Der Schöne Brunnen zu Nürnberg

Textdaten
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Autor: H. B.
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Titel: Der Schöne Brunnen zu Nürnberg
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 648–649, 674
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[648]

Der Schöne Brunnen in Nürnberg.
Nach dem Gemälde von Paul Ritter.

[674] Der Schöne Brunnen zu Nürnberg. (Zu dem Bilde S. 648 u. 649.)

„Im Markt zu Nürnberg steht ein Brunn;
Als weit als leuchten mag die Sunn,
Findt man desgleichen nit von Stein.“
 Reimspruch des 15. Jahrhunderts.

Wenn man von dem Nürnberger Ponte Rialto, der Fleischbrücke, seine Schritte zur alten Kaiserburg lenkt, gelangt man zunächst zu dem jetzt ganz freigelegten Marktplatz von seltener Größe. In dessen nordwestlicher Ecke, hart an der Straße, steht eines der reizendsten Werke gotischer Profanbaukunst: der Schöne Brunnen, der Stolz der alten Reichsstadt, der von Meisterlin in seiner Nürnberger Chronik der „köstlich Prun“ und von Hartmann Schedel in der berühmten Weltchronik von 1493 ein „allerschönster Prunnen“ genannt wird. Aus achteckigem Bassin erhebt sich eine höchst zierliche gotische, reich mit Figuren geschmückte Turmpyramide von 20 m Höhe, die mit ihren Spitzbogen und Wimpergen, Pfeilern, Fialen, schlanken Säulchen, Krabben und Wasserspeiern von ganz besonders malerischer Wirkung ist. Im unteren Stockwerke stehen die Figuren der sieben Kurfürsten und die „neun Helden“: drei des heidnischen Altertums (Hektor, Alexander und Julius Cäsar), drei des Judentums (Josua, David und Judas Makkabäus) und drei des Christentums (Artus, Karl der Große und Gottfried von Bouillon). Das zweite Stockwerk ist durch die Statuen von Moses und sieben Propheten geschmückt. Auf Pfeilern im Bassin saßen einst noch 16 Figuren der „heiligen Skribenten“, bei der Reindelschen Restauration wurden dieselben aber durch wasserspeiende Bestien ersetzt. Denn es muß eingestanden werden, daß von dem Brunnen, wie er in den Jahren 1385 bis 1396 zuerst unter Friedrich Pfinzings Aufsicht und von 1389 an durch Heinrich den Palier auf Kosten des Rats ausgeführt wurde, heute nur wenig mehr vorhanden ist. Der Schöne Brunnen, der einst vollständig bemalt und reich vergoldet war, so daß er bei der fränkischen Landbevölkerung noch heute vielfach der „goldene Brunnen“ genannt wird, hatte durch die rauhe Witterung vielfach zu leiden. Schon 1447 mußte er neu bemalt, 1464 ausgebessert, 1490 abermals bemalt werden etc. Zu Beginn unseres Jahrhunderts aber war er eine vollständige Ruine. In den Jahren 1821 bis 1824 wurde er nun unter der Leitung des Kupferstechers Albert Reindel, Direktors der Nürnberger Malerakademie, vom Grund auf restauriert, oder vielmehr nach dem alten Originale beinahe neu aufgebaut. Der Staat Bayern und die Stadt Nürnberg teilten sich in die Kosten. Trotz vieler willkürlicher Veränderungen, welche Reindel vornahm, ist dieses Juwel gotischer Baukunst doch heute noch von harmonischer entzückender Wirkung. – In höchst anziehender Weise stellt der ausgezeichnete Nürnberger Architekturmaler Paul Ritter den Brunnen, wie er einst war, in unserem Bilde vors Auge. Der prächtige Hintergrund auf demselben ist erfreulicherweise im wesentlichen heute noch vorhanden, wenn man auch von der Bemalung des großen Giebelhauses mit dem auf dem Marktplatze abgehaltenen Gesellenstechen nichts mehr sieht. Die Staffage versetzt uns in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges.

Heute wird der Schöne Brunnen wiederum einer gründlichen Erneuerung unterzogen. Die Stadt Nürnberg hat sich in unserem Jahrhundert so kräftig entwickelt, daß sie diese ohne staatliche Beihilfe vornehmen kann. Architekt Wallraf aber, dem die Restauration übertragen wurde, ist ein genauer Kenner des gotischen Stiles: er nimmt seine Aufgabe so ernst, daß manche der Verballhornungen Reindels beseitigt werden und das edle, altberühmte Werk bald in neuer Schönheit erstehen wird. H. B.