Die ältesten Innungsordnungen der Dresdner Schuhmacher und Schneider Die Dresdner Kirchenbücher (1893) von Franz Blanckmeister
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Thierhetzen auf dem Altmarkte
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Die Dresdner Kirchenbücher.


Erst neuerdings hat sich die historische Forschung den Kirchenbüchern zugewendet. Ueber die Kirchenbücher der Niederlausitz und Pommerns sind Erhebungen angestellt worden, der Gesammtverein der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine hat zur Kenntniß der Kirchenbücher Deutschlands überhaupt werthvolles Material gesammelt. Das Dunkel, das noch über dem gesammten weiten Gebiete liegt, kann indessen nur dadurch gelichtet werden, daß jede Provinz und jede Stadt zur Kenntniß der Sache beiträgt. Und so soll in nachfolgenden Zeilen über die Kirchenbücher Dresdens Bericht erstattet werden.

Kirchenbücher sind im großen Ganzen eine Frucht der Reformation. Wohl hatte die altchristliche Kirche in ihren Diptychen etwas Aehnliches, wohl finden sich in Italien vereinzelte Spuren von Kirchenbüchern am Ende des 15. Jahrhunderts; aber allgemein eingerichtet und behördlicherseits angeordnet wurde die Führung von Kirchenbüchern erst in der Zeit der Neugestaltung der kirchlichen Verhältnisse, wie sie sich an die Namen Zwingli und Luther knüpft. Wir nennen Zwingli zuerst, weil, wie es scheint, die reformirte Schweiz in Sachen der Kirchenbücher den Anfang gemacht hat und die Länder lutherischen Bekenntnisses gefolgt sind. Das erste Kirchenbuch deutscher Zunge, das wir kennen, ist das von Zürich aus dem Jahre 1525. Von hier aus haben sich die Kirchenbücher in rascher Folge über Süddeutschland nach Norddeutschland verbreitet. Von 1533 an beginnen die evangelischen Kirchenordnungen den Pfarrern das Halten von Kirchenbüchern einzuschärfen. Am 11. November 1563 beschließt auch das Tridentiner Konzil, den katholischen Priestern die Führung von Trau- und Taufregistern zur Pflicht zu machen.

Die Geschichte der sächsischen Kirchenbücher läßt sich sehr genau verfolgen. In Sachsen begann man mit Anlegung von Kirchenbüchern sehr früh, vielleicht um 1530. Anlaß dazu war nicht obrigkeitliche Anordnung, sondern freie Neigung der Geistlichen, deren Ordnungssinn sehr bald das Beispiel anderer Kirchengebiete nachahmte. Das älteste erhaltene sächsische Kirchenbuch ist, soweit unsere Kenntniß reicht, das Traubuch von St. Nikolai zu Leipzig, welches mit 1541 beginnt. Aus der Zeit bis zur ersten behördlichen Bestimmung über die Kirchenbücher in Sachsen sind etwa 30 Kirchenbücher [71] erhalten und meist in gutem Zustande. Die erste Erwähnung der Kirchenbücher in den sächsischen Gesetzen findet sich in den Generalartikeln Kurfürst Augusts vom 8. Mai 1557, wo den Pfarrern die Anlegung von Tauf- und Trauregistern zur Pflicht gemacht wird, eine Anordnung, die im ganzen Lande gute Wirkung that. Genauere Bestimmungen enthält die Kirchen- und Schulordnung desselben Herrschers vom 1. Januar 1580, wo auch das Leichenregister ausführlich erwähnt wird und über Führung, Fortsetzung und Aufbewahrung der Bücher Vorschriften gegeben werden; die Visitatoren sollten auf Pünktlichkeit in der Kirchenbuchführung bei Pfarrern und Küstern ihr Augenmerk richten. Der dreißigjährige wie der siebenjährige Krieg vernichtete manches Kirchenbuch. Doch widmete sich der sächsische Pfarrer des 17. und 18. Jahrhunderts mit Eifer seiner Kirchenbuchsarbeit. Eine wichtige Epoche in der Geschichte der sächsischen Kirchenbücher bezeichnet das Jahr 1799. Da erschien aus Anlaß einer Vorstellung des Landtages ein neues Regulativ über die Kirchenbücher, dessen wichtigste Punkte die Anordnung der Gleichmäßigkeit der Einträge und der Anlegung eines Duplikats sind. Seit 1800 erhalten nun die sächsischen Kirchenbücher eine neue Gestalt, die Einträge sind rubricirt, am Schlusse eines jeden Bandes findet sich ein Register, die Duplikate werden am Jahresschlusse dem Superintendenten übersandt. Die im Jahre 1800 begonnene Praxis herrscht im Ganzen noch heute, nachdem inzwischen die Kirchenbücher durch Einführung der Civilstandsgesetzgebung von 1875 ihren staatlich-bürgerlichen Werth verloren haben.

Was nun die Kirchenbücher Dresdens betrifft, so müssen wir uns hauptsächlich an das halten, was an Kirchenbüchern noch erhalten ist, und unterziehen die einzelnen Kirchspiele – natürlich nur die älteren – einer Musterung.

Allen voran steht die Kreuzkirche, die Hauptpfarrkirche der Stadt. Aus dem Inventarverzeichniß der Sakristei von 1737, wie es sich im Rathsarchiv befindet, wissen wir, daß in genanntem Jahre die Tauf- und Leichenbücher von 1550 an mit unbedeutenden Lücken vorhanden waren. Derselben Quelle verdanken wir die Notiz, daß die Traubücher bis 1579 zurückreichten. Angelegt sind die Kirchenbücher der Kreuzkirche also von dem zweiten Superintendenten Dresdens, Greser, und zwar 7 Jahre eher, als – vielleicht auf seinen Betrieb – in Sachsen die erste kirchenregimentliche Verordnung über Kirchenbücher erfolgt ist. Daß die Traubücher gleichfalls 1550, wenn nicht noch früher, angelegt worden sind, ist für den unfraglich, der die Thatsache kennt, daß fast überall, wo Kirchenbücher eingerichtet werden, auf Trauregister das Hauptgewicht gelegt wird. Und wie sollte Greser es geduldet haben, daß 29 Jahre lang die Getrauten nicht gebucht würden? – Sämmtliche älteren Kirchenbücher der Kreuzkirche bis 1760 wurden bekanntlich bei dem Brand derselben in genanntem Jahre von den Flammen mit vernichtet – ein schwerer Verlust. Was bei der Kreuzkirche an Kirchenbüchern jetzt noch vorhanden ist, reicht nur bis 1760 zurück. Höchstens aus alten Neujahrszetteln, wie sie im Rathsarchiv und in einem Schranke der Frauenkirche liegen, lassen sich die Ziffern der Taufen, Trauungen und Beerdigungen der Kreuzparochie vor 1760 nachweisen. Daß das Studium der erhaltenen Kirchenbücher gerade dieser Parochie für den Freund der Dresdner Ortsgeschichte von hohem Reiz ist, leuchtet ein.

Der Hauptpfarrkirche der Altstadt reihen wir die der Neustadt an. Es läßt sich nicht sagen, wann Pfarrer oder Kirchner zum ersten Eintrag die Feder angesetzt hat. Erhalten ist das Taufbuch von 1560 an bis jetzt, nur fehlen die Jahrgänge 1572 bis 1577; sie sind verloren oder in Kriegs- oder Brandzeiten vernichtet worden. Haben wir vielleicht in dem Taufbuch von 1560 das älteste Neustädter Kirchenbuch vor uns, so dürfte das Traubuch von 1580, das älteste noch vorhandene seiner Art, doch nicht das älteste vorhanden gewesene sein. Auch hier nehmen wir an: Taufbuch und Traubuch sind etwa gleichzeitig begonnen worden. Letzteres überdies ist bis heute ohne Lücke, beide sind von Anfang an mit Generalregistern versehen. Das Todtenbuch beginnt 1570 und ist bis 1699 ohne Register, von 1700 an mit Registern ausgestattet. Bis 1700 sind die Kirchenbuchsnotizen unserer heutigen Anschauung nach kurz und dürftig, von 1700 an werden sie besser. In den Todtenbüchern von 1760 und 1812 bis 1813 sind zahlreiche gefallene Soldaten eingetragen, ein Beweis, daß auch aus den Kirchenbüchern der Dreikönigskirche für die Geschichte Dresdens manches Werthvolle zu entnehmen ist.

Die Annenkirche, 1578 geweiht, weist seit 1604, wo sie Parochialrechte erhielt, Taufbücher, seit 1605 Traubücher und seit 1626 Todtenbücher auf. Aeltere Kirchenbücher der Annenkirche haben niemals existirt. Auf dem Titel des ältesten Buches steht: „Im Namen der h. Dreifaltigkeit angefangen zu taufen.“ Wie aus dem ersten Taufeintrag hervorgeht, verdankt das Taufbuch seinen Anfang den Stiftern des Taufsteines Cälestin Kühlich und Frau. Der erste Traueintrag lautet, um eine Probe zu geben: „Den 14. Jan. 1605 Ulricus Peter, ein Kutscher, mit J. Annen Pflugin auf der Entenpfütze“. Die Einträge der Taufen sind bereits in Rubriken geschrieben. Auch finden sich schon Register, aber meist nach seltsamen Prinzipien. Im Taufbuch stellt der Kirchenbuchführer (Küster) nicht die Täuflinge zusammen, sondern die Kindesväter und zwar [72] nicht deren Geschlechtsnamen, sondern deren Vornamen; er ordnet also alphabetisch erst alle Väter mit dem Vornamen Andreas, dann folgt eine uneheliche Mutter mit dem Vornamen Anna und so geht es fort durch alle die Balthasare, Michaele und Tobiasse bis hinaus zu denen, die sich Urban, Valentin, Wolfgang und Zacharias nennen. Nach diesem Register dürfte das Auffinden eines Täuflings ziemlich langwierig gewesen sein. Mehrfach bemerkt man überdies in den Kirchenbüchern der Annenkirche – bis heute 89 Bände – wie der jeweilige Küster den trockenen Blättern allerlei Notizen über örtliche Vorkommnisse anvertraut, die, wenn sie sonst keinen Werth hätten, doch höchst kurzweilig zu lesen sind. Himmelszeichen und Unglücksfälle werden besprochen, lüderliche Weibspersonen kritisirt, und wer seine Küstergebühr nicht richtig bezahlt, erhält im Kirchenbuch seine Lection. Bemerkenswerth ist, daß die Kirchenbücher der Annenkirche die Schrecken des siebenjährigen Krieges ungefährdet bestanden haben.

Im Jahre 1725 ward die Friedrichstadt von der Annenkirche abgetrennt und führte nun ihre eigenen Kirchenbücher. Wir übergehen Kirchenbücher von geringerem Werth, wie z. B. die Taufbücher des Stadtkrankenhauses, die bis zum Anfang dieses Jahrhunderts zurückreichen, sowie die Kirchenbücher aller der in letzter Zeit neuerrichteten Parochien und der nicht zur Landeskirche gehörigen kirchlichen Gemeinschaften, namentlich der römischen und der reformirten Kirche, um schließlich noch eines Kirchenbuches zu gedenken, welches außerhalb der parochialen Kirchenbücher steht und von ganz besonderer Bedeutung ist, des Kirchenbuchs der evangelischen Hofkirche. Was von diesem Kirchenbuch erhalten ist, geht leider nur bis 1660 zurück, und auch das ist in seinen ältesten Theilen, die von den Händen der Hofprediger selbst geschrieben sind, nicht ohne Mängel. Wie die Frauenkirche, ohne Parochialkirche zu sein, doch seit 1747 Trauregister aufzuweisen hat, sonst aber nichts, so weist die Hofkapelle, beziehentlich Hofkirche, gleichfalls gewisse Register auf, obwohl auch sie den Charakter einer Parochialkirche entbehrte. Sie besitzt Tauf-, Trau- und Kommunikantenregister, aber keine Todtenbücher, die sie auch heute nicht führt. Eingetragen sind alle die Handlungen, welche die zum Hof in Beziehung stehenden Personen von der Hofgeistlichkeit vollzogen haben wollten. Ein Zwang herrschte nicht. Die Taufen und Trauungen in dem sächsischen Herrscherhause sind überdies nicht mit gebucht, lediglich die Kommunionen. Doch finden sich natürlich in diesen unscheinbaren und nicht zahlreichen Bänden viele berühmte Namen; wir erinnern nur an Zinzendorf und Theodor Körner. Die Taufeinträge beider sind nach verschiedenen Seiten hin von Interesse. Unter den Pathen Zinzendorfs findet sich Philipp Jacob Spener – nicht mit, wodurch die in fast allen Büchern stehende Angabe, als ob der Vater des Pietismus den Stifter der Brüdergemeine aus der Taufe gehoben habe, hinfällig und widerlegt wird. Bei Theodor Körner lesen wir zu unserem Staunen, daß er am 30. September 1791 geboren sei, wo doch aus Vater Körners Papieren unwiderleglich zu erweisen ist, daß der Dichter eine Woche früher, am 23., das Licht der Welt erblickt hat, ein Beweis, daß auch Kirchenbücher oder wenigstens der Mann, der dort die Feder führte, nicht unfehlbar sind.

Ordnen wir die älteren Dresdner Kirchenbücher, von denen wir Kenntniß haben, nach dem Alter, so ergiebt sich folgende Reihe:

1550 Kreuzkirche, Taufbuch und Traubuch, von 1550 bis 1760 nicht mehr vorhanden.
1560 Dreikönigskirche, Taufbuch, Lücke von 1572 bis 1577.
1570 Dreikönigskirche, Todtenbuch.
1579 Kreuzkirche, Todtenbuch, von 1579 bis 1760 nicht mehr vorhanden.
1580 Dreikönigskirche, Traubuch.
1604 17. Dezember Annenkirche, Taufbuch.
1605 Annenkirche, Traubuch.
1626 Annenkirche, Todtenbuch.
1660 Hofkirche, Taufbuch, Traubuch, Kommunionbuch.
1725 Matthäikirche, Taufbuch, Traubuch, Todtenbuch.
1747 Frauenkirche, Traubuch.

Der Werth dieser Kirchenbücher für die Geschichte der Kultur und Sitte, des kirchlichen und socialen Lebens, sowie für die Kenntniß der Einzelfamilien läßt sich nicht in wenigen Zeilen beschreiben; er ist unschätzbar. Vielleicht greifen wir später einmal aus den Hunderten dieser alten Bände einige interessante Gegenstände heraus, um sie den Lesern der Geschichtsblätter als Beweis vorzuführen, daß Kirchenbücher durchaus nicht so reizlos sind, wie sie aussehen, sondern in ihrer Weise die Ortsgeschichte prächtig erläutern. Für heute genügt es uns, auf die Schätze, die Dresden in seinen alten Kirchenbüchern birgt, aufmerksam gemacht zu haben.

Pastor Franz Blanckmeister.