Textdaten
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Autor: Joseph Landsberg
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Titel: Der Stiefel
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[70]
Der Stiefel.
Eine beinliche Abhandlung.


Trotz der sonstigen Fortschritte, die wir jetzt dem Dampf und den Stimmen der Massen, der Elektricität und den Theorien der Kreisläufe verdanken, geht es doch mit unserem eigentlichen Fortschritt, mit der freien Beweglichkeit unserer Füße noch sehr langsam.

Wir suchen den Fortschritt der Menschen zu erleichtern, aber nicht des Menschen, wir bemühen uns, die geistige Fessel der Gesammtheit zu lösen, und bekümmern uns zu wenig um den kleinen Hemmschuh, der im Grunde den Einzelnen bei jedem Schritt und Tritt hindert, nämlich um den Stiefel. Denn daß [71] der Stiefel uns mitten in unserem Fortschreiten aufhält, indem er uns beengt und quält, daß er unserem Fuße, dem wirklichen Fortschrittsgliede, offene und augenscheinliche Krankheiten zufügt, und daß er uns beim An- und Ausziehen sehr oft in eine verdrießliche, mehr der Ruhe zugeneigte Stimmung versetzt, das weiß Jeder, den der Stiefel drückt; und er drückt wohl die Meisten von uns. – Die Alten waren freie Menschen; am Kopfe, denn sie füllten denselben nicht, wie wir, mit vielen Schulweisheiten an, und am Fuße, denn sie kannten nicht die Qual unseres ledernen Stiefels, sie trugen Sandalen, in denen der Fuß ziemlich nackt seine Arbeit verrichten konnte, und brauchten nicht, wie wir, immer die glatten Wege aufzusuchen. Noch besser haben es freilich jetzt noch die vielen Landbewohner, die mit ihrem Fuße, wie mit dem Geiste im Kopfe, ganz frei und offen auftreten und nicht von den Hühneraugen heimgesucht werden, die wir „mit Blut und Eisen“ vertilgen müssen.

Sollen wir den Stiefel abschaffen und dafür eine mehr oder weniger offene Fußbekleidung einführen? Das ist bei der jetzigen Verfeinerung und Veredlung unserer Fußhaut, bei der besseren Einrichtung unserer Straßen und des öffentlichen Verkehrs nicht mehr möglich. Der Stiefel ist ein wohlthätiger Schutz für den Fuß, da er dessen Blöße verbirgt und von ihm die schädlichen Einwirkungen des Bodens und des Wetters abhält, er ist ein Erforderniß der modernen Cultur und des besonnenen Fortschritts, der mit ihr zusammenhängt. Aber – es ist doch endlich nöthig, den Stiefel zu verbessern und fußgerecht zu machen, wir müssen auch einmal ernstlich für die Freiheit unserer Füße sorgen, zumal wir diese sehr leicht herstellen können, wenn unsere Herren Schuhmacher einerseits mehr Kenntniß erlangen, nicht gerade – wie es jetzt Mode ist – von der Politik, sondern von dem Bau und der Verrichtung unseres Fußes, und wenn wir selbst andererseits unseren Fuß mehr würdigen und nicht als ein Anhängsel an unserem Leibe, sondern als ein werthvolles Glied schätzen, das uns recht eigentlich erhält und uns in der ganzen Schöpfung ziert.

Denn wie wir stehen, mit dem Rücken aufrecht und mit dem Kopf gen Himmel, frei, wendbar nach allen Seiten, mit freiem Gebrauch der Sinne und Hände, der Stimme und der Brust, eine kleine Fläche – an dreien Punkten nur – hält uns auf dem Boden – so steht kein Thier. Sehen wir ab von dem nachgeahmten, gezwungenen Stehen der Affen und Bären, so wissen wir, daß die Thiere allesammt dem Boden zugekehrt all ihre Gliedmaßen zur Fortbewegung gebrauchen und eine Fußstellung haben, die von der unsrigen ganz verschieden ist; entweder treten sie mit dem vorderen Fußtheile allein auf, wie die Huf- und reißenden Thiere, oder mit dem platten Fuße, wie die Sohlengeher. Unser Fuß hingegen berührt vermöge seiner kunstvollen Wölbung den Boden nur an drei Stellen, den Hacken, dem großen und kleinen Ballen, daß das Wasser, wie die Araber sagen, zwischen durchfließen kann, und trägt doch seinen Körpertheil sammt den vielen Organen mit einer bewundernswerthen Geschicklichkeit und Sicherheit, die in seiner baulichen Einrichtung begründet ist.

Er ist nämlich gliederig gebaut, denn er hat viele kleine Knochen zur Grundlage, die gelenkig mit einander verbunden sind. Machen wir im Sitzen eine leichte Fußbewegung, so können wir die Beweglichkeit der Gelenke sehen und zugleich deren Verschiedenheit. Eine große Freiheit hat das Gelenk, das den Unterschenkel mit dem Fuße verbindet, das Sprunggelenk, wodurch wir mit dem Fuße beinahe einen Halbkreis beschreiben können.

Fassen wir den gewölbten Fußtheil an, so spüren wir keine Beweglichkeit an ihm, er ist ein starkes Gerüste, das fest genug ist, um die Körperlast zu tragen; allein wie jede gut gebaute Brücke bei einer starken Bewegung auf derselben etwas nachgiebt, so ist auch die Fußwölbung vermöge ihrer elastischen Bänder beim starken Gehen etwas beweglich, während sie in der Ruhe und bei der gewöhnlichen Bewegung sich nicht ändert. Die Zehen hingegen besitzen die meiste Beweglichkeit, sie lassen sich fast um ihre Achse drehen und können wie die Finger an der Hand gekrümmt und zusammengedrückt werden, denn sie haben freie Gelenke, wie ihnen auch solche ihren Verrichtungen gemäß nothwendig sind.

Setzen wir den Fuß auf den Boden fest auf, so drückt die Körperlast durch das Schienbein auf denselben, der Fuß wird breiter, indem sein Rücken um die Zehengelenke abgeflacht wird. Wollen wir gehen, so erheben wir den einen Fuß auf die Zehen, die sich an den Boden andrücken oder ankrallen, und halten uns so einen Augenblick fest, während wir den andern Fuß strecken und vorwärts stellen. Der gestreckte Fuß wird länger, indem das Sprunggelenk nachgiebt, und wird sodann ebenfalls, wenn wir einen zweiten Schritt thun, vom Boden abgelöst durch Erhebung auf die Zehen; und so geht es wieder abwechselnd mit jedem Fuße bei jedem Schritt. Die Zehen wirken wie elastische Druckfedern und geben uns die Sicherheit und Elasticität des Schritts, am meisten aber ist unter ihnen die große Zehe thätig, die, wie der Daumen an der Hand, dieselbe Arbeit unter den Zehen verrichtet.

Chinesischer Damenfuß.

Nächst dieser hat noch die kleine Zehe, mit einem ähnlichen Bau begabt, die größte Arbeitsfähigkeit, sie bewirkt unter den Zehen den Schluß. Fehlen die Zehen, oder sind sie durch Verkrüppelung unthätig gemacht, wie es frühzeitig bei den Füßen der chinesischen Damen durch Zurückbinden der Zehenglieder geschieht (vergleiche beistehende Figur) und bei uns durch den schmalen und kurzen Stiefel, so gehen wir trippelnd, wie auf Stelzen, Kreuz- und Querschritte machend.

Gehen wir nun geraden Weges auf Grund obiger Wahrnehmungen, die ein Jeder an seinem Fuße machen kann, zur Anfertigung des Stiefels über, und merken wir uns zuvor noch, daß der rechte Fuß von dem linken in der Größe sich unterscheidet, der rechte ist gewöhnlich breiter und größer als der linke, und weniger linkisch: so müssen wir für diesen Zweck einen jeden Fuß in gestreckter Stellung, also beim Auftreten messen, da wir wissen, daß der Fuß in dieser Position länger und breiter wird. Es geschieht dies auch gewöhnlich von den Herren Schuhmachern, indem sie den Fuß im Strumpfe auf einem Bogen Papier abzeichnen. Besser ist es jedoch, da der Strumpf die Richtung des Fußes ändert, wenn wir den nackten Fuß aufs Papier stellen, und dessen Umfang abzeichnen. Sehen wir alsdann diese Zeichnung näher an, so bemerken wir, daß unsere Sohle nicht gerade ist, sondern nach vorn geschweift, und stellen wir beide Füße oder deren Umrisse an einander, so ergänzen sie sich gegenseitig und bilden ein Oval, das, beiläufig bemerkt, der Form unseres Kopfes oder des Gehirns in demselben entspricht, als sollte der Anfang und das Ende unseres Körpers durch eine Form ausgedrückt werden.

Geschweifte Sohle.

Unsere Sohle ist bei dem regelmäßigen Fuße nicht gerade, denn unsere Gehfläche ist mehr nach innen gerichtet, nach der Längsrichtung der großen Zehe. Und demgemäß darf auch unsere Sohle an dem Stiefel nicht gerade sein, sondern nach innen geschweift (wie beistehende Figur zeigt).

Eine gerade Sohle bringt den vorderen Fußtheil aus der Lage und verkrümmt denselben. Nicht minder wichtig ist die Berücksichtigtmg der Gelenke.

Um das Fußgewölbe, das die Schuhmacher den Spann nennen, kann und soll der Stiefel fest anliegen, da die Gelenke hier so gut wie nicht beweglich sind, aber das Sprunggelenk und das Zehengelenk müssen wir frei haben, da sie beim Gehen am meisten thätig sind.

Um die Längenausdehnung des Fußes nicht zu behindern, wird daher jetzt zu beiden Seiten des Stiefels, wo die Fußknöchel anliegen, ein Gummizug angebracht, der dem Fuße eine große Erleichterung gewährt; nur ist er leider nicht dauerhaft genug und für solche Stiefeln nicht anwendbar, die einer großen Strapaze ausgesetzt werden sollen, wie die Marsch- und Winterstiefeln. Wo solche Rücksichten oder andere der Sparsamkeit vorliegen, würden wir zweckmäßig an die Stelle des Gummizuges ein entsprechendes Stück weichen Leders einnähen, das den Bewegungen des Sprunggelenks weit eher folgen könnte, als das übrige harte Leder. Denselben Zweck, die Längenausdehnung des Fußes zu ermöglichen, fördern wir, wenn der Stiefel etwa um einen halben Zoll länger wird, als die Fußlänge beträgt, jedoch ist diese Vorsicht bei richtig abgezeichneter Sohle nicht so wichtig, wie es die Herrn Schuhmacher gemeinhin glauben. Hingegen müssen wir, um die Ausdehnung des Fußes der Breite nach zu gestatten, den Zehengelenken die größtmögliche Räumlichkeit verschaffen. Der Stiefel darf daher vorn nicht spitz sein, sondern breit, oder rund, oder oval, je nach dem Geschmacke des Besitzers, besonders aber muß er um die Stelle erweitert sein, wo der große Ballen anliegt. – Versäumen wir diese Vorsichtsmaßregel, so ist eine ergiebige Quelle [72] für die Verunstaltung der Zehen gegeben, und obendrein noch für die Durchreißung des Stiefels, denn der Ballen sucht mit seiner ganzen Leistungsfähigkeit den Druck des Stiefels abzuwehren und dringt häufig genug – zu unserem Glücke – durch den Stiefel hindurch. Ein anderer, eben so nachtheiliger Einfluß auf die Zehen ist der künstliche hohe Hacken oder Absatz, der, ein moderner Cothurn, die Schönheit des Fußes erhöhen soll, zunächst aber unsere Schmerzen erhöht, weil er die Arbeit des Fußes auf die Zehenspitzen und nicht auf die ganze Zehen-Ausdehnung verlegt. Je niedriger der Absatz ist, desto leichter und natürlicher können die Zehen ihre ohnedies schwierige Aufgabe verrichten. Wir wünschen den Herren Schuhmachern einen hohen Absatz und uns – einen niedrigen.

Wir haben bisher allgemeine Gesichtspunkte aufgestellt, die man bei der Anfertigung eines jeden Stiefels zu berücksichtigen hätte; sie sind jedoch keineswegs hinreichend für alle Fußformen, die wir im Leben antreffen. Man sieht jetzt selten einen schönen Männerfuß, wie er uns von der Natur gegeben und in den Büchern beschrieben ist. Die meisten sind verunstaltet durch die verschiedenartigsten Verkrümmungen der Zehen und der Ballen, durch die Abflachung des Fußrückens und durch die Ueberbeine, denn unser Fuß erleidet, wie kein anderer Körpertheil, vielfache Veränderungen durch den Einfluß der Beschädigung, Gewohnheit und vor Allem durch die von Jugend an fortgesetzte schädliche Bekeidung mittelst des falschen Stiefels, so daß wir oft beim zufälligen Blick auf den Fuß unseres Nachbars eine ganz neue Fußart zu entdecken glauben, bei der jede menschliche Schönheit fehlt.

Mit den Damenfüßen steht es freilich besser und schöner; von Hause aus zarter gebaut, verlieren sie dennoch – wegen der geringen Lebensarbeit und der leichten Schuhbekeidung unserer Damen – wenig oder nichts von ihrer natürlichen Schönheit. Wir wollen hier nicht, wie Verliebte, den Damenfuß verherrlichen, da wir uns dies, sowie die Besprechung der Damenschuhe, noch vorbehalten, sondern wir weisen hierbei nur auf die Mannigfaltigkeit der Füße überhaupt hin, die noch größer wird, wenn wir noch den Einfluß hinzuzählen, den das Temperament ausübt. Wie nämlich an der Oberfläche der meisten Körpertheile, z. B. am Gesichte, der innere geistige Vorgang sich deutlich abspiegelt und nicht selten eine bleibende körperliche Form annimmt, so ist auch am Fuße, der zwar kein geistiges Organ ist, aber doch mit den gesammten Körperkräften innig zusammenhängt und alle Bewegungen des Körpers vorzüglich vermittelt, ein Ausdruck unserer Geistesart gegeben, der bei der Ruhe des Fußes sowohl, dem Stehen, als auch bei dessen Arbeit, dem Gehen, sich unschwer erkennen läßt.

Aus dem plumpen Gang schließen wir auf eine gemeine Natur, aus dem anstandsvollen auf einen Gebildeten, aus dem festen auf einen Muthigen, aus dem besonnenen auf einen Milden und aus dem gezwungen besonnenen auf einen Schleicher; Charaktere, die sich mehr oder weniger deutlich in der Gestalt des Fußes ausprägen. Wir erkennen ferner bei den mit dem Gemüthszustande näher zusammenhängenden Fußbewegungen, nämlich dem Tanzen, den nationalen Charakter. Wir unterscheiden den leidenschaftlichen Tanz der Spanier, den leichten der Franzosen, den derben der Tyroler, den langsamen der Deutschen, und bezeichnen danach auch den Fuß der Nationen.

Durch diese vielfachen äußeren und inneren Einwirkungen auf den Fuß erhalten wir also eine tausendfältige Verschiedenheit der Füße, die wir unmöglich alle nach einem Muster bekleiden können.

Es ist daher nöthig, zur bessern Uebersicht eine Eintheilung der Füße vorzunehmen, und wir wollen mit Zugrundelegung der volksthümlichen Bezeichnungen und der Rücksichten auf die Fußformen, wie sie bei den Thieren vorkommen, folgende vier Grundformen annehmen:

Trampelfuß.

1) Der Trampelfuß, eine rohe, plumpige, fleischige Fußform, mit kurzen, breiten Zehen, starker Haut, wenig Wölbung und geringer Beweglichkeit der Gelenke. Die beistehende Figur zeigt uns diesen Fuß von der Sohlenseite, er erinnert stark an einen Thierfuß, etwa des Nilpferdes oder des Elephanten, und ist Eigenthum der Landleute, der niedrigen Arbeiter und besonderer Racen, wie der Mongolen und Semiten.

Breite Fuß.

2) Der breite Fuß, der stark und fleischig ist, und an allen Gelenken sehr leicht beweglich, mit schwacher Wölbung und geringer Elasticität. Der Fuß tritt mit der ganzen Sohle auf, wie bei den Sohlentretern unter den Thieren, und hat die Neigung, nach innen sich zu drehen. Er entsteht gewöhnlich – wenn nicht eine erbliche Anlage oder Krankheit zu Grunde liegt – in Folge zu großer Fußanstrengung, wie bei alten Infanteristen, Lehmtretern, Brief- und Zeitungsträgern. (Fig. 4.)

Schmale Fuß.

3) Der schmale Fuß, der eine überaus längliche Form, namentlich lang gestreckte Zehen und gute Beweglichkeit derselben hat. Es liegt in ihm eine Andeutung an die Fußformen der Kletterthiere, wie der Dachse, und er wird angetroffen bei langen hageren Personen, die gern Carriere machen wollen, etwa bei Tanzlehrern, Schneidern, Kellnern, Barbieren und Doctoren. (Fig. 5.)

Edle Fuß.

4) Der edle Fuß, von hoher Wölbung, länglichen Zehen, mäßigem Ballen und großer Elasticität. Wir können ihn, wie dieselbe Bildung bei der Hand genannt wird, den aristokratischen Fuß nennen. Seine Schönheit besteht jedoch nicht in einer etwaigen Kleinheit, wonach die meisten Damen fälschlich die Füße beurtheilen – ein kleiner Fuß bei einem großen Körper ist eben so häßlich, wie ein großer Fuß bei einem kleinen Mann – sondern in dem Ebenmaß der einzelnen Theile zu einander und zum ganzen Körper. Er kommt vor bei den Mitgliedern des Cabinets, Officieren, Schauspielern und Friseuren.

Ein alter italienischer Arzt glaubte in vier Zehenformen eine Andeutung auf die Geistesbeschaffenheit ihrer Besitzer zu erkennen; kurze Zehen deutete er auf Dummheit, auseinanderstehende auf Leichtsinn, untereinander vewachsene auf Furchtsamkeit und gekrümmte Zehen auf Bosheit.

Wir wollen nicht versuchen, diese Beobachtungen zu erklären, aber es ist interessant, daß die vier Formen bei den von uns hier aufgestellten Fußformen der Reihe nach vorkommen und das Bild derselben vervollständigen.

Wir hätten also Grundformen, auf die wir die verschiedenen Füße zurückführen können, und die uns auch einen Anhaltspunkt geben bei der Anfertigung der Stiefeln, die wir täglich brauchen. Haben wir den Fuß Nr. 1 vor uns, wo die Haut wenig empfindlich ist, und der Fuß wegen der schweren Beweglichkeit der Gelenke sich wenig verändert, so sind die vielen Rücksichten nicht geboten. Ein solcher Fuß weist die Beleidigungen des Leders durch die Fußhaut zurück, die selbst lederartig ist. Herren solcher Füße kaufen sich auf dem Jahrmarkte ihre Stiefeln, mit denen sie gewöhnlich einen glücklichen Kampf durchmachen. Diesem ähnlich wird jetzt noch beim Militär verfahren, wo jedem Rekruten, ohne Rücksicht auf seinen Fuß, fertige Stiefeln zuertheilt werden; eine Einrichtung, die natürlich ungünstig abläuft.[1]

Mehr Aufmerksamkeit bedarf der Fuß Nr. 2. Hier muß der Stiefel den Fuß zu verbessern und seiner Neigung, sich abzuflachen, entgegen zu wirken suchen. Die Sohle sei hier gerade und breit, um den Spann liege der Stiefel fest an, und der Hacken sei von einer mäßigen Höhe, um das Fußgewölbe beim Auftreten zu schonen, jedoch breit genug, um das Uebertreten des Fußes auf die innere Seite zu verhüten. Ist der große Ballen noch besonders entwickelt, so muß der Stiefel an der Stelle, wo der Ballen anliegen soll, eine Ausbuchtung haben, am besten durch ein eingenähtes Stück weichen Leders von der Größe dieses Ballens, die beim Gehen den Ballen aufnimmt und in der Ruhe nicht drückt. Hierbei muß nur auf die Bequemlichkeit Rücksicht genommen werden, aber nicht auf die Mode.

Bei der Fußform Nr. 3 kann der Stiefel vorn, ohne dem Fuße zu schaden, spitz sein – wenn er sonst der herrschenden Mode entsprechen soll – er muß jedoch länger sein, als der Fuß selbst ist, da derselbe beim Gehen sich stark nach vorn schiebt. Diese [73] Neigung des Fußes würde der Gummizug um die Knöchel noch mehr fördern, derselbe muß daher hier wegbleiben. Die Sohle darf nicht gerade sein, sondern nach innen schwach gekrümmt in der Richtung des Fußes. Die Absätze, die gewöhnlich von einem solchen Fuße schief nach außen abgetreten werden, müssen breit, nicht hoch, und nach außen etwas erhöht sein.

Genügt dies nicht, das Uebertreten des Fußes zu verhindern, so muß der äußere Rand durch einen untergeschobenen Lederstreifen erhöht werden. Das Leder selbst sei möglichst weich, da solche Füße sehr empfindlich und leicht verletzbar sind.

Die Ueberbeine, es sind gewöhnlich festgewordene Ausschwitzungen der Fußgelenke, die an solchen Füßen am häufigsten vorkommen, müssen durch besondere Ausbuchtungen am Stiefel geschützt werden.

Bei der Fußform Nr. 4, die gewöhnlich der wohlhabenderen Classe angehört, ist die Schonung des Fußes durch die Bekleidung um so leichter, als der Besitzer einen großen Stiefelvorrath für die verschiedenen Verrichtungen des Fußes halten kann, wie beispielsweise besondere Stiefeln – mit dem entsprechenden Stoff – für die Stadt und andere für das Land, und ebenso für die Jagd und den Tanz, die Promenade und den Marsch; eine Einrichtung, die, wenn auch nicht dem Geldbeutel, so doch der Fußpflege ebenso förderlich ist, wie der Handpflege die sorgfältige Benutzung der Handschuhe.

Wir müssen überhaupt für den Fuß dieselbe Sorgfalt, wie z. B. das häufige Waschen empfehlen, die wir der Hand so gern angedeihen lassen; denn beide Glieder haben von Natur denselben Bau und dieselbe Wichtigkeit, und erst beide zusammen drücken unsere körperliche Vollendung aus, wie wir auch sprachlich eine äußere Vollendung mit den Worten bezeichnen: das Ding hat Hand und Fuß. Wie wir ferner auf die Nägel der Finger sorgsam achten, so sollten wir auf die der Zehen aufmerksam sein, um die üblen Zufälle von gekrümmten und eingewachsenen Fußnägeln zu verhüten. Am besten wird das regelmäßige Wachsen der Fußnägel begünstigt, wenn der Stiefel eine nach der Natur abgezeichnete Sohle, keine zu große Zuspitzung nach vorn und einen niedrigen Absatz hat, wodurch wir einerseits verhüten, daß durch eine widernatürliche Zusammenpressung die Nägel in die Haut hineingetrieben, und andererseits, daß die ganze Arbeit des Fußes nach vorn verlegt würde, wie es bei den Hufthieren der Fall ist, mit denen wir jedoch nicht concurriren dürfen, ohne körperlichen Schaden zu nehmen.

Je schöner der Fuß, desto einfacher sei der Stiefel, und die Kunst des Schuhmachers besteht darin, daß er die größte Rechnung zu tragen weiß – nicht gerade seinen Kunden – sondern der Einzelnatur des Fußes; der verständige Schuhmacher zeigt auch bei seiner Fußarbeit, daß er Kopf hat.

Dr. J. Landsberg.

  1. In meiner Schrift „die Bekleidung des Infanteristen“ (Berlin, Mai’sche Buchhandlung) habe ich den Marschstiefel für den Infanteristen angegeben.