Textdaten
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Autor: Ernst Deecke
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Titel: Der ehrliche Dieb
Untertitel:
aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 264–266
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
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Erscheinungsort: Lübeck
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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[264]
149. Der ehrliche Dieb.

1497. Es stand vordem im Niedergericht am Markt ein hölzerner Block, darum sich die Advocaten und Gevollmächtigten versammelt; und mitten darauf war ein silbernes Kirchlein, an das man, wenn ein Eid geschworen werden sollte, die Finger legen müssen. Das stehet nun einmal ein feiner reicher Bürger und spricht: „Solchen Eid wollte ich nicht thun, und wenn ich auch tausend Gulden verlieren sollte.“ Von ungefähr geht ihm ein nothleidender Student nach, welcher den Eid gleichfalls angehört, und siehet, daß der Kaufmann in der Alfstraße wohnet. Der hat sich bei einem Advokaten verdungen, wo er Siegel und Briefe des Kaufmanns sieht, und macht das alles nach in einer Obligation von 400 Gulden, kleidet sich artig und tritt damit, wie von Hamburg kommend, bei dem ehrlichen Manne ein. Hier giebt er vor, daß ihm ein Hamburger Kaufmann die Verschreibung zugestellt, dieselbe einzukassieren und deßwegen Quitung zu geben. Der Kaufmann nimmt dieselbe an sich, schlägt sein Register und Alphabet auf, kann aber den Namen nicht finden, und spricht also: „Mein Freund, das ist zwar meine Hand und mein Petschaft, was ich nicht leugnen kann; ich finde aber den Namen nicht, habe [265] auch mit solchem Mann all mein Lebtage keinen Handel und Wandel gehabt, und weiß nicht, was ich dazu sagen soll.“ Der Student spricht ferner: „Soll ich denn eine vergebliche Reise gethan haben? Jedoch wohlan, wenn der Herr schwören kann, daß es seine Hand und Petschaft nicht ist: so muß ich zufrieden sein, und wieder zu meinem Hamburger ziehen.“ Darauf sagt der Kaufmann: „Geduld, mein guter Freund; auf einen Eid lass’ ich mich nicht dringen; komm’ her, ich habe wohl schon eher so viel und noch mehr verloren;“ zahlt dem Studenten die 400 Gulden aus, und nimmt die falsche Obligation zu sich. Der Empfänger bedankt sich der Bezahlung, und geht mit vielen Komplimenten davon. Mittlerweile bleibt der Kaufmann viele Jahre bei seiner Verwunderung; endlich giebt er sich zufrieden.

Dem Studenten aber ist damit geholfen gewesen; er hat ein zwar falsch geübtes, doch im Grunde zu Gott aufrichtiges Herz, käuft sich viele zur Juristerei nöthige Bücher, reiset auf unterschiedliche Universitäten, ist fleißig, liest juristische Kollegien, wird auch endlich Doctor, und nach 8 Jahren sogar Kurfürstlicher Geheimer Rath zu Brandenburg. Da gedenkt er des Lübischen Kaufmanns, der ihm aus dem Staube geholfen, kömmt also mit drei Dienern, wohlstaffieret, nach Lübeck, und geht in des Mannes Behausung, der gar nicht weiß, wie es sich ereignet, daß er so einen so vornehmen Herrn bei sich sehen [266] soll. Der aber spricht: „mein Herr, ich komme zu Ihm als ein alter aufrichtiger Freund; ist Ihm noch wohl bewußt, daß Er mir vor acht Jahren auf seine Hand und Petschaft 400 Gulden auszahlen müssen?“ – „Ja, spricht der Kaufmann, dessen verwundere ich mich noch, weil der Herr davon redet; ich habe auch an die Kaufleute in Hamburg geschrieben, aber vernommen, daß keiner solches Namens daselbst vorhanden; doch, weil man mich auf einen Eid dringen wollen, hab’ ich das Geld willig bezahlt und damit wohlzufahren gewünscht.“ Darauf versetzt der Rath: „Nun, ich erkenne an diesen Reden Sein ehrlich Gemüth und will Ihm aus dem Traum helfen. Ich bin der Mann oder damalige Student, der das Geld empfangen; der liebe Gott hat Seinen Wunsch erfüllet, und so will ich Ihm das Kapital samt den Zinsen von acht Jahren her mit Dank zurückzahlen.“ Darauf will der Kaufmann, vor Verwunderung fröhlich, der Zinsen gern entbehren; aber der Kurfürstliche Rath giebt es nicht zu, und schenkt ihm außerdem ein Kleinod von 400 Thalern an Werth dazu. Folgte darauf eine herrliche Collation, wovon ich aber nichts genossen.

Bemerkungen

[397] (nach Dreyer.)