Deutsche Bühnenleiter/Dr. August Förster
Deutsche Bühnenleiter.
Es war unsere Absicht, den Lebensbildern deutscher Bühnenleiter in der „Gartenlaube“ binnen kurzem das August Försters folgen zu lassen. Da trifft die Kunde von seinem jähen Hingang ein, der ihn am 22. Dezember mitten aus voller Schaffenskraft herausriß, und uns bleibt nichts übrig, als den wohlverdienten Ehrenkranz, den wir gern dem Lebenden dargereicht hätten, nunmehr dem Todten um das stille Haupt zu flechten.
Dr. August Förster ist im Jahre 1828 zu Lauchstädt geboren; er studirte in Halle Philologie und erwarb sich in Jena den Doktorhut. Aber bald darauf betrat er statt des Katheders die Bühne, zu der ihn eine unbezwingliche Neigung hinzog; wir finden ihn zunächst thätig an kleineren thüringischen Theatern, dann in Posen, Stettin, Danzig und Breslau. Im Jahre 1858 gewann ihn Laube für das Wiener Burgtheater, an welchem Förster schon früher als Gast aufgetreten war, und das glänzende Lob Laubes hat nicht wenig dazu beigetragen, daß er nach Friedrich Haases Abgang im Jahre 1876 die Direktion des Leipziger Stadttheaters erhielt, die er bis zum Jahre 1882 mit gutem Erfolg führte. Zwar war er in der Pleißestadt nicht gerade auf Rosen gebettet und manche seiner Maßnahmen begegnete lebhafter Opposition, die sich besonders längere Zeit hindurch auch gegen seinen Operndirektor Angelo Neumann richtete, bis die künstlerische That, zu welcher der letztere die Anregung gegeben hatte, die erste Ausführung der "Nibelungen" an einem stehenden Theater, womit Leipzig allen Hofbühnen vorausging, die öffentliche Meinung zu Gunsten der Direktion umstimmte. Es war das damals ein großes Wagniß; die Kosten waren überaus bedeutend; aber der vollkommene künstlerische und finanzielle Erfolg belohnten die Kühnheit der Unternehmer. Im Schauspiel zeigten sich die Vorzüge von Försters dramaturgischer Bildung bei der glänzenden Leitung der Proben wie beim Einstudiren der Schauspielkräfte. Fräulein Wessely, die als Anfängerin von der Wiener Theaterakademie nach Leipzig gekommen war, wurde in Försters Schule eine hervorragende Schauspielerin, die „Schöne Helena": Frau Geistinger zu allgemeiner Verwunderung eine stilvolle Tragödin.
Im Jahre 1883 trat Förster als Sekretär und Mitleiter des "Deutschen Theaters" in Berlin an die Seite von L´Arronge. Das neue Kunstinstitut erwarb sich bald eine geachtete Stellung unter den Berliner Theatern, in der Ausführung klassischer Dramen und neuer dichterischer Erzeugnisse von Werth mit dem königlichen Schauspielhaus wetteifernd. Dr. Försters Regietalent, sein unermüdlicher Eifer waren ein wesentlicher Faktor, der diesen Erfolg mit herbeiführen half. Als im Jahre 1888 der Ruf an ihn erging, von der Spree an die Donau überzusiedeln und die Leitung des Burgtheaters zu übernehmen, da trennte er sich schweren Herzens vom Deutschen Theater und gab seine Stellung erst auf, als ihm von Wien aus die günstigsten Bedingungen zugesichert wurden.
Seit etwas mehr als einem Jahre stand Förster an der Spitze des Wiener Hofburgtheaters, und er war gewiß der geeignete Mann dazu; nach Laubes eigenem Zeugniß mußte er als der durchaus befähigte Leiter dieses Instituts erscheinen und der „Alte" würde gewiß mit der Wahl dieses Nachfolgers einverstanden gewesen sein. Groß waren allerdings die Schwierigkeiten, die Förster zu überwinden hatte. Es waren Lücken im Personal auszufüllen und auch das neue Theatergebäude in seiner jetzigen Gestalt fand durchaus nicht allgemeinen Anklang. Man glaubte manches an der Akustik aussetzen zu sollen und überhaupt hatte sich das Publikum an die traulichen alten Räume gewöhnt, der größere Rahmen war den Kabinettsstücken des Konversationsschauspiels, durch welche das Burgtheater sich vorzugsweise glänzenden Ruf verschafft hatte, nicht günstig. Auch der begabteste Kunstleiter kann dieser Schwierigkeiten allein nicht Herr werden, da sie nicht auf seinem eigensten Gebiete liegen; er kann nur ihre Ursachen erkennen und auf Abhilfe dringen. Was aber die innere Reform und Fortbildung des Theaters betrifft, so war August Förster jedenfalls der berufene Bühnenleiter des Wiener Hofschauspiels. Er war mit den Verhältnissen dieses Theaters genau vertraut, kannte die Geschmacksrichtungen des Publikums, die literarischen Strömungen in der Donaustadt und hatte stets mit Bezug auf dramaturgisches Urtheil, auf litterarische Bildung und schriftstellerische Gewandtheit unter den deutschen Direktoren einen hervorragenden Rang eingenommen. Sehr zu bedauern war nun daß Försters schauspielerische Thätigkeit durch seine neue Stellung lahm gelegt wurde. Durch Wahrheit der Darstellung, meisterhafte [20] Rhetorik, wo sie angebracht war, und durch gesunden Humor hatte er stets glücklich gewirkt: wir erinnern nur, was die beiden letzten Vorzüge betrifft, an seinen Nathan und Stadtmusikus Miller, an seinen König Friedrich Wilhelm I. in „Zopf und Schwert“ und an seinen Snoughton in „Pitt und Fox“. Eine vorzügliche Leistung auf dem Gebiete der Tragödie war sein Erbförster in Otto Ludwigs gleichnamigem Trauerspiel.
Was seine schriftstellerische Thätigkeit betrifft, so war Förster in den verschiedensten Sätteln gerecht. Er hat für einzelne Zeitschriften größere Aufsätze aus dem Bereiche seines Fachs geschrieben, welche sich durch innern Gehalt und Gewandtheit der Darstellung auszeichnen; er hat nicht nur zahlreiche französische Stücke für die Bühne bearbeitet, was er früher oft in Gemeinschaft mit Heinrich Laube gethan; er hat neuerdings auch spanische Lustspiele mit Erfolg dem deutschen Theater zu eigen gemacht.
So stand Förster mitten in einem hoffnungs- und erfolgreichen Schaffen, als der Tod ihn abrief, ein Tod, so jäh und unvermittelt, wie er nur an den Menschen herantreten kann. Das glänzende Haus des Hofburgtheaters aber hüllte sich in Trauer, während draußen die Weihnachtsfreude ihre Wogen schlug.