Der schiefe Thurm von Terlan

Textdaten
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Autor: G. K.
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Titel: Der schiefe Thurm von Terlan
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aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 504
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[504] Der schiefe Thurm von Terlan. Die Tage eines originellen Bauwerkes im schönen Land Tirol, des bäuerlichen Bruders des weltberühmten Thurmes von Pisa, sind gezählt. Der schiefe Thurm von Terlan wird abgetragen, da die Gefahr des Einsturzes eine drohende geworden ist.

Tausende sind bewundernd an ihm vorübergezogen, Tausende an seinem Fuße, im Wirthshause von Terlan, dem weinberühmten Orte, gesessen, die Wahrheit des alten Satzes an sich erfahrend, daß ein guter Tropfen anderwärts besser zu haben sei als da, wo er gewachsen.

Einige Notizen über den Thurm dürften unseren Lesern wohl von Interesse sein. Etwas Bestimmtes über Alter und Erbauung ist leider nicht bekannt, und auch die Erwartung, darüber etwas Näheres durch den Inhalt des am 17. Mai herabgenommenen Thurmknopfes zu erfahren, hat sich nicht erfüllt, da derselbe außer Münzen aus dem 17. und 18. Jahrhundert nur einige Reliquien und unwesentliche Documente enthielt. – Durch die in Folge der Hochwasserkatastrophe des Jahres 1882 angeordnete und vom Ingenieur Jellinek ausgeführte Untersuchung über den Bauzustand des Thurmes wurde aber festgestellt, daß die Meinung, der Thurm sei von seinem Erbauer absichtlich mit schiefer Axe projectirt und ausgeführt worden, eine irrige ist.

Der schiefe Thurm von Terlan.

Die Untersuchung ergab, daß ein Theil des Mauerwerks, welches sich jetzt unter der Erde befindet, von dem übrigen durch einen klaffenden Riß von 10 Centimeter Breite getrennt ist und die Steine des aufgehenden Mauerwerks von dem Fundamente in horizontaler Richtung verschoben waren, sodaß die über das Terrain ragende Thurmmasse nur auf einen Theil des Fundamentes, und zwar gerade auf dem ohnedies sehr zum Nachgeben geneigten ruht. Die von den Giebelfenstern der Süd- und Westseite aus vorgenommenen Lothungen ergaben Ausweichungen von 1,77 Meter auf der Südseite und 3,08 Meter auf der Westseite, gegen 1,26 und 2,37 Meter, welche das Resultat einer im Jahre 1866 durch den Maurermeister Stricker vorgenommenen Messung war, sodaß sich also innerhalb eines Zeitraums von 16 Jahren der Thurm nach Süden um 0,51 Meter und nach Westen um 0,71 Meter mehr vorgeneigt hat. Durch weitere Untersuchung wurde festgestellt, daß der Eckpunkt des obersten Kranzgesimses an der geneigten Kante – 39,84 Meter über dem Straßenniveau – um 3,25 Meter, und die Kreuzspitze – 73,35 Meter über dem Terrain – um 6,47 Meter aus dem Loth gerückt war, ferner, daß der Lothfußpunkt des Schwerpunktes 1,57 Meter weit vom Mittelpunkt der Thurmbasis wegfällt. Die im Februar 1884 vorgenommene abermalige Lothung ergab, daß sich der Thurm seit August um weitere 3 Centimeter geneigt hatte.

Am 11. April wurde die Abtragung des Thurmes angeordnet, und am 17. Mai erfolgte die Abnahme des Kreuzes und des Thurmknopfes. Vorläufig soll die Abtragung nur so weit gehen, als für die öffentliche Sicherheit nothwendig ist. Bei günstigem Grundwasserstand wird nach endgültiger Untersuchung des Fundamentes bestimmt werden, ob auch der Rest des Thurmes abgetragen werden muß oder für einen Wiederaufbau erhalten bleiben kann. G. K.