Der theuerste Farbstoff der Welt

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Der theuerste Farbstoff der Welt
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 719–720
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Farbige Diamanten
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[719] Der theuerste Farbstoff der Welt. Im Alterthum hielt man den Purpur dafür, jenen Saft einer Schneckenart, mit welchem ein Schäferhund sich zuerst die Schnauze gefärbt hatte. Purpurkleider durften nur die Edlen tragen – heut zu Tage vermag sich das ärmste Spinnermädchen, Dank der Chemie, ein schönes, gefärbtes Sonntagskleidchen zu erzeugen. Im Mittelalter, als der fromme Sinn die Riesenbauten gothischer Kirchen aufführte, lernte man mittels Gold in der Glasmalerei jenes glühende Roth hervorbringen, dessen Geheimniß nachher Jahrhunderte lang verloren war, bis neuere Forschungen das Recept wieder zu Tage brachten. – Das echte Ultramarin, aus dem Lapis-Lazuli dargestellt, der weit hinten aus der Mongolei in den Handel kam, wurde im vollen Sinne des Wortes mit Gold aufgewogen. Heute kauft man für denselben Preis, den früher ein Loth kostete, einen ganzen Centner des künstlich aus Thon, Soda, Eisen und Schwefel erzeugten, aber ebenso schönen Farbstoffes.

An und für sich sind diese Farben also kaum von einem nennenswerthen Preis, sie erhalten aber einen Werth durch die Art ihrer künstlerischen Verwendung. Es giebt kleine Gemälde, kaum von der Größe einer Schiefertafel, die für viele tausende von Thalern verkauft werden – des Künstlers Genie hat den ursprünglichen Werth der Farbenkörper vermillionenfacht.

Alles Können, alles Genie aber und aller Geist vermögen nicht bei der Menge die höchste Stufe der Werthschätzung zu erklimmen. Das vermag allein die Curiosität, die Seltenheit – sie wird höher bezahlt (darin liegt für die Menge ja der Maßstab) als die erhabensten Schöpfungen des Genius.

Wenn die Möglichkeit geboten werden könnte, ein Werk der Tonkunst, etwa eine Beethoven’sche Symphonie, der Menschheit nur mit einer Summe von Hunderttausenden zu gewinnen oder zu erhalten, andernfalls solle es unwiederbringlich verloren sein – die Mittel dazu, man kann die Behauptung wagen, würden nicht aufzubringen sein. Wir haben ja genug dergleichen Musik! Dagegen reißen sich die Menschen um einen Diamant, der ihnen nichts ist als ein Stück Kohle, um Rubine, die aus schlechtem Thone bestehen. Die Edelsteine insgesammt sind ihren Bestandtheilen nach durchaus nichts besonders Werthvolles. Einzelne ihrer Eigenschaften, bedeutende Härte zum Beispiel, geben manchen zwar einen wirklichen Werth, insofern dieselben dadurch zu technischen Verwendungen geschickt werden, – allein das besonders an den Edelsteinen Geschätzte ist ein eingebildeter Gehalt, der durch die Seltenheit vervielfacht wird.

Glanz, Durchsichtigkeit und Farbe machen den Kiesel zum gesuchten Amethyst, die Thonerde zum kostbaren Sapphir. Der gewöhnliche Beryll, welcher in centnerschweren Krystallen vorkommt, wird in erbsengroßen Stückchen mit ungeheuren Summen bezahlt, wenn er schön rein und grün und durchsichtig ist. Die Hauptbestandtheile aller sind so häufig in der Natur, daß sie für nichts geachtet werden. Bergkrystall und Amethyst sind in Allem gleich, nur enthält der letztere eine unwägbare Spur Mangan, welches die Ursache seiner violetten Farbe und seines vielmal höheren Preises ist. Mangan aber wird im Harz in ungeheuren Massen gewonnen, und alle Amethysten der Welt enthalten zusammen nicht soviel davon, als dort ein einziger Bergmann in einem Tage fördern kann.

Der Smaragd ist durch Chromoxyd gefärbt, welches man in der Porzellanmalerei anwendet; der Spinell verdankt seine Farbe demselben Körper, der Granat ist durch Eisen oder Mangan, der Rubin wieder durch Chrom, der Türkis durch Kupfer gefärbt etc. Durch diese an und für sich werthlosen Stoffe erhalten die Edelsteine ihr Aussehen und ihren hohen Preis, denn farblos würden sie oft kaum beachtet werden. Eisen, Mangan, Chrom und Kupfer treten hier also als die theuersten Farbstoffe auf. In einzelnen Beispielen steigert sich dies bis in’s Unglaubliche. Was man aber auch davon erzählen kann, – Alles wird übertroffen durch einige [720] farbige Diamanten, welche gerade ihrer Färbung wegen die höchsten Summen erreichen.

Im russischen Schatze befindet sich ein rubinrother Diamant, welcher beim Ankauf mit 100,000 Rubeln bezahlt worden ist. Wäre er farblos, so würde er, da er nicht mehr als 10 Karat wiegt, kaum den zehnten Theil gekostet haben; das Bißchen Farbstoff, welches ihn um 90,000 Rubel theurer gemacht hat, wiegt nicht soviel als der Staub, den man täglich von einem Buche wischen kann.

August der Starke kaufte einen grünen Diamant für 60,000 Ducaten; wenn derselbe über Nacht einmal seine schöne Farbe verlöre, würde man nicht mehr soviel Thaler dafür geben, trotzdem daß man für einen Dreier mehr jenes Farbstoffes kaufen könnte, als der ganze Diamant enthält. Ganz unschätzbar aber ist der schöne blaue Diamant, welchen der Banquier Hope zur Londoner Ausstellung gegeben hatte. Er ist so groß wie die Hälfte einer kleinen wälschen Nuß und wiegt 44 Karat; gleich große farblose Steine würden einen Preis von etwa 200,000 Thaler erreichen, während sich für ihn, der um eine Stecknadelkuppe Farbstoff enthält, gar kein Preis angeben läßt.