolitik des Licinius ankündigte, das gesetzliche Verbot der Synoden. Diese Angabe hat so viel innere Wahrscheinlichkeit, dass wir sie selbst einem Eusebius glauben dürfen. Denn wenn das Christenthum überhaupt gefährlich schien, so mussten diese grossen Versammlungen seiner berufenen Vertreter das Auge des misstrauischen Tyrannen in erster Linie auf sich ziehen. Nun hat aber noch im Jahre 320 in Alexandria eine Synode getagt, bei welcher hundert ägyptische Bischöfe sich einfanden. Eine Zusammenkunft von solchem Umfange konnte unmöglich gegen das Gesetz in aller Heimlichkeit stattfinden; öffentlich wagte man aber während der Christenverfolgung des Licinius nicht einmal Gottesdienste (Soz. I, 2), geschweige denn Concilien zu halten. Damit ist meines Erachtens die chronologische Frage vollkommen entschieden, falls nicht noch, was allerdings nicht ganz ausgeschlossen ist, sich für die Synode von Alexandria eine andere Zeitbestimmung finden sollte. Doch auch in diesem Falle würden die übereinstimmenden Zeugnisse des Hieronymus, Sozomenus und Eusebius übrig bleiben.
  545. Euseb. vita Const, I, 51: ἢ γὰρ παραβαίνοντας τὸν νόμον ἐχρῆν ὑποβάλλεσθαι τιμωρίᾳ, ἢ πειθαρχοῦντας τῷ παραγγέλματι παραλύειν ἐκκλησίας θεσμούς ἄλλως γὰρ οὐ δυνατὸν τὰ μεγάλα τῶν σκεμμάτων ἢ διὰ συνόδων κατορθώσασθαι. Vgl. III, 1, 5; Sozom. I, 2.
  546. Euseb. vita Const. I, 53.
  547. Euseb. hist. e. X, 8, 15; laud. Const. 9, 13; vita Const. II, 2.
  548. Euseb. vita Const. I, 53.
  549. Euseb. h. e. X, 8, 11; vita Const. I, 54, 2.
  550. Euseb. h. e. X, 8, 10; vita Const. I, 52; 54; Hieron. chron. 2337.
  551. Euseb. h. e. X, 8, 14; 17; vita Const. II, 1 ff.; Hieron. l. c. Wie gross die Zahl der Opfer war, ist eine Frage, die sich nie wird beantworten lassen; auch scheint sie mir historisch ganz gleichgültig.
  552. Cod. Theod. XVI, 2, 5; vgl. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X, S. 230.
  553. Euseb. vita Const. II, 3.
  554. Zosim. II, 22, 1.
  555. Anon. Vales. 5, 21: neglectos limites.
  556. Zos. II, 22, 2.
  557. Anon. Vales. 5, 21.
  558. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X, S. 230.
  559. Anon. Vales. 5, 21–22.
  560. Ueber die Zeit dieses Krieges s. Zeitschr. f. Rechtsgesch. X, S. 188 ff.
  561. Anon. Vales. 5, 24; Zos. II, 22, 3.
  562. Zos. II, 22, 4 ff.
  563. Anon. Vales. 5, 24.
  564. Das Datum bei Hydat. fast. a. 324; CIL. I, S. 346; Cod. Theod. VII, 20,1; Chron. Pasch. a. 325.
  565. Zos. II, 23, 1.
  566. Zos. II, 24, 2.
  567. Zos. II, 25, 2.
  568. Anon. Vales. 5, 25; Zos. II, 23, 1; Vict. epit. 41, 5.
  569. Zos. II, 25, 1.
  570. Zos. II, 22, 3; 23, 2.
  571. Nazar. Paneg. X, 17; 36 ff.; vgl. Zon. XIII, 2; Euseb. h. e. X, 9, 4; 6.
  572. Anon. Vales. 5, 23. Der Feldherr des Licinius wird vom Zosimus Abantus, vom Anonymus Amandus genannt. Offenbar ist das eine nur Verstümmelung des andern. Ich bin der Version des Griechen gefolgt, weil man den geläufigeren Namen mit mehr Wahrscheinlichkeit für interpolirt halten kann als einen solchen, der nur noch in einer einzigen Inschrift (CIL. III 2137) nachweisbar ist.
  573. Zos. II, 23, 2 ff.
  574. Zos. II, 24; Anon. Vales. 5, 26.
  575. Euseb. vita Const. II, 5. Die Geschichte ist freilich erfunden, zeigt aber trotzdem, wie die Zeitgenossen diesen Krieg auffassten. Vgl. Keim, Der Uebertritt Constantin’s S. 53.
  576. Anon. Vales. 5, 27; Zos. II, 25, 1; Vict. Caes. 41, 7.
  577. Anon. Vales. 5, 25; Zos. II, 25, 2; Vict. Caes. 41, 8; epit. 41, 6. Auch hier wieder werden die Schriftsteller, welche den Martinianus Caesar nennen, durch die Münzen widerlegt. Cohen VII², S. 224. Die Zeit der Ernennung Martinian’s, über welche die Quellen schwanken, wird dadurch bestimmt, dass seine Münzen alle in Nicomedia, keine in der Prägstätte von Cyzicus geschlagen sind; denn auf die Lesung des halbbarbarischen Stückes bei Cohen, Martinien 2, ist kein Verlass. Wenn aber jene Insel nicht mehr in den Händen des Licinius war, so muss er die Seeherrschaft schon verloren haben, d. h. der Flottensieg des Crispus und die Räumung von Byzanz hatten schon stattgefunden.
  578. Zos. II, 25, 2.
  579. Zos. II, 26.
  580. Anon. Vales. 5, 27; Euseb. vita Const. II, 15.
  581. Das Datum bei Hydat. fast. a. 324; Chron. Pasch. a. 325; CIL. I, S. 350.
  582. Anon. Vales. 5, 27; 28; Socr. I, 4.
  583. Zos. II, 26, 3.
  584. Zos. II, 26, 3; Zon. XIII, 1; Anon. Vales. 5, 27.
  585. Anon. Vales. 5, 28; Zon. XIII, 1.
  586. Zos. II, 28, 1; Praxag. bei Phot. bibl. 62.
  587. Anon. Vales. 5, 28; Zos. II, 28, 2; Eutrop. X, 6, 1.
  588. Vict. epit. 41, 7.
  589. Zonar. XIII, 1; Sozom. I, 7.
  590. Anon. Vales. 5, 28; vgl. Socr. I, 4.
  591. Zos. II, 28, 2; Eutrop. X, 6, 1; Vict. epit. 41, 7; Zon. XIII, 1; Anon. Vales. 5, 29; Socr. I, 4; Jord. Get. 21, 111; Sozom. I, 7.
  592. Anon. Vales. 5, 28; 29.
  593. Das Jahr bei Hydat. fast. a. 325.
  594. Socrat. I, 4; Zon. XIII, 1.
  595. V. Schultze, Zeitschr. f. Kirchengesch. VII, S. 539. Alle Schriftsteller, welche Constantin des Eidbruchs zeihen, gehen auf eine und dieselbe heidnische und deshalb parteiische Quelle zurück.
  596. Zonar. XIII, 1. Dieser hat hier den Bericht derselben Quelle vollständiger erhalten, welche im Anon. Vales. 5, 29 durch ein Einschiebsel aus Orosius verstümmelt ist. Vgl. Klebs, Das Valesische Bruchstück zur Geschichte Constantin’s. Philologus N. F. I, S. 53 ff. Dass die Gerichtsbarkeit des Senats in ähnlichen Fällen angerufen wird, ist auch sonst im vierten Jahrhundert nicht selten. Amm. XXVIII, 1, 23; Zos. V, 11, 1; Symm. epist. IV, 5, 2.
  597. Anon. Val. 5, 29; Zos. II, 28, 2; Vict. epit. 41, 7.
  598. Vict. Caes. 41, 10; Hieron. chron. 2350.
  599. Cod. Theod. IV, 6, 2; 3. Vgl. Zeitschr. f. wissenschaftl. Theologie XXXIII, S. 73.
  600. Eutrop. X, 6, 3. Die Notiz bei Hier. chron. 2341 hat gar keinen Quellenwerth, da sie aus Eutrop abgeschrieben und nach Gutdünken einem beliebigen Jahre beigesetzt ist. Ihre Datirung muss schon deshalb falsch sein, weil der jüngere Licinius (geb. 312) im J. 325 noch nicht iuvenis war, wie ihn Eutrop nennt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hinweis: In diesem Artikel können zwei verschiedenartige Behandlungen des Genitiv-s beim Namen des Constantin beobachtet werden. Im ersten Teil des Artikels wird sowohl in der Überschrift als auch im Text die Schreibung „Constantins“ verwendet. Im zweiten Teil des Artikels wird dagegen sowohl in der Überschrift als auch im Text (fast ausschließlich) die Schreibung „Constantin’s“ gebraucht. Die Schreibung mit Apostroph taucht auch im Inhaltsverzeichnis der DZfG Bd. 7 für diesen Artikel auf. Im 19. Jahrhundert gab es noch keine einheitliche Regelung dafür, erst mit der Zweiten Orthographischen Konferenz (1901 in Berlin) wurde die Verwendung des Apostrophs zur Abtrennung des Genitiv-s bei Eigennamen weitgehend abgeschafft. In der Transkription wird in jedem Einzelfall nach der Vorlage geschrieben, für den WS-Link und in der Infobox wird nach der Überschrift des ersten Teils des Artikels vorgegangen.
  2. Vorlage: Geissel (vgl. Gebrauch des richtigen Wortes Geisel auf S. 209)
  3. Vorlage: Au’fs
  4. Vorlage (in der Anmerkung): aput
  5. Vorlage: zn
  6. Vorlage: Haupstadt
  7. Vorlage: keinen
  8. Vorlage (in der Anmerkung): Anoymus
  9. Vorlage: im
  10. Vorlage: der
  11. Vorlage (in der Anmerkung): a. 2350
  12. Vorlage: zn