Deutsches Frauenleben im Mittelalter (Die Gartenlaube 1878/31)

Textdaten
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Autor: Friedrich Helbig
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Titel: Deutsches Frauenleben im Mittelalter.
3. Gewandung, Schmuck und Stoffe.
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 31, S. 509-512
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[509]
Deutsches Frauenleben im Mittelalter.
Eine culturhistorische Studie von Fr. Helbig.

3. Gewandung, Schmuck und Stoffe.

Ein linnenes, ärmelloses Unterkleid und darüber ein Mantel aus Fellen, von einer Spange oder auch nur einem Dorne zusammen gehalten – das war der schlichte Anzug der deutschen Frau in den ersten Zeiten ihrer Geschichte. Er blieb auch die Grundlage für die weitere Entwickelung der Gewandung, die wir nun verfolgen wollen. Da kam zunächst zu dem Untergewande der Rock und mit ihm der Aermel, der den Unterarm so eng umschloß, daß er, um das Anziehen zu ermöglichen, an einer Seite aufgetrennt und dann zugeschnürt, „vernäht“ oder [510] auch zugeknöpft wurde. Zu diesen Unterärmeln gesellten sich später, von der Mitte des Unterarms herabfallend, weite lange Oberärmel, die gewöhnlich erst beim Ausgehen angeheftelt oder angeschnürt wurden. Ihre Länge wurde den Frauen oft so lästig, daß sie genöthigt waren, dieselben um den Arm zu wickeln. Abgeschafft wurden sie deshalb nicht; im Gegentheil, sie wurden nur immer länger und weiter bis hinein in das fünfzehnte Jahrhundert. Sie waren freilich ein willkommener Platz zur Anbringung von allerlei Zierrathen, Verbrämung mit Pelzwerk, Stickerei und Edelgestein, und im Winter leisteten sie gute Dienste – als Muffe und Nasenwärmer.

Zwischen Rock und Mantel drängte sich dann noch das Obergewand. Unter dem Namen „Kurzebold“ tritt es als kurzes Gewand und Staatskleid schon im elften Jahrhundert in die Scene; im dreizehnten modelt es sich zum förmlichen Oberrock und nimmt zugleich modisch wechselnde Formen an. Enganliegend und der polnischen Kasseweika ähnelnd, auch in der That slavischen Ursprungs, erscheint es unter dem Namen „Sukenie“; weitärmelig und an der Seite von unten aufgeschlitzt, führt es sich ein als „Surkot“; als Pelzoberrock, „Kursit“, war es über den Rhein herübergekommen. Eben daher kam später die „Tappert“, ein langer rundgeschnittener Ueberwurf, von dem hinten ein langer Streif auf der Erde hinschleppte. Von den Frauen verlassen, rettete die Tappert sich auf’s geistliche Gebiet hinüber und fristet noch bei den protestantischen Kirchendienern ihr vereinsamtes Dasein. Die „Frau auf Reisen“ hüllte sich in ein weites Uebergewand mit Aermeln, das die ganze Figur vom Scheitel bis zur Sohle bedeckte und auch noch eine Kapuze für den Kopf abwarf. Man sieht, unsere Damenregenmäntel haben auch ihre Ahnen.

Auch die Mäntel wurden kostbarer. Inwendig, selbst im Sommer, mit feinem Pelzwerk gefüttert, tragen sie am Außenrande reich mit Gold und Borde gezierte Säume. Die linke Schulter war vom Mantel bedeckt und dieser auf der rechten befestigt, sodaß der rechte Arm frei blieb. Beim Gehen hob man mit der rechten Hand den Mantel etwas in die Höhe, und der linke Daumen hielt die schließende Spange fest.

Untergewand und Rock hielt ein Gürtel zusammen. Anfangs einfach, ein seidenes Band, ein Riemen von rothem Leder, wurde er später zu einem luxuriösen Schmuckstück, bei welchem man Gold und Edelsteine nicht schonte. Er war aus Erz oder Silber getrieben, auch wohl vergoldet, und man zierte ihn im vierzehnten Jahrhundert noch obendrein mit Glocken und Schellen. Eine besondere Art war der „Dupfing“, aus viereckigen Platten zusammengesetzt, den man nicht mehr in der „Krenke“ – dies der mittelhochdeutsche Ausdruck für Taille –, sondern tiefer um die Hüften gespannt trug. Die Laune der Mode hat diesem Dupfing bekanntlich gegenwärtig wieder zu einem flüchtigen Dasein verholfen. Inzwischen hatte man auch begonnen, die Kleider zu schnüren, indem man durch einen an der Seite angebrachten Schlitz Fäden zog. Dies führte unter französischem Einflusse dann weiter zur Verengung der Kleider und der Taille, von welcher sich unsere Frauenwelt nicht wieder hat emancipiren können. Nunmehr hatte der Gürtel die Berechtigung seiner Existenz verloren; er wurde zum bloßen Luxusartikel.

Bedeutend mehrte sich der Reichthum und die Mannigfaltigkeit der Kleiderstoffe in ihren verschiedenen Arten und Abarten. Sie werden zugleich zum redenden Zeugniß für die hohe Entwickelung, auf welcher sich damals die Industrie befand. Die Linnenweberei der deutschen Frauen war weltberühmt. Die Niederlande, Niedersachsen und Schwaben waren die Hauptfabrikationsgebiete, und die Veroneser, später die Brabanter Leinwand genossen einen hohen Ruf. Als ein besonders feines und weißes Linnen galt der Saben, dessen Erzeugungsstätte die Dichter nach Marocco verlegten. Eine feine einheimische Linnenart nannte man nach ihrem gleißenden Scheine Gliza. Auch doppelt gewebter Zwillich und Hanfleinen kamen schon vor.

Die Baumwolle nahm den Weg von Arabien über Spanien und Italien erst ziemlich spät nach Deutschland. Wohl aber webte schon früh die Hand des Germanen aus Schafwolle und Ziegenhaaren Tuch. Das beste wurde bereitet im Lande der Friesen. Dann traten die Niederlande in den Vordergrund. Gent, Brügge, Antwerpen, Ypern und andere niederländische und flandrische Städte gaben ihm Namen und Heimath. Aber auch der ausländische Import war ein bedeutender. Unser Gewährsmann Weinhold stellt eine ziemliche Menge der verschiedensten Arten zusammen. Da ist der Barragan, ein lichter dicht gewebter Stoff, dessen Fabrikort das äußerst industrielle Regensburg war; der Buckeran, aus Ziegen- oder Bockhaaren gewoben, dessen feinste Sorten aus Syrien, Armenien, Persien und Cypern kamen; Diasper, fein, vielfach schillernd; Ferran, von Farbe apfelgrau, aus Wolle und Seide gemischt; Fritschel, grün und gelb, aus reiner Wolle; Kamelot, aus Kammeelhaaren; Serge, von seidenartiger Feinheit, in Flandern, England und Irland zu Hause. Vor allem aber beliebt und von Rittern und Edelfrauen mit Vorliebe getragen war das Scharlachtuch; ursprünglich von Farbe roth und braun, gab es später auch grünen und blauen, selbst weißen Scharlach.

 Ein Gürtel golden
Umschloß den dunkeln Scharlachrock,
Der weit umwallte die Holden –

heißt es im „Parcival“ von der Gräfin Tenabrock und ihrer Gespielin. Die Niederlande, besonders Gent und Ypern, lieferten den besten; England und Regensburg wetteiferten ihnen nach.

Der Orient führte auf der Wasserstraße der Donau und über Italien und Spanien schon früh seinen Reichthum an feinen Stoffen und Geweben, an Seide, Sammet, Schmuck und edlem Gestein in’s deutsche Land. Arabien, Libyen, Marocco, Ninive, Alexandrien und Syrien werden in den Dichtungen des Mittelalters als die Mutterorte der Seide bezeichnet. Daneben aber auch noch andere gar wunderlich zusammengesetzte Orte, deren Namen der heutige Geograph vergebens zu ermitteln streben würde. Alle Farbennüancen waren in ihr vertreten: „weiß wie Schnee“, „grün wie Klee“, „gelb-roth“, „wolkenblau und schwarz“. Wunderbare Sagen lebten über ihre Herkunft und Bereitungsweise im Volksmunde. Das weitaus berühmteste war der Pfellel. Von ihm heißt es an einer Stelle in Gottfried’s von Straßburg „Tristan“:

Rock und Mantel hat er an
Von edlem Pfellel; der war
Gewirket wunderbar.
Es hatte Sarazenenhand
Mit feinen Börtlein dies Gewand
Zu aller Augen Preise
Nach heidnischer Weise
Gar künstlich durchwoben.

Eine andere Stelle bezeichnet ihn von Farbe „grüner als Maiengras“. Der Sage nach sollten ihn Salamander weben „in einem hohlen Berge, weit drinnen in der großen Asia“. Daher galt er für unverbrennbar.

Andere Seidenstoffe waren der Plialt, ein theurer golddurchwirkter Stoff – „ein kostbar Gut“, heißt es im „Parcival“ – purpurbraun oder schillernd. Ferner der Palmet, leichtes Seidenzeug – „Matrazen von Palmet, köstlich gesteppt“ –; der Pfauin, ein schillernder Seidenstoff, auf welchem Pfauenfedern künstlich nachgeahmt waren; der Baldekin, aus Seide und Goldfäden moiréeartig gewoben; „grüner Achmerdi aus Arabia“; der Triblet, dreimal in Purpur oder Scharlach getaucht; der Zindal, eine leichte, schon früh im Handel befindliche Sorte, in Lucca und Granada in gleicher Weise gefertigt, wie in Regensburg. („Parcival“, IV, 49.) Ueber Alles aber ging der Purpur, von Farbe nicht blos purpurbraun und violett, sondern auch wachsgelb und weiß und, als zu höchst im Werthe, schillernd. Auch der Sammet entstammte dem Morgenlande („Sammet von Ethnise und Persia“). Doch hatte auch Italien Sammetwebereien und führte viel nach Deutschland aus, das erst im Beginne des sechszehnten Jahrhunderts dessen Anfertigung betrieb. Auch eine unserem Manchester ähnliche geringere Art tritt unter dem bezeichnenden Namen „Bastardsammet“ auf. Sammet und Seide wurden oft gemeinsam durchwebt.

Bedeutend war auch der Verbrauch von Pelzwerk. Marder, Eichhörnchen, schwarze Füchse, Hermeline und Zobel trugen ihre Felle zu Markte, um den „holden Leib“ der deutschen Frau zu schmücken. Regensburg und Ulm tauschten das Pelzwerk ein von dem Süden, die Hansestädte von dem Norden. Mit Grau- und Buntwerk und dem edlen Hermelin, glänzend wie Schwan fütterte man Mäntel und Decken. Der vornehmste aber unter allen Pelzen war der Zobel. Er diente dem Hermelin gleichsam als Folie, indem er als Vorstoß und Besatz durch seine dunkle Färbung dessen Weiße glänzender zur Geltung brachte. Im [511] „Erek“ von Hartmann von Aue heißt es: „Der beste Zobel von der Welt komme von Conneland, dessen Herrscher der Sultan sei und das rings umschlossen werde vom Lande der Griechen und der Heiden“. Der Dichter meint damit wahrscheinlich Iconium, ein Stadtgebiet Kleinasiens. Sonst waren die weiten russischen Wälder und Steppen seine Heimath.

Auch Schlangen- und Fischhäute lieferten in seltenen Fällen den Stoff zu Kleidern.

Man liebte im Mittelalter die schreienden Farben und schwärmte für grelle Contraste und bunte Farbenverbände. Um diesen Zweck zu erreichen, wurden die Kleider oft aus Stücken Zeuges von verschiedener Farbe zusammengenäht. Man theilte dann den Rock der Länge oder der Breite nach in zwei farbig total verschiedene Hälften, ja ging sogar vor bis zu einer vierfachen Theilung, sodaß des Kleides Träger das Aussehen eines wandelnden quadrirten Wappens boten, was noch mehr der Fall war, wenn man, fränkischer Sitte folgend, auch noch den Löwen oder Greifen des eigenen Hauswappens in die bunten Felder stickte. Selbst in den Stoffen suchte man geflissentlich eine Verschiedenheit. Die Männer fingen im dreizehnten Jahrhundert gar an, ihre Röcke zu zerstücken und zu zerschlitzen und sich mit Schellen zu behängen. Es war vielleicht das einzige Mal in der Geschichte, daß sie eine Modethorheit für sich allein behielten, denn die Frauen folgten ihnen darin nicht nach. Dagegen wahrten diese in dem Anheften mächtiger Schleppen bei Festen und Tänzen von der Edelfrau bis zur vermögenden Bäuerin sich eine Specialität, die ihnen die Männer nicht nachmachen konnten. Sie thun ihnen deshalb auch den Tort an, immer wieder auf diesen weiblichen Vorbehalt zurückzugreifen.

Die Farben wurden oft zu Fühlern und Deutern heimlicher Neigung. Namentlich die Männer trugen ihre Röcke gern in den Lieblingsfarben der Geliebten. Sie suchten, wahrten oder erlogen auch wohl damit die Gunst der Frau. Dann bildete sich auch im Zeitenlaufe eine Farbensymbolik aus, die sich theilweise noch in neuester Zeit, namentlich in den Kreisen unserer aufblühenden Jugend, Geltung zu verschaffen weiß. Ein allegorisches „Jagdgedicht von der Minne“ von Hadamar von Laber deutet im sechszehnten Jahrhundert die Farben dahin, daß Grün der Minne Anfang, Weiß deren Hoffnung, Roth ihre brennende Gluth, Gelb ihre Erhörung und Erfüllung, Blau ihre Treue und Schwarz ihren Verlust anzeige. So wurde auch die Liebe im goldenen, Ehre im rothen, Trauer im schwarzen, Beständigkeit im blauen und Mäßigkeit im weißen Gewande allegorisch vorgeführt. Schwarz war auch im Mittelalter die Farbe der Trauer.

Handschuhe trugen die deutschen Frauen schon im achten und neunten Jahrhundert. Auch sie unterlagen einer sich steigernden Vervollkommnung. Sie wurden namentlich die Basis für allerlei Zierrath und Schmuck. Schon im elften Jahrhundert wurden sie mit bunter Stickerei, mit Perlen und Edelsteinen versehen. Ihr Stoff ist Seide oder feines Leder, und sie bedecken oft den ganzen Unterarm.

Die Strümpfe – wir müssen der Vollständigkeit halber auch bis zu diesen hinabsteigen – treten als Bestandtheil der Frauenkleidung wenigstens bereits im zehnten Jahrhunderte in die Erscheinung. Ihre Farbe war weiß, roth oder grün, der Stoff Wolle oder Seide.

Auch die Schuhe haben ihre Entwickelungsgeschichte. Anfangs nur ein Lederstück ohne Sohle, von Riemen zusammengehalten, gewinnt der Schuh mit der hinzukommenden Sohle auch eine größere Länge, ja streckt sich bis zum unförmlichen Schnabelschuh, der weit über die natürliche Grenze des Fußes hinausragt. Fester dem Fuße angeschmiegt bedarf er der Riemen nicht mehr. An die Stelle des früher dazu verwendeten deutschen Schafleders tritt das feine spanische Corduanleder, das auch in deutschen Städten, besonders in Zürich, nachgemacht wurde.

Das Haar pflegten die deutschen Frauen in der Mitte zu scheiteln und durch ein Band zu fesseln. An den Schläfen und Wangen hernieder ließ man geringelte und mit bunter Borde durchflochtene Locken fallen oder legte sie um Wange und Stirn herum, wie ein Diadem. Das Durchflechten des Haares mit Seidenfäden geschah, um seinen Glanz zu erhöhen. Auch auf das Brennen der Locken verstand man sich. Das andere ungelockte Haar fiel lose oder in langen Zöpfen den Rücken hinab. Die Zöpfe wurden mit Goldfäden, Borde und Perlen durchwoben, und dann zur besseren Schau wohl vorn über die Brust gelegt. Schon im dreizehnten Jahrhundert fing man an das Haar hinten aufzubinden, gegen welche Nachäffung französischen Brauchs die Dichter, wie der patriotische Walther von der Vogelweide, tapfer schmähend zu Felde zogen, so vergeblich wie Alle, die den Kampf aufnahmen wider die Thorheit der Mode. Fest und Tanz sahen die Jungfrau im Kranze, die edle Frau im Goldreif. Das Oberhaupt bedeckte züchtig das Schleiertuch, das faltig herniederfiel auf Schulter und Nacken, weiß von Farbe, von Linnen oder Seide, oft reich gestickt. Später, im fünfzehnten Jahrhundert, diente es zugleich als Brusttuch. Der Luxus, der mit den Schleiern später getrieben wurde in Stoff und Verzierung, regte gar manchen hochweisen Magistrat an zum Erlaß einer Schleierordnung wider die putzwüthigen Bürgerinnen der Stadt.

Die züchtige deutsche Hausfrau verhüllte aber noch außerdem Wange, Stirn und Kinn mit dem „Gebende“, das heißt mit zwei Binden aus gleichfalls weißer Leinwand oder Seide, davon die eine die Stirn bedeckte (die sogenannte Wimpel), die andere Kinn und Wange (die sogenannte Nise).

Zur Bedeckung des Kopfes außer dem Hause trugen die Frauen Hüte von so mannigfach wechselnder Form, daß sich ein Grundtypus nicht wohl feststellen läßt.

Einen reichen Bestandtheil des fraulichen Schmuckes bildete das Geschmeide, das aus Erz und Bronze zu Silber und Gold sich wandelte. Vor Allem und zumeist waren es Spangen, in der mittelalterlichen Sprache Baugen, welche in der ausgiebigsten Weise zur Verwendung kamen, am Unter- und Oberarm, am Hals und, wie wir bereits sahen, zum Verschluß des Mantels. In den Truhen lagen sie reihenweis geschichtet, um an einkehrende Gäste oder auch zum Dank für Bewirthung und treue Dienste verschenkt zu werden.

Als Brustschmuck dienten zu Ketten gereihte Ringe, welche vom Halse herabfielen. Auch Brochen kannte man selbst dem Namen nach bereits. Sie wie die Gürtelschnallen boten der Kunst des Goldschmiedes und des Steinschneiders reiche, wohlbenutzte Gelegenheit, sich schöpferisch zu entfalten. Auch das „Danziger Harz“, der Bernstein, wurde, künstlerisch gestaltet, als Schmuck an Hals und Brust getragen. Ohrringe und Fingerringe bedürfen noch der Erwähnung. Die letzteren machten eine stufenweise Entwickelung durch, vom einfachen Gras- und Strohring bis zum edelsteingeschmückten Goldreifen.

So haben wir die Kleidung und den Schmuck der Frau des deutschen Mittelalters vom Scheitel bis zur Sohle in kurzen Zügen angegeben. Am Schlusse wollen wir noch einmal dem Dichter das Wort gönnen zu einer zusammenfassenden Schilderung. Es ist Hartmann von Aue, der in seiner erzählenden Dichtung „Erek“ die Bekleidung der anmuthigen Enite durch die Hand ihrer königlichen Herrin also wiedergiebt:

„Sie hüllte selbst mit ihrer Hand
Die Jungfrau in ein Hemde ein,
Das glänzte von weißseid’nem Schein.
Auf’s Hemde einen Rock sie legte,
Der viel Bewunderung erregte;
Er war geschnitten von Meisterhand,
Nach Moden aus dem Frankenland,
War nicht zu enge noch zu weit.
Von grünem Sammet war dies Kleid,
Mit spannenbreiter Kante;
Die Schnüren am Gewande
Von gold’nen Fäden schön gewunden,
Auf beiden Seiten angebunden
Zum Schnüren fest an Saumesrand
Von rechter und von linker Hand
Um ihre Taille zart.
Dann Frau Eniten ward
Ein span’scher Gurt herumgelegt,
Den jede Frau so gerne trägt,
Und eine Broche wohl handbreit
Stak vor der Brust ihr in dem Kleid –
Das war ein gelber Rubinstein – –
Sodann ein Mantel lang und schwer –
Das Futter war von Hermelin,
Ein reicher Stoff der Ueberzug;
Besetzt war’s königlich genug
Mit Zobelfell bis an die Hand.
Zusammen hielt ihr Haar ein Band,
Das nicht zu schmal, zu breit nicht war,
Kreuzweise sich schnitt über’m Haar.
Gar prächtig schien das Kränzelein,
Daß es nicht besser konnte sein.“

[512] „Nun, Gott sei Dank, daß die unselige Geschichte ein so glückliches Ende genommen hat! Es brachte mich fast zur Verzweiflung, daß ich die Veranlassung dazu sein mußte. Ich gratulire Dir von Herzen zu Deiner Befreiung, Papa.“

Mit diesen Worten umarmte Max Brunnow herzlich seinen Vater, der mit einem flüchtigen Lächeln erwiderte:

„Die Sache kam mir nicht ganz unerwartet. Ich hatte schon vor einiger Zeit einen ziemlich deutliche Wink erhalten und zwar vom Polizeidirector selbst.“

„Die Presse hat sich aber auch wacker Deiner angenommen.“ sagte Max. „In allen Zeitungen wurde der Ruf nach Begnadigung laut und das Publicum hatte nun vollends vom ersten Tage an leidenschaftlich Partei für Dich genommen.“

Dieses Gespräch fand in der ehemaligen Wohnung des Assessor Winterfeld statt, die dieser bei der schnellen und unerwarteten Abreise von R. seinem Freunde überlassen hatte. Max war unmittelbar nach seiner Genesung wieder dorthin zurückgekehrt und hatte vor einigen Stunden den Vater bei dessen Entlassung aus der Haft abgeholt. Die von allen Seiten erwartete Begnadigung Brunnow’s war nun wirklich erfolgt und mit allgemeiner Genugthuung begrüßt worden. Man hatte schließlich über den Starrsinn des Doctors hinweggesehen, der sich zu keiner Bitte und keinem Schritte seinerseits verstehen wollte; er war vollständig amnestirt worden. Trotzdem sah er düster und niedergeschlagen aus. Er war blaß und offenbar angegriffen. Max dagegen war völlig unverändert. Seine kräftige Natur hatte, wie er vorausgesehen, ungemein rasch die Folgen der Krankheit überwunden, nur die frische Narbe auf der Stirn erinnerte noch daran. Im Uebrigen aber war das sonst ziemlich rücksichtslose Benehmen des jungen Mannes der rücksichtsvollsten Herzlichkeit dem Vater gegenüber gewichen. Er empfand tief die Aufopferung desselben, und auch Brunnow fühlte jetzt erst, was der Sohn ihm werth war. Jene Stunde am Krankenbette hatte das einst so gespannte Verhältniß zwischen den Beiden in das innigste Einverständniß gewandelt.

„Nun aber zu andere Dingen!“ sagte Max abbrechend. „Ich habe Dir ein Geständniß zu machen. Sieh mich einmal an, Papa. Bemerkst Du gar nichts Außergewöhnliches an mir?“

Brunnow musterte ihn etwas verwundert vom Kopfe bis zu den Füßen. „Nein, Ich finde nur, daß Du Dich außerordentlich schnell erholt hast; sonst bemerke ich nichts.“

Max richtete sich würdevoll empor, trat dicht vor seinen Vater hin und erklärte mit Selbstgefühl:

„Ich bin Bräutigam.“

„Bräutigam – Du?“ wiederholte der Doctor überrascht.

„Schon seit mehreren Wochen. Es stand in der letzten Zeit allzuviel für uns auf dem Spiele, als daß ich Dich mit meinen Herzensangelegenheiten hätte behelligen können. Jetzt aber, wo Du frei und gerettet bist, bitte ich um Deine Zustimmung. Du kennst meine Braut bereits; es ist Hofrath Moser’s Tochter.“

„Wie, doch nicht etwa das junge Mädchen, das mir Auskunft über Dein Befinden gab? Unmöglich!“

„Weshalb unmöglich? Mißfällt Dir Agnes?“

„Das nicht, aber diese zarte, blasse Erscheinung, mit den schwärmerisch dunklen Augen ist doch sicher nicht Dein Geschmack. Und dann diese seltsame nonnenhafte Kleidung; ich glaubte eine barmherzige Schwester zu sehen, die man zu Deiner Pflege hergerufen hatte.“

„Sie will auch in’s Kloster gehen,“ sagte Max. „Ich werde mich wohl noch mit der Frau Aebtissin, dem Herrn Beichtvater und einem halben Dutzend Hochwürdigen herumschlagen müssen, ehe es zur Trauung kommt.“

„Aber Max!“ fiel der Vater ein.

„Agnes ist ausnehmend zart und auch kränklich,“ fuhr Max fort, „aber es ist nichts Gefährliches, nur nervöse Ueberreizung. Ich werde sie schon gesund machen, wofür bin ich denn Arzt? Vom Hauswesen versteht sie allerdings leider gar nichts.“

„Da Du Dein Heirathsprogramm so ausgezeichnet inne hältst,“ spottete Brunnow, „wie steht es denn mit dem ersten und Hauptparagraphen desselben, mit dem Vermögen, das Du für unerläßlich erklärtest?“

Der junge Arzt machte ein ziemlich verlegenes Gesicht.

„Pah, ich habe eingesehen, daß es gar nicht darauf ankommt. Traust Du mir nicht die Fähigkeit zu, meine Frau und meinen Hausstand allein zu erhalten? Auf Vermögen kann ich allerdings nicht rechnen.“

„Nun, das muß man sagen, Du gehst consequent zu Werke,“ brach der Vater aus. „Das läuft ja Alles auf das directe Gegentheil Deiner früheren Ansichten hinaus. Was ist denn eigentlich mit Dir vorgegangen?“

Max seufzte tief auf. „Ich weiß es nicht, aber ich glaube, der Idealismus ist jetzt auch bei mir zum Durchbruch gekommen. Du hast Dir Dein Lebenlang umsonst Mühe gegeben, ihn mir beizubringen. Agnes ist das in wenigen Woche gelungen, und da Du diese Eigenschaft stets bei mir vermißt hast, so hoffe ich, Du wirst darüber entzückt sein.“

Der Doctor sah nichts weniger als entzückt aus. Er betrachtete den so plötzlich ausgebrochenen Idealismus seines Sohnes mit offenbarem Mißtrauen.

„Aber Max, das geht nimmermehr,“ sagte er kopfschüttelnd. „Ein junges Mädchen, in Klosterideen erzogen, zur religiösen Schwärmerei geneigt, die Tochter eines Bureaukraten vom reinsten Wasser, willst Du in unsere Lebenskreise und Lebensanschauungen verpflanzen? So bedenke doch –“

„Ich bedenke gar nichts, sondern ich heirathe,“ unterbrach ihn Max. „Alles, was Du mir da einwirfst, habe ich mir hundertmal selbst vorgehalten, es hat aber nichts geholfen. Ich muß Agnes haben, und sollte ich alle Hindernisse, inclusive den Papa Hofrath und seine weiße Halsbinde, im Sturme nehmen.“

„Ja, der Hofrath,“ fiel Brunnow ein. „Was sagt er denn zu der Sache?“

„Vorläufig noch gar nichts, denn er weiß noch nichts davon. Ich konnte ihn begreiflicher Weise nicht um die Hand seiner Tochter bitten, während Du als ehemaliger Hochverräther im Gefängnisse saßest, jetzt aber werde ich mit meinem Antrage nicht länger zögern. Er wird mich zur Thür hinauswerfen, wenigstens wird er die freundliche Absicht äußern, es zu thun, aber ich bin nicht so leicht von einem Platze fortzubringen, den ich behaupten will. Ich halte Stand. – Sieh nicht so bedenklich aus, Papa. Ich versichere Dir, wenn Du Agnes erst kennst, so wirst Du zugeben, daß diese Verlobung der gescheiteste Streich meines ganzen Lebens war.“

Der Doctor mußte wider Willen lächeln. Wir wollen es abwarten. Wenn Du aber, wie vorauszusehen, einen längeren Widerstand bei dem Vater Deiner Braut zu überwinden hast, so werde ich sie für jetzt kaum sehen und sprechen können. Ich reise ja schon übermorgen nach Hause.“

„So gieb doch endlich diese Idee auf!“ bat Max. „Weshalb willst Du nicht warten, bis ich Dich begleite? Unsere Erbschaftsangelegenheit ist zwar glücklich beendigt, aber es ist noch so Manches zu erledigen. So hat sich zum Beispiel ein Käufer für das Gut des Vetters gefunden, und es wäre wohl am besten, wenn er persönlich mit Dir Rücksprache nehmen könnte.“

„Nein, nein!“ wehrte Brunnow ab. „Du hast ja hinreichende Vollmacht und erledigst dergleichen praktische Dinge viel besser, als ich selber. Ich will fort, so bald wie möglich.“

„Ich begreife Dich wirklich nicht,“ meinte Max, „Du hast Dich so oft noch dem Vaterlande gesehnt, und jetzt, wo es Dir wieder offen steht, fliehest Du es förmlich.“

Brunnow hatte sich niedergesetzt und stützte den Kopf in die Hand; der schmerzliche, gramvolle Zug in seinem Antlitz trat deutlicher als je hervor, als er entgegnete:

„Ich bin fremd geworden in meinem Vaterlande. Und glaubst Du, es macht mir Freude, wenn ich bei den Enthüllungen über die Vergangenheit Raven’s als Zeuge aufgerufen werde? Ich muß antworten, wenn man mich fragt, und ich will nicht gefragt sein, wenigstens hier nicht.“