Der Schatzgräber in der Angermühle zu Leipzig

Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Der Schatzgräber in der Angermühle zu Leipzig
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 391-394
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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453) Der Schatzgräber in der Angermühle zu Leipzig.
S. Montl. Unterred. v. Reiche der Geister. Bd. III. S. 479.

Ein Mühlknappe in der Angermühle zu Leipzig ging am 2. Octbr. 1707 während der Michaelis-Messe vor das Ranstädter Thor, um einen andern bekannten Mühlknappen zu besuchen; statt nun denselben anzutreffen, fand er einen andern unbekannten Menschen, der ihn in die Petersstraße führte, um, wie sein Vorgeben war, mit ihm eine Kanne Bier zu trinken. Bei dieser Gelegenheit ereignete sich ein Discurs vom Schatzgraben. Der verkappte Mühlbursche erbot sich darauf, ihm für 8 Thaler ein Buch zu verschaffen, darin die zum Schatzgraben nöthigen Beschwörungen enthalten wären. Sie wurden darüber bald einig, so daß ihm jener Mühlbursche versprach, zwei Thaler zum Voraus zu bezahlen und sechs Thaler auf der Neujahrsmesse, wenn er nämlich einen Schatz gehoben haben würde. Darauf fängt der vermeinte Mühlbursche sogleich an, das geheime magische Buch, Dr. Faustens Höllenzwang genannt, abzuschreiben. Dieses Werk verrichtete er auf einem Bauholze an Caspar Bosens Garten. Er schickte indeß den Jungen weg, ihm für 1 Groschen Tabak zu holen, als dieser wieder kam, waren 4 Bogen von diesem Buche schon fertig geschrieben, dieselben gab er ihm, nebst drei andern Zetteln, worin etliche nöthige Nachrichten enthalten waren, wie er sich bei der Beschwörung verhalten müsse. Ueberdies gab er ihm auch einen messingenen Draht, daran vorne ein Kopf wie ein Schlangenkopf gebildet war. Diesen sollte er statt der Wünschelruthe gebrauchen, doch mit dem Beding, daß er sie ihm wieder zustellte. Hiermit ging nun der Junge um Mitternacht in seines Müllers Keller, weil er öfters hatte [392] sagen hören, daß seit dem Schwedenkriege allda ein großer Schatz verborgen sey, da denn seine Wünschelruthe allezeit auf die Seite schlug. Diesem Seitwärtsschlagen der Ruthe folgte der Junge, bis sie unterwärts schlug und endlich gar stillstand, welches das Zeichen war, daß der Schatz allda verborgen lag. Darauf fing er an, den 21. Octbr. zwischen 11 und 12 Uhr sein erstes Kunststück in’s Teufels Namen zu probiren. Er wußte sich gar leicht in diese satanischen Unternehmungen zu finden, er machte Zauberkreise, zeichnete Charactere, setzte Lichter hin und sprach Beschwörungsformeln, da ging endlich ein Rauch auf an dem Orte des Schatzes. In demselben sah er einen Geist als ein kleines Männchen gestaltet, und wie mit einem grauen Flor überzogen, ingleichen fand er auch zwei Zweigroschenstücke auf derjenigen Lade liegen, auf welcher die drei Lichter vor ihm standen. Darauf befragte ihn der Geist: „ob er damit zufrieden sey?“ und als er mit „Ja“ antworten mußte, verschwand derselbe. Der Mühljunge verrichtete nun zum Beschluß knieend sein vorgeschriebenes Gebet, nahm die vier Groschen, löschte das mittlere Wachslicht zuerst aus, nachgehends auch die andern, löste die Zauberkreise wieder auf und ging also rückwärts zufolge seiner Instruction bis zur ersten Stufe aus dem Keller wieder heraus, legte sich schlafen und war insoweit auf dies Mal mit seinem gefundenen Schatze zufrieden. Den 28. Octbr. als den folgenden Freitag nahm er den andern Proceß vor. Es geschah derselbe mit einer schärfern Beschwörung als das vorige Mal. Der Geist erschien auf seine halb gütige, halb trotzige Einladung. Es that sich sogar die Erde von dem Schatze weg, daß er den Goldklumpen deutlich sehen konnte. Er für seine Person aber fand diesmal auch nicht mehr als ein brandenburgisches Sechzehngroschenstück auf der Lade, welches i. J. 1686 geprägt war. Dieser neue Teufelsproceß endigte sich eben wie der vorige, wobei er jederzeit mit aufgerecktem Finger dem Satan einen Eid schwören und Gott und seiner eigenen Seligkeit absagen mußte.

An dem darauf folgenden Freitage, den 4. Novbr., wurde [393] der dritte Proceß auf vorige Weise vorgenommen, wo sich denn der Schatz völlig äußerte. Er sah einen großen Schwenkkessel voll Gold, es schien ihm, als wenn auch anderwärts im Keller gegen die Ecke zu ein viereckiges Kästchen aus der Erde hervorgethan wurde, auf welchem etwas wie eine Karbatsche gestaltet lag. Diese Peitsche schien sich zu bewegen. Darauf sah er auf der Lade einen halben Bogen Papier mit schwarzen Strichen eingefaßt und inwendig roth beschrieben. Anbei fand er auch eine geschnittene Truthahnfeder. Das graue Männlein aber, welches ihm erschienen, hatte ein langes Buch oder Register unter den Armen. Zu gleicher Zeit fiel ein Tropfen Wasser von dem Gewölbe auf seine Hand, davon ihm dieselbe erkaltete und ein großer Blutstropfen auf derselben sich zeigte. Als er nun diese Feder ergriffen und den Tropfen Blutes darin gefaßt hatte, und nunmehro seinen Namen auf das Papier schreiben wollte, hörte er Jemand mit starken Schritten die Kellertreppe hinabgehen. Er erschrickt darüber nicht wenig und läßt bei Formirung des andern Buchstabens die Feder fallen, löscht das mittlere Licht aus, die zwei andern Lichter aber warf er in Eile in das im Keller gestandene Wasserfaß, löste geschwind die Zauberzirkel auf und ging hinter sich an der Mauer weg zum Keller hinaus, traf aber, wie er da vermuthete, keinen Menschen an. Indeß war aber der andere Proceß auch zu Ende. Merkwürdig aber war es dabei, daß über dem Auslöschen des mittlern Lichtes ein solcher mächtiger Rauchdampf in dem Keller entstand, als wenn ein Böttcher ein großes Faß zu pichen hätte. Zwei folgende Freitage wurde dieser Junge an ferneren Unternehmungen verhindert, einmal nämlich durch einen großen Schauer, welcher ihn auf der Kellertreppe plötzlich überfiel, das andere Mal aber durch den eingefallenen Bußtag, da ihn sein Meister mit sich in die Kirche genommen. Nach diesen Geschichten verfiel der Bösewicht in gottlose und abscheuliche Reden, verleugnete die christlichen Glaubensartikel und kam darüber in die Inquisition des Meisters, seines Vaters und Beichtvaters, der gewiß viele Mühe mit [394] ihm hatte. Bei solcher ihm unvermuthet vorgefallenen Veränderung nahm er sein Beschwörungsbuch, zerriß es heimlich und verbrannte alle dahin gehörigen Sachen. Endlich bekannte er in der größten Herzensangst und Bangigkeit Alles, was er begangen, bekehrte sich von Herzen und ward schließlich auch durch den damaligen Superintendenten zum Nachtmahl zugelassen.[1]


  1. Diese Sage hat Bechstein, Deutsches Sagenbuch. Lpzg. 1853. S. 507 modernisirt behandelt.