Dichterstiftungen
[752] Dichterstiftungen. Aus einem trefflichen Werke, das soeben ein Mitarbeiter der Gartenlaube, Otto Glagau, über Fritz Reuter und dessen Dichtungen veröffentlicht hat und auf welches wir demnächst ausführlicher zurückkommen, entnehmen wir die nachstehende Stelle, die wir zunächst der gesammten deutschen Schriftstellerwelt zur Beherzigung empfehlen.
– – Sehr fraglich bleibt es, ob Dichterstiftungen ein Bedürfniß sind, ob sie nicht mehr Schaden als Nutzen bringen. Wir glauben nicht, daß die Nation die Pflicht hat, für die Existenz ihrer Schriftsteller zu sorgen. ebensowenig, wie für den Unterhalt ihrer übrigen Mitbürger. Wenn Jene etwas leisten können, wird es ihnen gar nicht schwer fallen, ihren Erwerb zu finden und sich gegen Mangel in Alter und Krankheit zu schützen; denn trotz der zahllosen Concurrenten aller Grade ist die Nachfrage auf dem literarischen Markte noch immer größer als das Angebot, und die Honorare sind heute zehnmal höher als zu den Zeiten von Goethe und Schiller. Das mag sehr prosaisch klingen, aber es ist nichtsdestoweniger – wahr. Ueberhaupt muß man sich des verrotteten Vorurtheils entwöhnen, daß es der Würde den Genius widerstrebe, zu arbeiten, zu zählen und zu rechnen. Das sind nur verkommene Genies, deren ganze Genialität in ihrer Liederlichkeit besteht. Wahre Genies dagegen, wie Kant und Goethe, sind ganz praktische haushälterische Leute gewesen. – Es ist eine alte Wahrheit, daß im Kampfe mit dem Leben das Talent oder Genie sich erst als solches ausweise, stähle und bewähre. Wer darin untergeht, verdient seinen Untergang. Andrerseits haben wir aus neuerer Zeit viele Beispiele, daß gerade die Fülle von Lohn und Ehre, die man über ein heraufkeimendes Talent ausgeschüttet, dieses gelähmt, erstickt hat. Alle jene Pensionäre haben seit ihrer Pensionirung nichts mehr oder doch Unbedeutendes geschaffen.