Die ältesten Innungsordnungen der Dresdner Schuhmacher und Schneider

Das Wassertrinken Die ältesten Innungsordnungen der Dresdner Schuhmacher und Schneider (1893) von Otto Richter
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Die Dresdner Kirchenbücher
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[69]
Die ältesten Innungsordnungen
der Dresdner Schuhmacher und Schneider.


Die Entstehungszeit der ersten Innungen in Dresden ist in Dunkel gehüllt. Für Hasches Angabe (Geschichte Dresdens Th. 1, S. 406), die Innungen der Tuch- und Schuhmacher seien im Jahre 1401 durch Markgraf Wilhelm I. bestätigt worden, läßt sich ein urkundlicher Nachweis nicht erbringen, sie ist aber keineswegs unglaubhaft. Denn bereits im Geschoßregister von 1407 werden die Tuchmacher, Schuster, Bäcker, Kürschner, Schneider und Schmiede als diejenigen Handwerke aufgezählt, die bei Kriegszügen Mannschaften zu stellen haben, und man darf als gewiß annehmen, daß diese Zuweisung bestimmter Kriegsleistungen an die Handwerke nicht vor ihrem zunftmäßigen Zusammenschluß erfolgt ist.

Von den Schuhmachern war bisher keine ältere Innungsordnung als die vom 9. März 1551 bekannt (in den Rathsakten C. XXIV. 274b Bl. 73 flg.). In dem neu aufgefundenen Dresdner Stadtbuche vom Jahre 1404 (im königl. Hauptstaatsarchiv) ist nun auf Bl. 54 eine Schuhmacher-Innungsordnung enthalten, die man unbedenklich als die älteste, wohl aus der Entstehungszeit der Innung herrührende wird betrachten dürfen. Sie ist von der Hand des Stadtschreibers Nicolaus Thirman eingetragen, also in den Jahren 1413 bis 1424. Ihr Inhalt ist ein ziemlich knapper und erstreckt sich nur auf folgende Gegenstände: Innungsversammlungen („Morgensprachen“), Bedingungen der Gewinnung des Meisterrechts, Strafen für Ungehorsam gegen die Obermeister und für Führung schlechter Waare. Es finden jährlich drei Morgensprachen statt; dabei lesen jedesmal die Franziskanermönche, die die Schuster- und Schneidergesellen in ihre geistliche Bruderschaft aufgenommen haben, im Kloster eine Messe, wofür jeder Meister 2 Heller spendet. Wer das Meisterrecht erwerben will, muß durch Zeugniß seine eheliche und ehrliche Geburt nachweisen und einen halben Stein Wachs nebst 10 Groschen (nach der Ordnung von 1551 bereits 12 Gulden!) erlegen; von dieser Einnahme unterhält das Handwerk 12 Kerzen auf gewissen Altären und die Kriegsausrüstung, den „Harnisch“. Meisterssöhne und solche, die eine Meisters-Tochter oder -Wittwe heirathen, sind von dieser Abgabe befreit. Auf Ungehorsam gegen die Anordnungen der „Viermeister“ oder des Handwerks steht je nach der Schwere des Vergehens 1/2 bis 2 Pfund Wachs Strafe. Zwei Meister sind mit der Besichtigung des Leders auf dem Markte beauftragt: untüchtiges Leder wird mit 1 Groschen, untüchtige Schuhe mit der Hälfte, 6 Hellern, gebüßt.

Der Wortlaut dieser Ordnung ist folgender:

Dy schuster sullen ere innunge und er recht alzo halden.

Sy sullen haben dry morgensprochen des jaris. Czu iczlicher morgensproche geben sy den monchen iczlicher 2 hll. Item wer da wil meisterrecht gewynnen, der sal eynen halben steyn wachs und 10 gr., der selbe sal sich vertigen mit briefen, das her elrch (!) geborn ist; mit dem selben wachse and 10 gr. sullen sy 12 kerczen und eren harnusch halden. Item wen eyn meister gestirbit, kommit eyn geselle, der sich mit der vrouwen sullich generen wil yn der ehe, der sal des halben steyn wachs und 10 gr. obirhaben syn. Das selbe recht sal haben eynis meisters son und tochter. Item welcher kumpan gebricht keyn den vir meistern ader keyn dem hantwerke, den sullen sie busen umbe eyn 1/2 phunt wachs ader umbe 1 phunt ader 2, dornoch syne bruche syn. Item sy sullen seczen czwene, die das leder schauwen uf dem marckte. By welchem man wandelbar leder vindet, den sullen sie busen umbe 1 gr. Item vinden sie wandilbar schu, den busen sie vor 6 hll.

[70] An der gleichen Stelle findet sich auch eine Innungsordnung der Schneider aus derselben Zeit. Noch kürzer gehalten als die Schusterordnung, bestimmt sie nur das Meistergeld (auf 20 Groschen), die Aufnahmegebühr für Lehrjungen (auf 2 Pfund Wachs) und die Strafe für Ungehorsam (auf 2 Pfund Wachs) oder Versäumniß der Versammlung (auf 1 Groschen). Außerdem wird das Recht der Bannmeile festgestellt. Sie lautet:


Der snyder innunge.
Sy sullen nemen 20 gr. von eyme, der da hat meisterrecht gewunnen, item von eyme lerjungen 2 phunt wachs, von eyme der nicht gehorsam ist dem hantwerke, 2 phunt wachs, von eyme der nicht gehorsam ist dem hantwerke, wen sie zcusamene gehen von der herren ader burger wegen, wer das vorsumit, 1 gr. Ouch sal keyn snider erbeiten by eyner myle wegis den snidern zcu schaden.

Eine weitere Innungsordnung der Schneider, die ebenfalls bisher nicht bekannt war, enthält das Stadtbuch von 1454 (im Hauptstaatsarchiv) auf Bl. 139b. Sie datirt vom 9. September 1462 und lautet wie folgt:

Innunge der snyder geczeichint am donrestage nach nativitatis Marie virginis gloriose anno domini etc. LXII0.
Item welch from man adder geselle uff dem snyderhantwergke meister wil werden, der sal redeliche brieve unde kuntschaft brengin, das er von vater und mutter fromen eelichin gebornnen eldern eelich geborn und unvortadelter ard sii, so das syne eldern und her sich yn allen sachin an yren eren unvorruckt gehalden haben und er sal habin eyn eelich weib adder das ym eyne zcur ee gelobit sii, und er sal syn hantwerg bewiesen mit zcusnyden, mit der nolden und mit der nahet. Er sal ouch von unnsers gnedigen hern, der stat und des handwergks wegen dem hantwergke yn allen zcymlichin unde geborlichin sachen unnsirn gnedigen hern, dii stat und das hantwerg anlangende gehorsam zcu sin geloben und sin burgerrecht gewynnen unde eyn halb schog groschen zcu meisterrechte gebin.
Item welch meister von dem hantwercke zcu czechemeister wird gekoren, strebit der dorwidder und wil das nicht sin, doruber sal der rath dirkentniß und stroffung thun und haben.
Item yn den weigfasten sal man nuwe meistere uffnemen und anders nicht.
Item yn yrem gemeynem biere und yn allen andern sampnungen, wenne siie bii einander sin, do sal sich eyn iczlichir bescheidenlich, czuchticlich unde vornunfticlichin halden bii gehorsam des hantwergks.
Item wenne das hantwergk schucczen yn dii herffart adder schildwache yn der stat bestellen sal, welchin die zcechemeister, die das jare das hantwergk vorwesen, das heißen, er sie gesworn adder nicht, der sal daz thun bii gehorsam des hantwergks, adder eynen andern, der dorzen tuchtig ist, vor sich schicken.
Item wenne under en eyn meister eynen leerjungen uffnympt, so sal en der meister vorbinden, das er gelobe, wenne er das hantwergk gelernet, das er sie mit syner erbeyt bynnen eyner myle wegis nicht bedrangen noch uber sie erbeyten welle bie vier pfunden wachß, als offte er das tete.

Wenn die hiesige Schneiderinnung, gestützt auf die den Schneidern zu Altendresden (Neustadt) am 22. Dezember 1481 verliehene Ordnung, im Jahre 1881 die Jubelfeier ihres 400 jährigen Bestehens begangen hat, so hat sie sich um 60 bis 80 Jahre zu jung eingeschätzt.

Dr. O. Richter.