Die Abschaffung des Christenthums

Textdaten
Autor: Jonathan Swift
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Beweis daß die Abschaffung des Christenthums, bey gegenwärtiger Beschaffenheit unserer Sachen einige Unbequemlichkeiten nach sich ziehen, und die guten Würkungen vielleicht nicht hervorbringen dürfte, welche man sich davon verspricht.
Untertitel:
aus: Satyrische und ernsthafte Schriften, Band 4, S.1 - 27
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1708
Erscheinungsdatum: 1760
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Frankfurt und Leipzig
Übersetzer: Johann Heinrich Waser
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: MDZ München = Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[3]
Beweis
daß die Abschaffung des Christenthums, bey
gegenwärtiger Beschaffenheit unserer Sachen,
einige Unbequemlichkeiten nach
sich ziehen, und die guten Wirkungen
vielleicht nicht hervorbringen
dürfte, welche man sich
davon verspricht.[1]


Geschrieben im Jahre 1708.




Ich weiß gar wol, was für eine Schwachheit und stolzes Unternehmen es ist, wenn man dem Strome allgemeiner Meinungen und Neigungen will entgegen schwimmen. Ich erinnere mich, daß man aus [4] Liebe zur Gerechtigkeit, und aus geziemender Sorgfalt für die Freyheit, beydes des Volkes und der Presse, vormals unter schwerer Strafe verboten hatte, nichts wider die[2] Union weder zu reden noch zu schreiben, noch auch einige Wetten dargegen anzustellen, gleich ehe sie noch von dem Parlamente ist bestätigt worden: Man sah nemlich dieses als einen lautern Eigensinn an, wodurch man sich der allgemeinen Neigung des Volkes zu widersezen suchte welches nicht allein thöricht ist an sich selbst, sondern auch noch offenbar gegen den Grundsaz anläuft, der die Stimme des Volkes zur Stimme Gottes macht.

Eben so, und um derselben Ursachen willen mag es vielleicht weder sicher noch klug gehandelt seyn, wider die Abschaffung des Christenthums zu einer Zeit zuschreiben, da alle Parteyen so einmüthig entschlossen dazu scheinen, gleich wir solches, nach ihren Handlungen Reden, und Schriften zu urtheilen, wol nicht läugnen können. Inzwischen bin ich doch so unglüklich, ob aus [5] Eigensinn, oder wegen der allgemeinen Verkehrtheit der menschlichen Natur weiß ich selbst nicht, daß ich nicht gänzlich dieser Meinung seyn kann. Ja wenn ich gleich wüßte, daß der General-Procurator den Augenblik eine Ordre stellen sollte, mich deswegen rechtlich zu verfolgen; so könnte ich doch nicht unterlassen stets zu behaupten, daß ich bey gegenwärtigem Zustande unserer Sachen, sowol ausser als inner dem Königreiche, die absolute Nothwendigkeit noch nicht einsehe, die christliche Religion unter uns ganz und gar auszurotten.

Dieser Saz mag in den Ohren unserer heutigen, klugen und selzamen Meinungen sonst nicht abgeneigten Welt, gar zu paradox klingen: Ich werde ihn deswegen mit der grösten Behutsamkeit verhandeln, und dabey der weit grössern und tiefsinnigern Anzal meiner Gegner, mit aller geziemenden Bescheidenheit begegnen.

Indessen belieben meine Leser bey dieser Gelegenheit zu bemerken, wie die Gesinnungen einer Nation nur in einem halben Jahrhundert sich so sehr verändern können: Ich habe alte Leute gehört, welche versicherten, wie sie sich noch wol zu erinnern wüßten, daß gerade die andere, dieser neuern entgegen gesezte Meinung im Schwange gegangen wäre, und daß man den Vorschlag von Abschaffung des Christenthums vormals für eben so seltsam und ungereimt würde gehalten haben, als ungereimt es izo sey, zu dessen Vertheidigung etwas zu reden oder zu schreiben.

Ich gestehe also, daß alles wider mich zu seyn scheinet: Das System der Evangelischen Wahrheiten ist gleich andern Systemen veraltert und ausgezischet; und das [6] gemeine Volk welches noch am längsten daran geglaubt hat, schämet sich nunmehro desselben nicht weniger als die vornehmern Leute. Denn es ist mit den Meinungen eben so beschaffen wie mit den Moden: Sie steigen von den vornehmen zu Personen von der mittlern Gattung, und von diesen zu den gemeinen herunter, wo sie zulezt ab gehen und verschwinden.

Hiebey aber wollte ich nicht gern unrecht verstanden seyn, und deswegen muß ich die Freyheit nehmen, von den Scibenten welche der andern Meinung beypflichten, den Unterscheid zu entlehnen, welchen sie zwischen Nominal- und Real-Trinitariern machen. Ich hoffe nemlich, der Leser werde mir die Schwachheit ja nicht beymessen, als ob ich mich zum Vertheidiger des Real-Christenthums aufwerfen wollte, wie solches in den ersten Zeiten, [dafern man ja für wahr hält was die damaligen Scribenten davon melden] einen starken Einfluß in den Glauben und das Leben der Leute gehabt hat. Dieses Real-Christenthum wieder herstellen wollen, wäre in der That eine wilde Ausschweifung: Das hiesse, alle Fundamente ausgraben, den ganzen Wiz und die halbe Gelehrsamkeit im Königreiche mit einmal vernichtigen, die Form und Einrichtung aller Dinge verderben, alle Künste und Wissenschaften samt denen so sie lehren ruiniren: Wo bliebe Handel und Wandel? Der Hof und die Börse würden zu Einöden werden; kurz, ein solcher Vorschlag würde wol eben so abgeschmakt seyn, als wenn Horaz die Römer vermahnet, sie sollten alle, ihre Stadt verlassen, und sich irgend in einer entlegenen einsamen Gegend einen Plaz suchen, damit ihre Sitten gebessert würden.

[7] Ich habe aber diese Erinnerung nur deßwegen beygebracht, damit ich aller muthwilligen Zanksucht vorbeugen möchte: Denn sonst wäre sie ganz überflüßig gewesen, indem jeder redliche Leser leicht von selbst verstehen kann, daß meine Absicht nur dahin gehen müsse, das Namm-Christenthum zu vertheidigen, zumal da das andere schon vor geraumer Zeit mit allgemeiner Einstimmung gänzlich bey Seite gelegt worden, als eine Sache, die mit allen unsern gegenwärtigen Entwürfen, Reichthum und Ansehen zu erlangen, unmöglich bestehen kann.

Allein, warum wir deswegen auch eben den Nammen und Titel der Christen abschaffen sollen, da bekenne ich mit aller Unterthänigkeit, daß ich zu schwach bin, die Nothwendigkeit davon einzusehen, so einstimmig und eifrig man insgemein dafür seyn mag. Weil man aber der Nation von einem solchen Projekte, ganz ausnehmende Vortheile verspricht, und viele scheinbare Einwürfe wider das Christenthum macht, so werde ich beydes untersuchen, allem was meine Gegner vorbringen sein gehöriges Gewicht lassen, und so darauf antworten, wie ich glaube, daß es mit der Vernunft am besten übereinkömmt; hernach aber mir die Erlaubnis ausbitten, ferner zu zeigen, was für Unbequemlichkeiten bey gegenwärtiger Beschaffenheit unserer Sachen aus einer solchen Neuerung entstehen dürften.

Einer der grösten Vortheile, welche man uns von der Abschaffung des Christenthums verspricht, ist dieser: „Es würde, (sagt man) durch dieses Mittel, die Freyheit des Gewissens gar sehr erweitert und befestigt, [8] werden: Dieses bekannte starke Bollwerk der Nation und der Protestantischen Kirche, welches durch die List der Pfaffen nur allzusehr und ungeachtet aller bestgemeinten Vorkehrungen der Gesezgebenden Macht bestürmet würde; gleich man nur unlängst ein erschrekliches Exempel gehabt hätte: Man hätte nemlich für gewiß erzehlet, es wären zween junge Herren von guter Hoffnung, lebhaftem Wize, und besonderer Tiefsinnigkeit gewesen, welche bey einer genauen Untersuchung der Ursachen und Würkungen der Dinge bloß durch Hülfe ihrer natürlichen Talente, ohne die geringste Gelehrsamkeit zu besizen, entdekt hätten, daß kein Gott sey; [3] und nach dem sie diese ihre Gedanken zum allgemeinen Besten großmüthig eröfnet, hätte man sie durch eine unerhörte Grausamkeit, und nach einem, wer weiß wie alten, unter der Banke wieder hervorgesuchten Geseze, als Gottslästerer radegebrochen. Nun wäre es eine alte weise Anmerkung, daß wenn der Geist der Verfolgung einmal einreisse, niemand wissen möge, wie weit er sich erstreken oder wo er aufhören werde.“

Ich antworte hierauf überhaupt, daß nach meinem wenigen Erachten, dieses vielmehr die Nothwendigkeit der Beybehaltung des Namm-Christhenthums unter uns zeiget. Starke Geister lieben die Freyheit in [9] Absicht auf die höchsten Gegenstände, und wenn sie ihre sinnreichen Einfälle, in Beschimpfung und Lästerung des höchsten Wesens nicht mehr anbringen können, so werden sie anfangen von grossen Herren übel zu reden, die Regierung zu tadeln, und die Fehler der Staats-Minister aufzudeken, welches, wie mir jedermann leicht gestehen wird, noch weit schädlicher ist; denn es heißt nach des Tiberius Ausspruch: Deorum offensa Diis curae.[WS 1] Was aber das angeführte Exempel insbesonder betrift, so weiß man wol daß ein Exempel (vielleicht ist dieses auch würklich das einzige) noch keine Regel macht; und diejenigen welche sich vor Verfolgung fürchten, mögen sich immer beruhigen; denn es ist offenbar, daß man auf allen Caffeehäusern, Gasthöfen, und wo immer gute Gesellschaft zusammen kömmt, ohne die geringste Gefahr Millionenmal Gott lästert. Indessen muß ich gestehen, einen Engländischen freygebornen Officier, wegen Gotteslästerungen rädern zu lassen, ist in der That aufs höflichste davon zu reden, ein ziemliches Stük von einer unbeschränkten Gewalt: und der [4] General der sich dessen angemasset, ist wol schwerlich zu entschuldigen. Vielleicht befürchtete er, unsere Allirten möchten sich ärgern, als bey denen vielleicht noch Landesüblich seyn mag, einen Gott zu glauben. Hat er aber auf ein falsches Principium hin, gedacht, daß ein Officier welcher Gott lästert, im Stande sey, auch wol einmal eine Meuterey anzurichten, so kann man diese Folge gar nicht zugeben; ein General einer Engländischen Armee, würde versichert übel dran seyn, wenn seine Soldaten sich vor ihm nicht mehr fürchteten, als vor der Gottheit.

[10] Man wendet ferner wider das Christenthum ein, „es verbinde die Menschen Sachen zu glauben, welche Freydenkern und denen so die Vorurteile einer tirannischen Auferziehung abgelegt hätten, zu schwer wären.“ Worauf ich antworte, daß man sich wol in acht nehmen sollte, nicht solche Einwürfe zu machen, welche der Weisheit unserer Nation zu nahe treten. Ist denn nicht einem jeden unter uns erlaubt, zu glauben was er will? Und was er glaubt, auch öffentlich druken zu lassen, wenn er es immer für gut befinden mag, besonders wenn es zum Behufe der Partey dienet, welche Recht hat? Wenn ein Fremder der unpartheyisch ist, alle das Zeug lieset, welches ein Asgil[WS 2], Tindal[WS 3], Toland[WS 4], Coward[WS 5], und hundert andere mehr geschrieben haben, sollte der wol glauben, daß das Evangelium die Regel unsers Glaubens, und von dem Parlamente bestätiget wäre? Ist wol ein Mensch der daran glaubt, oder sagt, daß er daran glaube, oder verlangt daß andere denken möchten, er sagte, daß er auch nur eine Sylbe davon glaubte? Ist er aber deswegen weniger willkommen wo er hinkömmt, oder hintert ihn der Mangel auch des Mundglaubens, Civil- oder Militar-Bedienungen zu erlangen? Was liegt daran, daß ein oder zwey alte Geseze dawider vorhanden sind? Sie sind längst vergessen, und Empson[5] und Dudley selbst, wenn sie noch bey Leben wären, würden finden, daß es unmöglich wäre, sie wieder in Execution zu sezen.

Man führet weiter an: „Es wären im ganzen Reiche wol über zehn tausend Pfarrer: Von dieser, und der [11] Bischöfe Einkünften, könnte man zum wenigsten zweyhundert wizige und lustige junge Herren erhalten, welche rechte Freydenker; der Geistlichen, der eingezogenen Lebensart, der Vorurtheile, und der Pedanterey abgesagte Feinde wären, und so dem Hofe und der Stadt zur Zierde würden. Die diken Pfaffen aber, könnte man zu Recroutierung unserer Flotten und Armeen gebrauchen.“

Ich gestehe es, dieser Vorschlag hat etwas auf sich: Allein es sind auf der andern Seite verschiedene Dinge, welche ebenfalls überleget zu werden verdienen. Als zum Exempel, ob die Nothwendigkeit es eben nicht erheischte, daß inner gewissen Landesstrichen, gleich denen welche wir izo Kirchspiele nennen, zum wenigsten auch ein einziger Mann wäre, der schreiben und lesen könnte. Nächst diesem betrügt man sich sehr in der Rechnung, daß die Einkünfte der Geistlichen in dem ganzen Lande zulänglich seyn sollten, auch nur hundert Cavaliere, nach der heutigen feinen Lebensart zu unterhalten; das ist, daß jeder derselben so viel Renten bekäme als er nöthig hat, nach der allerneuesten Bedeutung der Redensart bequem zu leben. Endlich aber ist der Schaden der von der Ausführung dieses Projekts entstehen würde, weit grösser als die gemeldeten Vortheile; und wir haben uns vorzusehen, nicht in die Thorheit jenes Weibes zu fallen, das die Henne, welche ihr alle Morgen ein göldenes Ey legte, abschlachtete. Denn man bedenke doch, wie es mit den folgenden Geschlechtern aussehen würde, wenn wir uns auf keine andern Nachkömmlinge Rechnung machen könnten, als auf so elende armselige Creaturen, dergleichen [12] unsere Wizlinge und Wollüstler hervorzubringen im Stande sind; indem sie aus Noth erst denn etwan eine unbeliebige Heurath treffen, wenn sie ihre Stärke, Gesundheit und ihr Vermögen verschwendet haben, damit sie sich wieder aufhelfen, und so den Kindern welche sie zeugen, ihre schönen Manieren, und ihre böse Schäden zum Erbe hinterlassen: Da wir hingegen izo, statt dieser Herren zehntausend Personen haben, welche vermittelst der klugen Anordnung Heinrichs des Achten genöthiget sind, bey gemäßigter Arbeit sparsam zu leben, und welche allein die Väter gesunder und starker Nachkommen sind; dergestalt, daß ohne sie die ganze Nation binnen einem oder zwey Menschenaltern zum völligen Lazarethe werden würde.

Ein anderer Vortheil welchen man uns von der Abschaffung des Christenthums verspricht, ist dieser „daß man von sieben Tagen einen wieder gewönne, der izt gänzlich, und mit demselben auch der siebende Theil der Handelschaft, der Arbeit, und der Ergözlichkeiten für das ganze Königreich verloren sey.“ Man sezet hinzu, „das Publicum müsse so vieler stattlicher Gebäude entbehren, welche izo die Geistlichkeit inne habe, und woraus die schönsten Comödien-Häuser, Börsen, Marktpläze, allgemeine Schlafzimmer; und andere öffentliche Häuser mehr könnten gemacht werden.“

Man vergebe es mir, daß ich hier ein hartes Wort brauche, und dieses eine lautere Sophisterey heisse. Ich gestehe, es ist eine alte Gewohnheit von undenklichen Zeiten her gewesen, daß sich das Volk alle Sonntage [13] in der Kirche versammelt, und daß auch izo noch immer (vermuthlich eben zum Andenken dieser alten Gewohnheit) die Kaufmannsbuden an diesen Tagen beschlossen werden: Allein daß die Leute dadurch an ihren Geschäften und Ergözlichkeiten gehintert werden, ist schwer zu begreifen. Was ist es denn, wenn einer diesen einzigen Tag in der Woche nicht auf dem Caffeehause, sondern nur zu Hause spielen darf? Stehen nicht die Weinhäuser und Caffeeschenken offen? Ist wol eine bequemere Zeit Arzeney einzunehmen als der Sonntag? Gehen die Liebeshändel weniger von statten als an andern Tagen? Wenn können die Kaufleute ihre Rechnungen von der vergangenen Woche wol füglicher ziehen, und die Advocaten ihre Scheine und Extracte bequemer zurüsten, als eben an diesem Tage? Und was die Kirchen anlanget, so kann ich nicht sehen, wie man vorgeben könne, daß sie nicht zum allgemeinen Besten genuzet werden. Wohin bestellen Verliebte sich einander mehr? Wo glänzt ein kostbares Kleid besser, als in den vordersten Stühlen, dahin man sich drängt? Wo unterredet man sich mehr von vorhabenden Geschäften, und wo findet man bessere Gelegenheit und mehr Einladung zum Schlafe?

Einen noch grössern Vortheil als alle die vorigen, sezet man bey der Abschaffung des Christenthums darinnen, „daß durch Aufhebung der unglüklichen Unterscheidungsnammen der hohen und niedern Kirche, der Presbyterianer und Episcopalen, der Whigs und der Torys, alle Sekten und Parteyen unter uns gänzlich aufhören würden. Wie schädlich aber diese Trennungen wären, sey bekannt genug, indem jede Partey bey gemeinen Berathschlagungen [14] die Begierde der andern zu schaden, oder sich selbst einen Vortheil zuzuwenden, dem wichtigsten Interesse des Vaterlandes immer vorziehe.“

Allein wenn es nur gewiß wäre, daß der Nation ein so beträchtlicher Vortheil hieraus erwachsen würde, so wollte ich mich ergeben und stille seyn. Wer wird aber wol sagen, daß wenn die Wörter: huren, saufen, stelen, lügen, rauben etc. durch eine Parlaments-Acte, aus der Englischen Sprache und allen Wörterbüchern verbannet würden, wir sogleich den andern Morgen, keusch, mäßig, ehrlich, wahrhaft und gerecht aufstehen sollten? Ist dergleichen Folgerung wol richtig? Oder wenn uns die Aerzte verböten; die Wörter Franzosen, Gicht, Schnuppen, Stein u. s. f. auszusprechen, würde dieses wol ein kräftiges Mittel gegen diese Krankheiten seyn? Ist Zwietracht und Parteyhaß in die Herzen der Menschen nicht tiefer eingedrükt, und auf kein festeres Fundament gesezet, als auf die, von der Religion hergenommene Wörter und Redensarten? Und ist unsere Sprache so arm, daß wir keine andere finden könnten sie auszudrüken? Sind Neid, Hochmuth, Geiz etc. so schlechte Sprachmeister, daß sie ihre Besizer ohne Benennung lassen mußten? Können dann nicht die Nammen, Heyduken, Mameluken, Mandarinen, Patschaws oder andere willkürliche Wörter, die würklichen Minister, von denen die solche gern werden wollten, wenn sie könnten, unterscheiden? Was ist leichter zum Exempel, als die Frage, ob die Kirche in Gefahr sey, in die Redensart zu verändern, ist die [6][WS 6]Gedächtniß-Säule in Gefahr? Weil [15] die Religion uns am nächsten war, einige schikliche Redensarten von ihr zu entlehnen, ist deswegen unsere Erfindungskraft so schwach, daß wir keine andere aufbringen könnten? Wir wollen sezen z. E. die Torys begünstigten Margarethe, [7][WS 7] die Whigs, Madam Tofts[WS 8], und die Neutralen hiengen Valentini[WS 9] an; könnte man sie nicht zum Unterscheid ganz bequem Margaretaner, Toftianer und Valentinianer heissen? Die Prasini und Veneti, zwo sehr auf einander erbitterte Parteyen in Italien, entstanden, wo ich mich recht erinnere, indem sie verschieden gefarbte Bänder trugen! Könnten wir nicht mit gleichem Anstand uns unserer blauen und grünen Bänder[WS 10] bedienen, die Partey des Hofes, und des Parlaments, und die Partey des Volkes eben so wol zu unterscheiden, als vermittelst einiger von der Religion geborgten Benennungen? Es ist also klar wie ich denke, daß dieser Einwurf gegen das Christenthum nicht viel sagen will; und daß er zu dem grossen Vortheile, welchen man uns von der Abschaffung desselben verspricht, schlechte Hoffnung vorhanden ist.

Man wendet ferner ein: Es wäre eine recht abgeschmakte und lächerliche Gewohnheit, daß man [16] gewissen Leuten gestattete, ja sie noch gar bestellte und besöldete, daß sie unter sieben Tagen allemal einen, wider diejenigen Methoden schmäleten, deren man sich die andern sechs Tage, zufolge einer allgemeinen und beständigen Uebung, bediente, Reichthum, Ansehen und Vergnügen zu erlangen.“ Allein dieser Einwurf dürfte wol, wie ich sorge, unserm Einsichtsvollen Seculo nicht zu grosser Ehre gereichen. Laßt uns die Sache unpassionirt überlegen: Ich berufe mich auf die Empfindungen eines jeden politen Freydenkers, ob er nicht jedesmal, da er auf die Vergnügung seiner Begierden bedacht gewesen, einen weit grössern Reiz bey sich verspüret habe, wenn die Sache verbotten war. Daher sehen wir auch, daß unsere Gesezgeber es zur Beföderung dieses Vergnügens sehr weislich dahin versehen haben, daß das Frauenzimmer verbotene Stoffe tragen, und die Männer verbotene Weine[8] trinken möchten. Und es wäre zu wünschen, daß zur Vermehrung des Vergnügens in der Stadt, noch einige andere dergleichen Verbote mehr ausgebracht würden, indem dasselbe, wie ich höre, aus Mangel solcher Vorkehrungen, bereits anfängt ganz matt und schwach zu werden, wodurch denn die Leute alltäglich, den grausamsten Anfällen der Melancholie Preis gegeben werden.

Man rühmet auch dieses als einen grossen Vortheil an, „daß wenn wir einmal das Evangelium abschaffeten; so würde sich nach und nach alle Religion für immer, verlieren, und folglich würden mit derselben, alle die schädlichen Vorurtheile der Auferziehung [17] wegfallen, welche unter den Nammen der Tugend, des Gewissens, der Redlichkeit, und der Gerechtigkeit, die Gemüthsruhe so sehr zu stören pflegen, und welche so tiefe Wurzeln gefasset, daß die gesunde Vernunft, und das Freydenken, oft unser ganz Lebenlang mit Ausrottung derselben nicht fertig werden möge.“

Hier muß ich allererst bemerken, wie schwer es doch hergehe, eine Redensart daran die Leute sich einmal gewöhnt haben, wieder abzubringen, wenn gleich die Ursache darum sie entstanden, gänzlich gehoben ist. Hatte jemand, auch nur eine etwas ungestalte Nase, so bemüheten sich vor einigen Jahren die damaligen tiefsinnigen Köpfe darzuthun, es käme von einem Vorurtheile der Auferziehung her. Aus eben dieser Quelle (hieß es) mußte man auch alle unsere thörichten Begriffe, von Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Liebe des Vaterlandes, von einer Gottheit, einem zukünftigen Leben, von Himmel und Hölle herleiten. Und es mag seyn, daß ehedem die Auferziehung in der That etwas hiezu beygetragen hat: Allein man muß auch rühmen, daß man seither diesen Vorurtheilen durch eine ganz andere Einrichtung der Auferziehung so kräftig zu begegnen weiß, daß unsere jungen Cavaliere von solchen Schwachheiten nicht das geringste einsaugen; folglich hat die Ursache dieses Vorwands, darum man das Namm-Christenthum abschaffen will, gänzlich aufgehört.

Im übrigen möchte es vielleicht noch einer Untersuchung werth seyn, ob die Verbannung gar aller Religionsbegriffe unter dem gemeinen Volke so gar zuträglich [18] wäre? Nicht, als ob ich es im geringsten mit denjenigen hielte, welche glauben, daß die Religion eine Erfindung der ältesten Staatsleute gewesen wäre, den Pöbel durch die Furcht einer unsichtbaren Macht im Zaume zu halten, dafern die Leute der damaligen Zeiten nicht ganz anders beschafen waren, als sie izo sind. Vielmehr bin ich versichert, daß unser gemeines Volk in England überhaupt, den allervornemsten Personen am Freydenken, das ist, an gänzlichem Unglauben nichts nachgiebt. Sondern ich halte nur dafür, daß einige überbleibende Ideen von einer höhern Macht, für die gemeinen Leute ihren besondern Nuzen haben, indem sie ihre Kinder, wenn sie mürrisch sind, damit können fürchten machen; und zugleich eine Materie haben, wovon sie in den langen verdrießlichen Winter-Nächten mit einander schwazen können.

Endlich stellt man auch dieses, als einen sonderbaren Nuzen vor, den die Abschaffung des Christenthums mit sich führen würde, „daß hiedurch die Protestanten am leichtesten könnten vereiniget werden, indem dadurch die Gränzen der Glaubens-Gemeinschaft so sehr erweitert würden, daß sie alsdenn alle Arten von Dissentienten in sich schlössen, welche bisher um einiger wenigen Ceremonien willen, die doch alle Parteyen für bloß gleichgültige Dinge hielten, ausser dem Sprengel hatten bleiben müssen; und daß auch kein anderes Mittel übrig wäre, die so längst gesuchte Union zu Stande zu bringen, als daß man ein schönes großes Thor eröfnete, wodurch jedermann eingehen könnte; da hingegen das ewige Markten mit den Dissentienten, und der wankelmüthige Handel [19] bald um diese, bald um eine andere Ceremonie, einem kleinen geöfneten Thürchen gleiche, durch welches, unter beständigem Streiten deren die draussen und deren die drinnen sind, auf einmal nur ein einiger durchkommen könne, und zwar nicht anders, als daß er dabey sich beugen, schmiegen und drängen müsse.“

Auf alles dieses antworte ich, daß in dem menschlichen Herzen sich eine gewisse zärtliche Neigung findet, welche sich zur Beschüzerin der Religion aufwirft, obschon diese Neigung weder die Mutter noch die Pathe noch eine Verwandte von der Religion ist. Ich verstehe hierunter den Geist des Widerspruchs, welcher lange vor dem Christenthum da gewesen, und auch sehr wol ohne dasselbe bestehen kann: Laßt uns zum Exempel sehen, worinn derselbe sich bey unsern Sektirern äussere, wir werden finden, daß das Christenthum gar keinen Antheil daran hat. Oder befiehlet uns denn das Christenthum, daß wir ein finsteres Gesicht, einen steifen Gang, eine besondere Kleidung und eine Sprache annehmen sollen, die von der Sprache anderer vernünftigen Leute ganz unterschieden ist? Nein; indessen wenn es seinen Nammen nicht leihete, gleichsam als ob es selbst vor des Rize stühnde, um diese Feuchtigkeiten zu beschäftigen und abzuleiten, so müßten sie sich nothwendig in Widersprüchen gegen die Geseze des Landes, und in Störung der allgemeinen Ruhe ergiessen. Jede Nation hat eine gewisse Dosis Enthusiasterey, die wenn sie nicht ihre bequemen Gegenstände findet, worüber sie sich aufhalten kann, ausbricht, und alles in Flammen sezet. Wenn man die Ruhe des Staates dadurch [20] erhalten kann, daß man den Leuten einige wenige Ceremonien vorwirft, so wird wol kein Weiser solches unterlassen: Die Schäferhunde mögen sich immerhin um einen ausgestoppten Schöps herumzerren, wenn sie dadurch abgehalten werden, die Heerde selbst anzufallen. Die Errichtung der Klöster war in gewisser Absicht ein Meisterstük von Weisheit; es giebt wenig unordentliche Leidenschaften unter den Menschen, denen sie nicht in diesem oder jenem Mönchsorden mit voller Freyheit nachhängen können. Der Tiefsinnige, der Melancholische, der Hochmüthige, der Stille, der Politicus, der Mürrische, jeder hat da eine Zuflucht wo er seine Grille auslassen, und die bösen Dünste kann verrauchen lassen. Indessen daß wir hingegen genöthiget sind, einer jeden Art derselben ihre besondere Seite zu unterhalten, damit solche Leute ruhig bleiben: Daher denn auch unsere Gesezgeber, wenn ja das Christenthum sollte abgeschaft werden, nothwendig etwas anders ausfindig machen müßten, diese Dünste zu beschäftigen und zu unterhalten. Denn was hilft es, wie weit und groß die Pforte immer sey, welche ihr aufmachet, wenn es stets noch Leute giebet, die ein Verdienst und eine Ehre darinn sezen, daß sie nicht hinein gehen?

Nachdem ich also die vornemsten Einwendungen wider das Christenthum, und die Hauptvortheile erwogen habe, welche man uns[WS 11] von der Abschaffung desselben verspricht; so werde ich izo fortfahren, und auch noch einige Unbequemlichkeiten anführen, die sich eräugnen möchten, wenn das Christenthum gänzlich sollte abgethan werden: Ich unterwerfe aber alles wie vorhin, klügerm Urtheil, mit geziemender Ehrerbietung.

[21] Und erstlich zwar ist mir freylich nicht unbekannt, (ich möchte es auch von Herzen gerne anders wünschen) wie sehr sich unsere wizigen und lustigen Herren an der schmuzigen Kleidung so vieler Geistlichen ärgern, die ihnen etwan aufstossen, und ihre Augen beleidigen. Allein es mögen zugleich diese klugen Reformatoren wol nicht bedenken, was für ein Vortheil und Glük für grosse Geister es ist, wenn sie stets Gegenstände des Spottes und der Verachtung vor sich finden, an denen sie ihre Talente üben und schärfen, und dadurch zugleich verhüten können, daß ihre Galle sich nicht gegen sie unter einander, oder auch gegen ihre selbst eigenste Personen ergießt: Ein Vortheil der desto beträchtlicher wird, da dieses alles izo von ihnen geschehen kann, ohne daß sie deswegen das geringste zu befahren haben.

Mit dieser Vorstellung will ich die nächst folgende verbinden, weil sie beyde von ähnlicher Natur sind: Man sage mir nemlich, wo doch, im Fall das Christenthum einmal abgeschaft wäre, die Freydenker, die grossen Philosophen, und andere tiefsinnige Gelehrte, eine andere, in allen Absichten ebenso unvergleichlich-schikliche Materie finden wollten, ihre Talente daran sehen zu lassen, wie das Christenthum ist? Wie vieler bis zum Wunder geistreichen Schriften, würden wir entbehren müssen, welche uns izo von Verfassern geliefert werden, deren ganze Seele durch eine lange Uebung sich einzig in die Falte geleget hat, die Religion zu schimpfen und zu verlachen, und die sich deswegen in keiner andern Sache hervorthun oder unterscheiden könnten? Wir klagen täglich über das Abnehmen des Wizes, und wollen doch die vornemste, vielleicht auch die einzige noch [22] übrige Topik des Wizes abschaffen. Wer würde jemals gedacht haben, daß Asgil ein wiziger Kopf, und Toland ein Philosoph wäre, wenn ihnen die unerschöpfliche Quelle der Christlichen Religion, solches zu zeigen, nicht Materialien an die Hand gegeben hätte? Was für eine andere Materie im ganzen Reiche der Natur und der Kunst, könnte wol einen Tindal zum tiefsinnigen Autor gemacht, oder ihm Leser verschaft haben? Die kluge Wahl derselben ist es einzig, die einen Scribenten zierlich und berühmt machet: Härten diese und hundert dergleichen Scribenten, für die Religion schreiben wollen, gewiß würden ihre Bücher sogleich in Staub und Vergessenheit gerathen seyn.

Ferner, kann ich auch die Furcht welche ich hege, nicht für ganz unbegründet, und für eine leere Einbildung halten, daß nemlich die Abschaffung des Christenthums vielleicht wol die Kirche in Gefahr sezen, oder zum wenigsten das Parlament nöthigen werde, auf eine andere Art ihrer Versicherung bedacht zu seyn. Ich hoffe man wird mich recht verstehen: Ich will hiemit gar nicht sagen, daß die Kirche gegenwärtig und wie die Sachen izo sind, in Gefahr stehe. Allein wir wissen nicht, wie bald es ihr dazu kommen möchte, wenn die Religion abgeschaft ist. So vortheilhaft dieser Vorschlag zu seyn scheinet, so kann doch sehr leicht eine gefährliche Absicht darunter verborgen seyn. Nichts ist bekannter, als daß die Atheisten, Deisten, Socinianer, Antitrinitarier, und andere Arten von Freydenkern, Leute sind, die für die gegenwärtige kirchliche Verfassung einen schlechten Eifer bezeigen. Sie sagen es frey heraus, daß [23] man den Test[9] abthun sollte: Sie sind sehr gleichgültig in Ansehung der Ceremonien, und glauben nicht, daß das Bischöfliche Amt von Gott eingesezet sey: Man darf [24] es ihnen also wol zutrauen, daß sie aus politischen Ursachen unsere Kirchen-Verfassung gern über den Haufen werfen, und an deren statt lieber den Presbyterianismus einführen wollten: Welches ich denen so am Steuer sizen, zu fernerer Ueberlegung anheim stelle.

Endlich, kann meines Erachtens nichts klärers seyn, als daß wir durch Vollstrekung dieses Projekts, dem Uebel gerade entgegen laufen, welchem wir hauptsächlich vorzubeugen gedenken, und daß die Abschaffung des Christenthums die geradeste Strasse ist, die wir wehlen können, das Papstum wieder einzuführen: Was mich in dieser Meinung um so viel mehr bestärkt, ist dieses, daß es bekannter massen der Jesuiten beständige Mode gewesen, Emissarien zu uns herüberzusenden; mit dem Befehle, sich anzustellen, als ob sie Mitglieder derjenigen Sekten unter uns wären, die den Kopf am meisten hervorstrekten. Man weiß es, daß sie zu verschiedenen Zeiten sich für Presbyterianer, Anabaptisten, Independenten, und Quäker ausgegeben haben, je nachdem diese oder jene den meisten Credit hatten: Und eben so haben sich, nachdem es Mode geworden die Religion auszuzischen, die Papistischen Mißionarien fleißig zu den Freydenkern gehalten: Toland z. E. das Orakel der Antichristen, ist ein Irrländischer Priester, und eines Irrländischen Priesters Sohn; und der gelehrte, scharfsinnige Verfasser des Buches, von den Rechten der christlichen Kirche, söhnte sich bey einem gewissen schiklichen Zeitpunkt mit der Römischen Kirche aus, deren getreuer Sohn er, wie aus hundert Stellen seines Buches erhellet, immerfort bleibet. Ich könnte vielleicht noch andere mehr anführen, allein die [25] Sache ist unstreitig, und der Schluß, welchen diese Leute machen, ist richtig: Denn wenn das Christenthum einmal verbannet ist, so wird der Pöbel nicht ruhen, bis er eine andere Art von Gottesdienst erfunden, der den Aberglauben so gewiß wird nach sich ziehen, als gewiß dieser endlich ins Papstum hinauslaufen wird.

Und daher, wenn man ungeachtet alles was ich gesagt habe, darauf bestehen sollte, daß es die Nothwendigkeit erfodere, eine Bill zu Abschaffung des Christenthums einzugehen, so wollte ich mit unterthäniger Erlaubniß wenigstens dahin angetragen haben, daß man an statt des Worts Christenthum lieber Religion überhaupt sezte; angesehen die guten Absichten welche man bey diesem Projekte hat, meines Erachtens sich auf diese Weise viel besser erreichen lassen; denn so lange wir noch einen Gott, und eine Vorsehung zulassen, mit allen den Folgerungen, welche curieuse und forschende Köpfe immer daraus ziehen werden, so lange werden wir das Uebel nicht aus dem Grunde heben, wenn wir gleich mit Ausrottung des Christenthums wie es izo ist, noch so gewiß zu Stande kommen: Was hilft alle Freyheit der Gedanken, wenn sie nicht die Freyheit der Handlungen nach sich ziehet? Diese ist doch zulezt der grosse Zwek, so entfernet er immer scheinen mag, aller Einwendungen gegen das Christenthum; und daher betrachten auch starke Geister dasselbe, als ein Gebäude, woran alle Theile dergestalt miteinander verbunden sind, daß wenn man einen einzigen Nagel ausziehet, die ganze Last über den Haufen fallen muß. Welches jener, der gehört hatte, daß eine gewisse Stelle, aus welcher man die Dreyeinigkeit beweisen wollte, in einem alten [26] Manuscripte anders gelesen würde, sehr glüklich zu verstehen gab; indem er sich dieses gleich merkte, und durch einen Sorites im Augenblike den Schluß herausbrachte, wenn dem so wäre, so dürfte er huren und saufen, und den Prediger sollte der Henker holen. Woraus denn, und aus vielen andern Exempeln die im Ueberflusse könnten angeführet werden, deutlich erhellet, daß man den Streit nicht um einige besondere schwer zu verdauende Artikel der christlichen Religion, sondern um die ganze Religion überhaupt führet, als welche der menschlichen Natur einen Zaum anleget, und daher für die Hauptfeindin der Freyheit zu denken und der Freyheit zu handeln, gehalten wird.

Sollte man aber dennoch darauf beharren, daß die Abschaffung des Christenthums, der Kirche und dem Staat ersprieslich seyn werde; so wollte ich nur noch dieses erinnern, daß wir meines Bedenkens besser thun, wenn wir die Sache doch wenigstens noch so lange aufschieben bis es Frieden wird; und es mithin bey gegenwärtigen Umständen nicht wagen, unsere Allierten vor den Kopf zu stossen: Denn es ist bekannt, daß sie zum Unglüke alle Christen sind, ja es sind viele derselben, welche die Vorurtheile der Auferziehung dergestalt verblendet, und abergläubig gemachet haben, daß sie eine Ehre darinn sezen, Christen zu heissen: Treten sie von uns ab, und wir müssen mit den Türken eine Allianz schliessen, so sind wir verloren. Denn nebst dem daß der türkische Kayser zu weit von uns entfernet, und fast immer mit Persien im Kriege verwikelt ist, so würden seine Unterthanen sich an unserm Unglauben noch weit mehr ärgern, als unsere christliche Nachbarn selbst. Denn sie halten [27] nicht allein sehr streng über die Religions-Uebungen, sondern glauben auch (was noch mehr ist) einen Gott; Einfolglich so viel, als man nicht einmal von uns verlangt, wenn wir auch würklich den Nammen der Christen beybehalten.

Schlüßlich: Es mögen sich einige noch so grosse Vortheile einbilden, die durch Vollstrekung dieses beliebten Projects unserer Handelschaft zuwachsen sollen; so fürchte ich doch sehr, daß binnen sechs Monaten nach Abschaffung des Christenthums die Aktien der Bank, und der Ostindischen Gesellschaft, um einen pro Cent fallen werden. Und da dieses wol fünfzig mal mehr ist, als man bey unsern erleuchteten Zeiten jemals für gut befunden hat, an die Erhaltung des Christenthums zu wenden; so sehe ich nicht, mit was Grunde wir einen so grossen Verlust eingehen sollen, nur damit wir dasselbe vertilgen.

  1. Procul profani. Wir bitten den Wahrheit liebenden, vielleicht aber in Beurtheilung der Satyren nicht allzusehr geübten Leser, sich dasjenige, was wir in der Vorrede zum ersten Bande, von dieser Schreibart gesagt haben, [4] wol vorzustellen, damit er nicht ein unvernünftiges und ganz verkehrtes Urtheil über diese gegenwärtiqe Schrift unsers Verfassers fälle. Sie ist ein Meisterstük einer Satyre, darinn als mit einem zweyschneidenden Schwerd sowol die Atheisten, starken Geister und Feinde aller Religion, als auch die blossen Maul-Christen zugleich verspottet werden. Folglich muß man sich hüten, daß man die Spottreden des Verfassers nicht gerade zu aufnehme, sondern wol nachsinnen, auf was sie abzielen: Er siehet immer mit einem Auge auf die groben Atheisten, und Lästerer der Religion; und mit dem andern auf die, welche sich Christen nennen, dabey aber die Christenpflichten ganz und gar nicht ausüben.
  2. Die berühmte Union der beyden Reiche Schottland und England, unter der Königin Anna.
  3. Man siehet, wie der Autor hier die Freygeister durchziehet, welche in den Tag hinein von der Religion urtheilen, und doch nicht die geringste Gelehrsamkeit besizen. Das ist eine Art höchst dummer und unverschämter Leute: Meistens Pilzen die vor sich selbst gewachsen, ohne Auferziehung, ohne Studien, voll Stolz etc. und dabey dumm genung, sich weiß nicht was einzubilden, weil sie etwan ein französisches Büchelgen gelesen haben.
  4. Der Herzog von Marlborough.
  5. Zween Staatsminister unter Heinrich dem VII. die ziemlich unrechtlich beklagt, und zum Tode verurtheilt wurden.
  6. Der Verfasser zielet auf die Gedächtniß-Säule der schreklichen Feuersbrunst zu London, im Jahre 1666, welche drey Tage gedauert; und einen Raum von 436. Morgen worauf Gebäude gestanden, in einen Aschenhaufen verkehrt. Sie steht gleich an dem Ort wo das Feuer zuerst ausgebrochen, die Engländer heissen sie the monument, und man lieset darauf die traurige Historie der Begegnis. Man glaubte überhaupt, das Feuer wäre von den Catholiquen angeleget worden; wiewol die Sache in der Ungewißheit verblieb.
  7. Die Nammen verschiedener Opern-Sänger und Sängerinnen.
  8. Durch Verbietung der fremden Stoffe und Französischen Weine.
  9. Karl der II. suchte die Papisten in England auf alle Weise zu begünstigen, weil er seinen Zwek, zu einer unumschränkten Gewalt zu gelangen, dadurch zu befödern hofte. Allein das beherzte Parlament machte ihm einen Strich durch seine Rechnung, und rettete die Freyheit. Im Jahre 1673. kam nebst andern, eine Akte zu Stande, vermöge deren ein jeder, der ein öffentliches Amt bekleidete, den Eid der Treue, und der Absagung der Oberherrschaft des Papsts schwören mußte: Ferner ward er gehalten, das H. Abendmal nach den Gebräuchen der Engländischen Kirche zu empfangen, und davon einen von dem Prediger, und den Vorstehern der Kirche, wo es geschehen, unterzeichneten Beglaubigungs-Schein vorzulegen, und endlich mußte er folgende Declaration von sich stellen. Ich N. N. glaube, daß bey dem Sacramente des H. Abendmals keine Verwandlung der äussern Zeichen vorgeht, weder vor noch nach der Consecration, von wem diese auch immer verrichtet werde. Diese Akte heißt der Test, die Probe, l’Epreuve. Akte aber heißt eine Bill, zu deren die beyden Parlaments-Kammern, und der König die Einwilligung gegeben; wodurch sie denn die Kraft eines Gesezes erhält. Diese drey Theile zusammen, machen die gesezgebende Macht in England aus: So lange diese sämtliche Einwilligung nicht erfolget, so lange bleibt es eine Bill, ein blosses ungültiges Projekt: Karl war bey Anlaß des Tests nicht in Umständen, daß er seine Einwilligung dazu versagen dürfte: Durch den Umstand daß man das H. Abendmal nach den Gebräuchen der Engländischen Kirche empfangen mußte, wurden indessen nicht allein die Papisten, sondern auch die Presbyterianer, und viele andere Religionsparteyen von den öffentlichen Bedienungen ausgeschlossen: Dieses verursachte in den folgenden Zeiten so viele Bemühungen, insonderheit von Seiten der Presbyterianer, daß derselbe abgeschaft werden möchte: Allein sie waren vergeblich: Und unser Verfasser war durch seine Schriften, die er über diese Materie herausgab, nicht ein geringes Mittel der Beybehaltung desselben in dem Königreiche Irrland: Wir werden sie im Verfolge diesem Bande einrüken.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Tiberius Iulius Caesar Augustus (42 v. Chr.–37 n. Chr.) war römischer Kaiser.
    Deorum offensa Diis curae = Gotteslästerungen zu ahnden ist Sache der Götter. Tacitus Annalen I, 73: deorum iniurias dis curae. der Götter Beleidigungen seien der Götter Sorge. In: P. Cornelius Tacitus Werke. Lateinisch mit deutscher Übersetzung.... 1. Band, Seite 76, 77 Google
  2. John Asgill (1659–1738) englischer Jurist und Schriftsteller.
  3. Matthew Tindal (1657–1733) war ein Vertreter des Deismus in England im Zeitalter der Aufklärung.
  4. John Toland (1670–1722) war ein irischer Freidenker der Aufklärung.
  5. William Coward (1656-1725) war ein englischer Mediziner und Schriftsteller.
  6. Monument
  7. Catherine Tofts
  8. Margherita de L'Epine
  9. Valentino Urbani
  10. Anspielung auf den schottischen Distelorden (grün) bzw. den englischen Hosenbandorden (blau).
  11. Vorlage: uus