Textdaten
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Autor:
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Titel: Der tote Affe
Untertitel:
aus: Aus dem Märchenschatz der Kaschubei, S. 41–43
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1909
Erscheinungsdatum: 1930
Verlag: Fuchs & Cie.
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Erscheinungsort: Danzig
Übersetzer: Friedrich Lorentz
Originaltitel: O małpie i biednym szewcu
Originalsubtitel:
Originalherkunft: Gryf 1, 210–212
Quelle: Pomorska Digitale Bibliothek, Commons
Kurzbeschreibung:
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[41]
Der tote Affe.

Ein Pfarrer hatte einen Affen. Das war ein sehr spaßiges Tier, denn er verstand alles und konnte alles nachmachen, was die Menschen taten. Immer saß er bei dem Pfarrer in der Stube, und wenn jemand etwas genommen hätte, würde es durch ihn sogleich herausgekommen sein. Eines Tages saß der Pfarrer am Tisch und zählte Dukaten, es war ein großer Haufen. Der Affe saß dabei und sah zu. Indem rief jemand den Pfarrer ab, er ging hinaus und ließ den Affen mit den Dukaten allein.

Der Affe hatte gesehen, daß der Pfarrer beim Zählen der Dukaten die Finger an die Lippen führte, um sie anzufeuchten, er verstand das aber nicht und dachte, daß der Pfarrer die Dukaten äße. Als der Pfarrer hinausgegangen war, steckte er einen Dukaten nach dem andern in den Mund, verschluckte sie und aß so nach und nach alle auf. Als der Pfarrer dann zurückkam, war das Geld fort. Er war der Meinung, daß ein Dieb es gestohlen habe, an den Affen dachte er nicht, denn der verriet sich nicht.

Dem Affen aber bekamen die Dukaten schlecht, denn das ist keine Speise, sie drückten ihm im Bauch, er wurde krank und starb nach einigen Tagen. Da ließ ihn der Pfarrer in den Garten werfen. Da lag er dann, bis er zu riechen anfing.

In demselben Dorfe wohnte ein armer Schuster, der sich durch Flickerei ernährte, denn er hatte kein Geld, um Leder für neue Schuhe kaufen zu können. Sein Nachbar war ein sehr reicher Mann, aber ein ganz gewissenloser Mensch, der über den armen Schuster spottete, wo er nur konnte. Den Schuster bekümmerte das sehr, aber [42] er konnte nichts machen, denn ein Armer bekommt selten recht.

Eines Tages gingen die Knaben des reichen Nachbars in den Garten des Pfarrers, um Aepfel zu stehlen. Dort fanden sie den toten Affen, brachten ihn nach Hause und sagten zum Vater: „Sehen Sie nur, Vater, was wir gefunden haben!“

Der Vater sagte: „Werft den toten Affen dem Schuster durchs Fenster in die Stube, dann hat er Leder und kann Schuhe daraus machen!“

Die Knaben taten es, warfen dem Schuster den Affen durchs Fenster in die Stube und lachten: „Jetzt hast du etwas, Schuster, woraus du Schuhe machen kannst!“

Der Schuster erschrak zuerst, als ihm der Affe durchs Fenster auf den Fußboden flog, das gab aber zugleich solchen merkwürdigen Klang, der Affe platzte, und aus seinem Bauch rollten die Dukaten in die Stube. Da rief der Schuster: „O Glück!“

Er kaufte sich Leder, nahm sich einen Gesellen und fing an, Schuhe zu machen. Und da er sich trotz des Geldes nicht auf die faule Haut legte, sondern vom Morgen bis zum Abend arbeitete, hatte er bald so viel verdient, daß er aus seiner elenden Kate ausziehen und sich ein neues schönes Haus bauen konnte, und es ging ihm gut.

Aber der reiche Nachbar ärgerte sich sehr, daß es dem Schuster so gut ging, denn er war sehr neidisch. Er konnte nicht begreifen, daß der Schuster auf rechtliche Weise zu seinem Vermögen gekommen sein könne, und meinte, er habe irgendwo Geld gestohlen. So ging er zum Pfarrer und sagte: „Früher war der Schuster so arm, daß er nichts zu essen hatte und in einer elenden Kate wohnte, und jetzt ist er reich und hat sein eigenes schönes Haus. Er muß irgendwo Geld gestohlen oder jemanden totgeschlagen haben.“

Der Pfarrer ließ den Schuster zu sich rufen und fragte ihn, wie er zu seinem Reichtum gekommen [43] sei. Der Schuster antwortete: „Eines Tages haben mir die Knaben meines Nachbarn zum Possen einen toten Affen in die Stube geworfen, und in seinem Bauch habe ich einen großen Haufen Dukaten gefunden.“

Da erkannte der Pfarrer, daß das sein Geld war, das der Affe aufgegessen und wonach er gestorben war. Er sagte das dem Schuster, und der wollte ihm das Geld zurückgeben. Doch der Pfarrer nahm es nicht, sondern sagte: „Gott hat es dir gegeben, und was Gott gegeben hat, muß der Mensch behalten.“

Dann ließ er den Nachbarn rufen und schalt ihn dafür aus, daß er dem Schuster, als er noch arm war, den Possen gespielt hatte. Dem Schuster ging es weiter gut und er wurde ein sehr reicher Mann. Der Nachbar aber sah das mit Neid, und da er sich sagen mußte, daß nur durch seinen Possen der Schuster zu Vermögen gekommen war, platzte ihm die Galle und er starb.

Einem Armen soll man keinen Possen spielen, denn er kann bald in die Höhe kommen, und der Reiche weiß nicht, wann er von seinen Reichtümern Abschied nehmen muß.