Die Altmeister der deutschen Imker

Textdaten
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Autor: H. Gr.
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Titel: Die Altmeister der deutschen Imker
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aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 596–598
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Altmeister der deutschen Imker.

Der Spätsommer ist gekommen, und mit ihm die Zeit der sogenannten Wanderversammlungen deutscher Berufsgenossen. In Hamburg hat unlängst der Juristentag seine Sitzungen beendet, in Wien tagen Künstler und Land- und Forstwirthe zugleich, im schönen Elbflorenz sind die deutschen Aerzte und Naturforscher vereint und in Darmstadt sitzen die deutschen Bienenväter, die Imker, wie sie sich lieber nennen hören, im Austausch ihrer Ansichten über Theorie und Praxis der Bienenzucht zusammen. Dieser letztern gebührt in der That mehr als manchem andern Zweig der edlen Landwirthschaft ein nicht unbedeutender Platz unter den Beschäftigungen der Menschen. Wie klein auch immerhin, dem großen Ganzen gegenüber, ihr Antheil an der Volksbildung, an der Entwickelung des geistigen wie körperlichen Wohles der Menschheit sein mag, immer bleibt doch der Segen, welchen sie seit dem grauen Alterthume den Menschen gespendet hat, noch spendet und in Zukunft erst recht noch spenden wird, ein nicht unbeträchtlicher. Abgesehen von dem außerordentlichen Vergnügen, welches sie gewährt – die Beschäftigung mit den Bienen ist gleich dem Lesen eines hochpoetischen, anregenden, im höchsten Grade spannenden Gedichtes – bildet vor allen Dingen der materielle Gewinn, den sie durchschnittlich ihren zahlreichen Jüngern aus allen Classen der menschlichen Gesellschaft gewährt, den Anziehungspunkt.

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Dzierzon.
Rudolph Leuckart.  August Freiherr v. Berlepsch.  Ernst v. Siebold.
Georg Kleine.
Die Koryphäen der deutschen Bienenzüchter.

Viele Millionen Thaler werden in Deutschland allein durch die Bienenzucht gewonnen, wovon der größte Theil gerade den weniger Bemittelten zufließt, und doch sind diese Millionen nur ein kleiner Bruchtheil von dem, was gewonnen werden könnte, von den ungeheueren Schätzen, die ungehoben, unbenutzt jährlich in den Blüthenkelchen der Kinder deutscher Flora verkommen, obgleich gar Mancher, bei einiger Lust und im Besitze eines Plätzchens für ein paar Bienenstöcke, sich leicht einen Theil jener Schätze sichern könnte. Viele Tausende klingender Münze gehen noch jährlich für Honig und Wachs in’s Ausland, weil wir noch nicht einmal unsern eigenen Bedarf decken. Aber hoffen wir, daß es auch in dieser Beziehung endlich besser wird; die Anzeichen und Bedingungen hierzu fehlen nicht. Mit Eifer befördern die deutschen Regierungen, oft mit außergewöhnlichen Mitteln, die Bienenzucht, und um so weniger werden diese Mittel nutzlos angewendet sein, als eben eine neue Bienenwirthschafts-Betriebsweise, wesentlich von der Jahrtausende alten verschieden, sich immer mehr Bahn bricht; sie werden es um so weniger sein, als endlich in das bis jetzt dunkle und verborgene Leben und Weben der Bienen die hellsten Lichtstrahlen – Dank deutschem Fleiße, deutscher Ausdauer und deutscher Gründlichkeit – gefallen sind, in Folge dessen eine richtige Theorie hat aufgestellt werden können. Diese neue Betriebsweise sichert den Jüngern der edlen Bienenzucht mehr als den doppelten Ertrag der alten, macht die Biene im wahren Sinne des Wortes erst [598] Hausthiere, ermöglicht es selbst dem vielfach in Anspruch genommenen Geschäftsmanne, mit Erfolg in seinen Mußestunden Bienenzucht treiben zu können, und erhöht schließlich das Vergnügen, welches die Imkerei dem Bienenvater in so reichem Maße zu gewähren im Stande ist. Die Aufsteller, Begründer und Ausbauer dieser neuen hochwichtigen Bienenwirthschafts-Betriebslehre sind die dem Leser im Bilde vorgeführten Altmeister der deutschen Imker nebst ihren gelehrten Gehülfen.

Als der erste aller deutschen Bienenväter, als das „von Gott besonders begnadigte Bienengenie“, wie man ihn genannt hat, muß der bekannte Johann Dzierzon bezeichnet werden, der, ein Schlesier von Geburt, seit mehr als dreißig Jahren als katholischer Hülfspfarrer zu Karlsmarkt in seinem Heimathlande wirkt. Wohl wäre es ihm ein Geringes gewesen, in höhere Stellen aufzurücken, wenn er dies aber verschmähte, so geschah das nur, weil seine Stelle ihm zur Beobachtung und Pflege der schon in früher Jugend liebgewonnenen Bienen hinreichende Muße gewährte und weil er sich durch Einrichtung von Bienenständen in und um Karlsmarkt gefesselt hielt. Seine ersten Artikel über Bienenzucht erschienen bereits vor mehr als zwanzig Jahren in den Frauendorfer Blättern, wurden aber nicht sehr beachtet, da sie nur wenigen Imkern zu Gesicht kamen. Erst mit dem Eintritte unter die Zahl der Mitarbeiter der Eichstädter Bienenzeitung, des Organs deutscher Bienenzüchter, 1846, beginnt der Zeitpunkt seiner bedeutungsvollen Einwirkung auf deutsche und außerdeutsche Bienenzüchter. Gleich in dem ersten Aufsatz, mit welchem er in der Bienenzeitung auftrat, gab er die Grundlage seiner später vollkommen entwickelten Theorie und Praxis: Es giebt drei Bienengattungen im Stocke: Drohnen (Männchen), die Königin (vollkommenes Weibchen) und Arbeitsbienen (unentwickelte Weibchen). Unter besonderen Verhältnissen können Arbeitsbienen zum Legen von Eiern ohne Befruchtung befähigt werden, aus welchen sich aber nur Drohnen entwickeln. Die Königin ist in der Regel die einzige Eierlegerin in einem Stocke und legt die Eier zu allen Bienenindividuen. Dazu wird sie durch die Begattung mit der Drohne tüchtig gemacht. Ohne Begattung kann sie wohl Eier legen, es entstehen aus denselben aber nur Drohnen.

Damit war die Lehre von der Parthenogenesis (der jungfräulichen Zeugung) aufgestellt, die von allen Seiten, von Bienenzüchtern und Physiologen angefochten und verspottet wurde, bis sie endlich durch kraftvolle Unterstützung von Seiten v. Berlepsch’s, Kleine’s, v. Siebold’s und Lenckart’s zur vollsten Anerkennung gelangte. Ebenso gab Dzierzon in diesem seinem ersten Artikel bereits die Andeutung zu seiner neuen Bienenwohnung, dem Stocke mit beweglichem Bau, der einen so wesentlichen Umschwung in der praktischen Bienenzucht veranlaßte. Außer in der Bienenzeitung und auf den Wanderversammlungen deutscher Bienenzüchter, suchte er für seine Lehren auch in einer Reihe von selbstständigen Schriften zu wirken, die sämmtlich für die Bienenwirthschaft von höchster Bedeutung sind.

Ein anderes wesentliches Verdienst hat sich Dzierzon durch die 1853 erfolgte Einführung der italienischen Biene in Deutschland erworben. Dieselbe trug wesentlich mit zur Entscheidung der bitteren Kämpfe bei. „Im Begriff,“ so schreibt er uns im März d. J., „binnen Kurzem von meinem Amte zurückzutreten und mich nur der Bienenpflege zu widmen, werde ich vorzugsweise die Reinerhaltung, Vermehrung und Verbreitung der schönen gelben, fleißigen und sanften italienischen Biene, dieser jedenfalls edelsten unter allen Bienenracen, mir zum Zweck setzen, um mir das Zeugniß geben zu können, eine neue Theorie begründet, eine neue Behandlungsart herbeigeführt, so wie auch eine neue Bienenart heimisch gemacht zu haben.“

Der Zweite in unserer Reihe ist ein Thüringer, August Freiherr von Berlepsch, der, nach juristischen Studien, auf dem Stammgute seiner Familie zu Seebach unweit Mühlhausen, in neuester Zeit theils in Gotha, theils in Coburg lebte. Wenngleich weniger erfinderisch als Dzierzon und diesem an Beobachtungs- und Zusammenstellungsgabe nicht ganz gleich, ist er doch kaum weniger scharfsinnig, als dieser. Er ist der Mann, der gegebene Anfänge äußerst geschickt weiterzuführen versteht, und hierin beruht eines seiner wesentlichsten Verdienste um die Bienenzucht. Obwohl Anfangs ein Gegner Dzierzon’s, überzeugte er sich doch gar bald von der Nichtigkeit der von diesem aufgestellten Grundsätze und wurde nun dessen eifrigster Paulus. 1853 veröffentlichte er eine Reihe bienenwirthschaftlicher Briefe, welche in der gesammten Imkerwelt ungeheueres Aufsehen erregten. In diesen setzte er die neue Dzierzon’sche Theorie klar und systematisch auseinander und belegte das Behauptete mit experimentellen Beweisen. Was Dzierzon in einem siebenjährigen Kampfe nicht gelungen war, sich vollkommene Anerkennung zu erringen, das erreichte Berlepsch in Verbindung mit einem alsbald zu erwähnenden dritten Bienenmatadore fast mit einem Schlage. Dzierzon’s Sieg war jetzt entschieden, die Gegner schwiegen. In der Theorie der Bienenzucht konnte er weiter nichts thun, als die Dzierzon’sche wissenschaftlich und experimentell weiter begründen, als Praktiker aber hat er die von Dzierzon gegebenen Anfänge zu hoher Vollendung geführt, und es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn wir behaupten, daß sich die Mehrzahl deutscher und außerdeutscher Imker, welche nach dem neuen Betriebe wirthschaften, zu seiner Schule bekennt. Unter den bienenwirthschaftlichen Schriftstellern glänzt er als ein Stern erster Größe; er weiß den Leser zu überzeugen, obwohl oder weil sein Ausdruck derb, oft selbst massiv genannt werden muß. Sein Urtheil ist in den meisten Fällen maßgebend, wenn gleich ihm bei Fällung eines solchen mitunter schon eine Menschlichkeit passirt ist. Sein umfangreiches, gründliches und berühmt gewordenes Werk: „Die Biene und ihre Zucht in honigarmen Gegenden“, erscheint jetzt in zweiter Auflage, von der die ersten Hefte bereits vorliegen. Wer für die Bienenzucht nur einiges Interesse hegt, der wird, wenn er nur die ersten Paragraphen des Buches durchgelesen hat, dieses nicht wieder aus der Hand legen können; er wird unbedingt für die Imkerei gewonnen werden und kann sich dann ohne Schwierigkeit zu einem ebenso geschickten, theoretisch-praktischen wie eifrigen Bienenwirth heranbilden, wenn er seinem Meisterführer nur vertrauensvoll folgt. Seit vorigem Jahre veröffentlicht Berlepsch auch einen Bienenkalender.

Sein Bundesgenosse, dessen wir oben erwähnten, ist ein protestantischer Landgeistlicher zu Lünthorst im Hannoverschen, Georg Kleine. In der Muße ferner Dorfpfarrei erwählte er sich die Bienenzucht, bei der vorzugsweise die wissenschaftliche Seite ihn in Anspruch nahm, zu seinem Steckenpferde. Da die Zeit günstig war, es auch an Anregung nicht fehlte, so brachte er es auf diesem Felde rasch zu einer vollendeten Meisterschaft, so daß sein Ruf als Imkermeister bald weit über die Grenzen Deutschlands hinausdrang. Er war der Erste, der offen auf Dzierzon’s Seite trat und dessen Ansichten verfechten half, und hat namentlich als Physiologe die neue Theorie durch scharfsinnige Beweise in Rede und Schrift begründen helfen und nicht wenig zur Entscheidung des Streites beigetragen. Als fleißiger Mitarbeiter der Bienenzeitung verwaltete er lange Zeit das Recensentenamt, welches ihm Gelegenheit gab, mancher Verkehrtheit den Hals zu brechen, und kaum ist in dem Blatte wohl eine Frage von Wichtigkeit verhandelt worden, an deren Austrage er nicht Theil genommen hat. Bei der seltenen Eleganz seines Styles, der Klarheit und Schärfe seines Ausdrucks, seiner Unübertrefflichkeit in der Darstellung des Vorhandenen, sind seine Schriften von hohem Werthe für Jünger wie für Laien der Bienenzucht. Welches hohe Interesse seine Werke gewähren, beweist am besten das Urtheil einer alten Stiftsdame, die den Ausspruch that: es sei kein Roman für sie so anziehend gewesen wie Kleine’s Buch.

War es unter diesen Umständen wohl ein Wunder, wenn der große Kleine im Aus- wie im Inlande die höchste Anerkennung seiner Verdienste fand? Viele Vereine ernannten ihn zu ihrem Ehrenmitgliede, der Würtemberger Verein übersandte ihm seine goldene Biene, die Pariser Societé de l’Apiculture übermachte ihm eine Nadel in Email etc. Seit einigen Jahren ist Kleine Redacteur des bienenwirthschaftlichen Centralblattes für Hannover, welches seine Gediegenheit und Verbreitung meistens dem allgemein beliebten und hochgeschätzten Manne verdankt.

Als die gelehrten Gehülfen unserer Bienenzüchter endlich verdienen vor allen andern die beiden berühmten Zoologen Karl Theodor Ernst von Siebold, jetzt in München, und Rudolph Leuckart in Gießen, hier mit namhaft gemacht zu werden. Ersterer stellte die oben gedachte „jungfräuliche Zeugung“ wissenschaftlich fest und bewies andere Punkte der Bienenzucht gleich Letzterem, welcher sich besonders noch dadurch ein Verdienst erwarb, daß er einige der schwierigsten Fragen in dem berühmten Berlepsch’schen Bienenbuche bearbeitete. Ohne diese beiden Männer hätte die Bienenzucht die jetzige Höhe wohl schwerlich so leicht erreichen können. Sie haben gleichsam die wissenschaftliche Taufe an der neuen Bienenwirthschaftslehre vollzogen.
H. Gr.