Dido
Längst aber krank vom Pfeil des Liebesgottes, nährt
die Königinn ein Feu’r, das heimlich sie verzehrt,
mit immer wachsender Begier umranken
des theuren Gastes Bild die trunkenen Gedanken,
Sein Anblick, seine Worte brannten
tief in ihr Herz, noch nie gefühlte Kämpfe bannten
den süßen Schlaf aus dem empörten Blut.
[132]
Kaum zog Aurorens Hand die feuchte Schattenhülle
ins gleichgestimmte Herz der Schwester überwallt.
Ach! welche Zweifel sinds, die schlaflos mich durchbohren!
Geliebte! welch ein Gast zog ein zu unsern Thoren!
Wie edel! welche männliche Gestalt!
Gewiß stammt er aus göttlichem Geschlechte!
Durch welche Prüfung ließ das Schicksal ihn nicht gehn!
Gemeine Seelen wird das feige Herz verklagen.
Du hörtest, welche Schlachten er geschlagen!
seit mein Sichäus in das Grab gestiegen,
und wäre mein Entschluß, mein Abscheu zu besiegen
vor Hymens Fackel – soll ich dirs gestehn?
Dem einzgen Manne könnt ich unterliegen.
[133]
das Herz der Schwester sich entfalten.
Seitdem ein Brudermord Sichäus mir
entriß, für den des Busens erste Seufzer wallten,
seit meiner Flucht war dieß der erste Mann,
der erste, sag ich dir, der mich zum Wanken brachte,
neu ist die Glut erwacht, die einst mich selig machte.
Doch eher schlinge Tellus mich hinab,
mich schleudre Jovis Blitz hinunter zu den Schatten,
hinunter in das ewig finstre Grab,
eh daß ich deine heiligen Gesetze,
Schamhaftigkeit, und meinen Eid verletze.
Er nahm mein Herz dahin. Ihm wars zuerst geweiht.
[134]
Sie sprichts, und ihren Schoß bethauen milde Zähren.
O! über alles mir geliebte, gibt
die Schwester ihr zurück. Allein und ungeliebt
willst du verblühn, den Wurm des Kummers ewig nähren?
Cytherens Freuden dir versagen?
Nach solchen Opfern, meinst du, fragen
die Todten in des Abgrunds Nacht?
Und seys! hat denn der vielen Freyer einer
Von allen kriegerischen Fürsten keiner,
die Afrika in seinem Schooß gezeugt.
Selbst der, vor dem die Libyer erbeben,
den Tyrus längst gehaßt – selbst Jarbas konnt es nicht;
für die dein Herz so mächtig spricht?
[135]
Vergaßest du, wo du dich eingewohnet,
daß ohne Zaum hier der Numider jagt,
der unbezwungne Getuler hier thronet,
hier unwirthbare Wüsten dich umgrausen,
dort der Barzäer wilde Völker hausen,
der Bruder selbst, deß Habsucht du entflohn,
und Tyrus Waffen dich von Osten her bedrohn?
Lucina selber wars, die an Karthagos Strand
die Schiffe dieser Fremdlinge getrieben.
Welch eine Stadt seh ich durch dieses Eheband,
welch einen Thron, o Schwester, sich erheben!
wird der Karthager Nahme schweben,
wenn solche Helden uns zur Seite stehn!
[136]
Versöhne du nur erst der Götter Zorngericht
durch frischer Opfer Blut. Die Fremdlinge zu angeln
an Gründen, sie zu fesseln, fehlt es nicht.
Seht die zerbrochnen Schiff! Seht, wie die Nebel rauchen,
die See noch stürmt, Orion Regen zieht! —
So wußte die zur Glut den Funken aufzuhauchen,
Jetzt fragt sie das Geschick an blutigen Altären.
Dir Phöbus, der das künftige enthüllt,
dir, Städtegründende Demeter, quillt
zweyjährger Rinder Blut, dir Bromius, zu Ehren,
Vor dem Altar sieht man die schönste aller Frauen,
den Becher in der Hand, Karthagos Königinn,
des weißen Rindes Haupt mit heilger Fluth bethauen.
[137]
Bald geht sie vor der Götter Angesicht
beschenkt die schon Beschenkten wieder,
und forscht, was rauchend noch das Eingeweide spricht.
Bethörtes Sehervolk! Befreyen
Gebet und Opfer wohl das schwerbefangne Herz?
und spottet eurer Träumereyen.
Der Flammen unheilbare Pein
treibt sie, Karthagos Stadt im Wahnsinn zu durcheilen.
So flieht die Hindinn, die in Kretas Hayn
der ferne Jäger traf. In ihrem Fleisch das Rohr
des Todes, das der Feind verlor,
bethaut sie die durcheilten Felder
mit ihrem Blut und Diktys finstre Wälder.
[138]
zeigt pralend ihm der Mauern stolze Last
und läßt vor seinem Blick die Größe Sidons prangen.
Ein flüchtiges Gespräch wird schüchtern angefangen,
schnell reißt die Furcht es wieder ab. Kaum bricht
von Trojens Fall aufs neu von ihm Bericht,
und nährt die Glut, die in dem Herzen lodert.
Trennt endlich sie der strenge Ruf der Nacht,
und winkt der Sterne bleichend Licht zum Schlummer,
und sein verlaßnes Polster wird bewacht.
Abwesend hört sie ihn, verschlingt sie seine Züge,
herzt in Askan des teuren Vaters Bild,
ob sie vielleicht die Leidenschaft betrüge,
[139]
Der Thürme hochgeführte Lasten
erlahmen bald in ihrem muntern Lauf.
Kein Wall, kein Giebel steigt mehr auf,
und tausend fleiß'ge Hände rasten.
im Hafen tönt kein Hammer mehr,
und unvollendet trauert das Gerüste,
das pralend schon die Wolken küßte.
Als Zevs Gemahlin sie von Liebesflammen brennen,
begann sie so zur schönen Cypria:
Glorwürdiges – man muß bekennen!
habt ihr vollbracht, du und dein wackrer Sohn!
mit reichem Raub zieht ihr davon!
Werth, daß zwey Götter sich mit ihrer Allmacht rüsten!
[140]
So scheint es doch, man habe meinen Sitzen
und meiner Puner Treu nicht sonderlich getraut?
Doch wo das Ziel? Wozu in Kämpfen uns erhitzen?
Du hasts erreicht: Sie liebt. Sie rast von Liebesflammen.
Seys denn. Sie werde dieses Phrygers Magd.
Dir sey der Tyrer Volk zum Mitgift zugesagt.
Wir beyde schützen es zusammen.
das Reich Italiens, den Teukriern entrissen,
in Libyens Grenzen einzuschließen,
und schlau erwidert ihr der Schönheit Königinn:
Wer wäre Thor genug, mit deiner Macht zu streiten,
Nur müßte, was durch uns geschehn,
das Glück zum guten Ende leiten.
[141]
Zu wenig bin ich selbst mit dem Geschick vertraut,
doch wird es Jupiter gestatten,
daß beyde Völker sich in Eins zusammen gatten,
in Eine Nation vereint durch ewgen Bund?
Du, seine Gattinn, magst dich bittend an ihn wenden,
Neig ihn durch deinen hochberedten Mund.
Darüber laß Saturnien gewähren,
giebt ihr des Himmels Königinn zurück.
Doch, wie dieß dringende Geschäft mit Glück
zu enden sey, laß mich vor allem dich belehren.
und Titans Strahlen kaum die junge Welt bescheinen,
führt in den nächstgelegnen Haynen
die Liebestrunkene den Teukrer auf die Jagd.
[142]
Wenn das Geschwader nun auf flügelschnellen Rossen
send' ich von oben her, vermengt mit schwarzen Schlossen,
ein Ungewitter ab; der ganze Himmel scheint
im Wolkenbruch herabgeflossen,
durch die zerrißnen Lüfte kracht
trennt von dem Fürstenpaar die fliehenden Genossen.
In Einer Grotte wird alsdann die Königinn
mit dem Trojaner sich zusammen finden,
dort werd ich gegenwärtig seyn, und, bin
Dort kröne Hymen ihrer Herzen Bund! –
Ihr winkt Cythere zu mit hochzufriednen Blicken,
ein Lächeln schimmert um der Göttin Mund,
daß ihrs geglückt die Feindinn zu berücken.
[143]
aus blauer Wogen Schoos gestiegen.
Beym ersten Gruß der Göttinn fliegen
Karthagos Pforten auf, es fluten Roß und Mann
in munterm Schwarm laut lermend durch die Felder,
kommt der Maßylier im Flug daher gerannt,
es schnaubt der Doggen Spürkraft durch die Wälder.
Am Eingang des Palastes harrt
der Königinn, die noch am Putztisch säumet,
in Gold und Purpur prächtig aufgezäumet,
das stolze Roß der edlen Jägerinn,
und knirrscht voll Ungeduld in die beschäumten Zügel.
Auf tun sich endlich des Palastes Flügel,
[144]
Ein tyrisch Oberkleid, geschmückt
mit buntem Saum, umfließt die schönen Glieder,
durch ihre Locken ist ein goldnes Netz gestrickt,
vom Rücken schwankt der volle Köcher nieder,
Ihr folgt der Phryger Schaar; mit kindschem Jubel hüpft
Askan voraus, und alle zu verdunkeln
sieht man Aeneen selbst im mittlern Reyhen funkeln.
So wenn Apoll zu Delos heimschem Heerd
da lebt Gesang und Tanz! die festlichen Altäre
umjauchzt der Agathyrsen bunte Schaar,
der Kreter, der Dryopen Heere.
Er selbst, den zarten Zweig des Lorbeers in dem Haar,
steigt von des Cynthus Höh'n, und ihn umrauscht der Bogen.
[145]
So majestätisch zog Aeneas jetzt heran.
Kaum hatte man der Berge Höhn erstiegen.
Kaum aufgescheucht das Wild auf unwegsamer Bahn,
im Sprung vom steilen Fels, und vom Gebirge fliegen
durch der Gefilde weiten Plan
der Hirsche scheue Heerden, von den Woogen
des aufgerührten Staubs den Blicken bald entzogen.
Askan im tiefen Tal, mit kindischem Vergnügen,
bemüht, in vogelschnellem Lauf
jetzt diesen, jenen dann wetteifernd zu besiegen.
Wie feurig lechzt sein junger Muth
und einmal doch in diesem scheuen Haufen
auf einen Löwen anzulaufen!
[146]
Indessen kracht des Himmels ganzer Plan
von fürchterlichen Donnerschlägen.
geborstner Wolken Flut, des Hagels finstern Regen.
Erschrocken fliehen auf zerstreuten Wegen
die Punier, die Teukrer mit Askan,
in Klüften sich, in Höhlen einzuschließen,
In Einer Felsenkluft, Elisa, findest du
mit dem Trojaner Fürsten dich zusammen,
dem Bräutigam führt Juno selbst dich zu,
und Mutter Tellus winkt. Der Horizont in Flammen
statt Hochzeitsfackeln leuchten dir die Blitze,
und heulend stimmt der Oreaden Mund
dein Brautlied an auf hoher Felsenspitze.
[147]
Der Fürstinn Glück entfloh mit diesem Tag.
nicht das verklagende Gerücht vermag
aus ihrer Trunkenheit die Rasende zu schrecken.
Jetzt kein Gedanke mehr, in scheuer Heimlichkeit,
des Herzens Glut der Neugier zu entrücken,
die Schuld der Leidenschaft zu schmücken.
Alsbald macht das Gerücht sich auf,
die große Post durch Libyen zu tragen.
Wer kennt sie nicht? Die Kräfte schöpft im Lauf,
Klein zwar für Furcht kriecht sie aus des Erfinders Schooß,
ein Wink – und sie ist riesengroß,
berührt den Staub mit ihrer Sole,
mit ihrem Haupt des Himmels Pole.
[148]
zu rächen am Olymp den Untergang der Brüder,
die jüngste Schwester der Gigantenbrut,
behend im Lauf, mit flüchtigem Gefieder.
Groß, scheußlich, fürchterlich! Soviel es Federn trägt,
durch soviel Augen siehts, so viele Rachen reckt
es auf, mit soviel Zungen kann es rauschen.
Winkt Hekate die laute Welt zur Ruh,
so fliegt es brausend zwischen Erd und Himmel,
Am Tage suchts der Städte rauschendes Getümmel,
da pflanzt es horchend sich auf hoher Thürme Thron,
und schreckt die Welt mit seinem Donnerton,
so eifrig, Lästerung und Lügen fest zu halten,
[149]
Jetzt brannt’ es schadenfroh, die mannichfachsten Sagen,
(wahr oder falsch, gleichviel!) durch Libyen zu streun.
Ein trojischer Aeneas soll gekommen seyn,
der schönen Dido Hand im Raub, davon zu tragen,
die lange Winterzeit dem schwelgerischen Paar,
vergessen hier, sein Reich zu schirmen vor Gefahr,
dort, neue Kronen zu erjagen.
Zu Jarbas nimmt das Unthier seinen Lauf,
und thürmt des Zornes Donnerwolken auf.
Es rühmt sich dieser Fürst von Ammon abzustammen
dem die entführte Garamantis ihn gebahr;
des Stifters hohe Abkunft zu bezeigen
und hundertfach erhebt sich Zevs Altar.
[150]
Des Vaters hoher Gottheit leuchtet
ein ewig waches Feur, von Priestern angefacht.
Stets ist des Gottes Heerd von Opferblut befeuchtet,
Hier war’s, wo jetzt durchdonnert vom Gerüchte
und überwältigt von des Zornes Last,
der Fürst sich niederwarf vor Ammons Angesichte,
und flehend so zum Himmel ras’t;
allmächtger Zevs, den Libyen verehrt?
Dem wir auf prächtgen Polstersitzen
beim frohen Mahl der Traube Blut versprützen?
So ists ein Irrlicht nur, was durch die Wolken fährt?
So ists ein leerer Schall, ein nichtiges Geheule,
was unser bebend Ohr dort oben rauschen hört?
[151]
Ein flüchtig Weib, bedrängt, ein Obdach nur zu finden
erscheint in meinem Reich. Auf halb geschenktem Strand
die Ufer geb ich ihr zum Ackerland,
schenk’ ihr großmüthig alle Fürstenrechte,
erröthe nicht, um ihre Hand zu freyn –
Umsonst! Ein Flüchtling kommt aus trojischem Geschlechte,
Und dieser Weiberheld mit seiner Knabenschaar,
herausgeschmückt mit seiner lyd’schen Mütze,
unwiderstehlich durch sein salbentriefend Haar,
genießt nun seines Raubs in ihrem Fürstensitze.
das Fleisch der Rinder dir geschlachtet,
gefürchtet über Meer und Land,
wir werden ungestraft verachtet!
[152]
Erhörung findet er vor Ammons Angesicht.
der Schmähsucht Pfeil die Liebenden verschmerzen,
winkt dann vor seinen Thron Cyllenius und spricht:
Wohlan mein Sohn! Laß dich die Winde niederschwingen
zu dem Dardanier, der in Karthago säumt,
und eile, mein Gebot zu seinem Ohr zu bringen.
Nicht, wie man jetzt ihn überrascht, verhieß
ihn seine Mutter mir, die liebliche Cythere,
nicht daß er schwelgen sollt’ in Tyrus Stadt, entriß
Das kriegerische Land, der Reiche künftges Grab,
Italien sollt er regieren,
verherrlichen den Stamm, der ihm den Ursprung gab,
und die bezwungne Welt in Sklavenketten führen.
[153]
will er für eignen Ruhm den Arm nicht mehr erheben,
warum mißgönnt er seinem Sohn
unväterlich der Römer Thron?
Was ist sein Zweck? was hält in Tyrus ihn vergraben,
Er segle fort. Er segle, will ich haben,
das ist mein ernstliches Gebot.
Er sprichts, und was der große Vater ihm befohlen,
läßt jener schleunig in Erfüllung gehn.
die reißend mit des Sturmes Wehn
ihn hoch weg führen über Thal und Höhn;
faßt dann den Stab, der einwiegt und erwecket,
der die Verstorbnen führt zu Lethes stillen See’n,
[154]
Mit diesem Stab gebeut er dem Orkan,
durchschwimmt der Wolken Meer und lenkt der Stürme Wagen.
Jetzt langt er bey der Stirn des rauhen Atlas an,
und sieht im Fluge schon die schweren Schultern ragen,
In der Gewölke schwarzem Küssen ruht
sein fichtenstarres Haupt, jetzt von des Hagels Wuth
gepeitscht, jetzt von der Winde Grimm geschlagen.
Die Achseln deckt ein ewger Schnee. Es starrt
des Greisen schauervoller Bart,
und Wetterbäche waschen seine Wangen.
Hier hält Merkur zuerst die raschen Flügel an,
und ruht in sanftem Fall auf dem beeißten Zacken,
mit ganzem Leib sich in den Ocean.
[155]
So schwebt in tief gesenktem Bogen
um fischbewohnter Klippen Rand
die Möwe längs dem Meeresstrand,
So kam jetzt zwischen Meer und Land
durch Libyens gethürmten Sand
vom mütterlichen Ahn Merkurius geflogen,
und brach mit schnellem Flug der Winde Widerstand.
so stellt Aeneas sich ihm dar, bemüht,
die Mauren zu erneun und Thürme zu erbauen.
Ein Schwerdt, mit Jaspis reich bezogen, glüht
an seinem Gurt, hell flammt um seine Lenden
von der Geliebten ihm geschenkt,
und reich mit Gold durchwirkt von ihren eignen Händen.
[156]
Schnell tritt der Gott ihn an. So, ruft er, Weiberknecht!
So überrascht man dich! Du baust Karthagos Veste,
und dein Beruf, dein auf dich hoffendes Geschlecht,
weg sind sie, weg aus deiner Seele?
Merk auf! Ich bringe dir Befehle
vom Herrscher des Olymps, von jener furchtbarn Macht,
Von welcher Hoffnung Zauberseilen
läßt sich dein müß’ger Fuß in Libyen verweilen?
Reizt dich des Ruhmes lorbeervolle Bahn
nicht mehr, willst du für eignen Glanz nichts wagen,
der Größe, die ihm winkt, entsagen?
Warum das Scepter sich entrissen sehn,
das ihm beschieden ist auf des Janikuls Höhn?
[157]
Kaum schweigt der Gott, so ist er schon den Blicken
Mit schweigendem Entsetzen blickt
Aeneas nach, ihm schauerts durch den Rücken,
die Locken stehn bergan, im Munde stirbt der Laut.
Durchdonnert von dem göttlichen Befehle
entsagt er seiner theuren Braut.
Ach, aber wo der Muth, die Flucht ihr anzukünden?
Wo die Beredsamkeit ein liebeflammend Herz
zu heilen von der Trennung Schmerz?
Nach allen Mitteln wird gespäht
und von Entwurfe zu Entwurfe schwanken
die stürmischwogenden Gedanken,
bis endlich der Entschluß bey diesem stille steht.
[158]
am Strand versammeln, sie bewaffnen, flott
die Schiffe machen, doch den Zweck nicht offenbaren.
Indeß die Glückliche selbst einem Gott
nicht glauben wird, daß solche Bande können reißen,
der Augenblicke günstigsten erspähn! –
Mit Lust vollstrecken die, was sie der Fürst geheissen.
Doch bald errieth – Wer täuscht der Liebe Seherblick?
ihr ahndungsvoller Geist das drohende Geschick.
ihr fürchtend Herz, im Schooß der Ruhe selbst gepeinigt.
Derselbe Mund, der so geschäftig war,
das Glück der Liebenden den Völkern zu berichten,
entdeckt ihr, daß der Trojer Schaar
[159]
So taumelt, wenn der Ruf der Orgyen erschallt
die Maenas auf, wenn durch ihr glühendes Gehirne
die nahe Gottheit braußt, und von Cythärons Stirne
das nächtliche Geheul der Schwestern wiederhallt.
im Wahnsinn ihrer Qual, bis sie erschöpft im Streite
des Stolzes und der Leidenschaft
mit diesen Worten den Trojaner straft:
Verräther! ruft sie aus. Du hoffst noch zu verhehlen,
Du willst dich heimlich aus Carthago stehlen?
Dich hält die Liebe nicht, Barbar,
Die Treue nicht, die du mir einst geschworen?
Die Unschuld nicht, die ich durch dich verloren?
des Opfers, das du würgtest, nicht zurück.
[160]
Im Winter selbst willst du die Segel spannen,
willst dem Orkan zum Trotz von dannen?
Und ach! wohin? Nach einem fremden Strand!
Wie? Wäre nun dein Troja nicht gefallen,
wärs noch das Land der väterlichen Hallen,
dem du durchs wilde Meer entgegen ziehst!
Unmensch! Und ich bins, die du fliehst!
weil ich an dich doch alles schon verloren,
bey unsrer Liebe frisch geflochtnem Band.
bey Hymens jungen Freuden sey beschworen!
Empfiengst du Gutes je aus meiner Hand,
Laß dich erbitten. Bleib. O, hab Erbarmen
mit meinem Volk, mit dem verlornen Land!
[161]
Um deinetwillen haßt mich der Numide,
um deinetwillen sind die Tyrier mir gram,
auf ewig mich mit der entweihten Schaam.
Mein Ruf ist mir geraubt, die schönste meiner Kronen,
der meinen Nahmen schon an die Gestirne schrieb.
Mein Gast reist ab – mit Tod mich abzulohnen!
Wozu das traur’ge Leben mir noch fristen?
bis Jarbas mich in seine Ketten zwingt?
bis sich der Bruder zeigt, mein Tyrus zu verwüsten?
Ja! Läge nur, wenn dich die Flucht von dannen bringt,
Säh ich dein Bild, in einem Sohn verjüngt,
in einem theuren Julus mich umspielen,
getröstet würd ich sein, nicht ganz getäuscht mich fühlen!
[162]
Sie schweigt und Zevs Gebot getreu, bezwingt
mit denen still die Heldenseele ringt.
Nie, rief er jetzt, werd ich mit Undank dir bezahlen,
was dein beredter Mund mir in Erinnrung bringt.
Nie wird Elisens Bild aus meiner Seele schwinden,
der Geist noch nicht verlernt hat, zu empfinden.
Jetzt wen’ge Worte nur. Nicht heimlich wie ein Dieb,
o glaub das nicht, wollt ich aus deinem Reich mich stehlen.
Wann maßt ich je mich an, mit dir mich zu vermählen?
Wär mirs vergönnt, mein Schicksal mir zu wählen,
was von der Heimat mir nur irgend übrig blieb,
mein Troja sucht ich auf, die Reste meiner Theuern,
mit frischer Hand den Thron der Väter zu erneuern.
[163]
des herrlichen Italiens mich eilen.
Dort ist mein Hymen, dort mein Vaterland!
Kann dich, die Tyrerinn, Karthagos Strand, verweilen,
den du erst kurz zum Eigentum gemacht –
sich in Ausonien nach Hütten umzuschauen?
Auch uns stehts frey, uns auswärts anzubauen.
Nie breitet um die stille Welt
die Nacht ihr thauiges Gewand, nie sticken
daß nicht Anchisens Geist, Entrüstung in den Blicken,
im Traumgesicht sich mahnend vor mich stellt.
Mich straft ein jeder Blick, der auf den Knaben fällt,
daß ich durch Zögern ihn von einem Thron entferne,
[164]
Und jetzt gebeut der Götterbote mir
das nehmliche, vom Herrn des Himmels selbst gesendet.
Bey meinem Leben, Fürstinn, schwör ichs dir,
bei meines Sohnes Haupt! Kein Wahn hat mich geblendet.
in diese Mauren ziehn. Ich hörte seine Stimme.
Drum quäl uns beyde nicht mir undankbarem Grimme;
nicht freye Wahl entfernt mich, sondern Pflicht.
Längst hatte sie, indem er sprach, den Rücken
dann mißt sie schweigend ihn mit großen Blicken.
Jetzt reißt der Zorn sie fort. „Verräter! ruft sie, dich,
dich hätte Cypria, die Göttinn sanfter Lüste,
dich Dardanus gezeugt? – In grausenvoller Wüste
und Tigermütter reichten dir die Brüste.
[165]
Denn was verberg ich mirs? Brauchts höheren Beweis?
Hat Einen Seufzer nur mein Jammer ihm entrissen?
Mein Schmerz nur Einmal aufgethaut das Eis
Floß eine Thräne nur, sein Leid mir zu gestehn?
O, was empört mich mehr? Sein Undank? Diese Kälte?
Gerechte Götter! Nein, von eurem hohen Zelte
könnt ihr dieß nicht gelassen sehn!
ihn auf, des Elends Raub, des Todes Beute, wies
ihm einen Wohnplatz an in meinem Lande,
entriß dem Tode sein Gefolge, ließ
der Flotte Trümmer sammeln – O, mich bringts von Sinnen!
Nun schickt Chronion selbst von des Olympus Zinnen
Befehle nieder, gräßlich, schauervoll!
[166]
O freilich! das bekümmert die dort oben!
Das stört sie auf in ihrer goldnen Ruh!
Geh immer. Steure frisch dem Tiberstrome zu.
Noch leben Götter, die den Meineid rächen.
Auf sie vertraut mein Herz. Geh. Ueberlasse dich
den Wellen nur. Ich weiß, du denkst an mich,
Abwesend eil ich dir in schwarzen Flammen nach,
und schrecklich soll, wenn dieses Leibes Bande
des Todes kalte Hand zerbrach,
mein Geist dich jagen über Meer und Lande.
Ich hör es noch, wenn man mich längst begraben,
im Reich der Schatten will ich mich
an dieser Freudenbotschaft laben.
[167]
Hier bricht sie ab, entreißt in schneller Flucht,
der noch verlegen säumt, und fruchtlos Worte sucht,
des Kummers Größe auszudrücken.
Besiegt von ihrem schweren Harm,
sinkt sie in ihrer Dienerinnen Arm,
und den erschöpften Leib auf weichen Kissen pflegen.
Wie feurig auch der Menschliche sich sehnt,
durch sanfter Worte Kraft die Leidende zu heilen,
wie mancher Seufzer auch den Heldenbusen dehnt,
und Amors Stimme weicht dem göttlichen Geheiß.
Er fliegt zum Strand, wo der geschäftge Fleiß
der Seinen brennt, die Schiffe flott zu machen,
schon tanzen auf der Flut die wohlverpichten Nachen.
[168]
(so ernstlich gilts) noch grün die Ruder hergetragen,
es lebt von Menschen, die zum Ufer jagen,
vom Hafen bis zur Stadt der ganze Zwischenraum.
So wenn geschäftiger Ameisen Schaaren,
den Waizenberg zu plündern glühn,
und mit dem Raube dann in ihre Löcher fliehn.
Der schwarze Trupp durchzieht die Schollen,
bemüht, die Beute fortzurollen,
stemmt dort, die schweren Körner zu bewegen,
sich mit den Schultern kräftiglich entgegen;
dem dritten ist die Aussicht anvertraut,
der spornt das Heer und straft die Trägen,
[169]
Wie war bey diesem Anblick dir zu Muth,
Elisa? welche Seufzer schicktest
du zum Olymp, als du des Eifers Glut
von deiner hohen Burg am Meeresstrand erblicktest?
erzittern sahst von rauen Schifferkehlen?
Grausame Leidenschaft! Auf welche Proben stellt
dein Eigensinn der Menschen Seelen!
Aufs neue wird der Thränen Macht
der Leidenschaft zum Opfer dargebracht.
Wie sollte sie, eh alle Mittel trügen,
hinuntereilen in des Grabes Nacht?
Sieh, Anna, ruft sie aus, wie sie zum Hafen fliegen!
bekränzt! die Segel rufen schon dem Wind!
[170]
Hätt ich zu diesem Schlage mich versehen,
so hätte, ihn zu überstehen,
mir auch gewiß die Fassung nicht gefehlt.
Dir noch allein. Du darfst in seine Seele schauen,
nie hat er eine Regung dir verhehlt.
Du weißt des Herzens weiche Seiten auszuspähen,
drum geh, den stolzen Feind noch einmal anzuflehen.
verschworen mit dem Feind, sein Ilium zu schleifen,
nie Schiffe mitgesandt, die Veste anzugreifen,
des Vaters Asche nie aus ihrer Gruft entwandt.
Warum schließt er sein Ohr hartherzig meiner Bitte?
Er wage doch die Fahrt nicht in des Winters Mitte.
Dieß sey der letzte Dienst, um den ihn Dido fleht.
[171]
Nicht jenes alte Band will ich erneuern,
das er zerriß, nicht hinderlich ihm seyn,
Um Aufschub bitt ich ihn allein,
um etwas Frist, den Sturm des Busens zu bezähmen,
gelaßner zu verschmerzen diesen Schlag.
Noch diesen Dienst laß in das Grab mich nehmen,
So fleht die Elende. Der Schwester heiße Zähren
bringt Anna vor sein Ohr. Umsonst, die Götter wehren,
sein leicht gerührtes Herz verschließt des Schicksals Macht.
So, wenn den hundertjährgen Eichstamm umzureißen,
und brausend ihn umwehn. Bis an den Wipfel kracht
der Stamm, sie fassen heulend seine Glieder,
und von den Zweigen rauscht ein grüner Regen nieder.
[172]
Er selbst hängt zwischen Klippen fest, so weit
so tief dringt seine Wurzel in die Hölle.
So ward von fremdem Flehn, noch mehr von eignem Schmerz
zerrissen jetzt des Helden Herz,
doch der Entschluss behauptet seine Stelle.
die Thräne fließt umsonst, und kalt bleibt sein Gemüth.