Der blinde König (Uhland 1815)

Textdaten
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Autor: Ludwig Uhland
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Titel: Der blinde König
Untertitel:
aus: Gedichte von Ludwig Uhland, Seite 165–167
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1815
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Stuttgart und Tübingen
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: MDZ München = Commons
Kurzbeschreibung:
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Der blinde König.


Was steht der nord’schen Fechter Schaar
Hoch auf des Meeres Bord?
Was will in seinem grauen Haar
Der blinde König dort?

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Er ruft, in bittrem Harme

Auf seinen Stab gelehnt,
Daß über’m Meeresarme
Das Eiland wiedertönt:

„Gib, Räuber, aus dem Felsverließ

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Die Tochter mir zurück!

Ihr Harfenspiel, ihr Lied, so süß,
War meines Alters Glück.
Vom Tanz auf grünem Strande
Hast du sie weggeraubt,

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Dir ist es ewig Schande,

Mir beugt’s das graue Haupt.“

Da tritt aus seiner Kluft hervor
Der Räuber, groß und wild,
Er schwingt sein Hünenschwerdt empor

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Und schlägt an seinen Schild:

„Du hast ja viele Wächter,
Warum denn litten’s die?
Dir dient so mancher Fechter,
Und keiner kämpft um Sie?“

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Noch stehn die Fechter alle stumm,

Tritt keiner aus dem Reihn,
Der blinde König kehrt sich um:
„Bin ich denn ganz allein?“
Da faßt des Vaters Rechte

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Sein junger Sohn so warm:

„Vergönn mir’s, daß ich fechte!
Wohl fühl’ ich Kraft im Arm.“

„O Sohn! der Feind ist riesenstark,
Ihm hielt noch Keiner Stand.

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Und doch! in dir ist edles Mark,

Ich fühl’s am Druck der Hand.
Nimm hier die alte Klinge!
Sie ist der Skalden Preis.
Und fällst du, so verschlinge

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Die Flut mich armen Greis!“


Und horch! es schäumet und es rauscht
Der Nachen über’s Meer.
Der blinde König steht und lauscht,
Und Alles schweigt umher;

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Bis drüben sich erhoben

Der Schild’ und Schwerdter Schall,
Und Kampfgeschrei und Toben,
Und dumpfer Wiederhall.

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Da ruft der Greis so freudig bang:

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„Sagt an, was ihr erschaut!

Mein Schwerdt, ich kenn’s am guten Klang,
Es gab so scharfen Laut.“
„Der Räuber ist gefallen,
Er hat den blut’gen Lohn.

55
Heil dir, du Held vor allen,

Du starker Königssohn!“

Und wieder wird es still umher,
Der König steht und lauscht:
„Was hör’ ich kommen über’s Meer?

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Es rudert und es rauscht.“

„Sie kommen angefahren,
Dein Sohn mit Schwerdt und Schild,
In sonnehellen Haaren
Dein Töchterlein Gunild.“

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„Willkommen! – ruft vom hohen Stein

Der blinde Greis hinab –
Nun wird mein Alter wonnig seyn
Und ehrenvoll mein Grab.
Du legst mir, Sohn, zur Seite

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Das Schwerdt von gutem Klang,

Gunilde, du Befreite,
Singst mir den Grabgesang.“