Textdaten
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Autor: Chronicles of the Canongate
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Titel: Der Valentins Tag
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr.  173; 175; 177-178 S.  689-691; 699-700; 705-706; 710-711
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[689]

Der Valentins Tag.

Walter Scott’s neuester Roman.
[1]

Napoleon hat zwar die Schlachten bei Leipzig und bei Waterloo verloren, aber man hat deshalb nicht aufgehört, ihn als den grand Capitaine unserer Zeit zu betrachten: Walter Scott hat zwar einen sehr schlechten Roman – den St. Ronans-Brunnen – und eine noch schlechtere Geschichte – Das Leben Napoleons – geschrieben; aber sollte man deshalb aufhören, ihn als den größten Romanendichter unserer Tage gelten zu lassen? Und doch scheint es so. Die Neugierde machte es ihm unmöglich, länger the great unknown – der große Unbekannte – zu seyn; aber er ist darum nicht der große Bekannte geworden. Vielleicht ging es uns mit Walter Scott, wie dem Kammerdiener Voltaire’s oder irgend eines anderen großen Mannes: er konnte nicht begreifen, was die Menschen so Außerordentliches an seinem Herrn fänden, den er doch gleich tausend anderen ehrlichen Leuten des Nachts seine Schlafmütze aufsetzen und des Morgens seinen Schlafrock anziehen sähe. Vielleicht – doch wozu alle diese Vermuthungen, da das Factum selbst, das sie erklären sollen, noch ein sehr zweifelhaftes ist? Die Kritiker zwar und die Aesthetiker scheuen sich, seinen Namen in den Mund zu nehmen, ohne ihre Mißbilligung auszudrücken, oder ihren astriscus improbans hinzuzufügen; aber das Publikum liest ihn noch immer mit derselben Liebe, die große Masse verschlingt die Waaren, die unter seiner Firma ausgeboten werden, noch immer mit demselben Heißhunger, als da sie zuerst auf den Markt kamen.

Wenn wir auch keinesweges geneigt sind, in allen Fällen die Richtigkeit des alten Spruches vox populi, vox dei zuzugeben; da wir sonst uns genöthigt sähen, abwechselnd Abgötterei und Atheismus, Verehrung von Sonne, Mond und Sternen und Verehrung hölzerner Bilder, kurz religiösen und politischen Fanatismus und Aberglauben und Thorheiten aller Art zu billigen: so können wir doch der allgemeinen Stimme des Volkes oder, wenn man will, des Pöbels zu Gunsten Walter Scott’s unsere herzlichste Zustimmung nicht versagen. Wie es das größte Werk der Gottheit war, den Menschen zu schaffen, so ist es das größte Werk des Dichters, den Bildungen seiner Phantasie Leben, Seele, Charakter zu geben. Und Wer hat, nach Shakspeare, dieß verstanden, wie Walter Scott? Der alte Malice von Ravenswood erfüllt uns, in der Braut, obwohl wir ihn nicht sehen, mit demselben Gespenstergrauen, wie der Geist im Hamlet; der tapfere Dugald Dalgetty von Drumwaket tritt aus den Schaaren Montrose’s, im Allan Mac Aulay, uns mit derselben humoristischen Originalität entgegen, wie Fallstaf im Heinrich IV oder in den lustigen Weibern von Windsor.

Unter den Ausstellungen, die man an Walter Scott macht, ist keine gewöhnlicher, aber auch keine leichter zu widerlegen, als die, daß er sich längst erschöpft habe und in seinen späteren Romanen eigentlich nur seine früheren mit einfacher Veränderung der Scene, der Zeit und – der Umstände wiederhole. Fürwahr, wenn unsere Dichter sich keine andern Plagiate erlaubten, als solche; so könnten wir sie ihnen wohl verzeihen. Wir möchten überhaupt bezweifeln, ob es möglich sey, einen neuen Character zu schaffen, da derselbe doch immer sein Urbild in der Natur des menschlichen Geistes haben müßte: Alles, was wir daher von dem Dichter verlangen können, ist Wahrheit, Neuheit, Originalität in der Darstellung der Umstände, durch welche sich seine Charactere entwickeln. Wir getrauen uns nachzuweisen, daß Hamlet und Romeo und Antonio – im Kaufmann von Venedig – und – – Lear nur ein und derselbe Charakter unter verschiedenen äußeren Umständen seyen; aber Niemand wird uns dieß glauben ohne Beweis, und der Beweis würde uns zu weit von unserem Gegenstande abführen: daher nur noch ein Wort über den Vorwurf, daß Walter Scott sich erschöpft habe, oder vielmehr eine Bitte an die, welche diesen Vorwurf erheben.

Was wir bitten, ist gering: wir bitten nur den neuesten Roman Walter Scott’s zu lesen, der vor wenigen Wochen (in der Mitte Mai’s) in London erschienen ist. Wie Sophokles zur einzigen Antwort auf die Anklage, daß er kindisch geworden sey, mit seinem Oedipus von Kolonos auftrat; so widerlegt Walter Scott den Tadel, „er habe sich ausgeschrieben,“ mit einem neuen Romane und zwar mit einem der schönsten und bewunderungswürdigsten, die je in irgend einer Sprache geschrieben worden sind.

Wir kennen den Character eines Menschen, wenn wir sagen können, was er unter gegebenen Umständen thun würde. In allen Romanen Walter Scott’s werden wir mit den Charaktern, deren Bekanntschaft wir machen, so vertraut, als wenn sie uns im wirklichen Leben begegneten; [690] von keinem gilt dieß indessen in höherem Grade, als vom „St. Valentins Tag,“ der Erzählung, welche die zweite Reihe der unseren Lesern bereits bekannten Chronik von Canongate ausfüllt. Man lernt die Personen, die in dieselbe verwickelt sind, allmälig genauer und genauer kennen; und zuletzt weiß man auf das Bestimmteste, was man von ihnen zu erwarten hat. Daraus folgt indessen auf keine Weise, daß man auch im Stande sey, voraus zu sagen, welche Ereignisse eintreten werden, oder selbst nur, wer glücklich und wer unglücklich werden soll. Die Zukunft bleibt unsern Blicken verborgen, und, wie im wirklichen Leben, gehen wir ihr entgegen mit verbundenen Augen. Doch fühlen wir uns in der Gesellschaft von Individuen, an deren Schicksal wir tiefen Antheil nehmen, und wir beobachten den Horizont mit derselben ängstlichen Sorge, als ob jede Wolke an demselben uns selbst bedrohte.

Aber wir wollen uns weder über die Charactere der einzelnen Personen, mit denen St. Valentins Tag uns bekannt macht, noch über die Begegnisse verbreiten, welche den Inhalt der Erzählung bilden; sondern geben unsern Lesern Gelegenheit, einen Blick in das Werk selbst zu werfen, indem wir eine Scene aus dem letzten Theil desselben ausheben, die ein in sich geschlossenes, wenn auch nicht abgesondertes, Ganzes bildet. Zum Verständniß dieser Episode, die ein doppeltes Interesse dadurch erhält, daß ihr eine historische Thatsache zu Grunde liegt, dürfen wir nur bemerken, daß der Kampf zwischen zwei feindlichen Clans in Gegenwart des Königs von Schottland statt findet. Jeder Clan hat dreißig Kämpfer auserwählt, um seine Sache zu verfechten; schon sind alle auf dem Platze, nur der dreißigste Mann vom Clan Chattan fehlt. Torquil, ein alter Hochländer von der Gegenpartei, hat seine Entfernung bewirkt, um seinem Häuptlinge, einem nutzlosen jungen Mann, für dessen Leben er fürchtet, Gelegenheit zu geben, sich gleichfalls dem Kampfe zu entziehen. Aber es ist anders beschlossen; die Herolde rufen aus: Wer die Ehre und Gefahren dieses Tages mit dem Clan Chattan theilen wolle, sollte eine Goldkrone zum gegenwärtigen Lohne und die Freiheit haben, in den Reihen desselben zu fechten bis auf den Tod!

Die Herolde hatten ihren Weg um die Schranken zur Hälfte zurückgelegt, indem sie von Zeit zu Zeit inne hielten, ihren Ausruf zu wiederholen, wie sie angewiesen worden waren; ohne daß irgend Jemand die geringste Neigung gezeigt hätte, die dargebotene Ehre anzunehmen. Einige spotteten über die Armuth der Hochländer, die einen so niedrigen Preis auf einen so gefahrvollen Dienst setzten. Andere sprachen ihren Unwillen darüber aus, daß sie das Blut der Bürger von Perth nicht höher anschlügen. Niemand ließ das mindeste Verlangen sichtbar werden, in die Reihen der Kämpfenden zu treten, bis der laute Ausruf die Aufmerksamkeit Heinrichs von dem Wynd erregte, der außerhalb der Schranken stand, und von Zeit zu Zeit mit dem Bailif Craigdallie sprach oder vielmehr halb zerstreut zuhörte, was dieser ihm zu sagen hatte.

„Ha! was rufen sie aus?“ unterbrach er ihn.

„Ein freigebiges Anerbieten von Seiten Mac Gillie Chattanach’s,“ sagte der Wirth zum Greifen, „der Jedem eine Goldkrone bietet, der heute eine wilde Katze werden, und sich in seinen Diensten ein wenig todt schlagen lassen will. Das ist Alles.“

„Wie?“ rief der Schmid begierig, „ist es ein Aufruf, wer gegen den Clan Quhele fechten will?“

„Ei, freilich ist es das,“ antwortete der Greifenwirth; aber ich denke, sie werden in Perth keine solchen Narren finden.

Kaum hatte er ausgeredet, als er den Schmid sich Platz machen und mit einem Satze in die Schranken springen sah, mit den Worten: „Hier bin ich, Herr Herold, Heinrich von dem Wynd, entschlossen, zu fechten mit dem Clan Quhele.“

Ein Ruf der Verwunderung lief durch die Menge, indeß die ehrwürdigen Rathsherrn, außer Stande den geringsten Grund für Heinrichs Benehmen zu ersinnen, überzeugt waren, daß er durch seine Kampflust den Verstand verloren habe. Der Provost war besonders erschrocken.

„Du bist toll,“ sagte er, „Heinrich! Du hast weder ein zweihändiges Schwert, noch einen Harnisch.“

„Den habe ich freilich nicht,“ sagte Heinrich, „denn ich gab meinen Harnisch, den ich für mich selbst gemacht hatte, dort jenem muntern Häuptling vom Clan Quhele, der es bald auf seinen Schultern fühlen wird, mit was für einer Art von Schlägen ich meine Nieten einschweiße! Was ein zweihändiges Schwert betrifft, so soll dieß hier indesssen seine Dienste thun, bis ich ein schwereres in die Hand bekomme.“

„Das soll nicht seyn,“ sagte Errol, „höre du, Waffenschmid! Bei der heiligen Jungfrau, du sollst meine mailänder Halsberge und mein gutes spanisches Schwert haben.“

„Ich danke, Ew. Gnaden, aber der Degen, der euerm tapferen Ahn in der Schlacht von Lancarty so gute Dienste leistete, wird mir auch nicht seinen Dienst versagen. Ich bin nicht gewohnt, ein Schwert oder einen Harnisch zu brauchen, die ich nicht selbst gemacht habe; weil ich nicht weiß, was für Schläge der eine aushalten wird, ohne zu bersten, oder das andere schlagen, ohne zu brechen.“

Das Gerücht, daß der unverzagte Schmid ohne Rüstung fechten wolle, war indessen durch die Menge gelaufen und bis in die Stadt gedrungen; als gerade, da die Stunde des Kampfes gekommen war, die kreischende Stimme eines Weibes sich vernehmen ließ, das freien Durchgang durch das Gedränge verlangte. Das Volk machte ihr Platz, und sie keuchte, athemlos vor Eil, unter der Last eines Ringelpanzers und eines großen zweihändigen Schwertes an die Schranken. Bald erkannte man die Witwe von Oliver Proudfute; und die Waffen, die sie trug, waren die des Schmids, welche ihr Mann an dem Abende, da er ermordet wurde, getragen hatte, und die daher mit seinem Leichnam in sein Haus gebracht worden waren. Jetzt wurden sie durch die Anstrengung [691] seiner dankbaren Wittwe in die Schranken gebracht, und gerade in dem Augenblicke, wo so erprobte Waffen für ihren Eigenthümer von der höchsten Wichtigkeit waren. Heinrich empfing sie mit Freuden und die Wittwe half ihm mit zitternder Eil sie anlegen, und nahm dann Abschied von ihm, indem sie sagte: „Gott mit dem Vorfechter der Waisen, und Unglück Allen, die vor ihn kommen!“

Vertrauensvoll, als er sich in seiner wohlgeprüften Rüstung fühlte, schüttelte Heinrich sich, als ob er das stählene Gewand sich fester andrücken wollte, und zog sein zweischneidiges Schwert aus der Scheide und schwang es um sein Haupt, indem er die Luft, welche es durchpfiff, in der Form der Figur Acht durchschnitt, – mit einer Leichtigkeit und Gewandtheit, welche bewies, mit welcher Kraft und Geschicklichkeit er die gewichtige Waffe zu führen wußte. – Es wurde den Kämpfern jetzt befohlen – jede Partei nach einer andern Seite – um die Schranken zu marschiren, doch so, daß sie es vermieden, einander zu begegnen; alle machten, so wie sie bei dem goldenen Baume vorüber kamen, unter dem der König seinen Sitz hatte, ihre Verbeugung.

Während dieß geschah, war die Mehrzahl der Zuschauer beschäftigt, die Gestalten, Glieder und Muskeln der beiden Parteien zu vergleichen und sich ihre Muthmaßungen über den wahrscheinlichen Ausgang des Kampfes mit zu theilen. Eine hundertjährige Fehde mit all ihren Thaten der Grausamkeit und der Rache war in der Brust eines jeden Kämpfers zusammengedrängt. Ihre Gesichter schienen fürchterlich verzerrt zu dem wildesten Ausdruck des Stolzes, des Hasses und des verzweifelten Vorsatzes, bis zu dem letzten Athemzuge zu kämpfen.

Die Zuschauer in ihrer auf das Höchste gesteigerten Erwartung murmelten freudigen Beifall bei diesem Anblick. Wetten wurden angeboten und eingegangen, sowohl in Bezug auf den Ausgang des Kampfes im Allgemeinen, als die Thaten jedes einzelnen Streiters. Der helle, freie und heitere Blick von Heinrich dem Schmid machten ihn zu dem allgemeinen Liebling der Zuschauer, und man wettete darauf, daß er drei seiner Gegner tödten würde, ehe er selbst fiele. Kaum war der Schmid zum Kampfe gerüstet, als die Häuptlinge jedem Streiter befahlen, seinen Platz einzunehmen; zugleich drang aber die Stimme Simon Glovers[2] durch die Menge, welche jetzt still vor Erwartung war: „Heinze Schmid, Heinze Schmid, welche Tollheit hat dich besessen?“

„Ei, er wünscht seinen hoffnungsvollen Schwiegersohn zu retten – der es ist, oder werden soll – daß er nicht unter die Hände des Schmids kommt!“ war Heinrichs erster Gedanke, sein zweiter sich umzukehren und ihm zu antworten – und sein dritter, daß er unter keinerlei Vorwand die Reihen verlassen könne, in die er einmal eingetreten war, oder nur den Schein auf sich ziehen dürfe, als wünsche er den Kampf aufzuschieben.

Er wandte sich daher zurück zu dem Geschäfte des Augenblickes. Beide Parteien wurden von ihren Häuptlingen in drei Reihen geordnet, von denen jede zehn Mann zählte. Diese wurden so weit von einander aufgestellt, daß Jeder freien Raum behielt, sein Schwert zu schwingen, von dem die Klinge, ohne den Griff, fünf Fuß lang war. Die zweite und dritte Reihe sollte als Rückhalt eintreten, wenn die erste einen Unfall erlitte. Auf der Rechten der Schlachtordnung des Clans Quhele nahm der Häuptling Eachin Mac Jan seinen Platz in der zweiten Reihe zwischen zweien seiner Pflegebrüder ein. Vier andere bildeten den rechten Flügel des ersten Gliedes, während ein Vater mit zwei Söhnen den Rücken des geliebten Häuptlings deckte. Torquil besonders hielt sich dicht hinter ihm, in der Absicht ihm Schutz zu gewähren, wenn er dessen bedürfen sollte. So stand Eachin in der Mitte zwischen neun der stärksten Männer seiner Schaar, indem er vier auserlesene Vertheidiger vor sich, einen auf jeder Seite und drei hinter sich hatte.

Die Reihen des Clans Chattan waren vollkommen auf dieselbe Weise angeordnet, nur daß der Häuptling das Centrum der mittleren Reihe einnahm, statt auf der äußersten Rechten zu stehen. Dieß veranlaßte Heinrich den Schmid, der in der ganzen Schaar seiner Gegner nur Einen Feind sah – und dieser war der unglückliche Eachin – den Vorschlag zu machen, er wolle sich auf den linken Flügel der ersten Reihe des Clans Chattan stellen. Aber der Anführer mißbilligte diese Anordnung und befahl Heinrich, indem er ihn erinnerte, daß er ihm Gehorsam schuldig sey, da er Lohn von seiner Hand genommen habe, den Raum in der dritten Linie, unmittelbar hinter ihm, einzunehmen – ein Ehrenposten, den Heinrich nicht ablehnen konnte, den er aber nur mit Widerwillen annahm.

Als die Clans sich so einander gegenüber aufgestellt hatten, drückten sie ihre kriegerische Wuth und Kampfbegierde durch ein wildes Geschrei aus, welches zuerst von dem Clan Quhele ausgestoßen und von dem Clan Chattan beantwortet und zurückgegeben wurde, wobei Alle zugleich ihre Schwerter schwangen und einander bedrohten, als ob sie zuerst die Einbildungskraft ihre Gegner hätten besiegen wollen, ehe sie an den wirklichen Streit gingen.

[699] In diesem Momente der Entscheidung wurde Torquil, der nie für sich selbst gefürchtet hatte, von Furcht und Besorgniß um seinen Dault[3] befallen, doch beruhigte es ihn, als er sah, daß Eachin eine feste Stellung behauptete und daß die wenigen Worte, die er an seinen Clan richtete, keck und herzhaft und wohl berechnet waren, seine Leute zum Kampfe zu ermuthigen, indem sie den Entschluß aussprachen, ihr Schicksal im Siege oder im Tode zu theilen. Aber es war keine Zeit zu weiteren Bemerkungen. Die Trompeten des Königs bliesen zum Angriff; die Sackpfeifen spielten ihre kreischenden, tollen Weisen auf und die Streiter stürzten vorwärts in regelmäßiger Ordnung, ihren Schritt allmälig verdoppelnd, bis sie zum schnellsten Anlauf kamen und in der Mitte des Kampfplatzes, wie ein wüthender Strom, welcher der schwellenden Fluth begegnet, auf einander stießen.

Einen oder zwei Augenblicke schienen die Vorderreihen, wie sie mit ihren langen Schwertern auf einander hieben, in eine Folge von Einzelnkämpfen verwickelt; aber bald hielten auf beiden Seiten die hintern Glieder sich nicht länger zurück, drängten, gleich heftig von der Wuth des Hasses und dem Durst des Ruhmes ergriffen, sich durch die Zwischenräume und verwandelten den Schauplatz in ein wildes Gewirre, über welchem nur die gewaltigen Schwerter wechselnd emporstiegen und nieder sanken, einige noch glänzend, andere strömend von Blut, aber alle mit so reissender Schnelligkeit geschwungen, daß sie eher durch eine verwickelte Maschinerie, als durch Menschenhände in Bewegung gesetzt zu seyn schienen. Einige der Kämpfenden, zu dicht an einandergedrängt, um von diesen langen Waffen noch Gebrauch machen zu können, hatten bereits zu ihren Messern gegriffen, und versuchten die Schwerthiebe ihrer Gegner zu unterlaufen. Das Blut floß inzwischen stromweise, und das Gestöhn der Gefallenen begann sich unter das Gellen der Streitenden zu mischen; denn das Geschrei, das sie nach der alten Sitte der Hochländer erhoben, konnte man nicht so wohl einen Schlachtruf, als ein Geheul nennen. Diejenigen der Zuschauer, deren Augen am Besten an solche Scenen des Blutes und der Verwirrung gewöhnt waren, konnten dennoch keinen Vortheil entdecken, den eine von beiden Parteien errungen hätte. Der Kampf schwankte zwar verschiedene Male vorwärts und rückwärts, aber es war immer nur eine vorübergehende Ueberlegenheit, welche die Partei, die sie errang, in dem nächsten Augenblicke durch eine erhöhte Anstrengung von der andern Seite wieder verlor. Die wilden Töne der Pfeifen wurden auch über diesem Getös gehört und spornten die Wuth der Kämpfenden zu neuen Anstrengungen an.

Auf einmal indessen und, wie durch gegenseitige Uebereinkunft, bliesen die Instrumente zum Rückzuge; eine traurige Melodie, welche eine Klage für die Gefallenen auszudrücken schien, gab dieß Signal. Die beiden Parteien ließen von einander ab, um einige Minuten Athem zu schöpfen. Die Augen der Zuschauer durchliefen begierig die zerstreute Schaar der Streiter, wie sie von dem Kampfe abzogen, aber sie fanden es noch immer unmöglich zu entscheiden, welche Partei den größten Verlust erlitten habe. Es schien, als wenn der Clan Chattan weniger Leute verloren hätte, als seine Gegner; aber auf der andern Seite zeigten die blutigen Plaids und Hemden seiner Angehörigen (denn mehrere von beiden Seiten hatten ihre Mäntel hinweggeworfen), mehr Verwundete als der Clan Quhele. Ungefähr zwanzig von beiden Seiten lagen auf der Wahlstadt todt, oder sterbend; Arme und Beine, die abgehauen, Häupter, die bis auf das [700] Kinn gespalten waren, Wunden, tief durch die Schulter in die Brust, bewiesen zugleich die Wuth des Kampfes, die fürchterliche Gewalt der gebrauchten Waffen und die ungeheure Kraft der Arme, welche sie führten. Der Häuptling des Clans Chattan hatte sich mit dem entschiedensten Muthe benommen und war leicht verwundet. Auch Eachin hatte, umgeben von seiner Leibwache, herzhaft gefochten. Sein Schwert war blutig, seine Gebehrde kühn und kriegerisch; und er lächelte, als der alte Torquil ihn in seine Arme schloß und mit Lobsprüchen und Segnungen überhäufte.

Die beiden Häuptlinge stellten, nachdem sie ihren Leuten etwa zehn Minuten Zeit gegeben hatten, um Athem zu schöpfen, aufs Neue ihre Reihen, die ungefähr ein Drittel von ihrer ursprünglichen Zahl eingebüßt hatten, in Schlachtordnung. Sie wählten jetzt ihren Kampfplatz näher am Flusse, weil die Stätte, auf der sie zuerst zusammengetroffen waren, mit Erschlagenen und Schwerverwundeten bedeckt war. Einige von den Letzteren sah man von Zeit zu Zeit sich emporrichten, um einen Blick auf die Ihrigen zu werfen, aber sogleich wieder zurück sinken, die meisten davon, um durch den Verlust des Blutes, das den schrecklichen Wunden des Claymore[4] entströmte, zu sterben.

Heinrich, der Schmid, war durch seine niederländische Tracht sowohl, als durch seinen Stand, leicht von allen Anderen zu unterscheiden; indem er auf dem Platze, wo sie zuerst gefochten hatten, auf sein Schwert gestützt stehen blieb neben dem Leichnam, dessen Haupt, durch die Kraft des Streiches, der es abgehauen hatte, zehn Ellen weit fortgeschleudert, auf seiner hochländischen Mütze noch das Eichenlaub zeigte, mit welchem die Leibwache von Eachin Mac Ian geziert war. Seit er diesen Mann erschlagen, hatte Heinrich keinen Hieb mehr geführt, sondern sich damit begnügt, die Streiche zu pariren, die auf ihn selbst oder auf den Häuptling gerichtet waren. Mac Gillie Chattanach wurde unruhig, als er sah, nachdem er das Zeichen für seine Leute gegeben hatte, sich zusammen zu ziehen, daß sein kraftvoller Bundesgenosse von den Reihen entfernt blieb, und wenig Neigung zeigte, sich denselben anzuschließen.

„Was fehlt dir, Mann?“ sagte der Häuptling. „Kann ein so starker Leib einen schwachen und feigen Geist haben? Komm’ und rücke ein zum Kampfe!“

„Ihr habt mich eben erst, so gut als einen Söldling genannt,“ antwortete Heinrich; „wenn ich das bin – auf den hauptlosen Leichnam zeigend – so habe ich genug gethan für meinen Tagelohn.“

„Wer mir dient, ohne die Stunden zu zählen,“ erwiederte der Häuptling, „den bezahle ich, ohne seinen Lohn zu rechnen.“

„Dann,“ sagte der Schmid, „fechte ich als Freiwilliger und auf dem Posten, der mir am Besten gefällt.“

„Das steht ganz in eurer Wahl,“ entgegnete Mac Gillie Chattanach, „der einsah, daß es klug sey, einem so vielversprechenden Streiter seine Launen zu lassen.“

„Es ist genug,“ sagte Heinrich, und schloß sich, seine schwere Waffe auf die Schulter werfend, munter den übrigen Kämpfern an, indem er sich dem Häuptling des Clans Quhele gegenüberstellte.

Jetzt war es, wo Eachin zum ersten Male einige Unsicherheit zeigte. Er hatte lange Heinrich als den besten Fechter angesehen, den Perth und seine Nachbarschaft in die Reihen zu bringen hatte. Sein Haß gegen ihn, als Nebenbuhler, war mit der Erinnerung an die Leichtigkeit gemischt, mit welcher er einst, obwohl unbewaffnet, seinen plötzlichen verzweifelten Anfall vereitelt hatte; und als er ihn erblickte, seine Augen fest ihm zu gerichtet, das triefende Schwert in der Hand, und augenscheinlich zu einem persönlichen Angriff auf ihn entschlossen, so wich sein Muth und er gab Zeichen der Unschlüssigkeit, die seinem Pflegevater nicht entgingen.

Es war ein Glück für Eachin, daß Torquil, im Bewußtseyn seiner eignen Gemüthsart und des Naturells von Allen, mit denen er zusammen gelebt hatte, unfähig war, den Gedanken zu fassen, daß es Einem aus seinem eigenen Stamme, viel weniger seinem Häuptling und Pflegesohn, an physischen Muth fehlen könne. Wenn er sich dieß hätte einbilden können, so würde sein Schmerz und seine Wuth ihn zu dem Aeußersten getrieben haben, Eachin das Leben zu nehmen, um ihn vor den Verluste seiner Ehre zu retten. Aber sein Geist verwarf den Gedanken, daß sein Dault ein Feigling sey, als etwas Ungeheures und Widernatürliches. Die nächste Erklärung, die sein Aberglaube ihm eingab, war, daß er unter dem Einflusse einer Bezauberung stehe, und er fragte ängstlich, aber nur halblaut; Fängt der Zauber jetzt an, deinen Geist zu verdunkeln, Eachin?

„Ja – Elender, der ich bin!“ antwortete der unglückliche Jüngling, dort steht der grimme Zauberer!“

„Wie!“ rief Torquil aus, „und du trägst eine Rüstung, die er gemacht hat? – Norman, alberner Bursch, warum hast du diesen verfluchten Panzer gebracht?

„Wenn mein Pfeil fehl geflogen ist, kann ich nur mein Leben ihm nachschießen,“ antwortete Norman-nan-Ord. „Stehe fest, du sollst mich den Zauber brechen sehen.“

„Ja, stehe fest,“ sagte Torquil. „Er mag ein grimmer Zauberer seyn, aber mein Ohr hat es gehört und meine Zunge hat es gesagt, daß Eachin aus dem Kampf gehen soll ganz, frei und unverwundet; ich will den sächsischen Zauberer sehen, der dieß widersprechen kann. Er mag ein starker Mann seyn, aber der schöne Eichwald soll fallen, mit Stumpf und Stiel, ehe er einen Finger an meinen Dault legt. Reiht euch um ihn, meine Söhne: – Bas air son Eachin!

Torquils Söhne riefen laut diese Worte zurück, die bedeuten: den Tod für Hector!

Ermannt durch diese Ergebenheit, faßte Eachin neuen Muth und rief kühn den Minstrels seines Clan’s zu: Seid suas! d. i. spielt auf! [705] Der wilde Pibroch erschallte wieder zum Angriff, aber die beiden Parteien näherten sich einander langsamer, als das erste Mal, als Männer, die ihre gegenseitigen Kräfte kannten und achteten. Heinrich Wynd, in seiner Ungeduld, den Kampf mit seinem Nebenbuhler zu beginnen, schritt vor dem Clan Chattan her und forderte Eachin heraus, sich ihm zu stellen. Statt dessen sprang aber Norman vor, seinen Pflegbruder zu decken; und jetzt trat eine allgemeine, obwohl nur augenblickliche, Pause ein, als ob beide Parteien die Absicht gehabt hätten, durch den Ausgang dieses Zweikampfes ein Vorzeichen für das Schicksal des Tages zu erhalten. Der Hochländer schritt heran, sein gewaltiges Schwert erhoben, als wenn er im Begriff wäre, einen Hieb zu führen; aber in dem Augenblicke, wo er sich seinem Gegner auf Schwertes Länge genaht hatte, ließ die lange und gewichtige Waffe fallen, sprang leicht über das Schwert des Schmids, das seine Seite bedrohte, hinweg, zog seinen Dolch und stieß ihm, da er Heinrich so unterlaufen hatte, die Waffe – seine eigene Gabe – zur Seite in den Hals gegen die Brust hinab und rief zugleich laut aus: „Du hast mich den Stoß gelehrt!“

Aber Heinrich Wynd trug seine eigene gute Halsberge, die doppelt mit wohlgehärtetem Stahl versehen war. Wäre er weniger gut gewaffnet gewesen, so hätten seine Kämpfe für immer ein Ende genommen. Aber selbst wie er es war, wurde er leicht verwundet.

„Thor!“ antwortete er, indem er Norman mit dem Knopf seines langen Schwertes einen Schlag gab, daß er zurücktaumelte: „du hast den Stoß gelernt, aber nicht den Schirm!“ und indem er einen Streich auf seinen Gegner führte, der ihm durch die Stahlhaube den Schedel spaltete, schritt er über den entseelten Leichnam, um es mit dem jungen Häuptling aufzunehmen, der jetzt offen vor ihm da stand.

Aber die tönende Stimme Torquils donnerte: Far eil air son Eachin! (Ein Anderer für Hector) und die beiden Brüder, welche ihrem Häuptling zur Seite gestellt waren, warfen sich auf Heinrich, und zwangen ihn, indem sie beide zugleich auf ihn einhieben, sich vertheidigend gegen sie zu verhalten.

„Vorwärts, Geschlecht der Tigerkatze! rief Mac Gillie Chattanach, rettet den braven Sachsen, laßt diese Geier eure Tatzen fühlen!“

Bereits sehr verwundet, schleppte sich der Häuptling selbst dem Schmid zu Hülfe und hieb Einen der Leichtach nieder, von denen er angefallen war. Heinrichs eigenes gutes Schwert befreite ihn von dem Andern.

Reist air son Eachin! (wieder für Hector!) rief der treue Pflegvater.

Bas air son Eachin! (den Tod für Hector) antworteten zwei Andere seiner Söhne und stellten sich der Wuth des Schmids und derer, die zu seinem Beistande gekommen waren, entgegen; während Eachin sich zur Linken wandte, um weniger furchtbare Widersacher zu suchen, und durch neue Beweise von Tapferkeit die sinkenden Hoffnungen seines Clans wieder belebte. Die beiden Kinder der Eiche, welche diese Bewegung gedeckt hatten, theilten das Schicksal ihrer Brüder, denn der Ruf des Häuptlings des Chattan-clans hatte einige seiner bravsten Streiter auf diese Seite gezogen. Die Söhne Torquils fielen nicht ungerächt, sondern ließen schreckliche Zeichen von ihren Schwertern an den Leibern der Todten und der Lebenden zurück. Aber die Nothwendigkeit, ihre ausgezeichnetsten Krieger um die Person ihres Häuptlings zusammen zu halten, hatte eine nachtheiligen Einfluß auf den Ausgang des Kampfes im Allgemeinen; und die Zahl derer, welche noch fochten, war jetzt so gering geworden, daß man leicht sehen konnte, daß dem Clan Chattan noch fünfzehn übrig geblieben waren, obwohl die meisten davon verwundet, und daß dagegen der Clan Quhele nur noch etwa zehn übrig behalten hatte, von welchen vier zu der Leibwache des Häuptlings gehörten, den alten Torquil selbst mit eingeschlossen.

Sie fochten indessen und kämpften unablässig fort, und wie ihre Kräfte abnahmen, schien ihre Wuth sich zu vermehren. Heinrich Wynd, nun an vielen Stellen verwundet, ward immer noch gesehen, wie er das Häuflein kühner Herzen, die fortfuhren, den Gegenstand seines Zornes zu vertheidigen, durchbrach oder vertilgte. Aber immer noch wurde des Vaters Ruf: „Ein Anderer für Hector!“ freudig beantwortet durch den Rückruf: „Tod für Hector!“ und obwohl der Clan Quhele jetzt an Zahl der schwächere war, so schien der Kampf doch noch immer zweifelhaft. Nur körperliche Ermattung zwang sie endlich zu einer neuen Pause.

Der Clan Chattan war jetzt noch zwölf an Zahl, von denen jedoch zwei oder drei kaum im Stande waren zu stehen, ohne sich auf ihre Schwerter zu stützen. Fünf waren von dem Clan Quhele übrig geblieben, Torquil [706] und sein jüngster Sohn waren von der Zahl, beide leicht verwundet. Eachin allein war durch die Aufmerksamkeit, mit der jeder gegen ihn geführte Hieb aufgefangen wurde, ohne Verletzung davon gekommen. Die Wuth beider Parteien war durch die Erschöpfung in dumpfe Verzweiflung gesunken. Sie gingen taumelnd, wie schlaftrunken, zwischen den Leichen der Erschlagenen umher und starrten sie an, als ob sie ihren Haß gegen ihre überlebenden Feinde durch den Anblick der Freunde, die sie verloren hatten, wieder aufschüren wollten.

Bald darauf sah die Menge die übrig gebliebenen Streiter gegen einander ziehen, um den Vertilgungskampf am Ufer des Flusses zu erneuen, da dieß der Platz war, der am Wenigsten schlüpfrig von Blut und am Wenigsten bedeckt mit Leichnamen war.

„Um Gottes Willen, um der Gnade willen, die wir täglich erflehen, sagte der gutherzige alte König zu dem Herzog von Albany: Laß dieß genug seyn! Warum sollen wir dulden, daß diese elenden Krüppel und Reste von Menschen ihre Schlachterei vollenden? – Gewiß werden sie sich jetzt meistern lassen und auf billige Bedingungen Frieden annehmen.“

„Beruhigt euch, mein Fürst, sagte sein Bruder. Diese Menschen sind die Pest des Flachlandes. Beide Häuptlinge leben noch – wenn sie unbeschädigt zurückkommen, so ist die Arbeit des ganzen Tages hinweggeworfen. Erinnert euch eures Versprechens im Rathe, daß ihr nicht Halt rufen wolltet.“

„Ihr zwingt mich zu einem großen Verbrechen, Albany, beides als ein König, der seine Unterthanen beschirmen sollte, und als Christ, der seinen Glaubensbruder achtet.“

„Ihr urtheilet falsch, mein Gebieter,“ sagte der Herzog; „dieß sind keine liebenden Unterthanen, sondern widerspenstige Empörer, wie Mylord von Crawford bezeugen kann, und noch weniger sind sie Christen, denn der Dominicanerprior ist mein Bürge, daß sie mehr als zur Hälfte Heiden sind.“

Der König seufzte tief: „Ihr mögt handeln nach eurem Gefallen, und seyd zu klug für mich, um mit euch zu streiten. Ich kann mich nur abwenden, und meine Augen gegen den Anblick eines Blutbades schließen, welcher mich krank macht. Aber wohl weiß ich, daß Gott mich strafen wird, auch nur Zeuge einer so unnützen Aufopferung des Menschenlebens gewesen zu seyn.“

„Blast, Trompeter!“ sagte Albany, „ihre Wunden werden steif, wenn sie länger warten!“

Während dieß vorging, war Torquil damit beschäftigt, seinen jungen Häuptling zu umarmen und aufzurichten.

„Widerstehe der Zauberkraft nur noch einige Minuten! sey gutes Muthes, du wirst davon kommen ohne Riß oder Ritz, Schramme oder Wunde. Sey gutes Muthes!“

„Wie könnte ich gutes Muthes seyn,“ antwortete Eachin, „da meine tapfern Blutsfreunde, einer nach dem andern, zu meinen Füßen gestorben sind? gestorben alle für mich, der so wenig diese Treue verdiente?“

„Und wozu waren sie geboren, als für ihren Häuptling zu sterben?“ sagte Torquil, gefaßt. „Warum klagen, daß der Pfeil nicht mehr in seinen Köcher zurückkehrt, wenn er das Ziel getroffen hat? Ermuthige dich noch! Hier sind wir beide, Tormod und ich, nur wenig verletzt, während die wilden Katzen sich über den Plan schleppen, als wenn sie halb zerrissen wären von den Hunden. Nur noch einen tapfern Stand, und der Tag ist unser; wenn es auch wohl seyn mag, daß du allein lebend übrig bleibst. – Minstrels, blast zum Kampfe!“

Die Pfeifer auf beiden Seiten bliesen zum Angriff und die Kämpfer fielen auf’s Neue einander an, zwar nicht mit derselben Kraft, aber gewiß mit ungeschwächtem Grimm. Sie wurden jetzt verstärkt durch die, deren Pflicht es war, parteilos zu bleiben, die sich jetzt aber außer Stande fanden, dieß zu thun. Die beiden alten Krieger, welche die Standarten trugen, waren allmälig von den äußersten Schranken herangekommen, und hatten sich der Scene des Gefechtes genähert. Als sie das Gemetzel mehr in der Nähe erblickten, wurden sie gegenseitig durch das Verlangen getrieben, ihre Brüder zu rächen, oder nicht zu überleben. Sie griffen einander wüthend mit den Lanzen an, an denen die Standarten befestigt waren, geriethen, nachdem sie einander mehrere tödtliche Stöße beigebracht hatten, in’s Handgemenge, rauften sich darauf in wildem Ringen, immer noch ihre Banner haltend, bis sie zuletzt in der Blindheit des Kampfes mit einander in den Tay fielen; und nach der Beendigung des Streites wurden sie, Einer fest von den Armen des Andern umschlossen, ertrunken gefunden. – Zuletzt ergriff die Kampfwuth und die Raserei des Zorns und der Verzweiflung auch die Minstrels. Die beiden Pfeifer, die während des Gefechts ihr Aueßerstes gethan hatten, den Muth ihrer Brüder aufrecht zu erhalten, sahen jetzt den Streit beinahe zu Ende gebracht durch den Mangel an Männern, die ihn hätten fortführen können. Sie warfen ihre Instrumente hinweg, stürzten verzweifelt auf einander mit ihren Dolchen; und da jeder mehr darauf bedacht war, seinen Gegner aus der Welt zu schaffen, als sich selbst zu vertheidigen, war in einem Augenblicke der Pfeifer des Clans Quhele erschlagen, und der des Clans Chattan tödtlich verwundet. Der letztere ergriff dennoch wieder sein Instrument und der Pibroch des Clans strömte seine verhallenden Töne noch so lange über den Clan Chattan hin, als der sterbende Minstrel Athem hatte, ihn zu beleben. Das Instrument, dessen er sich bediente, oder wenigstens der Theil desselben, welchen man den Pfeifer nennt, wird noch bis auf diesen Tag in dem Hause eines hochländischen Häuptlings bewahrt und mit dem Ehrennamen des Federan Dhu oder schwarzen Pfeifers bezeichnet.

[710] Inzwischen war in dem letzten Kampfe der junge Tormot, gleich seinen Brüdern und seinem Vater Torquil dem Schutze seines Häuptlings geweiht, durch das schonungslose Schwert des Schmids tödlich verwundet worden. Auch die beiden andern vom Clan Quhele noch übrig Gebliebenen waren gefallen, und Torquil, mit seinem Pflegsohn und dem verwundeten Tormot, gezwungen, vor Acht oder Zehn von dem Clan Chattan sich zurückzuziehen, nahm seinen Stand auf dem erhöhten Ufer des Flusses, während ihre Gegner, soviel ihre Wunden es ihnen gestatteten, sich anstrengten, sie einzuholen. Torquil hatte gerade die Stelle erreicht, wo er Stand zu halten beschlossen hatte, als der junge Tormot fiel und starb. Sein Tod entriß dem Vater den ersten und einzigen [711] Seufzer, den man diesen ganzen verhängnißvollen Tag von ihm gehört hatte.

„Mein Sohn Tormot!“ sagte er, „mein jüngster und theuerster! Aber wenn ich nur Hector rette, so rette ich Alles. – Nun, mein geliebter Pflegsohn, habe ich Alles für dich gethan, was der Mensch vermag, außer das Letzte. Laß mich die Spangen dieser unheilvollen Rüstung lösen und lege dir die von Tormot an, sie ist leicht und wird dir wohl passen. Während du dieß thust, will ich auf diese Krüppel stürzen und ihnen mitspielen, so gut ich kann. Ich hoffe, ich werde nicht viel zu thun haben, denn sie folgen Einer dem Andern wie gelähmte Stiere. Wenigstens, du Liebling meiner Seele, wenn ich nicht im Stande bin, dich zu retten, kann ich dir doch zeigen, wie ein Mann sterben soll!“

Indeß Torquil so sprach, löste er die Spangen von der Halsberge des jungen Häuptlings, in dem einfältigen Glauben, daß er so die Schlingen durchbrechen könne, mit denen Furcht und Zauberei sein Herz umstrickt hatten.

„Mein Vater, mein Vater! o mehr, als mein Vater!“ sagte der unglückliche Eachin, „bleibe bei mir! Dich an meiner Seite, fühle ich, kann ich bis zu meinem letzten Athemzuge fechten.“

„Es ist unmöglich,“ sagte Torquil, „ich will sie aufhalten, wie sie herankommen, bis du die Halsberge angelegt hast. Gott verleihe dir seinen ewigen Segen, du Geliebter meiner Seele!“

Und dann hochschwingend sein Schwert, stürzte Torquil von der Eiche vorwärts mit demselben todbringenden Kriegsruf, der so oft über das blutige Feld erschallt war: Bas air son Eachin! Dreimal ertönten diese Worte mit der Stimme des Donners, und jedesmal, wenn er seinen Schlachtruf ertönen ließ, schlug er einen von den Männern des Clans Chattan zu Boden, auf die er stieß, wie sie sich nach einander gegen ihn heranschleppten. – „Brav gefochten Habicht! Gut geflogen, Falke!“ rief die Menge, als sie die Anstrengungen sah, welche in diesem letzten Moment noch dem Glücke des Tages eine Veränderung drohten. Aber plötzlich wurden diese Ausrufungen zum Stillschweigen gebracht, und es folgte auf sie ein Schwerterklirren, so schrecklich, als wenn in der Person von Heinrich Wynd und Torquil von der Eiche der ganze Kampf von Neuem angefangen hätte. Sie schnitten, stachen, hieben und stießen, als wenn sie heut in diesem Augenblicke zuerst die Klingen versucht hätten. Ihre Erbitterung war gegenseitig; denn Torquil erkannte den schnöden Zauberer, der – wie er meinte – sein Kind durch seine Künste umschlungen hatte; und Heinrich sah den Riesen vor sich, der während des ganzen Kampfes den Zweck vereitelt hatte, um dessenwillen er allein an demselben Theil nahm. Sie fochten mit einer Gleichheit, die vielleicht nicht statt gefunden hätte, wenn nicht Heinrich, schwerer verwundet, als sein Gegner, seiner gewöhnlichen Gewandtheit zum Theil beraubt gewesen wäre.

Inzwischen wurde Eachin, da er sich allein fand, nach einem verwirrten und vergeblichen Versuche, den Harnisch seines Pflegbruders anzuthun, von dem Gefühl der Scham und Verzweiflung ergriffen, und eilte herbei, um seinem Pflegvater in dem furchtbaren Streite bei zu stehen, ehe Andere von dem Clan Chattan herankommen konnten. Als er nur noch fünf Schritte von ihm entfernt war, fest entschlossen, in dem Todeskampfe sein Schicksal zu theilen, fiel sein Pflegevater, von dem Halsbeine beinahe bis auf das Herz gespalten, und mit seinem letzten Athemzuge noch murmelnd: Bas air son Eachin! – Der unglückliche Jüngling sah den Fall seines letzten Freundes und erblickte zugleich den tödtlichen Feind, der ihn über das ganze Feld gejagt hatte, in Schwerteslänge vor ihm stehend und die gewaltige Waffe schwingend, welche durch so viele Hindernisse sich ihren Weg zu seinem Leben gehauen hatte. Vielleicht war dieß genug, seine natürliche Schüchternheit auf ihren höchsten Punct zu bringen, oder vielleicht erinnerte er sich zu gleicher Zeit, daß er ohne schützende Rüstung war, und daß eine Reihe von Feinden, verstümmelt zwar und verkrüppelt, aber darum nicht weniger nach Blut und Rache dürstend, dicht heranrückte. Es ist genug, wenn wir sagen, daß sein Herz ermattete, seine Augen sich verdunkelten, seine Ohren brausten, sein Gehirn schwindelte; jeder andere Gedanke ging in der Furcht vor dem Tode unter, und, nachdem er einen einzigen schwachen Streich gegen den Schmid geführt hatte, vermied er den, der dagegen auf ihn gerichtet wurde, indem er zurückwich; und ehe der erstere seine Waffe wieder erheben konnte, hatte Eachin sich in den Strom gestürzt. Brüllender Schmachruf verfolgte ihn, als er über den Fluß schwamm, obwohl vielleicht nicht ein Dutzend von denen, welche darin einstimmten, unter gleichen Umständen sich anders benommen haben würden. Heinrich sah dem Flüchtlinge nach mit Stillschweigen und Verwunderung; aber er konnte an die Folgen seiner Flucht nicht mehr denken, wegen der Erschöpfung, die ihn zu übermannen anfing so wie die Wuth des Kampfes aufhörte, ihn zu beleben. Er sank auf das grasreiche Ufer nieder und suchte diejenigen seiner Wunden zu stillen, die am Schnellsten strömten.


  1. Chronicles of the Canongate. Second Series. By the Author of Waverley. London, 1828. 3 vols. 8vo.
  2. Des Vaters seiner Geliebten, um die auch der Häuptling des Clan’s Quhele warb.
  3. Pflegesohn.
  4. Das große schottische Schlachtschwert.