Die „discreten Privatleute“

Textdaten
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Autor: A. v. Z.
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Titel: Die „discreten Privatleute“
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aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 723–725
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die „discreten Privatleute“.
Ein Krebsschaden des Officier- und Beamtenstandes.


Wer den Inseratentheilen des „Kladderadatsch“, der „Vossischen Zeitung“ und einiger anderer bedeutenderer Blätter einiges Interesse zuwendet, der wird neben anderen zahlreichen zwei oder vielmehr eindeutigen Annoncen die bekannten stehenden Anzeigen „reeller Geschäftsleute“ finden, welche Beamten, insbesondere aber Officieren jeder Charge „Geld!! bis zu beliebiger Höhe“ offeriren.

Wie oft nun auch diese heikle Frage berührt, wie viel darüber in jeder Form geschrieben worden ist, zu Nutz und Frommen aller Leichtgläubigen und Leichtsinnigen, so ist dieses Thema doch noch nicht so erschöpft und klargelegt worden, daß man sich ein orientirendes Bild über das Unwesen dieser „discreten Privatleute“ zu entwerfen im Stande ist. Gestützt auf ausgedehnte Recherchen und mannigfache Bekenntnisse von Geschädigten, auf polizeiliche Quellen und kriegsgerichtliche Untersuchungen, haben wir versucht, das Treiben dieser Herren „Cravattenfabrikanten“, ihre Beziehungen zu einander und ihren schädlichen Einfluß auf das Wohl und Wehe eines ganzen Standes in etwas anschaulicherer Weise zu schildern, als dies bisher geschehen. Wir wollen dabei die Versicherung nicht unterlassen, daß alle angeführten Thatsachen auf strengster Wahrheit beruhen und daß wir in der Redaction dieses Blattes das Verzeichniß der vollen Namen der „Geschäftsleute“ niedergelegt haben, die wir aus naheliegenden Gründen hier nur mit Anfangsbuchstaben anführen.

In Berlin hat sich in jüngster Zeit eine Sorte von Gesindel, die man im Allgemeinen unter dem Gesammtnamen „Bauernfänger“ zusammenfaßt, auf eine erschreckende Weise vermehrt. Den ersten Rang unter ihnen nimmt unstreitig die zahlreich verbreitete Clique der Wucherer und ihrer Geschöpfe ein. Wie der Geier seine Kreise um das erkorene Opfer zieht, langsam, aber enger und immer enger, wie die Schlange ihren Fraß mit tückischem Raffinement ködert und lockt, so legen die Wucherer dem Officiercorps und der kleinen Beamtenwelt des deutschen Reiches ihre Schlingen und ziehen Tausende in den Abgrund hinab. Es ist ein trauriges Zeichen der Zeit, daß diesem eiternden, das Wohl und Wehe eines ganzen Standes gefährdenden socialen Krebsschaden bisher keine Schranken gesetzt werden konnten, daß er immer weiter um sich frißt und die deutsche Armee, auf die das Land so stolz sein kann, in ihren Grundprincipien wankend macht. Wir sprechen die Officiere, die dem Wucher zum Opfer gefallen, durchaus nicht frei von Schuld, aber wir behaupten, daß die große Zahl der jährlich wegen Schulden den Dienst des Kaisers verlassenden Officiere wohl gemindert werden könnte, wenn energische Mittel zur Bekämpfung des Wuchers von Seiten der Regierung ergriffen würden.

Der Grund des Schuldenmachens liegt übrigens oft tiefer, als in bloßem Leichtsinn und in dem Hang zum Wohlleben. Das Cadettencorps liefert nach genauen statistischen Nachforschungen den größten Procentsatz der alljährlich den Dienst quittirenden Officiere. Der Grund liegt auf der Hand. Das Cadettencorps enthält meistens Söhne alter Militärs, die zum größten Theil auf Kosten des Staates zu Soldaten herangebildet werden. Im Cadettencorps erhält der junge Officiersaspirant also Alles, ohne daß er sich darum zu kümmern braucht, ohne daß er eine Ahnung von Einnahme und Ausgabe hat. Das traurige Ergebnis, wenn er das Corps verläßt und in die Armee tritt, ist, daß er sich blindlings in das Leben hineinstürzt und, wenn sein Geld nicht mehr ausreicht – borgt. Einmal erst in den Händen der Wucherer, die Hunderten das Pistol vor die Stirn gedrückt, Hunderte über das Meer gejagt, unzählige Familien ruinirt und Glieder des alten Adels unseres Landes in den Staub gezogen haben, ist er unrettbar verloren. Man beschuldige uns nicht der Uebertreibung! Was wir sagen und noch sagen werden, ist das Resultat monatelanger Untersuchungen, monatelangen eigenen Verkehrs mit dem Schwindel in seiner raffinirtesten Gestalt. Wir ergreifen hier das Wort, weil es eine Pflicht der Journalistik ist, der Gemeinheit, dem Schwindel die Larve vom Gesicht zu reißen.

Berlin ist gewissermaßen der Central- und Sammelpunkt der Halsabschneider, obwohl die Wucherblume weit über die Grenzen der Hauptstadt hinausreicht und die meisten größeren Städte unsicher macht. Viele der Herren „Geschäftsleute“ haben sich bereits ein hübsches Vermögen erworben, leben in den vornehmsten Stadttheilen in höchst eleganten Wohnungen und halten sich Equipagen und prachtvolle Reitpferde, mit denen sie den Tattersall unsicher machen. Diese Herren – „Geldmänner“ ist der technische Ausdruck – befassen sich nicht mehr mit kleineren Geschäften; solche überlassen sie ihren Agenten, den sogenannten „Schleppern“, die für sie „anständige Opfer“ ködern müssen. Jene spielen die großen Herren, schwärmen für Sport und kleine, verschwiegene Soupers mit vollblütigen Ballerinen, besuchen den Rennplatz und Circus, sind stets in den Foyers der Theater zu sehen – Alles auf Kosten der Armen, die sie mit Wechseln und Ehrenscheinen ausgeplündert haben. Die Herren Agenten aber treiben sich an allen anderen Orten der Hauptstadt, welche von der jungen Herrenwelt frequentirt werden, herum und suchen sich als Männer der guten Gesellschaft zu geriren. Wer Gelegenheit gehabt hat, längere Zeit in Berlin zu leben und öfters die Passage, die Wiener Cafés, den Scating-Rink und die Nachtlocale besseren Genres zu besuchen, dem werden dort stets Gestalten begegnet sein, welche durch ihr eigenthümliches Aeußere Jedem auffallen müssen. Es ist dies eine Classe von Menschen, die sich durch ihren gewählten Anzug und eine geschmackvolle Nonchalance im Auftreten ein gewisses vornehmes Ansehen zu geben wissen, denen indeß für ein geübtes Auge der Stempel der Raffinirtheit und Gemeinheit auf’s Gesicht gedrückt ist. Diese „Schlepper“, diese Strichvögel der Gesellschaft, findet man überall. Sie sind mit Argusaugen bewaffnet, wenn es gilt ein Wild zu belauern, und feig wie ein Hase, wenn das Auge des Gesetzes ihnen auf den Fersen ist.

Wenn auch Alle mit zwei oder drei falschen Namen ausgestattet, sind sie doch unter ihrem richtigen Namen der Criminalpolizei genau bekannt und durch diese den oberen Militärbehörden zur weiteren Mittheilung an die Officiercorps theils durch Photographien, theils durch genaue Charakteristik und Wohnungsangabe überliefert worden. Trotzdem gelingt es ihnen immer noch, fast täglich einen oder den anderen Unerfahrenen, leider ungestraft, einzufangen.

Sie manipuliren etwa folgendermaßen: Sobald das Militär-Wochenblatt die Neuernennungen von Officieren veröffentlicht hat, gelangen an fast alle Neubeförderten der deutschen Armee Anzeigen ungefähr des Inhalts:

„Euer Hochwohlgeboren zeige ergebenst an, daß zur Zeit einige tausend Mark an Officiere zu vergeben habe. Falls reflectirend, bitte ergebenst, mich alsbald wissen zu lassen.

Hochachtungsvoll
gez. C . . . . . i
N. K – gasse Nr. l.
1 bis 3. 5 bis 6 Uhr.“

Dies ist die wörtliche Wiedergabe einer Zuschrift, welche wir der Redaction dieses Blattes zur Ansicht übersandt haben.

Aber nicht nur die jungen Officiere, sondern auch ältere, deren augenblickliche Geldverlegenheit den sauberen Geschäftsleuten durch Helfershelfer bekannt geworden ist, werden von Zeit zu Zeit mit solchen Einladungen bedacht. Denn diese Herren, welche wie die Spinnen ihr Opfer umklammern, um ihm das Blut auszusaugen, sind über die finanziellen Verhältnisse der Officiere viel besser orientirt, als die eigenen Angehörigen oder die Commandeure der Betreffenden.

Gedrängt durch die Verhältnisse, angelockt durch falsche Versprechungen und günstig erscheinende Conjuncturen, setzt sich das Opfer mit dem betreffenden Gauner in Verbindung und – unterschreibt schon mit dem ersten Worte sein Todesurtheil.

Mit umgehender Post erhält der betreffende Officier ein Schreiben, daß Absender leider augenblicklich nicht in der Lage, das Geld zu zahlen, indeß gern bereit sei, dasselbe von einem Bekannten gegen mäßige Provision zu beschaffen. Im Bejahungsfalle möge der Herr Lieutenant gütigst die beiliegenden bereits ausgefüllten Scheine durch Namensunterschrift vollziehen und umgehend „eingeschrieben“ zurücksenden. Was diese Scheine bedeuten, [724] kann in seinem ganzen Umfange nur der beurtheilen, der selbst diesen Hyänen des Capitals in die Hände fiel.

Nun vergehen einige Tage, die das betreffende Opferlamm auf die Folter spannen. Am dritten etwa geht ein Brief ein, in welchem sich der betreffende Gauner, der sich in seinem ersten Briefe beispielsweise René, Mank, Stein oder Fliedner nannte, unter seinem wahren Namen vielleicht als einer der vier Herren von A– entpuppt, dieser heruntergekommenen Sprossen einer altehrwürdigen preußischen Adelsfamilie, deren Vorfahren sich bereits in den Kreuzzügen ausgezeichnet und deren jetzt lebende Namensverwandte in den letzten glorreichen Kriegen frischen Lorbeer um den deutschen Adler gewunden haben.

Herr von A– theilt nun dem Helden unserer kleinen Tragödie mit, daß ein gewisser Herr K., –straße Nr. x, bereit sei, das Geld vorzuschießen, und läßt in einem Postscriptum seines Briefes nebenbei einfließen, daß es dringend erwünscht sei, persönlich und zwar in Uniform zu erscheinen. Dieses Manöver wird von fast allen der Herren Gauner mit besonderer Gewandtheit executirt. Dem bereits moralisch Zugrundegerichteten bleibt kein anderer Ausweg, wenn er überhaupt in den Besitz des Geldes kommen will, als sich, wie gewünscht, persönlich zu dem verabredeten Rendez-vous zu begeben. Meistens findet dieses in der Wohnung des „Geldmannes“ statt. Von dem „Schlepper“ im Salon des großen Mannes empfangen, wird der Officier nach einem kurzen, aber erschöpfenden Examen über seine intimsten Privatverhältnisse – über welche der Gauner natürlich bereits längst orientirt ist – durch den wie von ungefähr aus dem Nebenzimmer eintretenden Herrn K., der von seinem Versteck aus die gepflogene Unterhaltung Wort für Wort mit angehört hat, auf das Förmlichste begrüßt.

Nach einigen trivialen Redensarten geht Herr K. mittelst einer geschickten Wendung auf die Hauptsache über. Wechsel und Ehrenschein liegen auf dem Tische ausgebreitet. Der Wechsel wird beispielsweise, da der reiche Mann wegen augenblicklich eingetretener Verhältnisse nicht ganz eintausend Mark aufbringen kann, über siebenhundert Mark auf drei Monate nach dato acceptirt. Der Officier erhält nach Abzug der landesüblichen mäßigen Vierteljahreszinsen von zweihundert Mark fünfhundert Mark baar ausgezahlt und dankt seinem Schöpfer mit einem Stoßgebet, sobald er, aus dieser Höllenkammer befreit, wieder in Gottes freier Natur ist. Unten angekommen, notificirt ihm der Herr v. A– , der ihm auf dem Fuße gefolgt ist, daß er für seine Bemühungen noch fünfzehn bis zwanzig Mark bekomme. Auch diese reißt sich der Officier, wenn er thöricht genug ist, noch von der Seele und behält schließlich von den in drei Monaten zurückzuzahlenden siebenhundert Mark nur vierhundertfünfundachtzig Mark übrig. – Die drei Monate verstreichen. Etwa drei Tage vor dem Verfalltage des Wechsels erhält der Officier meist von unbekannter Hand einen Brief, in welchem ihm mitgetheilt wird, daß er binnen drei Tagen bei Gefahr der Protestirung des Wechsels siebenhundert Mark zu zahlen habe. Der Wechsel befindet sich also bereits in dritter Hand, wenn auch nur als Schreckmittel, natürlich im Besitz eines Mitgauners.

Der Officier kann nicht zahlen. Der Wechselinhaber läßt sich nach langem Hin- und Herreden endlich erweichen, gegen Zahlung der reglementsmäßigen Zinsen von neuen zweihundert Mark auf fernere drei Monate den Wechsel zu prolongiren. Auch die Zinsen vermag der Arme nicht zu zahlen. Es wird also ein neuer Wechsel, und zwar unter Anrechnung der Zinsen über neunhundert Mark ausgestellt. Nach ferneren drei Monaten sind im Falle der Insolvenz des Ausstellers aus den fünfhundert factisch gezahlten elfhundert und nach Jahresfrist fünfzehnhundert zu zahlende Mark geworden. Dabei ruht der Ehrenschein wie eine stets bereite Schlinge, dem Opfer den Hals zuzuschnüren, im feuerfesten Geldschrank des Wucherers.

Lawinenartig wächst die Summe an, bis nach wenigen Jahren jede Aussicht auf Rettung schwindet und der völlig in die Enge Getriebene den Dienst quittirt. So sind schon unendlich viele Officiere einer verhältnißmäßig geringen Summe, die sie aus den Händen solcher Ehrenmänner empfingen, schließlich elend zum Opfer gefallen.

Wie vorsichtig aber auch die Herren vom Wucherfache zu Werke gehen, wie geschickt sie auch in die geheimsten Familienverhältnisse einzudringen und sich über dieselben zu orientiren verstehen, so kommt es doch auch vor, daß ihnen das so schlau umgarnte Opfer entschlüpft. – Wie ein Donnerschlag trifft die Betreffenden die Annonce des Militär-Wochenblattes, daß einer ihrer „Pflegebefohlenen“ behufs Auswanderung den Abschied genommen. Dann giebt es ein Laufen, Rennen, Jagen, ein Schreiben und Telegraphiren von einer Gaunerbörse zur andern, um vor allen Dingen den Aufenthalt des Echappirten zu ermitteln. Ist der Betreffende noch nicht transatlantisch geworden und haben die Spürnasen der Gauner seinen Aufenthalt entdeckt, so werden sämmtliche Winkelconsulenten des Reiches aufgeboten, um durch raffinirte Verclausulirungen und Einschüchterungsversuche dem durch ihre Machinationen bereits vollkommen Ruinirten noch das letzte Hemd vom Leibe zu reißen.

In Verbindung mit den im Vorstehenden Gekennzeichneten steht eine zweite Kategorie von Wucherern, dem Officiere beinahe noch gefährlicher, als die eben Geschilderten: die der gewerbsmäßigen Hazardspieler. Sie haben außer in Berlin ihren Hauptsammelplatz in Hamburg. Aehnlich wie die Agenten der „Geldmänner“ sind sie an allen fashionablen, viel besuchten Orten, vor Allem aber stets auf den Rennplätzen, zu finden. Dort begrüßen sie in der chevalereskesten Art auf dem Sattelplatze, besonders in der Nähe des Totalisators, wo sie ihre Opfer wittern, die ihnen von früher her bekannten Officiere, knüpfen neue Bekanntschaften an, bitten um die Erlaubniß, Diesem oder Jenem ihre Aufwartung machen zu dürfen, und verabreden schließlich für einen oder mehrere Abende ein Rendesvous zu einem kleinen Spiel. In den Salons der besseren Hôtels, für welche die Bauernfänger immense Miethe bezahlen müssen, wird das Jeu ausgeführt. Aus einer kunstvoll zusammengelegten Reisedecke entpuppt sich der Ueberzug eines Roulettetisches, aus einem zierlichen, unschuldig aussehenden Musterkästchen entsteigt ein raffinirt gearbeitetes Roulette. Batterien von Sectflaschen, das Haupthülfsmittel der professionirten Bankhalter, umrahmen den bereits besetzten Tisch. „Messieurs, faites votre jeu! Rien ne va plus.“ Das Spiel beginnt. Aus mäßigen Ziffern werden Summen, und binnen Kurzem ist das Baargeld der Spieler vor dem Bankhalter aufgethürmt. Abgesehen von den überaus günstigen Chancen des Croupiers, weiß er durch einen geschickten Druck an eine kunstvoll gearbeitete mechanische Vorrichtung des Roulettes jeden besonders hohen Satz in seine Hände zu bringen. Denn wie uns aus eigener Anschauung bekannt und von authentischer Seite bestätigt wird, führen die meisten dieser gewerbsmäßigen Spieler falsche Roulettes, falsche Karten, falsche Würfel und verstehen bei Benutzung echter durch kühne Manipulationen besser als die geübtesten Taschenspieler, das Glück an ihre Seite zu fesseln – das Geld ist verloren. In liebenswürdiger Weise sind die Herren Bankhalter bereit, Vorschuß zu geben, der wie das Uebrige in kürzester Zeit dahin ist. Der Vorschuß ist zu bedeutender Höhe gestiegen. Die Grenze der von den Gaunern vorher genau taxirten Zahlungsfähigkeit jedes Einzelnen ist überschritten und der erste Croupier, ein Herr F… oder R…, Ersterer aus Hamburg, Letzterer aus Berlin, legt ein Veto gegen ein weiteres unbaares Spiel ein.

Jetzt beginnt die eigentliche Gewerbsthätigkeit der Wucherer, das völlige Abschlachten der bereits Halbtodten. Die Portefeuilles der Bankhalter speien ein Meer von Wechselblanquets aus. Summen von beispielsweise tausend Mark werden auf drei bis vier Wechsel vertheilt und auf drei Monate acceptirt. Es ist dies ein wohlüberlegtes Manöver, weil so die Officierwechsel am leichtesten und bequemsten unterzubringen sind. Nach wenigen Tagen befinden sich sämmtliche Wechsel in den Händen der oben geschilderten Wucherer, denen das Eintreiben derselben überlassen wird. So spielen sich die Gaunerclassen gegenseitig in die Hände.

Gleichfalls im Sold der Halsabschneider stehen die Gauner des Pferdehandels, ferner zahlreiche Geschöpfe der Halb- oder Dreiviertels-Welt, Jaguaritas, die es verstehen, ihre Opfer zu zerreißen und sie dem Wucher in die Polypenarme zu treiben. Und der Zweck aller dieser Creaturen? Geld zu verdienen, zusammenzuraffen und zusammenzuschachern – auf Kosten der Armee, der sie eine junge Kraft nach der anderen rauben. Allwöchentlich und öfter bringen die Zeitungen Nachrichten über [725] das Treiben der Wucherbande, aber kein rettendes Gesetz, keine Maßregeln von Seiten des Reichstages steuern dem Unwesen.

In Oesterreich – wenn wir nicht irren – existirt ein Armee-Fond, wie er in Preußen bei vielen Regimentern auch bereits angebahnt worden ist, aus dem Officieren zu fünf Procent Zinsen Vorschüsse bis zu einigen hundert Mark, welche in Ratenzahlungen innerhalb eines Jahres zurückzuerstatten sind, gewährt werden. Wir halten diese Maßregel für entschieden nutzenbringend und nachahmungswerth, weil fast sämmtliche Fallissements von Officieren aus kleinen Anfängen herrühren, welche durch Prolongationen lawinenartig anwachsen. – Besser noch wäre es freilich das Uebel mit der Wurzel auszurotten und dem immer größere Dimensionen annehmenden Schwindel durch ein Gesetz den Weg zu verlegen.
A. v. Z.