Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Deutsche Gräber
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 16
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[16] Deutsche Gräber. Wenn man die Dankbarkeit der deutschen Nation nach den Gräbern ihrer Edelsten und Besten bemessen soll, so ist das Resultat ein sehr trauriges; Mozart, dessen Gesänge und Opernmelodien ganz Europa singt, ruht in einem Stückchen Erde, das Niemand kennt, und mit Gewißheit auch niemals wird bezeichnet werden können. Von Sebastian Bach weiß man nur, daß er auf dem Leipziger Friedhof Ruhe fand; das kleine Fleckchen, was seine Gebeine birgt, kennt man ebenfalls nicht. Wer weiß von Hutten’s Grab? Ungewisse Nachrichten behaupten, daß er auf der kleinen Insel Ufnau im Züricher See gestorben sei. Ein Denkmal, einen Stein nur, der seinen Namen trüge, hat Niemand gefunden. Leibnitzens Grab mußte durch einen Franzosen aufgefunden werden, kein Deutscher hatte danach gefragt. Die Gebeine des großen Archäologen und Kunstkenners Winkelmann ließ man ohne Denkstein, der Vergessenheit zum Raube, und schon im ersten Decennium dieses Jahrhunderts war es zweifelhaft, wo sie ruhen.

Auch des armen unglücklichen Bürger’s Grabstätte war lange Zeit unbekannt. Erst 1845, nachdem der Dichter, dessen Balladen Gemeingut der Nation geworden, bereits 51 Jahre im Grabe ruhte, ward durch die Bemühungen eines Göttinger Studenten die Frage nach dem Orte seiner Ruhe angeregt. Vergebens waren alle Forschungen, in den Behördenregistern fand man zwar den Namen Bürger’s, aber nichts über sein Grab. Durch Zufall traf man endlich einen alten Schneider, der sich des Begräbnisses des Dichters erinnerte. „Als er,“ erzählte dieser, „ein noch junger Mann, aus der Fremde zurückkehrte, habe er nicht gleich Arbeit gefunden, und eines Tages durch die Straßen Göttingens schlendernd, sei er einem Leichenzuge begegnet, dem er, da er just nichts Besseres zu thun wußte, nach dem Weender Friedhofe gefolgt sei. Der Todte habe Bürger geheißen, sei aber, wie er gehört, vor Hunger und Kummer gestorben. Auch sei die Bestattung sehr ärmlich gewesen. Unter den Wenigen, die dem Sarge folgten, habe er besonders den Buchhändler Dietrich bemerkt, der auch späterhin eine Akazie auf das Grab gepflanzt.“

Man suchte und fand die Akazie und somit das Grab. Sofort trat ein Comité zusammen, die Ruhestätte des Dichters mit einem Denkmale zu bezeichnen, der Magistrat der Stadt schenkte den Platz, es wurden Gelder gesammelt und – drei Jahre später stand noch immer die einsame Akazie des Buchhändlers Dietrich als einziges Denkmal auf dem Grabhügel; das Comité hatte sich aufgelöst, mit den Geldern war ein Student durchgegangen und das Dichtergrab, was so lange verschollen war, ist zur Stunde noch gänzlich verwahrlost, und Nesseln und Unkraut überwuchern die Ruhestätte eines deutschen Sängers, dessen Leben schon mit Dornen und Disteln reich übersäet war.

Armer Bürger!