Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die „letzten Goten“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 4–5, 19
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[4–5]

Die letzten Goten.
Nach einer Originalzeichnung von A. Zick.

[19] Die „letzten Goten“. (Zu dem Bilde S. 4 und 5.) Die Geschichte der Ostgoten in Italien liest sich wie eine erschütternde Tragödie. Erst entsteht nach den Siegen Theoderichs des Großen im Jahr 493 nach Christus ein mächtiges Reich, das, bald von der kraftvollen Faust Theoderichs zusammengehalten, ganz Italien, Sicilien und Dalmatien umfaßt und bis zur Provence hinübergreift; dann nach dem Tode dieses Großen häßliche innere Kämpfe um den Thron, die es dem Kaiser des römischen Ostreichs, Justinian, und seinem Feldherrn Belisar gestatten, die Waffen siegreich gegen die Germanen zu kehren und ihnen ein Stück des Landes um das andere zu entreißen; endlich in Totilas wieder ein echter Gotenkönig, tapfer und edelmütig, glücklich im Feld, so daß er rasch ganz Italien zu seinen Füßen sieht. Aber Narses, der neue Feldherr Justinians, besiegt zuletzt auch ihn und Totilas fällt auf der Flucht. Sein Nachfolger Tejas hat 552 das gleiche Geschick: in sechzigtägiger Schlacht kämpft er an der Spitze seiner Helden den Verzweiflungskampf gegen Narses, um endlich an den Abhängen des Vesuv den Waffentod zu finden. Das ist der Schluß dieser Tragödie. Den wenigen Ostgoten, die übrig geblieben waren, bewilligte Narses freien Abzug. Sie wurden in die Fremde verschlagen und sind verschollen.

Es ist kein Wunder, daß dieser erschütternde Stoff einen Dichter von der Kraft Hermann Linggs zu poetischer Gestaltung zwang. Eines der schönsten Kapitel in seinem machtvollen Epos „Die Völkerwanderung“, das kürzlich eine neue Auflage erlebte, schildert die „letzten Goten“, ihren Kampf und Sturz. In gewaltigen Bildern führt uns Lingg jene Schlachten am Vesuv vor, den Fall des Tejas, und dann die große Scene, in deren Ausmalung unser Künstler dem Dichter treu gefolgt ist, wie die letzten Goten die Leiche ihres Königs von der Höhe niedertragen, der Fremde zu, vorbei an Narses, ihrem Besieger:

 – – – –0 Die Goten zogen
An ihm vorüber, der verschrumpft und bleich
In einer Sänfte lag zurückgebogen,
Mehr einem Weib als einem Manne gleich.
In ihren Waffen, stolz wie stumme Wogen,
Verließen sie das alte Gotenreich,
Und von den Alphöh’n sah’n sie nach der Wiege
Des Ruhms zurück, ins Land noch ihrer Siege.

„Schlaft alle wohl im Grund des Erdenschoßes,
Die ihr auf fremder Erde fielt! Vollbracht
Habt ihr, wie noch kein Volk vorher so Großes,
Es ist gethan, der Lohn ist Tod und Nacht.
Doch blüht am Endziel unsres Unglücksloses
Ein neuer Tag, aus Kampf und Müh’ erwacht.
Das große Romreich stürzten wir zusammen,
Wir Goten, die wir von dem Himmel stammen.“

So sangen sie, ein Echo ihrer Klage
Ward in der Wüste des Gebirges laut,
Und über einem Riesensarkophage,
Von hohen Felsentrümmern aufgebaut,
Schoß eine Schneelawin’ im Donnerschlage
Zum Abgrund nieder: alle riefen: „Schaut,
Das waren wir“, und trugen ihren Toten
Zur alten Heimat hin, die „letzten Goten“.