Der galvanische Strom als unbesoldeter Nachtwächter

Textdaten
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Autor: Ernst Krause
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Titel: Der galvanische Strom als unbesoldeter Nachtwächter
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 50, S. 813, 814
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[813] Der galvanische Strom als unbesoldeter Nachtwächter. Zu den unschätzbaren Diensten, welche uns der galvanische Strom in der Haus-, Staats- und Welt-Telegraphie, in den schönen und nützlichen Künsten der Metallplattirung und Galvanoplastik, der Heilkunde, Uhren-Regulirung, Sprengtechnik etc. leistet, ist in der Neuzeit die Anstellung desselben als eines niemals schlafbedürftigen, noch zerstreuten oder unaufmerksamen Wärters für allerlei Geschäfte und Bedürfnisse getreten. So ist es z. B. für viele ökonomische und industrielle Zwecke hochwichtig, die Ueberschreitung einer bestimmten Temperatur in einem Raume – sei es ein Brüt- oder Trocken-Ofen, eine Malzdarre, oder eine Bierbrauerei – zu verhüten. Statt nun eine Person zu verpflichten, Tag und Nacht das Thermometer zu beobachten und das Verderben der jungen Küchlein oder der Bierwürze von einem Augenblicke der Unaufmerksamkeit abhängig zu machen, hat man darauf gedacht, dem Thermometer selber die Pflicht aufzulegen, es zu melden, sobald das Quecksilber bedenklich hoch gestiegen ist. Die Sache ist höchst einfach. Um eine elektrische Klingel zum Läuten zu bringen, dazu gehört bekanntlich weiter nichts, als daß man durch einen Druck oder sonstwie die Berührung zweier so lange getrennter Metalltheile bewerkstelligt, durch die dann der Monate und Jahre lang geduldig wartende galvanische Strom seinen Weg nach der beliebig entfernten Läutvorrichtung fortsetzen kann.

Diese metallische Berührung ist nun auf vielerlei Art zu bewerkstelligen. Man denke sich z. B. einen Thermometer mit großem Gefäß und weiterer Röhre, in welcher ein eingeschmolzener Platindraht von oben bis zu dem Punkte der Scala herabsteigt, den die Quecksilberoberfläche niemals überschreiten soll. Jener Draht bildet den einen Endpunkt der elektrischen [814] Leitung, das Quecksilber, zu dem ein zweiter Draht von untenher durch die Glaswandung tritt, den andern. So wie die Quecksilbersäule nun steigt und mit ihrer Kuppe den oberen Draht erreicht, wird damit die Stromleitung geschlossen, und die im Comptoir oder sonstwo angebrachte Glocke macht so lange einen Heidenlärm, bis dem Uebelstande abgeholfen ist. Die deutschen Professoren Gebrüder Laudois haben einen selbstthätigen Brüte-Apparat nach diesem Principe eingerichtet, bei welchem der sonst am Läutewerk thätige Elektro-Magnet sofort die Gasflamme zurückschraubt, wenn das den Brütraum umspülende Wasser diesem bedachtsamen Thermometer zu warm vorkommt. Vielleicht werden wir uns, Dank dieser Erfindung, bald nicht mehr von den alten Aegyptern in Ausnützung der Thatsache, daß ein Huhn im Jahre fünfmal mehr Eier legen als ausbrüten kann, beschämen zu lassen brauchen.

Derselbe Apparat kann auf jede beliebige Temperaturgrenze und mithin auch so eingestellt werden, daß er erst bei einer sehr großen Hitze zu wirken beginnt, also als Wächter in leer gelassenen Fabrikräumen, Magazinen etc. dienen kann, um eine ausbrechende Feuersbrunst rechtzeitig zu melden. Die französischen Ingenieure A. Joly und P. Barbier haben zu diesem Zwecke ein geeignetes Kabel construirt, um die zu schützenden Räume mit demselben zu durchziehen. Dasselbe besteht aus zwei Metalldrähten, welche durch eine Lage von Guttapercha oder eine ähnliche schmelzbare Substanz von einander isolirt und durch eine besondere Procedur stark zusammengedreht werden. Sobald nun in irgend einem von dem Kabel durchzogenen Raume eine Feuersbrunst ausbricht und die isolirende Substanz zum Schmelzen kommt, tritt sofort die Gefahr anzeigende metallische Berührung der Drähte ein. Oft kann es nun sehr erwünscht sein, ein Sinken unter eine bestimmte Temperatur, z. B. in Gewächshäusern, schleunigst gemeldet zu erhalten. Ein diesen Zwecken gewidmetes elektrisches Alarm-Thermometer hat unter Anderm der Mechanicus Hane in Berlin construirt. Die Schiffer, welche sich in bestimmten Meeresregionen und Zeiten (z. B. im Frühjahre unweit der Küste von Neufoundland) bei Nacht und Nebel nur schwierig vor dem Zusammenlaufen mit schwimmenden Eisbergen schützen können – wie dies noch im vorigen Frühjahre das Verunglücken des Packetbootes „Europa“ bewies – haben hier ein leichtes Mittel, die Gefahr einer solchen Nähe zu erfahren. Da das Wasser der Meeresoberfläche im weiten Umfange dieser Kolosse mehrere Grade unter die mittlere Temperatur sinkt, so ließ man in solchen gerade dort häufigen Nebelnächten einen Bootsmann beständig Wasser schöpfen und die Temperatur messen. Diese Arbeit kann man aber, wie der Ingenieur Michel gezeigt hat, viel besser einem an den Flanken des Schiffes angebrachten in einer Kapsel enthaltenen Metallthermometer, einem aus zwei verschiedenen Metallen gebildeten, spiralig gedrehten Doppelstreifen, überlassen, bei dem ein Uhrzeiger, sobald er rückwärts geht, die Stromschließung durch Metallberührung vollendet und die Gefahr nach der Bootmannscoje meldet.

Der Turiner Officier Lanzillo will nun gar dem galvanischen Strome geradezu die Dienste eines Haushundes aufbürden, der jedes Oeffnen der Thür eines verschlossenen leerstehenden Hauses, falls die Vorrichtung nicht vorher außer Thätigkeit gesetzt ist (was von außen nur durch einen besonderen Schlüssel möglich ist), als Einbruch nach dem städtischen Polizeibüreau meldet. Die Häuser einer Stadt wären also hierbei durch elektrische Klingeln mit dem Polizeibüreau zu verbinden, und eine ähnliche Vorrichtung, wie in Hôtels die Zimmernummer kund thut, würde hier Straße, Nummer des Hauses, in welchem eingebrochen wird, oder ein Brand im Entstehen ist, kurz, wo man Hülfe braucht, anzeigen.

Nicht minder nützlich und vertrauenswürdig sind die Signalapparate, durch welche Siemens in Berlin und andrerseits die französischen Ingenieure Lartigue und Forest dem galvanischen Strome den Sicherheitsdienst auf Eisenbahnen übertragen haben. Die zur Auslösung des Signals – hier einer forttönenden Dampfpfeife – führende metallische Berührung wird dadurch hervorgebracht, daß die Locomotive eine an irgend einer Wegstelle angebrachte metallne Platte inmitten des Schienenweges mit einer an ihrem Bauche befindlichen metallenen Bürste abfegt. In demselben Augenblicke, wo dies geschieht, meldet eine Dampfpfeife auf der nächsten Station, daß der erwartete Zug eben jene Stelle passirt, der betreffende Schienenstrang also besetzt ist. Die Locomotive sorgt mithin durch eine nie versagende Vorrichtung selbst für ihre Sicherheit.

C. St.