Textdaten
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Autor: Gundakkar Klaussen
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Titel: Der neue Dom zu Berlin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 557, 559–560
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[557]

Nach einer Aufnahme von W. Tirschthaler in Berlin.

Der neue Dom zu Berlin.
Die Nordfront mit der Grabkapelle der Hohenzollern.

[559]

Der neue Dom zu Berlin.

Von Gundakkar Klaussen.
(Zu dem Bilde S. 557.)

Langsam und stetig reift der gewaltige Monumentalbau des neuen Berliner Doms seiner Vollendung entgegen. Außen sind die Baurüstungen gefallen, und obwohl noch Zäune und Buden das stolze Haus zum Teil verdecken, so ist doch das Aeußere im wesentlichen fertig und gewährt schon einen leidlichen Gesamteindruck. Unser Bild ist von der Gegend des Bahnhofs Börse aufgenommen und giebt einen Blick auf die Nordfront mit der Grabkapelle der Hohenzollern. Die Hauptfassade sieht nach Westen gegen den Lustgarten. Hier ist dem mächtigen Kuppelbau eine große, offene Säulenhalle vorgelegt von 84 m Länge, während die Gesamtlänge des Baues 114 m und seine größte Tiefe 73 m betrügt. An den Enden der Vorhalle erheben sich die beiden auf unserm Bilde rechts sichtbaren Türme, welche zur Aufnahme der Glocken bestimmt sind. Der figürliche und dekorative Schmuck, der an dem ganzen Gebäude nicht gespart ist, tritt auf dieser Seite ganz besonders hervor. Ueber dem Hauptportal steht Christus, von Schaper modelliert. Den Sims zieren die Gestalten der Apostel von Pfannschmidt, Calandrelli, Herter, Manzel, Brütt, Vogel und Baumbach. Trotz des Hochrenaissancecharakters, in dem das ganze Werk gehalten ist, verleugnet sich gerade in den Statuen der unserer Zeit innewohnende Zug ins Barocke nicht. Ebenso wie die Glockentürme und die beiden Türme nach der Spree zu, von denen man auf unserm Bilde nur den einen sieht, ist auch die große Kuppel mit Kupfer eingedeckt, an dem die Vergoldung nur in bescheidenstem Maße angebracht ist. Vorläufig wirken die großen rotbraunen Flächen nicht besonders schön, allein man rechnet mit der grünen Patinierung, die sich bilden soll.

In ihrer vom Kreuz überragten Laternenspitze erreicht die Kuppel die stattliche Höhe von 105 m. Die kolossalen Wetterfahnen auf den Türmen, welche unsere Leser auf S. 322 dieses Jahrganges in Wort und Bild beschrieben finden, mußten wegen ihrer ungeheuren Schwere auf Rollenlager gesetzt werden, ein Verfahren, das zu diesem Zweck hier zum erstenmal Anwendung gefunden hat.

Die Kuppel wölbt sich über den Mittelbau, die eigentliche Haupt- und Predigtkirche. Nach Süden zu ist ihr die saalförmige Tauf- und Traukirche vorgelagert mit einem Zugang von der Schloßseite her. Hier ist auch der allgemeine Eingang für den kaiserlichen Hof vorgesehen. Zwei Statuen von Lessing, Hoffnung und Liebe, schmücken diese Front. Auf der Wasserseite stehen Johannes der Täufer von Vogel und Moses von Janensch. Hier haben in Wandnischen auch die beiden Kupferstatuen aus dem alten Dom ihren Platz gefunden. Die Nordseite der Anlage bildet die ebenfalls mit Kupfer eingedeckte auf unserm Bilde deutlich sichtbare Grabkirche der Hohenzollern. Ihren Haupteingang hat sie unter dem Nordturm der Vorhalle. Gleich rechts von diesem Eingang wird der vom Kaiser geplante Bismarcksarkophag seine Aufstellung finden. Die mittelste Kapelle, deren Fenster und Giebel auf unserm Bilde erscheinen, ist vom Kaiser für seine eigene Person ausgewählt worden. In der Mitte der Grabeskirche wird ein Sarkophag Aufstellung finden, welcher zur Aufnahme der Särge während künftiger Beisetzungsfeierlichkeiten bestimmt ist. Eine breite Marmortreppe ist geplant, welche von der Denkmalskirche in die Kellerräume der Gruft hinabführt. In dieser werden die neunzig Särge untergebracht werden, welche früher im alten Dom standen und jetzt in der Interimskirche im Monbijoupark vorläufig ein Unterkommen gefunden haben.

Das für die Fassade verwandte Material ist gelblichweißer schlesischer Sandstein, hauptsächlich aus der Gegend von Cudowa. Nur [560] in dem unteren Teile ist schlesischer und bei der Gruftkirche auch bayrischer Granit verwandt worden.

Während sich das Aeußere schon recht stattlich ausnimmt, herrscht im Innern für ein Laienauge noch das Chaos. Rüstungen an den Wänden, Rüstungen bis in die Kuppelspitze hinein, Rüstungen überall. Von dem bunten Marmorbelag und den Mosaiken, die hier einst ein farbenprächtiges Bild geben sollen, ist noch nichts zu sehen. Wie die meisten derartigen Bauten, teilt auch der Dom das Schicksal, daß er nicht zur ursprünglich festgesetzten Zeit fertig werden wird. Die feierliche Eröffnung war für den Geburtstag des Kaisers, 27. Januar 1900, geplant. Jetzt ist sie vorläufig bis auf den Herbst 1902 verschoben.

Ueber die Gesichtspunkte, welche für die eigenartige Anlage bestimmend waren, äußerte sich der Dombaumeister, Geh. Regierungsrat Raschdorff, dem sein Sohn Prof. Otto Raschdorff, sowie der königl. Baurat Kleinau und Regierungsbaumeister Schmidt zur Seite stehen, folgendermaßen: „Die protestantische Kirche kennt kein Opfer, kein Altarsakrament; den Mittelpunkt ihres Gottesdienstes bildet die Predigt, in welcher nicht auf den Altar, sondern auf die Kanzel die Aufmerksamkeit der Gemeinde sich sammelt. Hierin liegt für den Baumeister eine große Schwierigkeit, deren sich auch die früheren Baumeister wie Schinkel, Stüler, Stier u. a., die sich mit der Dombaufrage beschäftigten, wohl bewußt waren. Sie suchten dieselbe dadurch zu umgehen, daß sie den Dom entweder als nationale Dankeskirche, als patriotische Gedächtnishalle, als eine Art Pantheon oder dergleichen auffaßten, oder aber indem sie den Charakter als Begräbnisstätte des Hohenzollernhauses vorwiegend zum Ausdruck brachten. Auch der neue Dom ist in ähnlichem Sinne gedacht, nämlich als Prunkkirche für den Summus episcopus der Landeskirche. Dem Wunsche des Kaisers entsprechend, soll der Dom diese seine hohe Bestimmung durch seine Monumentalität erfüllen und das ragende, weithin sichtbare Wahrzeichen Berlins sein.“