Textdaten
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Autor: R. Artaria
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Titel: Der starke Christoph
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aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 492–495
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[492]
Der starke Christoph.

Wer im verflossenen Sommer die Münchener Kunstausstellung besuchte, erinnert sich noch des großartigen Bildes von Kirchbach: „Herzog Christoph, der Kämpfer, an der Leiche des letzten Abensbergers“, das hier im Holzschnitte den Lesern vorliegt. Ein düsterer Abend über öder Landschaft, rings sinkt schon die Dämmerung nieder, nur von Westen her strahlt noch ein greller Schein empor und beleuchtet den mörderischen Ueberfall. Im Vordergrunde Roß und Reiter blutüberströmt dahingesunken, die zerbrochenen Waffen umhergestreut, im Hintergrunde abziehende Mannen, die ihre Verwundeten zu bergen eilen, ein Ritter, der hohnlachend seinem Gefangenen den Strick um’s Handgelenk schnürt – über Alle emporragend aber, das dunkle Haupt mit der Sturmhaube scharf in den hellen Abendhimmel gehoben, der streitbare Herzog im Eisengewand, der hier seine Feinde auf den Grund gestreckt hat. Er würdigt sie keines Blickes, das düstere Angesicht ist nach oben gewandt und sein herber Ausdruck scheint den Himmel zum Zeugen gerechter Rache anzurufen.

Auch dem nicht geschichtskundigen Beschauer weht aus diesem Bilde die Ahnung entgegen, daß es sich hier um Bedeutenderes handeln möge, als einen der vielen tausend Ueberfälle auf

[493]

Herzog Christoph der Kämpfer an der Leiche des letzten Abensberg.
Nach dem Oelgemälde von J. Kirchner in München.[WS 1]

[494] „breiter Haid’“, in welchen Jahrhunderte lang die beste Kraft unseres Volkes nutzlos und roh vergeudet ward. Als ob er seine Zeit selbst anklage, reckt sich hier die eiserne Hand des Herzogs aus dem Bilde hervor, eine Zeit der Rechtlosigkeit und Gewaltthat, in deren unerfreulichen Einzelnheiten das Auge des Beschauers schnell zu ermüden pflegt: Kaiser Friedrich’s III. unfähige und trostlose Regierung.

„Wer aber war Herzog Christoph?“ wird wohl mancher unserer Leser fragen.

Nun, er verdient sicher eine genauere Betrachtung, denn er gehört unstreitig zu den merkwürdigsten Figuren dieser an abenteuerlichen Existenzen so reichen Zeit. Trostlos ist ihr Hintergrund allerorten – unaufhörlicher Kampf der Großen mit den Kleinen und unter sich, das deutsche Reich ein Theilungsobject für gierige Fürstenhände, das Reichsoberhaupt fern, in eigene Hausstreitigkeiten jahrzehntelang verwickelt, immer in Geldnöthen: so sieht die romantische Zeit des „letzten Ritters“ bei genauerer Betrachtung aus.

Auch im bairischen Herzogshause, das hundert Jahre früher weit mächtiger als das Haus Habsburg dastand, rissen üble Zustände ein. Albrecht III., bekannt durch seine erste Ehe mit der unglücklichen Agnes Bernauer, hatte aus seiner zweiten fünf Söhne und wies in seinem Testamente „die zwei ältesten“ an, gemeinsam zu regieren. Johann, der Aelteste, starb rasch, sein Bruder Sigmund, ein bequemer Herr, „dem wohl war mit schönen Frauen und weißen Tauben, auch Singen und Saitenspiel“, verzichtete bald freiwillig auf die Mühen der Regierung zu Gunsten seines Bruders Albrecht. Nun, da die ursprüngliche Erbordnung durchbrochen, war es kein Wunder, wenn die beiden jüngsten, eben von der Hochschule Pavia heimkehrenden Herren, Christoph und Wolfgang, ebenfalls ihren Antheil an Land und Gut verlangten. In diesem unerquicklichen Streite vergingen Jahrzehnte, die Einzelnheiten sind heute vergessen, aber charakteristisch heben sich auch für uns noch daraus hervor die beiden Hauptfiguren: Albrecht, der kluge und feingebildete Humanist, „wohlgelehrt der lateinischen und welschen Sprach, sodaß ihn seine Brüder, in studiis minder sorgsam, in späteren Jahren noch spottweise ‚den Doctor‘ nannten“, und in starkem Gegensatze zu ihm der unbändige Christoph, der sich einer ansehnlichen Leibesgröße und herculischen Kraft erfreute, jähzornig und hochfahrenden Sinnes war, dabei prachtliebend und verschwenderisch, also zur Rolle eines fügsamen jüngeren Bruders in keinem Betracht geschaffen. Freilich ebenso wenig zu der eines Bischofs, die ihm väterliche Voraussicht bestimmt hatte – seine Tage in Pavia waren in Raufhändeln und Zechgelagen aller Art, aber ohne die mindeste Theologie verflossen.

In München wurde der „starke Christoph“ bald zum Volksliebling. Er machte und vertrug einen derben Spaß auf Markt und Gassen, er warf sein Geld reichlich zum Fenster hinaus, aber ebenso wohl für Almosen, als für Zechgelage und die Schulden guter Freunde.

Eine kleine Probe aus dem Aufschreibebuch seines Haushofmeisters mag als Beleg dienen:

„Item an den Koch für sein Hofhalt zahlt und die
  fünf essen für die frömdn ritter

387 fl.
Vnd in was sich der Koch irrt und verrechnet hat 29 fl.
Vnd ist in dem monat verschenkt worden an arm
  priesterleut und mönch an die

300 fl.
Vnd es hat uns der Welser abermals ein Darlehen
  geben, hat das erste noch nit zurück, tut

1000 fl.
Vnd nemb mein gn. Herr Christoph eine handvoll
  geld und verschenkts, etwan

500 fl.
Vnd schenkt dem türmer zu st. peter für sein schönes blasen 1 fl.
Item für ein gutes schwert mit silbernem griff, ein
  sammt mantel und jagdkoller

24 fl.
Item es hat mein gn. Hr. Herzog Christoph schier all
  dagewesenes geld genommen und mer orte hinzehlt,
  sagt er habs aufgeschriben und verloren.

Sind in der baarschaft vorhanden 31 fl. 27 kr.

Es ist also wohl begreiflich, daß der lustige Herzog, dessen milde Hand sich so leicht und gern öffnete, bedeutend populärer war, als sein ernster, bedächtiger Bruder, der natürlicher Weise darnach streben mußte, die alte Erbordnung wieder herzustellen und das Regiment ausschließlich in seine Hand zu bekommen, um dem völlig unleidlichen Zustande ewiger Fehde, auch zwischen den Vasallen, ein Ende zu machen.

Fortwährende Streithändel, vergebliche Ausgleichsversuche von Seiten des naheverwandten Herzogs von Niederbaiern, ja des Kaisers selbst, füllen die Jahre von 1467 bis 1485 aus. Die beiden Brüder zerfielen vollständig, Zwischenträger aus dem Adel schürten den Haß, Christoph kam in immer ärgere Geldverlegenheit, und es kostete ihn schwere Mühe, da der Welser nicht mehr borgen wollte, bei dem Rathe dieser und jener Stadt das Geld aufzunehmen, um seine Anhänger zu bezahlen.

„Pinzenauer,“ sagte er in solcher Lage zu einem seiner Getreuen, „wir müssen die Sache anders machen, es thut’s so nicht. Wir haben Nichts und Er (nämlich Herzog Albrecht) giebt uns auch Nichts. Wir haben viel Volks und brauchen von ihm Nichts zu leiden.“

„Herr,“ erwiderte sein Gesell, „ich verstehe wohl. Ihr wollt bösen Dingen nachgehen, gedenkt, wessen Ihr Euch verschrieben habt.“

Aber Christoph’s Logik gipfelte immer wieder in dem Satz: „Wollte Gott, daß ich mich mit meinem Bruder, Herzog Albrecht, um unser Erbe hätte schlagen können, und welcher übrig blieb, der behielt Alles!“

Mochten es nun solche Reden sein, die Albrecht hinterbracht wurden, mochte, wie er fest behauptete, im Stillen Anstalten zu offenem Aufruhre und seiner eigenen Gefangennehmung gemacht worden sein – genug, er faßte jetzt den Entschluß, seinen Bruder gefangen zu setzen. Aber mit diesem Entschlusse war es einem Recken wie Herzog Christoph gegenüber nicht gethan. Er gehörte zu Denjenigen, die massive Eisenstäbe biegen, Silberthaler in der Hand zerbrechen und einem Bären mit der Faust den Schädel einschlagen. In der Residenz zu München sieht man noch heute den drei Centner schweren Stein, den er zwanzig Fuß weit schleuderte, und den zwölf Schuh hoch in der Mauer steckenden Nagel, den er im Sprunge mit der Ferse herab schlug. Einen solchen Mann fangen zu wollen, hatte also seine Schwierigkeiten, und nach langem Bedenken faßte Albrecht mit Niclas, Grafen von Abensberg, dem Christoph schon von früher verfeindet war, den einzig möglichen Plan, diesen in München im Bade zu greifen, wo er waffenlos war und man es nur noch mit seiner Körperstärke zu thun hatte. Der Ueberfall gelang. Mit einigen Genossen warf sich der Abensberger auf den Ahnungslosen, der vergebens strebte, zu seinen Waffen zu gelangen, nach kurzem Ringen überwältigt und in einen Thurm der „neuen Veste“ abgeführt wurde, am 23. Februar 1471. Dort hatte nun der hitzige Prinz Zeit zum Nachdenken, aber auch Herzog Albrecht wurde durch fortwährendes Drängen der Landstände und einen nur zufällig mißglückten Befreiungsversuch von Christophs Anhängern belehrt, daß er seinen Bruder doch nicht dergestalt nach eigenem Belieben gefangen halten könne, und so gab er ihn, obgleich widerwillig, frei. Christoph verstand sich nach einigen Jahren dazu, seine Ansprüche gegen den Besitz von Weilheim, Landsberg, Pähl und eine gute jährliche Rente abzutreten.

Aber zum Stillleben als oberbaierischer Schloßbesitzer war ein Mann von Christoph’s beweglicher Abenteurernatur nicht gemacht, er zog also nach Ungarn, um dem Könige Matthias gegen die Türken zu helfen, und theilte dort die Gewalthiebe aus, die seinen Namen zum Schrecken der Ungläubigen machten. „Denn sein Schwert,“ heißt es, „glich des Todes Sense, und wenn es zu mähen begann, war’s, als ob das Gras geschnitten würde.“

Einige Jahre später kehrte er aber wieder nach Baiern heim, und kurze Zeit darauf gingen die alten Händel wieder an. Die Weilheimer und Landsberger beschwerten sich, wohl mit gutem Grund, bei Herzog Albrecht, daß Christoph sie mit gewaltsamen Steuern presse, und der geordnete Albrecht nahm hiervon Anlaß zur Intervention. Er zog zu Ostern 1485 von München aus und besetzte des abwesenden Christophs Städte. Als dieser davon hörte, schwoll ihm das Herz vor Grimm und Rachsucht. Seinem Bruder konnte er nicht ankommen, aber zu Freising, wo er im Augenblicke lag, mußte in den nächsten Tagen der von der Expedition gegen Landsberg heimkehrende Abensberger vorbeikommen, und mit ihm, der rechten Hand Herzog Albrecht’s, dem Hetzer und Schürer zwischen beiden Brüdern, dachte der ergrimmte Christoph jetzt blutig abzurechnen.

[495] Er ging zunächst, um sich und seine 62 Gesellen, „gute Reisige von Adel“, mit einem tüchtigen Reitermahl zu stärken, zum Pfleger Oswald Schönbichler und sprach:

„Lieber Gesell Oswald, thu so wohl und gib mir und den Meinigen zu essen. Denn ich habe wahrlich nicht mehr, als drei Gulden und mein Schwert mit Silber beschlagen. Glaub gewis, daß ich Dir solches vergelten will, als fromm ich ein Fürst von Bayern bin.“

Als die Herzen gestärkt waren, stiegen die Herren zu Pferde und ritten gen Weihenstephan; der Herzog setzte sich auf die Kirchhofsmauer und spähte nach dem Abensberger aus, der auch nicht lange auf sich warten ließ. Beim Abschied in München hatte ihm Herzog Albrecht gesagt:

„Fürcht’ Euch, mein Bruder Christoph ist im Lande, wir wissen aber nicht wo; wenn ihr Uns folgen wollt, so wollen Wir euch 30 Pferde mitgeben, daß ihr also sicherer heim kommt.“

Darauf erwiderte Der von Abensberg:

„Gnädiger Herr, da ist weder bei mir noch bei den Meinigen eine Forcht. Sondern frag Euer Gnaden nur, ob Ihr Euren Bruder Tod oder Lewendig haben wollt, wenn er auf uns stoßt?“

Der Herzog sagte:

„Lieber Herr von Abensberg, nicht Tod, sondern Lewendig.“

Diese Unterredung erfuhr der Harrende auf der Kirchhofmauer von einem vorausgerittenen Späher, und seine Augen flammten vor Zorn. Er rief seine Leute zusammen und hielt eine Anrede, worin er mit heftigen Worten den Abensberger, Rohrbecker und Bogner anklagte, „daß sie ihren natürlichen Herrn und Fürsten von Bayern wider Gott, Ehr und Recht zu München im Baad gefangen und Unsern Bruder, Herzog Albrecht, dahin gebracht, daß derselbe Unsere zugetheilte Erbschaft, die Stadt Landsberg eingenommen, auch sonst große Uneinigkeit zwischen uns angerichtet haben.“ Wer zu ihm stehen wolle, möge thun, wie er. Damit brach er einen Eichenzweig und steckte ihn auf die Sturmhaube.

Die Andern desgleichen. Nur ein Bedächtiger wagte zu sagen: „Gnädiger Fürst und Herr, Euer Gnaden werden uns arme Gesellen auf diesen Tag verführen.“

„Lieber Suntheimer,“ erwiderte der Herzog, „wenn Du Dich förchtest und das Herz, einem frommen Fürsten zu helfen, nit hast, so reite hinweg und bist mir lieber weit von mir, als nahe bei mir.“

Das ging dem Suntheimer doch wider die Ehre, er steckte also auch seinen Eichenzweig an.

Nun wurde der Zug sichtbar. Christoph ordnete die Seinigen, führte sie in gestrecktem Rosseslauf gegen die Anrückenden „und traffen die Armprost-Schützen so gut, daß viel Geul und Reiter wund wurden und des Abensberger’s Zug aus der Ordnung in die Flucht kam.“ Herzog Christoph stach die Herren von Bogner und Rohrbeck von den Pferden, den von Abensberg hatte der Herr von Diessen, und zwar noch lebend auf den Grund geworfen, er gedachte ihn auch zu schonen, wenigstens bis der Herzog, der die Flüchtigen verfolgte, wieder zur Stelle sei, da kam aber Seitz von Frauenburg, der von solchem Vornehmen nichts wußte, und stach ohne Weiteres den Abensberger „von Unten zu Tode.“

„Indem kam der Herzog Christoph wieder zur Wahlstatt: Und als er seine drey Feinde miteinander auf dem Grund Tod gesehen, hat er seine Hände gen Himmel gestreckt und gesagt: Wir wollten, daß allen Falschen des Adels und sonst, welche durch ungetreuen Rath die Fürsten gegen einander aufbringen also geschehen sollte!“

Was Herzog Albrecht seinerseits über diesen Ausgang der Sache empfand, berichtet uns der Chronist nicht, sondern er sieht den Finger Gottes darin, daß gerade die drei da fielen „so cristoffen in Vangnuß namben.“ Albrecht besetzte als Landesherr die erledigten Schlösser des „letzten Abensberger’s“ und nun, nachdem Christoph’s Rache gekühlt war, schlossen sie ein dauerndes Einvernehmen, das endlich, nach siebenzehnjährigem Kampf, Albrecht zum Alleinherrscher machte. Christoph aber „und seine Gesellen beichteten darnach am Auffahrtstag (Christi Himmelfahrt) auf dem heiligen Berg Andechs und empfingen das Sakrament und wurden von allen Todtschlägen geabsolvirt.“ Die Erschlagenen erhielten ein ritterliches Begräbniß und reichliche Seelenmessen unter vielem Volkszulauf, und somit war der Handel für die öffentliche Meinung damaliger Zeit befriedigend erledigt.

Christoph aber hielt es wieder nicht auf seinen Schlössern aus. Das deutsche Wanderblut und der Abenteuersinn jener Zeit, der auch ohne genaue Karten auf den Weltstraßen merkwürdig gut Bescheid wußte, zog ihn zu neuen Fahrten, durch welche er dem bedrängten Maximilian I. Hülfe brachte, und endlich nach dem Ziel seiner gläubigen Sehnsucht, nach Jerusalem. Ein frommer Christ war Christoph immer gewesen, der alle möglichen Kirchen bauen half, nun zog er als Pilger in Gesellschaft mehrerer deutschen Fürsten von der palästinischen Küste landeinwärts. Sein erhaltenes Tagebuch giebt eine Menge höchst charakteristischer Aufzeichnungen. Einige davon mögen hier stehen:

„25. Juni. Item hab ich einem Arabierherzog oder Schekh ein lang stuck scharlachseiden geben, deß war er überaus froh und ein trefflichen Dolch dafür, daß er uns den nechsten Weg gewiesen hatt. Und was der Schekh ein hübsch, tapferlich sehender mann, schier eines helden anblick und woll wert, daß er zum wahren glauben bekehrt wurd. Davon wollt er nichts wissen.

Nachher zu Fuß pilgremt und ließen etlich arminianisch Bischöf auf das kameelthier sitzen, so ihre eselein fast trutzig waren und keine last tragen wöllten.

Item ist die Gegend jäh Gebirg und von einer höh ist woll zu sehen bis Jerusalem.

Und da wir die hochheilig stadt im angesicht hatten, was fast große rührung in jedwedem, als daß wir niederknieten und des danks voll waren. Vnd kunnt ich des keinem beschreiben wie mir zu muth war, vor so viel gnad Gottes, daß ich dies erschauen durfft . . .

27. Juni. Vnd es heißt die erste pforten in der stattmauer von Jerusalem Ephraims. Dahin ließen sie uns nicht, weil wir christenleut wären: Selb schuf mir viel letz und grämte mich bitterlich. Daß ich denn von herzen gern mein gewalt erzeigt hett. Weil ich aber ein demütiger pilgrem und unser Herr viel größeres erlitten, wollt ichs woll in demut tragen.

O hett ich etliche zehen ritter meiner krafft und ein mittler kriegsheer, also möcht ich woll allen künftigen pilgersleut solche schmach benehmen und dem türkischen bluthund eine harte Nuß zu beißen geben, daß er ersticket.“

In tiefer Andacht besucht dann der Herzog alle heiligen Stätten und berührt mit Hand und Mund die Steine, wo der gebenedeite Fuß des Erlösers gewandelt. Dann rüsten die Genossen zur Heimfahrt und hier, des Pilger-Gelübdes entledigt, findet unser Herzog endlich Gelegenheit, dem Drang seines Herzens Luft zu machen und die schweren Schläge wirklich auszutheilen, die er den Türken in Jerusalem so oft in Gedanken aufmaß. Herzog Friedrich von Sachsen marschirte der kleinen Karawane etwas unvorsichtig voraus und wurde von einem Haufen Beduinen angegriffen. Christoph spornte auf das Hülfsgeschrei sein Roß, fiel wie ein Wetterstrahl in die Feinde, hieb die zwei nächsten in der Mitte entzwei, packte, würgte, stieß und schlug dermaßen in lang angesammelter Wuth, daß die entsetzte Feindesschaar aus einander stob, zwölf noch von dreißig. Die Andern rührten sich nimmer. „Wie mir meines schwähers sohn dankt sag ich zu Ime: das verflucht Türkenvolk hatt woll vermeint, ich wollt es halten heimwärts, wie auf der Hinfahrt und Pilgramschaft!“

„Ueber das gefecht und hin und her was mir großer Durst ankommen, daß ich mich an der Cisterne niederkniet und in mein sturmhaub wasser schöpf und trinks begierig. Da ich das gethan, überzog mich ein großer Frost und was um das Herz gar beklommen, daß ich schier vermeinte, ich hätt den Tod getrunken und es wär aus mit mir. Da ist mir nun doch wieder anscheinend besser zu mut worden . . .“

Er hatte sich den Tod getrunken. Bis Rhodus kamen sie noch, dort, in den Armen des Johanniter-Großmeisters gab der Herzog als standhafter Ritter und fromwer Christ seinen Geist auf, seine Gebeine ruhen bis heute auf der Insel.

Sein Schwert aber kam nach München zurück und dient noch heute bei der Cerewonie des alljährlichen Georgi-Ritterfestes.

Wer wehr erfahren will, der nehme Franz Trautmann’s höchst anziehendes Buch: „Die Abenteuer des Herzogs Christoph von Baiern“ zur Hand, dort findet er neben einer Menge urkundlicher Belege, welchen die vorstehenden Notizen zum großen Theil entnommen sind, ein poetisch und patriotisch gezeichnetes Bild des starken Herzogs, auf dem sehr ansprechenden Hintergrund des alten München, seiner Denkmäler und Wahrzeichen.
R. Artaria.     


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der Maler des Bildes ist nicht J. Kirchner, sondern Frank Kirchbach jr. (1859–1912). Vgl. dazu Kleiner Briefkasten, Heft 34, 1. Antwort. Richtig zugeordnet auch in: Illustrirter Katalog der internationalen Kunstausstellung im Königl. Glaspalaste in München 1883, 4. Aufl., München 1883, S. 13 – und ja auch in der Besprechung des Werkes von Rosalie Braun-Artaria (S. 492–495).