Des Bischof Heber’s Reisen durch das nördliche Indien
Des Bischof Heber’s Reisen durch das nördliche Indien.
Die Beschreibung einer Reise durch die obern Provinzen Hindustans, längs der Ufer des heiligen Ganges, durch die schönsten Theile Bengalens, über einen der Gebirgszüge des Himalaya, dann westwärts über Delhi und Agra nach Bombay und Punah müßte selbst bei einem minder geistvollen Reisenden viel Anziehendes und Interessantes behalten; in Bischof Heber’s Händen aber wird sie in hohem Grade ergetzlich. Mit heitern lebendigen Farben bringt er die Landschaften, die er durchreist, vors Auge, und weiß oft selbst dem kleinsten Gegenstand Bedeutung und Leben zu geben. Die Einwohner betrachtet er überall mit wohlwollendem und, wenn auch nicht ganz unbestochenem, doch gutmüthigem Blicke. Schon die Sorglichkeit, mit der er in seinen Sittenschilderungen in das kleinste Detail eingeht, und nichts für zu unbedeutend hält, um seinen Zusammenhang mit der Natur des Landes und dem Geiste des Volks und seiner Geschichte aufzusuchen, beweist seinen gerechten, billigen Sinn. Der Styl ist der anspruchslose, vertrauliche einer Mittheilung an Freunde und Verwandte; natürlich aber mußte, bei dem beweglichen Geiste des Reisenden, die Größe und der mächtige Eindruck der Naturscenen, die ihm in diesem Theile der brittischen Besitzungen entgegentraten, oft unwillkürlich auch seiner Darstellung einen höhern Schwung geben.
Hier findet sich der höchste Punkt der Erde, 26,800 Fuß über dem Spiegel des Meeres. Dieser Punkt, von ewigem Schnee bedeckt, nie besucht von einem lebenden Wesen als von dem Condor oder dem Adler, ist im Schimmerlichte des Morgens oder im glühenden Abendroth über jede Beschreibung erhaben. „Tausend leuchtende Gipfel funkeln in dem heitern, wolkenlosen Aether, gleich den Stufen zu Gottes ewigem Throne.“
Wir wollen zuerst einige Stellen in Beziehung auf die von Europäern seltener besuchte hügelige Gegend am Fuße des Himalaya-Gebirgs ausheben.
Ein Rohilla war vor einigen Jahren nach Oude gekommen und hatte sich dort eine Zemindarei[1] gekauft. Im vorigen Jahre ward er davon auf die ungerechteste Weise von den Knechten des fürstlichen Günstlings vertrieben, welche zugleich eines seiner Weiber mit fortschleppten. Der Zemindar rennt wütend nach Lucknow, ersteigt, mit Hülfe seiner Knechte, die Mauer, die den Garten des Ministers umgibt, und lauert hier, allein, aber wohlbewaffnet, auf seinen Feind. Dieser erschien nicht selbst, wohl aber zwei seiner Söhne, welche mit ihren Ayahs spazieren gingen. Der Rohilla erkennt sie, stürzt sich auf sie gleich einem Tiger, und fordert, indem er die Knaben zwischen seinen Knien hält, die erschreckten Weiber auf, ihren Gebieter herbeizurufen. Der Palast kommt in Aufruhr, der Rohilla aber bleibt ruhig stehen, den Rücken gegen die Mauer gekehrt, die Knaben unter seinen Knieen, indem er den aus dem Palast Stürzenden entgegenruft: „Nähert ihr euch mir, so sterben sie beide vor euren Augen.“ Der Minister jammert, ringt die Hände, und verspricht ihm, was er wollte, wenn er seine Söhne freiließe; er antwortet: „Die Rückgabe meines Weibes, meine eigene Sicherheit und für beides die Bürgschaft des englischen Residenten!“ Die Frau ward im Augenblick zur Stelle gebracht; der Minister rennt wie wahnwitzig nach dem Residenzgebäude, und bittet um Gotteswillen, daß Herr Ricketts oder Major Raper mit ihm gehen möchten. Der Rohilla, nach einer fürchterlichen Pause, in welcher er zwischen der Süßigkeit der Rache und den gegebenen Versprechungen zu schwanken scheint, erhebt sich endlich, nimmt sein Weib bei der Hand und führt sie hinweg.“
„Wir waren lange über gepflügtes Feld gegangen, bis wir durch eine Felsenschlucht aufgehalten wurden. Hier war es, wo wir zuerst die fernen Linien des Himalaya erblickten, etwas getrübt vom Nebel. Die näher liegenden Hügel erschienen blau. Hinter ihnen stiegen, gleich Wolkenbildern, nur in schrofferen pyramidalischen Zügen, die Patriarchen der Erde auf, vielleicht die übergebliebenen Trümmer einer früheren Welt, weiß und glänzend wie Alabaster, und auf die, vielleicht 150 englische Meilen betragende, Entfernung, die näherliegenden secundären Gebirgszüge so hoch überragend, als diese selbst, die doch 7600 Fuß hoch waren, die Ebene überragten, auf der wir standen. Eine eigene Mischung von Freude und Ehrfurcht überschlich mich bei diesem Anblick; bald aber breiteten die Nebel ihren Schleier darüber, wie über das Feenschloß von St. John, und ließen uns nur den kalten grauen Horizont zurück, der die grüne Ebene von Rohilkund umgürtete, nur da und dort von zerstreuten Mangobäumen unterbrochen.“
[366] Ueber die in dieser Gebirgsgegend von Kemaun vorkommende Thierwelt bemerkt der Verfasser: „Die Hasen sind hier größer und feiner als die in Hindustan oder Bengalen, und nicht kleiner als die in Europa. Die Gemse ist nicht ungewöhnlich in dem Schneegebirge, sonst aber selten. Auch Füchse trifft man. Bären, die vielen Schaden anrichten, findet man in der ganzen Provinz Kemaun; sie fressen in der Regel kein Fleisch, außer wenn der Hunger sie treibt; sonst ziehen sie Wurzeln, Beeren und Honig vor. Dennoch giebt es manche Beispiele, daß sie Reisende anfallen und zerreißen. Besonders sollen sie Weiber anfallen – eine Eigenheit, welche auch bei den Bären anderer Länder bemerkt wurde, und für die Vermuthung zu sprechen scheint, daß sie zu derselben Thierklasse wie die Paviane und Orangutangs gehören. Das Bisamthier findet man blos in den höchsten und kältesten Theilen der Provinz und den benachbarten Länderstrichen von Tibet und der Tatarei. Die Hitze von Almorah kann es nicht wohl ertragen. Dasselbe gilt von den Yaks[2]; sie sterben bald dahin, so wie sie die Nachbarschaft der Eisregionen verlassen. Die Shawlziege lebt zwar, wenn sie in wärmere Gegenden gebracht wird, fort, aber ihre Wolle artet aus – was eine sehr ungünstige Vorbedeutung für den Erfolg ihrer Colonisation in Europa gibt, welche man in Frankreich auf einem sehr hohen Fuße versucht hat. Hingegen scheinen die Thiere des Südens sich in den Schneeregionen äußerst gut zu befinden. Englische Hunde, welche in dem Klima der Ebenen ausarten, nehmen unter den Bhuteas zu an Stärke, Größe und Spürkraft. Höchst bemerkenswerth ist auch, daß sie nach Verlauf von einem oder zwei Wintern die nämliche feine, kurze Shawlwolle, mit ihren eigenen Haaren vermischt, bekommen, welche die einheimischen Thiere des Landes auszeichnet. Derselbe Fall findet bei den Pferden statt; die, welche die Bhuteas in die Ebenen herab zum Verkauf bringen, sind sehr schön, obgleich sie sonst klein und zottig sind, und viele Aehnlichkeit mit den siberischen Kleppern haben, die ich in Petersburg sah. Der Tiger findet sich überall in den Eisregionen, in derselben Kraft und Wildheit; doch konnte ich nicht in Erfahrung bringen, ob auch er die Shawlwolle habe.“
[378] Von seinem Aufenthalt in der alten Hauptstadt Indiens, der Residenz des dermaligen Kaisers von Delhi, des „großen“ Moguls, gibt Bischof Heber folgende Beschreibung:
„Ich zog, von Herrn Elliott begleitet, um acht Uhr beinahe unter denselben Förmlichkeiten wie zu Lucknow ein; Außer daß wir auf Elephanten, statt auf Palankinen saßen, unser Aufzug vielleicht minder glänzend, und die Bettler weniger zahlreich, ungestüm und zudringlich waren. Die Palasttruppen, in dem Brückenkopf aufgestellt, präsentirten das Gewehr vor uns, und wir zogen durch das stattlichste Portal ein, das ich jemals gesehen habe. Es besteht aus einem prächtigen, gothischen Bogen in Mitte eines großes Thorthurmes, und hinter ihm aus einem langen, gewölbten Gang, gleich dem Chorgang einer gotischen Kathedrale, mit einer kleinen, offenen, achteckigten Vorhalle, ganz aus Granit gebaut, mit schönen Inschriften aus dem Koran und mit Blumen verziert. Von da kamen wir in einen verfallenen, äußerst schmutzigen Stallraum, und wurden von Capitän Grant, dem Garde-Befehlshaber des Mogul, und einer großen Anzahl ältlicher Männer bewillkommt, welche große, mit goldenen Knöpfen versehene Stäbe, die gewöhnliche Amtsauszeichnung dahier, in den Händen trugen.Nun hieß man uns absteigen und zu Fuß weiter gehen; zugleich wurden wir von einem neuen Schwarm Bettler, den Weibern und Kindern der Stallbedienten, belästigt. Wir kamen durch einen andern, reich mit Schnitzwerk versehenen, aber zerfallenen und schmutzigen Thorweg; wo dann unsre Führer, einen Leinwandvorhang aufziehend, in einer Art rauhen Gesanges die Worte riefen: „Heil der Zierde der Welt! Heil dem Asyl der Nationen! dem König der Könige! dem Kaiser Akbar Shah! dem Gerechten! Beglückten! Sieggekrönten!“ Da erblickten wir einen schönen, anmuthigen Hofraum, in Mitte niedriger, aber reich verzierter Gebäude. Gegenüber von uns stand ein offener Pavillon von weißem Marmor, mit Rosenhecke und Quellen zu beiden Seiten mit Teppichen und gestreiften Cortinen festlich umhangen. In ihm sahen wir einen Haufen Leute und mitten unter ihnen den armen alten Abkömmling Tamerlan’s. Herr Elliott verbeugte sich sehr tief, und wir folgten seinem Beispiele. Diese Ceremonie wurde zweimal wiederholt, als wir die Treppen zu dem Pavillon hinanstiegen, wobei die Herolde jedesmal denselben lobpreisenden Ruf über die Größe ihres Gebieters wiederholten. Wir stellten uns nun an der rechten Seite des Throns, (einer marmornen, reich vergoldeten, zwei oder drei Stufen höher stehenden Art von Bettstelle) der Reihe nach auf. Herr Elliott trat vor und verkündete, nach morgenländischer Sitte die Hände kreuzend, dem Kaiser mit gedämpfter Stimme, wer ich sey. Nun trat auch ich vor, verbeugte mich wieder dreimal und überreichte, auf mein Sacktuch gelegt, ein Kästchen mit 51 Goldmohurs in einem gestickten Beutel, so wie es bei den Vabus in Kalkutta üblich ist. Das Geschenk wurde angenommen und bei Seite gelegt, ich aber blieb einige Minuten stehen, während die gewöhnlichen Fragen über mein Wohlbefinden, meine Reisen, die Zeit meines Abgangs von Kalkutta u. s. w. an mich gemacht wurden. So hatte ich Gelegenheit, den alten Herrn etwas genauer anzusehen. Er hatte ein blasses, schmales, aber schönes Gesicht, mit einer Adlersnase und einem weißen Bart. Seine Gesichtsfarbe ist nur wenig dunkler, als die der Europäer. Seine Hände waren klein und zart, und mit einigen Ringen geschmückt, die von bedeutendem Werthe schienen. Hände und Gesicht waren aber auch alles, was ich von ihm sah, denn da der Morgen kalt war, hatte er sich so in Shawls eingemummt, daß er mich unwillkürlich an den Druidenkopf auf den Halbpfennigstücken von Wales erinnerte. Hierauf trat ich zurück und dann wieder vor, um dem präsumptiven Thronerben, der zur Linken seines Vaters stand, (zur Rechten befand sich der Resident) ein Geschenk von fünf Mohurs darzubringen. Nächst mir wurden meine zwei Begleiter mit derselben Feierlichkeit [379] vorgestellt, nur daß ihre Geschenke weniger betrugen und der Kaiser nicht mit ihnen sprach. – In dem Zimmer, in welchem ich meine Staatskleider ablegte, konnte ich die schönen Verzierungen nicht genug bewundern. Es war ganz mit weißem Marmor getäfelt, mit Blumen und Blättern aus grünem Lazurstein, und blau und rothem Porphyr eingelegt; die Blumen waren im besten italienischen Styl und offenbar das Werk eines Künstlers aus jenem Lande. Alles aber war schmutzig, verfallen und öde. Die Hälfte der Blumen und Blätter war herausgenommen oder auf andere Weise entstellt; die Thüren und Fenster befanden sich in gänzlichem Verfall; ein Haufen alten Zimmergeräthes lag in einem Winkel aufgeschichtet, und ein Stück einer verschossenen Tapete hing über dem Bogengang, der in die innern Gemächer führt. „In dieser Weise,“ bemerkte Herr Elliott, „ist der ganze Palast ausgestattet und unterhalten; was sich nicht von völliger Mittellosigkeit, sondern davon herschreibt, daß diese Leute keinen Begriff von Reinlichkeit oder Ausbesserung haben.“ Ich für meinen Theil dachte an die bekannte persische Strophe:
„Und die Spinne hing ihr Netz auf in dem Palaste Afrasiabs“ –
und fand ein melancholisches Interesse in Vergleichung des gegenwärtigen Zustandes dieser armen Familie, mit dem vor 200 Jahren, wo Tavernier Delhi besuchte, oder in Vergleich mit der Beschreibung des Palastes in der Erzählung der Frau von Genlis.“
„Nachdem ich meine gewöhnlichen Kleider wieder angelegt hatte, warteten wir eine Weile, bis man uns hinterbrachte, daß „der König der Könige,“ „der Schah in Schah“ sich in sein Zennana zurückgezogen habe; wir begaben uns sodann in den Audienzsaal, den ich wegen der vielen Anwesenden und der nothwendig zu beobachtenden Förmlichkeiten nur flüchtig betrachten konnte. Es ist ein ungemein schöner Pavillon von weißem Marmor, der sich auf der einen Seite in den Palasthof, auf der andern in einen großen Garten öffnet. Seine Pfeiler und Bogen sind aufs künstlichste ausgehauen, mit Gold, eingelegten Blumen und Inschriften von den feinsten persischen Schriftzügen verziert. Rings um den Fries steht das Motto aus Lalla Rookh, wie ich glaube,
„Gibt’s ein Elysium auf Erden,
So ist es hier!“
die Marmorflur ist an den nicht mit Teppichen überdeckten Stellen auf dieselbe prachtvolle Weise ausgelegt, wie das kleine Ankleidezimmer, das ich verlassen hatte; die Gärten, welche wir nächst dem besuchten, sind nicht groß, müssen aber einst in ihrer Art äußerst schön und kostbar gewesen seyn. Sie sind voll von sehr alten Orangen- und andern Fruchtbäumen, mit Terrassen und Blumenbeeten, in denen viele Rosenstöcke und selbst noch einige Jonquillen in der Blüthe standen. Ein marmorner Wasserkanal mit kleinen Wasserröhren, in der Form von Rosen, läuft da und dort durch die Blumenbeete hin, und am Ende der Terrasse steht ein schöner achteckiger Pavillon, gleichfalls aus Marmor, mit denselben Mosaikblumen eingelegt, wie in dem Zimmer, in das ich zuerst getreten, mit einem marmornen Brunnen in der Mitte, und einem einladenden Bad im Hintergrund. Die Fenster des Pavillon, in gleicher Höhe mit der Stadtmauer, bieten eine weite Aussicht über Delhi und seine Nachbarschaft. Alles aber, wohin wir sahen, war schmutzig, öde und ärmlich, – das Bad und der Brunnen ausgetrocknet – das ausgelegte Pflaster mit Gartenkehricht und anderem Unrath bedeckt, und die Mauern von Vögel- und Fledermäusekoth besudelt.“
„Von da wurden wir in die Privatmoschee des Palastes geführt, – ein elegantes, kleines Gebäude, gleichfalls von weißem Marmor, und äußerst künstlicher Arbeit, allein in demselben Zustand von Verfall und Verödung; überall sproßte Unkraut üppig empor, die äußere Vergoldung war theilweise abgerissen, und einige Thüren blos mit Ziegelsteinen verbaut und unübertüncht. Schließlich gingen wir auch noch nach dem Irwani Aum, dem öffentlichen Audienzsaal, in dem äußern Hofraume, wo bei gewissen Gelegenheiten der Großmogul feierliche Audienz gab, um die Huldigungen oder die Petitionen seiner Unterthanen zu empfangen. Auch dieß ist ein prachtvoller marmorner Pavillon, der Form nach dem andern Audienzsaal nicht unähnlich, aber beträchtlich größer und nur nach drei Seiten hin offen; die vierte schließt eine schwarze Mauer, mit ähnlicher Mosaikarbeit in Blumen und Blättern, wie sie schon mehrmals erwähnt wurde, bedeckt; in der Mitte erhob sich zehn Fuß hoch vom Boden ein Thron, mit einem kleinen erhöhte Tritte, von dem aus der Vezier seinem Gebieter die Bittschriften zu überreichen pflegte. Hinter diesem Throne sind Mosaikgemälde von Vögeln, vierfüßigen Thieren und Blumen zu sehen, und in der Mitte (was entschieden für einen italienischen oder wenigstens europäischen Künstler spricht,) eine kleine Gruppe, Orpheus darstellend, wie er die wilden Thiere mit seinem Gesange bezaubert. Dieser Saal war, als ich ihn sah, mit allerlei Plunder, zerbrochenen Palankinen und leeren Kisten angefüllt, und der Thron so mit Taubenmist bedeckt, daß man seine Verzierungen kaum noch entdecken konnte. Wie wenig ahnte der Gründer dieser stattlichen Gebäude, Shah jehan, was das Schicksal seiner Nachfolger, oder was sein eigenes seyn würde! – Vanitas vanitatum! steht mit furchtbaren Zügen auf den zerfallenen Arkaden von Delhi geschrieben!“
[386] „In dem Palaste zur Iyepur zeigte man uns fünf oder sechs Elephanten, die man zum Kampfe aufreizte. Jeder war in einem kleinen, gepflasterten, mit einer spärlichen, sehr schmutzigen Streu versehenen Hofe besonders abgeschlossen. Sie waren durch künstliche Reizmittel in einen Zustand von Raserei versetzt, und zeigten durch das Feuer ihrer Augen, den aufgesperrten Rachen und die beständige Bewegung der Rüssel ihre fieberhafte Ungeduld. Ihre Wärter durften sich denselben nur mit größter Vorsicht nahen. Sobald sie einen Tritt hörten, fuhren sie, so weit ihre Ketten reichten, herum, und schlugen furchtbar mit ihren Rüsseln um sich.“
„Als ich in dem Palaste von Iyepur vorgestellt wurde, traten einige Tänzerinnen ein, und zeigten ihre Kunst. Hierauf wurden mir einige ganz gewöhnliche Shawls, ein Turban, ein Halsband u. s. w. überreicht, die ich nebst zwei Pferden und einem Elephanten als Geschenke annehmen sollte. Ich sah den Obristen Raper etwas verlegen an; dieser aber beruhigte mich mit der Bemerkung, daß durch diese Geschenke ich nicht reicher und die Geber nicht ärmer würden. Ich drückte nun dem Mukhtar auf so gut hindustanisch, als ich konnte, meinen Dank dafür aus. Man wünschte sich von Seiten der Reisenden und des Hofes Iyepur gegenseitig Gesundheit und Wohlergehen, und empfahl sich fernerer Freundschaft. Wir umarmten noch ein Mal die Minister, verabschiedeten uns, bestiegen die Elephanten und kehrten nach dem Hause des Residenten zurück, wobei die geschenkten Thiere in Prozession vor uns herzogen. Es zeigte sich nun, daß der Elephant lahm, und so böse war, daß sich niemand ihm zu nahen wagte. Eines der Pferde war dem Aussehen nach ein sehr hübscher Rappe, aber, wie sich fand, ebenfalls lahm, während das andere ein jammervoller Klepper war, der zum mindesten seine dreißig Jahre zählte. Obrist Raper bemerkte jedoch, daß der Werth dieser Thiere für die Gebühren, die man den Hofbedienten zu zahlen pflege und welche die Compagnie für mich entrichten werde, mehr als hinreichend sey. Wirklich wissen auch die Häuptlinge der Eingebornen recht gut, daß Geschenke von großem Werth in solchen Fällen nur weggeworfen wären. Sie machen bei einer solchen Veranlassung jedesmal in den „Acbars“ (ihren Zeitungen) bekannt, daß die und die ausgezeichnete Person dem Hofe von Iyepur ihre Huldigungen darbrachte, und daß dieser sein Wohlgefallen über die Ankunft der Fremden durch ein Geschenk von einem Elephanten, zwei stattlichen Pferden und mehreren kostbaren Kleidungsstücken an Tag zu legen geruhte; dann wird die Freigebigkeit des Hofes gerühmt, und vor allem seinen Unterthanen und Nachbarn angedeutet, in wie gutem Vernehmen er mit der brittischen Regierung stünde. Alles dieses sucht man aber natürlich möglichst wohlfeilen Kaufs zu erhalten.“ –
„Die Rajas von Iyepur waren lange Zeit die reichsten und mächtigsten von allen Raiputstaaten, und ihr Gebiet ist (ungeachtet es durch die Mahratteneroberungen sehr zusammenschmolz) noch immer das größte unter jenen Staaten; ihre jährlichen Einkünfte werden gewöhnlich auf eine Crore Rupien (nach dem gegenwärtigen Curs etwas weniger als eine Million Pf. Sterling) berechnet.“ –
In der alten Hauptstadt Umir besuchte der Bischof unter anderem auch den Tempel. „Ich trat,“ bemerkt er, „durch einen niedern, finstern Bogengang in einen [387] kleinen Hof, wo zu meinem Erstaunen der erste Gegenstand, der meinem Auge begegnete, eine Lache Blutes auf dem Pflaster war, neben welcher ein nackter Mann stand, mit einem blutigen Schwerte in der Hand. Die Scenen, welche an uns vorübergegangen waren, waren so romantisch, daß meine Phantasie mich irgend ein Abenteuer erwarten ließ, und ich fühlte, (ich gestehe es) wie meine Hand einen Augenblick instinktmäßig meine schwere hindustanische Peitsche fester hielt, deren Knopf im Nothfall eine nicht zu verachtende Waffe gewesen wäre. Der Führer warnte mich jedoch im nämlichen Augenblick, nicht in die Blutlache zu treten, und bemerkte mir, daß jeden Morgen hier eine Ziege geopfert werde. Ein zweiter Blick zeigte mir, daß der kopflose Rumpf des armen Thiers vor den Stufen eines, wahrscheinlich Kali geweihten kleinen Altares lag. Der Bramine war in seinem heiligen Amte begriffen und klingelte mit seiner Glocke; die verlegene Miene unseres Führers verrieth uns nun, daß wir zur ungelegenen Stunde eingetreten waren, weßhalb wir blos einen flüchtigen Blick im Zimmer umher warfen, ohne uns dem Altar und seinen Mysterien zu nähern. Der Führer erzählte uns auf dem Rückwege, daß die Sage gehe, es sey hier in alten Zeiten jeden Tag ein Mensch geopfert worden; diese Sitte sey abgekommen, bis Iye Singh einen schweren Traum hatte, in welchem ihm die zerstörende Gottheit erschien und ihn fragte, warum man ihr Bild habe dürsten lassen? Der Raja, aus Furcht vor den Folgen des Ungehorsams, und sich doch sträubend, das Verlangen des Gottes nach seinem alten furchtbaren Umfange zu erfüllen, ging zu Rath und brachte statt des Menschenopfers eine Ziege für
Die finstre Göttin in der Azurfluth,
Die das Gewand in Säuglingsthränen netzt,
Um’s Haupt den Todtenkranz, im Menschenblut
Sich seit dreitausend Jahren schon geletzt –
womit die Gottheit dann auch in Gnaden geruhte, sich zufrieden zu geben.“
„Auf unserem Heimweg sagte uns Raper, er habe unerfreuliche Neuigkeiten aus dem Palaste gehört. Die Ranni habe Nachts zuvor, ohne Urtheil und Recht, ja ohne einen Grund dafür anzugeben, eine ihrer Kammerfrauen ermorden lassen – eine Dame von edlem Character, und die, wie man bisher geglaubt, bei ihrer Gebieterin hoch in Gnaden gestanden war. Man vermuthete, daß ihr bedeutender Reichthum ihr einziges Verbrechen war. Die Sache erweckte in der Zennana und in der Stadt große Unruhe, und acht andere Frauen, Gemahlinnen oder Concubinen des verstorbenen Raja, glaubten sich gleichfalls zum Tode ausersehen. Diese Gräuelthat war auf der Ranni unmittelbaren Befehl und in ihrer Gegenwart verübt worden. Obrist Raper meinte, wenn der Mukhtar nicht selbst ein Wüthrich wäre, so hätte er einen solchen Schritt nicht geschehen lassen. Mit dieser Geschichte beschäftigt, empfand ich eben keine große Freude, als ich im Verlauf des Morgens von Ranni ein Geschenk in Früchten, Zuckerwerk und Blumen mit ihren besten Wünschen für meine glückliche Reise und die Zusicherung erhielt, daß ihr Volk Alles zu meiner Bequemlichkeit auf dem Wege vorgekehrt habe, und daß sie wünsche, unsre Freundschaft möchte lange dauern. Ich entbot ihr meinen Dank für ihre Güte und die mir erwiesene Gastfreundschaft, und fügte bei, daß ich für sie – für ihre Besserung wollte ich sagen – beten werde. Ihre Aufmerksamkeit beschränkte sich heut aber nicht blos auf meine Person, sondern sie sandte auch meiner Dienerschaft und meinem Gefolge ein Mittagmal in Zuckerwerk, Reis, Ziegenfleisch, und andern Hindustaner Leckerbissen, und zwar in solcher Menge, daß es, wie man mir sagte, für hundert Personen zugereicht hätte.“
[393] „Ich hatte im voraus viel größere Einfalt und Derbheit der Sitten unter den Raiputs und den Stämmen von Mittelindien erwartet, als bei denen, die dem Mogulreich unterworfen gewesen, und fand auch wirklich schon am Hofe von Ijypur fast keine Spur mehr von jener Verfeinerung, die sich mir zu Lucknow und Delhi gezeigt hatte. Die Hindus erscheinen überall, wo sie sich selbst überlassen sind und unter ihren eignen Fürsten stehen, als ein mäßiges, allem äußern Schaugepränge fremdes Volk. Die Unterthanen selbst des größten Mahrattenfürsten setzen sich ohne Bedenken in seiner Gegenwart nieder, und in ihrer Unterhaltung findet sich keine Spur jener schmeichlerischen Ausdrücke, welche die Muselmänner im Norden und Osten eingeführt haben. Die Europäer sind hier nur sehr wenig bekannt; wenn wir durch die Dörfer gingen, riefen uns die Kinder immer Feringi, Feringi[3] zu. Maharaja (Herr) nennen sie beinah jeden Obern.“
„Zu Hirsoli genossen wir das Schauspiel eines glänzenden Hochzeitzuges bei Gelegenheit der Verlobung des Sohns eines benachbarten Raja mit der Tochter eines Thakur. Der Bräutigam, ein kleiner Knabe, ritt auf einem Elephanten, vor ihm eine lange Reihe von Kesselpauken, Trompeten und Fahnen, so wie ein sehr schöner Palankin, in welchem seine beiden noch jüngern Brüder saßen. Während des Zugs durch die Straßen der Stadt wurden in Zwischenräumen Feuerwerke losgebrannt, und alle Dächer der Häuser, so wie die Wälle des Forts waren mit Zuschauern bedeckt. Die Volksmenge räumte uns sehr höflich einen guten Platz ein, und schien erfreut über den Antheil, den wir an dem Aufzuge nahmen, und daß ich dem kleinen Bräutigam gut Glück wünschte. Sie sagten mir, daß er heute Abend sich nach dem Hause seines neuen Schwiegervaters begebe, wo der Verlobungsakt vorgenommen werde, daß er und das junge Mädchen aber noch einige Jahre, jedes bei seinen Eltern, bleibe, bis dann die zweite und wirkliche Hochzeit vollzogen werde. –
Ein Bhat oder Sänger sprach uns um ein Geschenk an; ich forderte ihn auf, mir vorher eine Probe seiner Kunst zu geben; worauf er einige Strophen so rein hindustanisch vortrug, daß ich außer ein paar Worten „Bhadrinath, Duccun“ etc. nichts verstehen konnte; das Gedicht besang, wie man mir erklärte, die ungeheuern Eroberungen der Britten. Der Sänger trug nur wenige Strophen vor, und schien nicht geneigt, fortzufahren; worauf einer der Umstehenden ihn schalt und mit lauter Stimme und vieler Lebhaftigkeit in derselben Sprache zwanzig Strophen recitirte, die eine Art Herausforderung zu einem Wettstreit zu enthalten schienen. Er sprach so schnell, daß ich von seinem Vortrag noch weniger verstand, als von dem des Barden; das Versmaß hatte aber eine überraschende Aehnlichkeit mit dem Hexameter. Der Barde antwortete ihm sehr heftig, und ich sah voraus, daß wie bei den Schäfern im Theokrit und Virgil, so auch hier der Wettkampf der Kunst bald in Zank und Streit ausarten würde; weßhalb ich beide Theile entließ, und nach alter guter Sitte, wie Daphnis und andere Schiedsrichter der Art, jedem eine kleine Belohnung gab. Die Bhats sind durch ganz Raiputanien ein geheiligter Stand und wurden einst von Hahadeo zur Bewachung seines heiligen Stieres aufgestellt; sie verloren aber dieses heilige Amt durch ihre Feigheit. Der Stier hatte in der Gunst des Gottes einen Löwen zu seinem Nebenbuhler. Diese Lieblingsthiere wurden in Einem Zimmer zusammen gesperrt, wo der Löwe, trotz des Geschreis, das die Bhats erhoben, beinah jeden Tag den Stier aufzehrte, zum großen Verdrusse Siva’s, der an die Stelle des gefallenen Stieres jedesmal für einen neuen sorgen mußte. Die Gottheit schuf nun ein neues Geschlecht von Menschen, die Charuns, von gleicher Frömmigkeit und Tugend, aber muthiger als die Bhats, und machte sie zu Wärtern ihrer Menagerie. Die Bhats behielten jedoch immer noch die Obliegenheit, das Lob der Götter und der Helden zu singen, und wurden so als die erblichen Wächter der Geschichte und der Stammbäume von dem stolzen und trotzigen Adel von Raiputana noch mehr in Ehren gehalten, als selbst die Braminen. In den wildern Gegenden des Südwestens aber stehen die kriegerischen Charuns bei dem Volk in größerer Achtung. Noch vor wenigen Jahren pflegten Kaufleute und sonstige Reisende durch Malwah und Guzerat einen Charun zu ihrem Schutze zu dingen. Wenn Räuber erschienen, trat der Charun vor, schwang sein weißes Gewand, und sprach in Versen Schande und den göttlichen Fluch aus gegen den, der sich an Reisenden unter dem Schutze von Siva’s heiligem Sänger zu vergreifen wagte. Half dieses nichts, so stach er sich mit dem Dolch in den linken Arm und erklärte, daß sein Blut über sie kommen solle; war auch dieß vergebens, so war er verpflichtet, sich den Dolch ins Herz zu stoßen – was [394] jedoch nicht so leicht zu befürchten war, da der gewaltsame Tod eines solchen Mannes das ganze Land zur Unfruchtbarkeit, und alle, welche ihn herbeiführten, zu einem ewigen Aufenthalt in dem Padalon verdammte. Die Bhats beschützen Niemand; aber einen von ihnen zu tödten oder zu schlagen, würde gleichfalls für ebenso sündhaft und verderblich, wie der gewaltsame Tod eines Charun, angesehen werden. Man sagt, daß sie von ihren reichen Nachbarn entweder durch das Versprechen, ihren Namen berühmt zu machen, oder durch die Drohung, sie mit Schande und Fluch zu beladen, sehr oft Geld erpressen. Ein reicher Kaufmann zu Indore hatte vor einigen Jahren einen Streit mit einem von ihnen. Dieser machte ein Bild aus Lehm, nannte es nach dem Namen des Kaufmanns, und überschüttete es täglich auf dem Bazar und in verschiedenen Tempeln mit den bittersten Vorwürfen und den furchtbarsten Flüchen. Der Kaufmann, obgleich ein Mann von großer Macht und bedeutendem Einfluß bei Hofe, bekam die Weisung, ihn auf irgend eine Weise zum Stillschweigen zu vermögen. Er weigerte sich, und der Unfug dauerte mehrere Monate fort, bis einige Freunde des Kaufmanns eine Summe zusammenlegten, und den Bhat aufs demüthigste baten, sie anzunehmen. „Ach, warum hat man dieß,“ war seine Antwort, „nicht schon früher gethan? Hätte man mir zu gehöriger Zeit ein Sühnopfer dargebracht, so wäre es Eurem Freunde noch gut ergangen. Nun aber habe ich, wenn ich auch hinfort schweige, schon zu viel wider ihn gesprochen, und wann wären die Verwünschungen eines Barden, so lange fortgesetzt, nicht in Erfüllung gegangen?“ Der Zufall wollte, daß den Kaufmann ernstliche Unglücksfälle trafen, so daß der Glaube des Volks an die Macht dieser Sänger mehr denn je bekräftigt wurde.
Der Bischof traf im Verlaufe seiner Reise mit dem Raiput Rajah von Bunaira zusammen. – „Er war kostbar gekleidet, mit einem schimmernden Turban, einen Schild über den Rücken tragend, ein zierliches Schwert und einen Dolch im Gürtel. Sein Pferd wurde von zwei ziemlich gut gekleideten Stallknechten geführt; der Anzug der Träger der silbernen Stäbe und Fahnen, und der andern Diener war nicht im besten Stande, und sein eigener Stab wurde von einem nackten, etwa vierzehnjährigen Knaben getragen. Er war ein ältlicher Mann und hatte schon viele Zähne verloren, was sehr schwer machte, ihn zu verstehen. Dieß scheint in Indien ungewöhnlich; allein die rothen Augen und die eingefallenen Wangen des Rajah bewiesen, daß er ein Freund von dem Opium war. - Es ist bekanntlich in diesem Welttheil Sitte, daß Personen von sehr hohem Range einzig durch das Medium eines vertrauten Dieners Unterredung pflegen, und ich machte mit Freude Gebrauch von dieser Etikette, und bediente mich des Dak Jemautdar, dessen Hindustanisch ich sehr gut verstand, als Kanals meiner Unterhaltung mit dem mummelnden alten Raiput. Diese Procedur war äußerst possirlich. „Sage dem Rajah Sahib, daß ich mich glücklich schätze, mit ihm zusammen zu treffen, und hoffe, daß er bei guter Gesundheit ist.“ „Der gebietende Rajah Sahib geruht, vieles Vergnügen an Eurer Begegnung zu finden, und hofft gleichfalls, daß Ihr bei guter Gesundheit seyd.“ - „Sagt dem gebietenden Sahib, daß ich, Dank seiner Ankunft und Fürsorge, bei recht guter Gesundheit bin, und daß ich ihm Gleiches wünsche.“ - Antwort: - „Der Rajah Sahib erwiedert, daß er sich sehr wohl befinde.“ Auf diese Weise unterhielten wir uns auf unserm Wege nach Bungalow über verschiedene Gegenstände.“
Gleich darauf wird eine eigene Art von Fischerei beschrieben:
„Die Fische befinden sich in einem großen Teiche dicht in der Nähe des Flusses Bunaß. Der Teich erstreckt sich zur Regenzeit über achtzig Acres und empfängt seinen Zufluß aus dem Bunaß. Meist behält er auch das ganze Jahr hindurch Wasser; bei der damals ungewöhnlichen Witterung aber stand er schon sehr niedrig, und war, wie man berechnete, im nächsten Monat völlig ausgetrocknet. Demnach waren alle Hände beschäftigt, die Fische, während sie noch am Leben waren, abzufangen; und in dieser Absicht oder zum Kaufe derselben war die ganze Umgegend versammelt. Capitän Gerard, ein Ingenieuroffizier, den ich hier traf, ging, die Jagd mit anzusehen, und erzählte, sie sey äußerst interessant gewesen. Die Fische wurden in dem seichten schlammigen Wasser mit Händen, Stöcken und Speeren nach allen Richtungen hin verfolgte; es wurde aber wenig ausgerichtet, bis vier Bhils, im Dienste der Udeypurer Regierung, auf dem Platze erschienen. Da wurde denn der Pöbel weggetrieben, und diese Wilden brachten mit ihren Bogen und Pfeilen in wenig Stunden eine totale Niederlage unter den Fischen hervor, indem sie stets den größten aussuchten und mit solcher Sicherheit anschossen, als ob es unter eine Heerde von Schafen ginge. Ihre Bogen waren aus gespaltenem Bambus, sehr einfach gemacht, aber wie mir schien, stärker und elastischer als selbst die aus Büffelhorn, deren man sich gewöhnlich in Hindustan bedient. Sie waren ungefähr vier Fuß, sechs Zoll lang, und wie die europäischen geformt. Die Pfeile waren gleichfalls von Bambus, mit einer plump gearbeiteten, eisernen Spitze und einem langen, einfachen Widerhacken versehen. Die Spitze war so eingerichtet, daß sie vom Schafte abbrach, sobald der Fisch getroffen war, aber durch eine lange Schnur, wie eine Harpune, mit ihm verbunden blieb. Der Schaft schwamm über dem Wasser und diente nicht allein dazu, das Thier zu ermüden, sondern zeigte seinem Verfolger auch die Richtung, in welcher es floh, wodurch er sich seiner bemächtigen konnte.“
Capitän Gerard, den Bischof Heber zu Bhilwara traf, war, des letztern Beschreibung nach, ein äußerst bescheidener Mann, von großer Einsicht und Erfahrung, und hatte großen Antheil an der Messung und Untersuchung des Himalayagebirgs; er war in Ladack, und zu wiederholten Malen über der Grenze von China gewesen, wurde aber jedesmal, nachdem er ein paar Meilen vorgedrungen, durch tatarische Reiter zurückgetrieben. Er selbst hatte auf dem Himalaya eine Höhe von 19‚600 Fuß erreicht, d.h. 100 Fuß höher als Humboldt auf den Anden, und der letztere Theil dieser Gebirgsreise ging ungefähr zwei (englische) [395] Meilen weit über einen abschüssigen Plan von 42 Grad, eine steile Richtung, in welcher Humboldt ein Weiterkommen nicht für möglich hielt. Mit der sorgfältigsten Genauigkeit haben, wie er mich versicherte, Major Hodghon, Hr. Frazer und er selbst die Höhe der Berge ermittelt.“ –
[403] Unter den eingebornen Fürsten Mittelindiens nimmt der Ranah von Udeypur, eine sehr bedeutende Stelle ein.
Er beherrscht ein sehr ausgedehntes und, wenn das Volk es bebauen wollte, äußerste fruchtbares Land, wurde aber von Bapu Sindia und Jumschid Khan gänzlich ruinirt und zum Bettler gemacht. Wenigstens die Hälfte [404] seiner Einkünfte ist Geldleihern und Wucherern verpfändet, und sein Volk wird unbarmherzig mit Steuern bedrückt, damit er die übermäßigen Interessen seiner Schuld entrichten kann. Seine Familie hatte das Unglück, die älteste und reinste in ganz Indien zu seyn, und ohne die geringste unedle Beimischung in gerader Linie von der Sonne abzustammen, indem sie allen Versuchen der Kaiser von Delhi, Wechselheirathen ihrer Häuser herbeizuführen, beharrlich widerstand. So wurde sie halb verrückt vor Stolz, heirathete beständig blos unter sich, lebte mit einer Pracht und einem Aufwand, der ihre Mittel und die sonstige Sitte der Hindufürsten weit überschritt, und war in Kenntnissen und Intelligenz auffallend zurück. Der gegenwärtige Ranah, der alle diese Tugenden seiner Vorfahren besitzt, vereinigt damit noch eine besondere Vorliebe für das Opium." —
„Als wir Nachts durch die Stadt zurückkehrten, bettelte mich ein Mann an, welcher vorgab, blind zu seyn. Auf meinen Ruf trat er zu den Fackeln vor, und sah so frisch drein, daß ich ihn fragte, warum er mich mit einer solchen Lüge berichten wollte. Er antwortete mir, er sey nachtblind (rat unda); ich verstand nicht, was der Bettler meinte, und entgegnete, unwillig über die Schwärme von Bettlern, die uns den Tag über verfolgt hatten: „Die Nacht ist die Zeit zum Schlafen nicht zum Sehen.“ Die Leute lachten darüber, als über einen Scherz; mir ging es nachher aber sehr nahe, da ich fand, daß es eine lieblose Zurückweisung war. Die Nachtblindheit oder die Sehnsucht nach voller Tageshelle ist eine nach Dr. Smith unter den niedern Klassen in Indien sehr gewöhnliche und für gewisse Stände, namentlich für die Soldaten, äußerst lästige Krankheit. Die Seapoys schreiben sie schlechter, unzureichender Nahrung zu, daher sie, wie man mir sagte, das vorherrschende Hausübel der Dürftigkeit ist. Sie scheint dasselbe zu seyn, was die Augenkrankheit, womit Leute behaftet sind, die von verdorbenem oder schlechtem Reis leben. Wahrscheinlich entspringt die Krankheit aus einer Schwäche der Verdauungskräfte.”
Bald darauf begegnet der Reisende einigen Betrunkenen und berichtet: –
„Ich hatte früher in Indien äußerst wenige Betrunkene getroffen, nun aber nahte die Zeit des Hult, des hindustanischen Karnevals, wo das Volk von Mittelindien sich allen Arten von Lustbarkeiten und Schwelgereien überläßt: Die Seapoys begannen, (was früher selten vorkam) an die Weiber, die uns unterwegs begegneten, allerlei Lieder und unanständige Scherze zu richten. – Zu dieser Zeit pflegt man sich auch gegenseitig mit rothem Staube zu bewerfen.
Auf seiner weitern Reise kam der Bıschof zu dem Volke der Bhils, die nun in sehr armseliger Lage sind, vor den Raiputs aber die Herren des Landes gewesen waren. Er erzählt uns:
„Sobald wir uns den Dörfern der Bhils näherten, rannte ein Mann aus der nächsten Hütte auf den Gipfel einer Anhöhe und stieß einen Schrei aus, der von der fernsten Hütte in unserem Gesichtskreis, und dann von zwei andern, die wir nicht mehr sehen konnten, beantwortet wurde. Ich erkundigte mich nach dem Grund hievon, und erfuhr, daß sie sich durch diese Signale in Kenntniß setzen, daß Fremde ankommen, wie groß ihre Zahl sey und ob sie Pferde bei sich haben. Hiedurch erfuhren sie zugleich, ob es rathsam sey, anzugreifen, zu fliehen oder ruhig zu bleiben, – wenn einer von ihnen besondere Gründe hatte, die Begegnung der Soldaten oder der Obrigkeiten aus den niedern Landen zu vermeiden, so bekam er durch jenen Ruf die Weisung, sich aus dem Staube zu machen. Nachmittags bestiegen wir einen der nächsten Hügel, auf dem einige Hütten dieses unglücklichen Volkes standen. Sie waren alle verschlossen; und ein alter Mann, der auf uns zukam, sagte uns, sie seyen alle leer. Er und ein junger Mensch, sein Neffe, (wie er vorgab) waren zu Hause geblieben — die andern alle hatten ihr Vieh in die Junglen [4] ausgetrieben. Dr. Smith, der ein sehr feines Ohr hat, und gut hindustanisch versteht, konnte sich diesem Volke leichter, als irgend einer in unserem Gefolge, verständigen, und sagte, daß sich ihre Mundart von der in Malwah hauptsächlich im Accent und dem Ton unterscheide. Sie sprechen in einem gedehnten Recitativ, den Dr. Smith nachahmte, wobei er fand, daß sie ihn so viel besser, als auf andere Weise verstanden. Der alte Mann sagte, sie hätten viel durch das Ausbleiben des Regens gelitten, die Ernte sey sehr karg, es gebe nur wenig Weide für das Vieh – und, was das schlimmste sey, – sie müßten befürchten, daß die nahen Wasserbehältnisse noch vor Ende der heißen Jahrszeit austrocknen würden. Wenn dieser Fall einträte, sagte er mit vieler Resignation, so müßten sie eben nach Durgunpur oder nach einem andern Platze, wo Wasser sey, hinabziehen und sich behelfen, wie sie könnten. Die Leute waren in sichtbarer Angst und zitterten sogar; sie befürchteten, wir möchten uns ihren Hütten nähern, und wollten sich nicht bis zu unsern Zelten wagen, obgleich sie mein Versprechen, ihnen etwas Speise zu geben, recht gut verstanden hatten. Ich drang in den jungen Menschen, einen seiner Pfeile nach einem gewissen Ziele abzuschießen; er hatte aber nur zwei bei sich, und sah uns alle der Reihe nach an, als fürchtete er wir wollten ihm so sein Vertheidigungsmittel entziehen. Durch wiederholtes Zureden gelang es mir, ihn zu überreden: er schoß ab und traf in einen etwa hundert Yards entfernten Baum; wie ich seine Geschicklichkeit pries, schoß er auch seinen zweiten Pfeil ab, der gerade genug, aber nahe bei der Wurzel in den Boden fuhr. Er hielt seinen Bogen nach englischer Art, nicht wie die Hindus, welche den Pfeil auf die (wie wir es heißen würden) unrechte Seite legen, und den Strang mit dem Daumen spannen. Die Pfeile waren nicht übel gearbeitet, der Bogen aber schwach. Der Beifall, den er erhielt, und die Sicherheit, in welcher er sich fühlte, machten ihn zutraulich. Er saß nieder, um uns zu zeigen, wie seine Landsleute, den Bogen zwischen den Füßen haltend, durch das hohe Gras schießen, und zielte nach verschiedenen Gegenständen, bis ich ihm sagte, wir bedürften keiner weitern Beweise seiner Geschicklichkeit.“ [418] Von Kalingara kömmt man sieben Meilen weit durch Junglenland nach dem Dorfe Tambresa, in dessen Nähe wir unter dem Schatten einiger schönen Bäume unsre Zelte aufschlugen, unfern einer Zisterne, die noch ein wenig Wasser enthielt. Die Lage war sehr schön, ein unglücklicher Zufall aber machte uns unsern Aufenthalt daselbst unangenehm. Unsere kleine Heerde Schafe und Ziegen lagerte nach dem Marsche unter einem schattigen Baum, da kletterte ein Affe herab, dem Schäfer sein Frühstück zu stehlen, wurde aber von diesem zurückgewiesen und stieß auf seiner eiligen Flucht durch die Aeste hin an ein Bienennest, das an einem derselben frei in die Luft herabhing. Der Flüchtling wurde nicht nur selbst gehörig gestochen, sondern brachte auch den ganzen Schwarm gegen die harmlosen Thiere unten in Aufruhr. Die meisten wurden bedeutend gestochen und blöckten erbärmlich; es war dabei auffallend, wie verschieden sich die Schafe und die Ziegen gebärdeten. Die erstern drängten sich zusammen und stießen ihre Nasen in den Sand, ohne an Flucht oder Widerstand zu denken; die letztern rannten, so eilig sie konnten, auf uns zu, um unter unsern Zelten Schutz zu suchen. Sie brachten aber einen solchen Schwarm ihrer Verfolger auf dem Leibe oder hinter sich her, daß ihre Ankunft sehr unwillkommen war, und wir genöthigt wurden, ihnen die gastfreundliche Aufnahme zu versagen, die sie sonst wohl gefunden hätten. Wirklich war auch mein Zelt eine Weile voller Bienen, so daß mehrere Leute gestochen wurden. Wir durften noch von Glück sagen, daß die Schafe und Ziegen, und nicht die Pferde angegriffen wurden; im diesem Falle hätten die Folgen äußerst bedenklich werden können. Nach dem, was ich sah, muß ich schließen, daß der Stich der gewöhnlichen indischen Biene nicht so bedeutend ist als der europäischen. —
Zum Schluß holen wir noch einige Schilderungen nach, die für unsere Leser nicht ohne Interesse seyn werden. Sehr malerisch beschreibt der Verfasser die Ufer des Hugly, auf einer Fahrt durch die Sunderbunds nach Calkutta : „Wir näherten uns nun der Seite des Flusses, die Kadgeri gegenüber ist. Hier erblickte das Auge nichts, als eine düstere, ununterbrochene Kette dichter, schwarzer Waldungen, undurchdringlich und unbegränzt, die man sich als die Behausung alles Gräulichen, Furchtbaren und Verderblichen vorstellen mußte. Wir hatten die Nacht zuvor in dieser Richtung hin unaufhörlich blitzen gesehen; und vielleicht vermehrte diese Erinnerung den Eindruck der Gegenwart. Ueberdieß sprachen die Seeleute und Offiziere von dieser Küste nur mit Schrecken, als von dem Grab aller derer, die das Unglück hatten, mehrere Tage in ihrer Nachbarschaft zu bleiben. Selbst in dem glänzenden Sonnenlicht kostete es die Phantasie geringe Mühe, überall um uns her verderbliche Dünste aufsteigen [419] zu sehen. Als wir den Sunderbunds näher kamen, wurden sie zusehends freundlicher; die Wälder bekamen eine größere Abwechselung von Grün; mehrere rundgipflige Bäume und niedrige Palmen sah man unter ihnen, und ein frischer Pflanzenduft kam uns vom Ufer entgegen. Der Strom ist hier stark und sein Kampf mit der eindringenden Fluth des Meeres erhebt schwarze Wogen, die mich an den Höllenfluß erinnerten, an dem Dante den Geist Argenti’s traf. Ich betrachtete mit großem Interesse die ersten Cocospalmen, die ich sah: sie entsprachen aber meiner Erwartung nicht. Ihre Formen sind zwar äußerst anmuthig, ihr Grün aber ist schwärzlich, und gleicht den Trauerfedern, die man (in England) den Leichenzügen vorträgt. Ihre Erscheinung jedoch verkündete uns offeneres, wohnlicheres Land. Die Junglen treten vom Ufer zurück, und statt ihrer erscheinen grüne Gefilde gleich Wiesen, — Reisfelder, (wie man uns sagte) hin und wieder von kleinen Wäldchen mit rundgipfligen Bäumen, und von Dörfern unterbrochen, deren Häuser, mit Strohdächern, so niedrige Mauern hatten, daß sie bloßen Heuschobern glichen.“
Folgende Schilderung eines indischen Dorfes und eines Pachthofs ist ungemein anschaulich.
„Am Abend gingen wir wieder ans Ufer nach einem andern Dorfe. Die Häuser standen in einem Dickicht von Fruchtbäumen, Paradiesfeigen, und Gesträuch; die schlammigen Teiche waren mit breitblätterigem Lotus bedeckt, und die nahen Paddy oder Reisfelder durch einen Wald von hohen Cocosnußbäumen bekränzt, zwischen deren Stämmen die Lichtstrahlen durchdrangen. Hier bemerkte ich den Unterschied zwischen dem Cocosbaum und der Palmira; diese hat schmalere Blätter als jener, und war in dieser Jahreszeit noch ohne alle Früchte, während der Cocosbaum bereits voll stand. Für eine kleine Belohnung erkletterte einer der Jungen trotz dem gänzlichen Abgang von Aesten und der glatten Rinde einen der höchsten Bäume mit großer Behendigkeit. Ein alter Mann, unwahrscheinlich, um uns von seiner eignen Schwelle zu entfernen, erbot sich, uns ein sehr schönes Haus zu zeigen, in dem wir ausruhen könnten. Wir folgten ihm nach einer etwas größern Hütte, als wir bisher eine gesehen hatten. Bei unserm Eintritt in den kleinen Hofraum kamen die Bewohner, uns in allem Ernst ein weiteres Vorrücken zu versagen. Wir hatten jedoch Zeit, den Hof und die Hausstätte einer indischen Meierei genauer anzusehen. Vorn gegen das Dorf zu war ein kleines, schmutziges Gebäude mit einem Strohdach und hinten ein Hof mit Cocosschalen und wenigem Reisstroh gefüllt; in der Mitte erhob sich ein rings mit Stroh bedecktes Gebäude von Bambus, das Kornhaus oder Goliah, wie sie es nannten; rings herum waren kleine Lehmhütten, dem Anschein nach zum Wohnen eingerichtet. In einem Winkel stand eine kleine Mühle, mittelst welcher ein Mann den Reis von seiner Hülse befreien konnte. Nach allem, was wir durch die offenen Thüren sahen, bestand der Boden der Zimmer nur aus Lehm, und diese selbst entbehrten aller Möbeln, und hatten nur so viel Licht, als durch die Thür eindrang.’’
[422] Die Annäherung an Kalkutta zu Land wird auf folgende Weise beschrieben: „Wir setzten uns in einen frischen Trab; die Saises (Stallknechte) liefen zu jeder Seite flink neben uns her, einen sich allmälig erhebenden, breiten aber schlechten Weg zwischen tiefen Gräben stehenden Wassers zu beiden Seiten hin, hinter welchem sich ein unabsehbarer Wald von Fruchtbäumen erstreckte, und hin und wieder zerstreute Hütten sich zeigten. Einige derselben schienen Kramladen; völlig offen, mit Verandahs, (freien Dächern?) die durch Matten oder geflochtenen Bambus gebildet wurden. Ueberall sahen wir eine Menge Volks; einige fuhren auf Ochsenkarren, andere trieben beladene Ochsen vor sich hin; nur wenige hatten unansehnliche Klepper, welche die Spuren der Vernachlässigung und harter Behandlung an sich trugen. Die Behandlung selbst des Hornviehs, obgleich sein Leben unverletzlich ist, schien mir bei den Hindus schlimmer zu seyn, als die, welche oft bei einem Gang durch die Straßen von London das Auge beleidigt und das Gefühl verwundet.
Wenig Weiber waren zu sehen; diejenigen, welche sich zeigten, waren etwas mehr bekleidet, als die Männer, – sie hatten einen groben, weißen Schleier oder Chuddah über den Kopf geworfen, ohne jedoch ihr Gesicht zu verhüllen; ihre Arme waren blos, und mit breiten silbernen Spangen geziert. In den Kramladen hingen wenige eiserne Geschirre, einige Stücke groben, farbigen Cotton’s, Pisange in Büscheln, während der Boden mit irdenen Gefäßen bedeckt war, und eine Quantität Reis und Hülsenfrüchte aufgeschüttet da lag. Mitten unter diesen Schätzen saß auf dem Boden gekauert und eine rohe Hukah, eine Cocosschale mit einer kurzen Röhre schmauchend, der Kaufmann. Nach und nach entdeckten wir schwarzbraune Gebäude von Backsteinen, die mehr Ansprüche auf architektonische Verhältnisse machten, aber noch widriger ins Auge fielen, als die roheste Bambushütte – sie sind die Behausungen der Hindus oder Muselmänner aus den mittlern Classen, mit flachen Dächern, engen Fensterflügeln, und von einer Mauer aus Backstein umschlossen, die den innern Haushalt jedem Blicke der Neugier verschließt. Sie wechselten bald mit großen, stattlichen Gartenhäusern, von denen jedes einzeln in einer kleinen Waldbahn steht und mehrere Stockwerke, und auf der ganzen Vorderseite ein griechisches Verandah hat. Als wir nach Kidderpur kamen, sahen wir einige europäische Wachen, einen beinahe nackten, aber mit Säbel und Schild bewaffneten Polizeisoldaten, der an einer Straßenecke Schildwache stand, eine Pagode oder zwei, eine größere Manchfaltigkeit von Artikeln in dem Kramladen, und eine beträchtliche Anzahl von „Caranchies,“ oder inländischen Wagen, von zwei Pferden gezogen, die den Gerippen an den Miethkutschen in Europa sehr viel glichen.
Von Kidderpur gelangten wir auf einer gewöhnlichen Holzbrücke über einen Sumpf auf eine weite, offene Ebene, auf der wir im Hintergrund Kalkuttas weiße Gebäude durch das nun einbrechende Zwielicht schimmern sahen. –
Zu Kalkutta und fünf (englische) Meilen im Umkreis ist der Gebrauch von Elephanten nicht gestattet, weil durch ihren Anblick sehr oft die Pferde scheu werden und Unglück anrichten. Zu Barrackpur bestieg ich zuerst einen Elephanten. Derjenige, den mein Begleiter, Lord Amherst, ritt, war ein stattliches Thier, mit den kostbarsten Decken, die ihm der König von Oude geschenkt und mit goldgestickten [423] Fischen verziert, was hier zu Land als königliche Auszeichnung betrachtet wird. Eine auffallende Eigenheit, wovon ich früher nie etwas gehört, ist, daß dem Elephanten ein Mann zur Seite geht, der ihm sagt, wohin er treten, wo er sich vorsehen, wo er ausweichen soll, und ihn warnt, wenn der Weg rauh, schlüpfrig u. s. w. ist; was das Thier alles verstehen und wornach es seine Maßregeln treffen soll. Der Mohout spricht nichts, sondern leitet ihn dadurch, daß er seinen Fuß auf der Seite des Halses eindrückt, auf die er ihn wenden will, treibt ihn damit an, daß er ihn mit der Spitze seines Stachels stößt, und bringt ihn zum Stehen, indem er ihm mit dem Knopfe desselben einen Schlag auf die Stirne versetzt. Die Gewalt, welche diese Leute über ihre Elephanten üben, ist allgemein bekannt; erst kürzlich trug es sich zu, daß ein Mohout seinem Thier ein Zeichen gab, ein Weib zu tödten, das ihm etwas Beleidigendes gesagt hatte, und sein Befehl war im Augenblick vollzogen. Der Mensch wurde noch vor unserer Ankunft hingerichtet.“
Die in Europa herrschende Meinung, daß die Hindus sich, aus Rücksichten der Menschlichkeit, des Fleischessens enthalten, finden wir hier auf folgende Weise berichtigt.
„Die Kaste der Fischer nimmt keinen hohen Rang ein, obgleich die Fische als die reinste und gesetzlichste Nahrung betrachtet werden. In nichts hat man sich so sehr geirrt, als wenn man annahm, daß es den Hindus verboten sey, Fleisch zu essen. Nicht, um das Leben von Geschöpfen zu schonen, – da das Essen von Fischen, wie das von Rindern gleiche Verletzung des Grundsatzes wäre, – thun sie dieß, sondern weil einzelne Thiere für sie heilig und unverletzlich, andere unrein sind. So essen manche Braminen Fische und jährige Böcke. Die Raiputs essen außer diesen noch Schöpsenfleisch, Wildbret, oder Ziegenfleisch. Einige Kasten dürfen Alles essen, nur kein Geflügel, kein Rindfleisch oder Schweinefleisch; während bei andern Schweinefleisch Lieblingsspeise, und nur das Essen von Rindfleisch untersagt ist. Berauschende Getränke sind verboten; was jedoch von einem großen Theil der höhern und niedern Classen nicht beobachtet wird; und Trunkenheit ist bei den Indiern beinah ebenso gewöhnlich, als bei den Europäern.
Der botanische Garten in Kalkutta ist eine sehr schöne, gut unterhaltene Anstalt, außer den edelsten Bäumen und schönsten Pflanzen von Indien mit einer ungeheuern Sammlung fremder, hauptsächlich durch Dr. Wallich in Nepaul, Pulo-Penang, Sumatra und Java aufgebrachter Gewächse bereichert, wozu noch Sammlungen aus dem Kap, Brasilien und verschiedenen andern Theilen Afrikas und Amerikas, sowie Australien und der Südseeinseln kommen. Es ist ein malerischer, höchst anziehender Anblick, und unter allem, was ich bisher gesehen, entspricht nichts vollkommener Milton’s Idee von einem Paradies; nur sollte der Garten auf einem Hügel, statt auf der einförmigen Fläche liegen. Unter den exotischen Gewächsen fand ich den Muskatenbaum äußerst schön, er war der Myrthe ähnlich und hatte eine pfirsichartige Blüthe, war aber selbst für den Winter von Bengalen zu zart, und stand deßhalb in der geschütztesten Lage, ringsum sorgfältig verwahrt. Die Sagopalme ist gleichfalls ein sehr schöner Baum: sie gibt einem Lustwald oder einer Allee ein besonderes Gepräge von Feierlichkeit, das uns an unsere gothischen Dome erinnerte. Da waren üppige Kriechpflanzen aus Südamerka, einige Pisangs aus dem malayischen Archipel, von besonderer Größe und Schönheit. Einen melancholischen Eindruck machte auf mich der Anblick einer kleinen, verkümmerten Eiche, welche nur mit Mühe unter dem Himmel und einer Temperatur von solcher Treibkraft fortgebracht wird, wo ihr keine Zeit gegönnt ist, auszuruhen, ihre Blätter abzuwerfen, und durch Ueberwinterung neue Kräfte zu sammeln. Auch bei andern Bäumen fand ich mich in meinen Erwartungen getäuscht, so bei der Fichte von Neucaledonien, welche hier nicht fortkömmt; wenigstens sah diejenige, die ich vorfand, nicht zum besten aus und war sehr unansehnlich in Vergleich mit den Abbildungen in Cook’s Reise, die mir immer noch lebhaft vorschweben, obgleich ich sie seit meinen Kinderjahren nicht mehr gesehen. Ich hatte viel von dem ungeheuern Umfang der Adamsonia, eines Baums aus der Nachbarschaft vom Gambia und Senegal, als von dem Elephanten des Pflanzenreichs, gehört. Nun ist dieser Baum zwar unstreitig wundervoll, und die Schnelligkeit, womit er aufwächst noch wunderbarer als selbst sein Umfang; allein er gewährt eben keinen besonders stattlichen Anblick. Unmittelbar über den Wurzeln dehnt er sich zu einem ungeheuern Umfang aus, sein Stamm aber erhebt sich nur zu einer verhältnißmäßig geringen Höhe und gleicht mehr einem mit der Elephantiasis behafteten Körper, als er der majestätischen, wohlproportionirten, obleich etwas schwerfälligen Statur des Elephanten entspricht.“ [428] Auch ein Zigeunerlager finden wir geschildert; bei welcher Gelegenheit der Verfasser einige Bemerkungen über die ursprüngliche Sprache dieses sonderbaren Volkes macht. „Am andern Ende des Flußes war ein großes Lager von kleinen Wagen, Kleppern, Ziegen etc. zu sehen, das dem einer europäischen Zigeunerhorde so ähnlich war, daß ich nicht sehr überrascht wurde, auf meine Frage von Abdullah zu hören, daß es wirklich Zigeuner seyen. Sie sind, nach seiner Behauptung in den obern Provinzen sehr zahlreich, und führen dieselbe Lebensart wie die Zigeuner in England; er hatte denselben Volksstamm in Persien und Rußland getroffen, und gefunden, daß sie in Persien so gut wie hier die Hindusprache reden. In Rußland hatte er nicht Gelegenheit, sich hierüber Gewißheit zu verschaffen. In Persien aber sprach er auf Sir Gore Ousleye’s Bitte mit einigen dieser wandernden Stämme, und fand, daß sie ihn verstanden und ihm antworteten. Ich erzählte ihm von Lord Teignmouths hindustanischer Unterredung mit einem alten Zigeuner in Northwood; worauf er mir sagte, daß in Persien nicht jeder Zigeuner, sondern nur die alten noch hindustanisch reden. Auch bemerkte er, sie gleichen in allen Ländern, wo er sie noch gesehen, einander so sehr, daß man sich nicht an ihnen irren könne; obgleich sie in Persien von einer viel bessern Kaste, und viel reicher, als hier, in England oder Rußland seyen. „In Rußland,” fuhr er fort, ,‚hatte vor Peter dem Großen das gesammte Volk sehr viel mit den Zigeunern gemein." Diese Mittheilung ließ mich manche nicht unwichtige Folgerung ziehen: zuförderst über die Identität der Zigeunerrace in Europa und Indien. Ihr Zusammenhang schien durch einen beobachtungsfähigen, und gewiß von keiner Theorie befangenen Zeugen begründet. Zweitens erfuhr ich bei weiterer Nachfrage, daß der Volksstamm in Persien, den ich mit unsern Zigeunern identifizirte, die wandernden Stämme von Curdistan seyen, die er mir, als aus einer guten Kaste stammend, und als tapfer und wohlhabend bezeichnete. Diese Stämme, deren Existenz in Persien, wie es scheint, bis auf die Zeiten vor Cyrus hinauf verfolgt werden kann, und deren Sprache bekanntlich von der in den Ebenen und den Städten gesprochenen abweicht, gleichen an Gesichtsbildung und Gestalt den Zigeunern; während ihre alte Sprache eine Mundart der hindustanischen ist. Es ist also wahrscheinlich, daß Persien der ursprüngliche Mittelpunkt dieser nomadischen Völkerschaft war." -
„Eine der größten Plagen auf dieser Reise waren die geflügelten Wanzen. An Gestalt, Größe und Geruch gleichen sie dem genus grabbaticum, das in England uns nur zu wohl bekannt ist. Die Nacht, welche wir auf der Höhe von Barrackpur zubrachten, fielen sie uns schon sehr beschwerlich; als wir aber auf den Palast des Rajah zukamen, flogen sie uns wie die Geister der Heere seines Ahnherrn zu Hunderten und Tausenden aus jedem Busch, jedem Schutthaufen der Ruinen entgegen, und fanden sich so zahlreich in unsern Kabinetten ein, daß es kaum darin auszuhalten war. Diese unglücklichen Thiere umflogen unsre Lichter in dichten Schwärmen, verbrannten sich Füße und Flügel an dem Rande der Glasdecken derselben, und fielen herab; andere stürzten sich kühner gerade in den Feuerkrater und fanden dort ihren Tod. Diese unmittelbaren Anfechtungen ließen uns gar nicht bemerken, daß sich an den neuübertünchten Zimmerbecken ein mächtiges Heer in schwarzen Haufen niedergelassen und von da seine Wohlgerüche verbreitete, bis es von den Ameisen aufgefressen wurde. Diese durchzogen in Schaaren meine Pinasse und hatten mir einen großen Theil meiner Vorräthe aufgezehrt, auch eine ganze Büchse blauer Pillen zu sich genommen, die hoffentich gute Wirkung thaten; da sie aber kein anderes Ungeziefer aufkommen lassen, so kann ich ihnen nicht so ganz abhold seyn.”
Die Ebenen Bengalens, von dem Ganges überflutet, müssen nach Hebers Beschreibung einen äußerst interessanten Anblick gewähren:
„Ich nahm nicht die gerade Richtung nach Norden über die Jils (Sumpfgegenden) sondern fuhr über den Fluß Delasserry und eine Strecke überfluteten Landes hin, das ein seltsames, trauriges Schauspiel bot. Die unansehnlichen Dörfer, auf kleine Erddämme zusammengedrängt, ragten noch gerade hoch genug über der Oberfläche des ausgetretenen Wassers hervor, während das übrige Erdreich fünf bis sechs Fuß tief unter Wasser stand. Mir fiel Gray's egyptisches Delta bei, dessen Bewohner
Das schwache Bot zu nahen Städten bringt,
Die schimmernd, hoch, die wilde Fluth umschlingt.
Bei diesen Dörfern aber war an kein Schimmern zu denken. Endlich waren wir an allen vorüber, und in eine Art Schilfmeer gekommen — eine unabsehbare Sumpffläche, wo sich hohe Binsen über die Oberfläche des Wassers erheben, das die ansehnlichsten Fahrzeuge tragen würde. Wir steuerten rasch voran. An einer Stelle, wo die Binsen am dichtesten standen, sondirte ich mit dem Ruder und fand das Wasser wenigstens zehn Fuß tief, den tiefen, weichen Schlammboden nicht mit eingerechnet.