Des Arztes Traum
[165]
Was mir ein Arzt erzählte
Von einem Traume bang,
Ich euch zum Lied erwählte,
Hört freundlich den Gesang!
Stets an den tollen Traum;
In eines Kirchhofs Mauern
Saß ich an einem Baum.
Kein goldner Vollmond schiffte
Es zuckte durch die Lüfte
Entfernter Blitze Strahl.
Ich aber saß beklommen,
Als drohte noch was mehr,
Um Mitternacht hieher?
Ich seufzte und ich grollte,
Da hör’ ich dumpfes Schall’n
Als ob die Erd’ entrollte
Der Mond aus Wolkenbergen
Auf einmal strahlend bricht,
Da seh’ ich, wie aus Särgen
Steigt Leich an Leiche dicht.
Gerade auf mich zu,
Ich aber rief: ich bitte,
Ihr Todten! kehrt zur Ruh!
Schnell will ich mich erheben,
Die Leichen zu mir schweben. –
O nie vergess’ner Traum!
Die erste wie im Grimme
Hebt auf die schwarze Hand,
Mein Tod war heißer Brand,
Du aber hast gestecket
Moschus in mich hinein,
Die Gluth noch mehr gewecket,
D’rauf mit den Knochenhänden
Die zweite weis’t auf’s Herz:
Und spricht: so mußt’ ich enden
Hier innen saß mein Schmerz.
Und Tränke für die Brust,
Mein Leiden hat zu stillen
Allein der Tod gewußt.
Die dritte kommt geschritten
Hätt’st du dieß abgeschnitten,
Würd’ ich noch lebend sein.
Doch du auf meine Klagen
Sprachst: Jod und Leberthran
Der Tod nur hat’s gethan.
Die vierte mit dem Kopfe
Stets nickte hin und her:
Wie war mir armen Tropfe
Hätt’st Wasser mir gegeben
Statt China immerdar,
So wär’ ich noch am Leben –
Der Tod mein Helfer war.
An Krücken zu auf mich.
Ich kenne sie, rief: weiche!
Die Erde decke dich!
Fort! fort! sie deck’ euch alle
Da ruft’s mit grellem Schalle:
Arzt! mit dir in’s Gericht!
Nun kommt der Tod gegangen:
Die Leichen singen: „Tod!
Du Retter aus der Noth!
Preis Arzt dir, der gefunden
Den Balsam Grabesruh;
Du bandest unsre Wunden
Und jetzt an mir vorüber
Schwebt Tod und Leichenchor,
Schnell wird der Himmel trüber,
Das Mondlicht sich verlor,
Ein Blitzstrahl niederkracht,
Davon bin ich im Bette
Vom tollen Traum erwacht.