Des Weibes Schöpfung
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- Des Weibes Schöpfung.
Als Gott am sechsten Schöpfungsabend
Vor seinen Werken sinnend stand
Und, sich an seinen Wundern labend,
Sie alle gut und herrlich fand:
Verklärend auf sein Angesicht,
Belebend wie die Frühlingssonne,
Und lieblich wie das Morgenlicht.
Von dieses Lächelns Strahlengrüßen
Auf Berg und Thal die holden, süßen,
Anmuthigen Kinder der Natur,
Die bei der Liebe süßem Kosen
Die Schönheit gern zum Kranze flicht,
Maiblümchen und Vergißmeinnicht.
Und auf des Frühroths Purpurschwingen
Die Englein flogen dann herab,
Mit Silberlilien zu umschlingen
Auch wollten sie die Blümlein schmücken
Mit Perlen-Thau im Morgenschein,
Und an die sel’ge Brust sie drücken,
Als gute liebe Schwesterlein!
Und in des Lenzes grünem Hag
Andächtig zu Jehova beten
Am lieben, heil’gen Sabbathtag!
Jetzt nahten sie den Blümlein plaudernd,
„Wie schad’ ist’s,“ sprachen sie dann zaudernd,
„Daß kein’s von ihnen reden will!“
Und Gott vernahm der Engel Klage,
Und gab der Ros’ und Lilie Leib:
Die Blume, die da spricht – das Weib!