Textdaten
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Autor: Friedrich Bernhard Störzner
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Titel: Der Stolpener Tiergarten
Untertitel:
aus: Was die Heimat erzählt. Sagen, geschichtliche Bilder und denkwürdige Begebenheiten aus Sachsen, S. 121–122
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Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Arwed Strauch
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Digitalisat der SLUB Dresden und bei Wikimedia Commons
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Burgruine Stolpen.


55. Der Stolpener Tiergarten.

Zur Burg Stolpen gehörte ehemals ein umfangreicher Tiergarten. Derselbe befand sich an der Südseite des Schloßberges, weshalb man heute noch diese Grundstücke als den „Tiergarten“ bezeichnet, obgleich von einem solchen heutzutage keine Spur mehr zu sehen ist. –

Angelegt wurde dieser ehemalige Tiergarten vom Kurfürsten Vater August, der ihn auch mit einer hohen Mauer umgeben ließ. Stolpener und Langenwolmsdorfer Bauern mußten hierzu die betreffenden Felder gegen eine angemessene Entschädigung abtreten. Anfangs war der angelegte Garten nur bestimmt zu einem Obstgarten, der mit den verschiedensten Obstbaumsorten bepflanzt wurde, die der Kurfürst meistens aus Bayern erhielt, viele aber auch selbst zog und eigenhändig setzte. – Das edle Fürstenpaar war bestrebt, den Obstbau im Lande zu fördern, und dasselbe griff da auch oftmals zu gar eigenartigen Mitteln. So bekam von der Kurfürstin Mutter Anna jedes Brautpaar in Stolpen einige Obstbäume geschenkt, die dasselbe pflanzen mußte.

Dieser Obstgarten wurde bald in einen Tiergarten umgewandelt, in dem dann verschiedenes Hochwild gehalten und gepflegt ward. Da gab es weißes „Thamm-Wildpret“ und „indianisches Wildpret“, das sein besonderes Gehege und seine besondere Scheune zum Unterschlupf und zur Fütterung hatte. Zur Winterszeit heizte man in diesen Scheunen, den Zufluchtsstätten des Wildes, sogar täglich ein, weil die Kälber des indianischen Wildes die Kälte nicht vertragen konnten. Die Aufsicht über den Stolpener Tiergarten hatten die sogenannten „Wildpretswerter“, die in einem besonderen Ansehen standen und hochachtbare Personen waren. Der Chronist Gercken nennt deren folgende: 1595 Martin Fritzsche, 1617 Hannß Schäfer, 1639 Ägidius Lindner, 1641 Thomas Höle, 1672 Hannß Jakob Stiehl, 1690 Christian Otto, 1729 Joh. Christoph Götze, 1736 Joh. George Schultze, 1754 Joh. Christian Schultze.

Wie zahlreich das Wild des Stolpener Tiergartens gewesen sein muß, [122] das beweisen verschiedene Jagdberichte aus jener Zeit. Im 14. Kapitel der von Gercken verfaßten Chronik heißt es wörtlich:

„Im Jahre 1625, vom 12. bis 14. September, waren Churfürstl. Durchl. Johann Georg I.[WS 1] allhier, und es wurden dazumal 51 Stück Thamm-Wildpret im hiesigen Tiergarten ausgeschossen.“ – „Im Jahre 1658, Mittwochs, den 8. September, langten Se. Churfürstl. Durchl. Johann George II.[WS 2] in Begleitung des Herzog Moritzens[WS 3] allhier an. Des folgenden Tages wurden 32 Stück[WS 4] Thamm-Wildpret im Tiergarten ausgeschossen, worauf sie die Mittagsmahlzeit bei Dero Oberschenken Hannß Wolfen von Metzrad auf dem Vorwerk Rennersdorf[1] einnahmen. Freitag darauf reiste Se. Churfürstl. Durchlaucht nach Dresden zurück, stiegen aber bei dem Vorwerk Rennersdorf ab und geruhten mit obengedachtem Herrn Oberschenken noch im Grünen zu speisen, worauf sie nach Dresden gingen.“ – „Im Jahre 1660, Montags, den 24. September, kamen Ihro Churfürstl. Durchl. nebst dero Frau Gemahlin und Prinzessin allhier an, erlegten folgenden Tages 24 Stück Thamm-Wildpret und speisten zu Mittag bei dem Obristen von Schweinitz auf dem Schlosse, abends aber bei dero Frau Gemahlin. Den 26. huj. gingen sie von hier wieder ab.“ – „Im Jahre 1691, den 28. August, hatte sich ein Wolf in hiesigem Tiergarten gefunden, der an Wildprete großen Schaden tat, indem binnen etlichen Nächten über 30 Stück niedergebissen wurden. In demselben Jahre 1691, den 31. Oktbr., langten Se. Churfürstl. Durchl. Johann George IV.[WS 5] nebst dero Herrn Bruder Herzog Fr. Augusto[WS 6] Vorm. gegen 10 Uhr von Moritzburg allhier an, da sie sodann in dem Tiergarten gegen 104 Stück Thamm-Wildpret schossen und sich darnach auf’s Schloß begaben, allwo sie dem Herrn Landeshauptmann v. Schönberg gnädigst Audienz erteilten, welcher im Namen sämtlicher Stände des Markgrafentums Oberlausitz wegen angetretener Churfürstl. Regierung die unterthänigste Gratulation abstatteten. Nach aufgehobener Tafel gingen sie von hier nach Dresden.“ – „Im Jahre 1708, den 16. Juli, langten Ihre Königl. Majestät in Polen und Churfürstl. Durchl. zu Sachsen Friedericius Augustus Vorm. nach 9 Uhr glücklich allhier an. Bald darauf folgten auch die Frau Gräfin von Cosell[WS 7] und einige Herrn Cavalliers. Ihre Kgl. Maj. nahmen die hiesigen Festungswerke zu Pferden in Augenschein und belustigten sich sodann nebst der Frau Gräfin v. Cosell mit Wildpretschießen im Tiergarten. Am folgenden Morgen früh um 8 Uhr gingen sie wieder zurück nach Pillnitz.“ – Aus diesen angeführten Berichten ist zu ersehen, daß der Stolpener Tiergarten ein beliebter Jagdort der sächsischen Kurfürsten gewesen sein muß. Dafür sprechen ihre wiederholten Besuche.

Mit Ausgang des 18. Jahrhunderts ging es mit dem zur Burg Stolpen gehörigen Tiergarten zu Ende. Das Wild wurde in die umliegenden Wälder entlassen, die Mauern abgebrochen und der Tiergarten in Felder umgewandelt. Heute kennt man nur noch seinen Namen und den ungefähren Raum, den der Wildgarten ehemals einnahm. Den schönsten Blick über den früheren Tiergarten hat man von den herrlichen Parkanlagen aus, da, wo die Vogelwiese Stolpens sich befindet. Hier kann man sich ein ziemlich genaues Bild von dem bedeutenden Umfange desselben machen.


  1. Unter dem Vorwerke Rennersdorf ist das heutige Rittergut, ein ehemaliges Kammergut, zu Rennersdorf bei Stolpen gemeint. Gegenwärtiger Besitzer ist seit 1. Juli 1898 Herr Kopp. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Johann Georg I. (1585–1656), Kurfürst von Sachsen
  2. Johann Georg II. (1613–1680), Kurfürst von Sachsen
  3. Moritz (1619–1681), Herzog von Sachsen-Zeitz
  4. Vorlage: Sück
  5. Johann Georg IV. (1668–1694), Kurfürst von Sachsen
  6. August der Starke (1670–1733), Kurfürst von Sachsen (Friedrich August I.), König von Polen und Großherzog von Litauen (als August II.)
  7. Anna Constantia Reichsgräfin von Cosel (1680–1765), Mätresse August des Starken