Textdaten
<<< >>>
Autor: Johann Georg Theodor Grässe
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Schlüssel zu Gnandstein
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 286-289
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[286]
321) Der Schlüssel zu Gnandstein.
Mündlich. Ziemlich unsicher erzählt im Sachsengrün 1861 S. 86.

In einem schönen Thale, drei Stunden von der Stadt Borna an der von Leipzig nach Chemnitz führenden Straße schaut weit über die Umgegend das alte Schloß Gnandstein, [287] welches auf einem 80 Fuß hohen Porphyrfelsen erbaut ist. Diese Burg ist schon seit dem 13. Jahrhundert in dem Besitz der Familie von Einsiedel gewesen und kann man noch heute in dem großen Familiensaale die Bildnisse der meisten Mitglieder derselben seit dem 15. Jahrhundert sehen. In der dasigen Kirche hat Dr. Martin Luther selbst mehrmals gepredigt und einst dem Heinrich Hildebrand von Einsiedel, dem er sehr gewogen war und an den er mehrere im Schloßarchiv noch vorhandene Briefe geschrieben hat, auf sein Befragen, ob die Bauern auch nach der Reformation noch zu frohnen hätten, zur Antwort gegeben, man müsse ihnen zwar Erleichterung gewähren, aber nicht Alles erlassen, denn „wenn der Bauer nicht muß, rührt er weder Hand noch Fuß“. Nicht allzulange nach seinem Tode ist ein gewisser Haubold von Einsiedel, dessen Figur noch heute in der Schloßkirche in Stein gehauen zu sehen ist, nach der Sitte jener Zeit nach Italien gereist, und hat einst bei einem Ungewitter an der Pforte eines tief in den Apenninen gelegenen Klosters um Aufnahme gebeten. Diese ward ihm auch gewährt, man ließ ihn ein und der Prior fragte ihn natürlich nach seinem Namen und dem Zweck seiner Reise. Kaum hatte er sich genannt, als derselbe sich forschend nach verschiedenen seine Familie betreffenden Einzelnheiten erkundigte, und als jener diese Fragen so beantwortete, daß kein Zweifel an seiner Identität bleiben konnte, legte ihm der Prior einen in der Klosterbibliothek befindlichen genauen Riß des Schlosses Gnandstein und alte Schriften vor, aus denen er ersah, daß an einem gewissen, nicht näher bezeichneten Orte desselben ein großer Schatz in einer mächtigen eisernen Kiste vergraben sei, es werde einmal etwas daselbst gebaut werden und man werde dann zufällig ein eisernes Kistchen finden, in dem sich 9 Pfeile und ein großer Schlüssel befänden, dieses solle man sorgfältig öffnen und nach der Seite zu, wo der Bart des Schlüssels hinweise, da solle man in die Mauer einschlagen und man werde auf die große Truhe, welche den Schatz enthalte, [288] stoßen und dieselbe mit Hilfe des großen Schlüssels leicht öffnen können.

Jener Conrad von Einsiedel nahm nun eine genaue Abschrift obiger Mittheilung und hatte nach seiner Zurückkunft nichts Eiligeres zu thun, als an verschiedenen Stellen der Burg Nachgrabungen anzustellen, ob man nicht vielleicht auch so auf den Ort, wo der Schatz liege, kommen könne, allein Alles war vergebens. Auch soll er, sowie mehrere seiner Nachkommen, die Aehnliches im Sinne gehabt, durch einen Traum gewarnt worden sein, von weitern Nachgrabungen abzustehen, der Schatz werde zu seiner Zeit schon von selbst an den Tag kommen.

Da ist in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ein Besitzer von Gnandstein aus dem Einsiedelschen Geschlechte auf den Gedanken gekommen, aus einem großen, im ersten Stocke des Schlosses gelegenen und in den obenerwähnten Thurm gehenden Zimmer zwei kleinere zu machen. Er läßt also die nöthigen Maurer kommen, und uneingedenk jener alten Prophezeiung bleibt er nicht dabei, als dieselben in die dicke Mauer einzuhauen beginnen. Dieselben schlagen nach ihrer Gewohnheit mit ihren Spitzhacken über Kopfhöhe ein, auf einmal stürzt unter den Steinen ein eisernes Kistchen herab, der Deckel desselben springt im Herunterfallen von selbst auf, die erwähnten Pfeile, ein vergelbtes Pergament und ein großer Schlüssel von der Form der alten Kirchenschlüssel fallen heraus, und als man dem herbeigerufenen Schloßherrn das Gefundene überliefert, kann natürlich Niemand angeben, nach welcher Seite hin der Schlüssel ursprünglich in dem Kistchen gelegen hat. Zwar machte man nun abermals Versuche mit Nachgraben, allein man fand nichts. Nun hoffte man aus jenem Pergamente etwas Näheres zu erfahren, allein siehe es war in Schriftzügen geschrieben, die zu keinem bekannten Alphabet zu gehören schienen. Da hört jener Herr von Einsiedel zufällig, daß ein Leipziger Professor, Namens Kapp (sollte dies nicht eine Namensverwechselung mit dem berühmten Heidelberger Paläographen [289] Fr. U. Kopp sein?), sehr geschickt in Entzifferung alter Urkunden sei, man schickt ihm dieselbe also, ohne daran zu denken, vorher eine getreue Copie nehmen zu lassen, und siehe, wie als ob ein neidisches Schicksal der Familie auch diesen letzten Anhaltpunkt rauben wollte, es kommt bei diesem Mann Feuer aus und das Document verbrennt. So liegt denn jener Schatz, von dem die erste Nachricht wahrscheinlich in jenes Kloster durch den dorthin geflüchteten letzten katholischen Burgcaplan nach eingeführter Reformation gelangt war, noch heute ungehoben, die Pfeile hat der vormalige Besitzer des Schlosses, Hr. Hauptmann von Einsiedel, noch als Knabe gesehen, dann scheinen sie verloren gegangen zu sein, allein das eiserne Kistchen und den großen Erbschlüssel zeigt man noch heute als die freilich bis jetzt nutzlosen Wahrzeichen des Schlosses. Sonderbar genug hat aber in neuester Zeit eine Somnambule zu Brüssel, zu der, weil man von ihrem wunderbaren Hellsehen dort großes Aufhebens machte, ein in jener Stadt lebender Verwandter der Einsiedelschen Familie auf deren Veranlassung gegangen war und ihr über das Schloß Gnandstein verschiedene Fragen vorgelegt hatte, im magnetischen Schlafe sowohl die Lage, als die Bauart, das Detail der Auffahrt ins Schloß und überhaupt die ganzen Räumlichkeiten daselbst so genau beschrieben, wie dies kaum ein dort Geborener und Erzogener zu thun vermöchte, ja zu verstehen gegeben, daß, wenn man in einem alten Schuppen, der sich auf dem Schloßhofe befindet und mit seiner Rückseite an jenen alten Thurm stößt, an einer gewissen, ziemlich genau bezeichneten Stelle nachgraben wolle, man seinen Zweck wohl erreichen werde. Indeß hat der vorige, sowie der jetzige Herr Besitzer meines Wissens von allen weitern Nachgrabungen bis jetzt abgesehen.