Die Allgemeine deutsche Sportausstellung in München

Textdaten
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Autor: B. Rauchenegger
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Titel: Die Allgemeine deutsche Sportausstellung in München
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 592–594
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Allgemeine deutsche Sportausstellung in München.

Von B. Rauchenegger.0 Mit Abbildungen von Fritz Bergen.

Das Segelboot in der Vorhalle.

Das hübsche Ausstellungsgebäude auf der sogenannten Kohleninsel in München, welches im Vorjahre erbaut wurde, um die Fortschritte der Technik auf dem Gebiete der Kraft- und Arbeitsmaschinen zu zeigen, dient heuer den Zwecken der Allgemeinen deutschen Sportausstellung. Die Bevölkerung, sowie die Gäste der Stadt bekunden hierfür ein sehr großes Interesse, denn irgend ein Sport wird heute in allen Kreisen getrieben, aktiv oder mindestens passiv, da es sich hierbei um etwas handelt, das jeder zu erfassen, wenn auch nicht zu üben vermag. Schon der Eintritt in die Halle läßt Dinge ersehen, die auch ohne Katalog kenntlich sind. Der große Vorplatz, an dessen Seiten die Kassen, Bureaus und Garderoben, sowie ein paar Eingänge zu kleineren Ausstellungsabteilungen sich befinden, ist sehr hübsch mit Sportsemblemen ausgestattet; den Mittelpunkt nimmt die nebenstehend abgebildete voll aufgetakelte Segeljacht ein, deren eleganter und zierlicher Bau allgemein bewundert wird; sie versinnbildlicht in einfacher Weise den Charakter der Ausstellung.

Ein paar Stufen führen von hier in die erste Abteilung der Ausstellung hinab, die sich schon im farbenreichen Bilde darstellt. Es ist die Jagd, welche die Beschauer wohl am meisten fesselt; denn auf einer künstlich aufgebauten Felsgruppe, an die sich ein Wiesengrund und ein kleiner See anschließen, sind alle möglichen jagdbaren Tiere Deutschlands ausgestopft in naturgetreuen Stellungen zu sehen. Hoch oben bemerkt man ein paar prächtige Gemsen, in ihrer Nachbarschaft den mächtigen Steinadler samt seiner räuberischen Verwandtschaft; zwischen den Felsspalten treiben sich Murmeltiere herum; wo der Grashang beginnt, schreitet der Edelhirsch mit seiner Gefährtin, weiter davon weg sieht man äsendes Rehwild, und unten nahe am See wetzt ein borstiger Eber seine Hauer am Gestein. Auf der Fläche des Sees, in dem sich lebende Forellen tummeln, schwimmen Enten, Möwen, Taucher und Sumpfgeflügel aller Art; hinter dem See auf Legföhren zeigen sich Auerhahn und Spielhahn in ihrem liebestrunkenen Gebaren. Um das Wassergeflügel schleicht der lüsterne Fuchs mit seiner schnell erwischten Beute im Rachen, vor seiner Erdhöhle steht der träge Dachs, und in einer Ecke sind sogar zwei Wölfe beschäftigt, ein harmloses Lamm zu zerreißen. An der Grenze dieses „Jagdterritoriums“ befindet sich (links auf unserem untenstehenden Bilde) eine Jagdhütte ältester Art, wie sie vor einem halben Jahrhundert noch dem Jäger genügte; dieselbe zeigt keine andere Einrichtung als ein einfaches Heulager und einen aus Steinen

Bei den Jagdhütten.

[593] errichteten Kochherd mit offenem Feuer, während die gegenüber sichtbare Jagdhütte, ein Erzeugnis der Neuzeit, alle Bequemlichkeiten aufweist, die ein Weidmann für seines Leibes Notdurft nur wünschen mag. Gleich in der Nähe befindet sich das lebensgroße Standbild des Prinzregenten Luitpold im Kostüm eines Hochgebirgsjägers; ein großes Gemälde seitwärts stellt Kaiser Wilhelm II in Jagdgala dar. Reiche Geweihsammlungen und Jagdtrophäen aller Art ergötzen das Auge des Jägers und des Laien; daß hier auch das Beste an Waffen und Jagdgeräten in größter Auswahl vorhanden ist, versteht sich von selbst. Neben der Jagd nimmt die Fischerei einen großen Platz in Ansprucb, um alles in ihrem Gebiete Sehenswerte und Nützliche zu zeigen: das Publikum fühlt sich am meisten angezogen durch eine Anzahl lebender Edelfische, unter denen sich wahrhaft herrliche Exemplare befinden. In der westlichen Ecke der ersten Abteilung hat die Münchener Armbrustschützengesellschaft „Wintzerer Fähndlein“ ausgestellt, die das „Stachelschießen“ nach altem Herkommen betreibt.

Das Panorama.
Aufstieg zum Gebirgspanorama „Die Blaue Gumpe“.

Die zweite große Abteilung füllt der Fahrradsport. In erster Reihe sind es die Maschinen aller Systeme, welche zu Hunderten dem Sportsmann Gelegenheit geben, Konstruktion und Eigenart derselben zu prüfen und auf Grund praktischer Erfahrung zu vergleichen. Aber auch alles andere, was der Radfahrer zu seiner Ausrüstung benötigt, ist in verschiedenster Bearbeitung zu sehen. Den Abschluß dieser Abteilung bildet eine hübsche von unserm Maler nebenstehend wiedergegebene Dekoration, welche die ideale und praktische Seite des Radfahrsportes vergegenwärtigt. Ein Bauernhäuschen, das sich an einen felsigen Hintergrund anlehnt und ein „Bildstöckl“ im Vordergrund deuten wohl auf einen Ausflug in das herrliche Oberland. Verschiedene Radfahrer und Radfahrerinnen, sportsmäßig gekleidete Figuren, geben ihrer durch das Erreichen des Ziels gehobenen Stimmung Ausdruck. Eine reizende Radlerin, ganz in Weiß, steckt eben einen Blumenstrauß an das Bildstöckl, eine andere ist zur Felsplatte aufgestiegen, um dort ihren Namen zu verewigen; ein älterer Radler sitzt mit einer jüngeren Radlerin vor dem Bauernhäuschen und läßt sich ein Schöpplein schmecken, oben auf der Laube bemüht sich ein offenbar nicht so ermüdeter Fahrer um die Gunst einer hübschen Gebirglerin. Die Gruppe bietet ein hübsches, farbenreiches Bild, durch welches der Zweck der Aussteller – Maschinen und Kostüme zu empfehlen und Lust zum Sport zu erwecken – sicher erreicht werden dürfte.

Ein weiteres, man darf sagen großartiges Dekorationsstück befindet sich in der dritten Hauptabteilung, welche dem alpinen Sport überlassen wurde. Es ist dies ein von verschiedenen Künstlern hergestelltes Gebirgspanorama, die sogenannte „Blaue Gumpe“ auf dem Wettersteingebiete. Die Phantasie der Künstler hat als Eingang zu diesem Schaustück einen originellen Aufstieg ersonnen, dessen Anfang unser nebenstehendes Bild unten zeigt.

Dekoration in der Fahrrad-Abteilung.

Zwischen zwei mächtigen Felswänden führt in enger Windung ein sogenannter Prügelweg zur Höhe des Plateaus, von dem aus sich ein Blick auf das Panorama eröffnet. An der linkseitigen Felswand, die in großen Buchstaben die Bezeichnung „Bergsport“ aufweist, ist eine Wegtafel angebracht; sie trägt die Inschrift „Zur Angerhütte – Zur Knorrhütte – Zum Münchnerhaus“ – das sind die Stationen des Weges, welcher zur Zugspitze führt. Oben gelangt der Wanderer zur Aussicht der „Blauen Gumpe“. Es ist das ein kleiner Bergsee von tiefblauer Farbe, der in einem wildromantischen Hochthale gelegen ist, wie es sich im oberen Teile unseres Bildes darstellt. Das herrlich gemalte Panorama wird gegen den Standpunkt des Beschauers zu allmählich plastisch, so daß man ein wirkliches Stück Hochgebirgsromantik vor sich zu haben glaubt, denn hier rieselt das Wasser durch chaotisch angehäuftes Gestein, daneben am seitlichen Hang kriechen verkrüppelte [594] Bergföhren auf dem Felsboden und dazwischen leuchten die Blüten der Alpenrosen hernieder! Eine Fortsetzung der künstlichen Felsschlucht führt von diesem Platze weg in die Ausstellungsräume zurück. Der prächtige Hintergrund ist von Zeno Diemer gemalt; an der plastischen und dekorativen Ausgestaltung haben sich außerdem die Künstler Leopold Schoenchen, E. T. und E. H. Compton, O. Erich Engel und H. B. Wieland beteiligt. Hinter diesem Panorama befindet sich die eigentliche alpine Ausstellung, in welcher die prächtigen Reliefkarten von Südbayern und von Tirol am meisten Bewunderer finden. Alpine Gebrauchsgegenstände aller Art fesseln nicht minder die Aufmerksamkeit aller derer, welche mit der Wanderung in den Bergen irgendwie zu thun haben oder eine solche beabsichtigen.

Von hier aus betritt man die Halle, welche für Turnen, Fechten und sportliche Spiele bestimmt ist; der Rudersport ist in einem eigenen Seitengebäude untergebracht, und hier nehmen die Modelle der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger die Aufmerksamkeit der Besucher vor allem in Anspruch. Nun wären noch die Seitenflügel und Galerien des Ausstellungsgebäudes zu besuchen. Es sind dort Plätze für Luftschiffahrt, Sammelsport, Amateurphotographie und die Koststellen untergebracht; in einem Seitenflügel sind die praktischen Erfahrungen in der Pferdehaltung dargestellt. Ein Stall für die neuesten Ungetüme, die Automobile, befindet sich seitlich vom Hauptgebäude.

Aber genug der Schilderung! Denn auch der gewissenhafteste Besucher der Sportausstellung wird mit einem Male nicht fertig und ist nach kurzer Zeit genötigt, sich in dem herrlichen Gartenrestaurant ein wenig Erholung zu gönnen, wobei ihm das bunte Treiben der Menge, die wechselnden Scenen bei Ballon- und Wasserfahrten und das Konzert die Zeit in gewiß angenehmer Weise kürzen werden.