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Titel: Der Rauchmaler
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aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 309–311
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: August Schleich und seine Rauchbilder
Ein Bild aus dem Münchener Künstlerleben
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Der Rauchmaler.
Ein Bild aus dem Münchener Künstlerleben.

Im Oberpollinger Gasthaus in München war es in den vierziger Jahren wie immer sehr lebhaft, es war Abend, das Local gedrängt voller lärmender Gäste, die dem edlen Gerstensafte wacker zusprachen; dazwischen tönte eine Dreikreuzermusik, ein Bockwalzer oder ein Ländler von „Harpfen, Flöt’ und Geig’n“. In einem Winkel des Locals ging es besonders lebhaft zu, es waren junge Münchener Künstler, welche ganz in Tabaksdampf eingehüllt sich um einen Tisch gruppirt hatten. Einige spielten Tarok, andere waren im lebhaftesten Discurs über politische und sociale Zustände begriffen. Das Hauptwort führte unter ihnen ein Mann mit lautem und stark markirten oberbaierischen Accent, er trug wie immer eine derbe, rauhe Kochler Joppe mit hochaufgeschlagenem Kragen und ein paar gigantische Wasserstiefeln, die fast bis an die Lenden hinaufreichten. Plötzlich wurde er ernst und ruhig, blies unter seinem martialischen Schnauzbart mächtige Rauchwolken hervor und saß grimmig und in sich gekehrt da. Man hätte seine Gestalt für einen bärbeißigen Oberförster halten können, wenn er nicht der geniale Thiermaler Schleich gewesen wäre, dessen Bilder schon seit Jahren bewundert und hoch gepriesen wurden. Er zog ein Fetzchen Papier aus der Tasche, skizzirte darauf, in sich hineinbrummend, allerlei und vollendete seine Zeichnerei mit einem angebrannten Schwefelholz, da ihm der Bleistift abgebrochen war. Befragt, warum er plötzlich so ernst, brummte er wieder, zerriß die gezeichnete Skizze und, das Papier als Fidibus für seine Cigarre benutzend, sagte er: „Es muß Alles in Rauch aufgehen.“

„Hast wohl wieder keinen Kreuzer im Sack, weil Du so daher red’st?“ fragte einer der Freunde.

„Alles ist verraucht und verdampft,“ rief Schleich mit erhobener Stimme, „und mein ganzes Leben soll verdampfen und verrauchen und auch mein biss’l Kunst soll in Rauch aufgehen.“

Die Anwesenden verstanden die doppelsinnige Rede Schleich’s nicht, bald aber sollten sie erfahren, was Schleich hatte andeuten wollen. Er wurde plötzlich redseliger, trank ein Glas Glühwein nach dem andern und erging sich in humoristisch-philosophischen Auslassungen über die Verderbtheit der Welt, über die Reichen und über die Armen und Elenden, und daß er sich vorgenommen, für reiche Leute nun keine Bilder mehr zu malen, am wenigsten aber für Ausländer. Dann sagte er wieder mit ruhigerer Stimme: Er wisse ein armes Weiberl, eine Wittib mit ein paar Kindern, denen es elendiglich schlecht gehe. Er habe da schon heute etwas hergegeben, aber mehr sei besser, und dabei deutete er ziemlich verständlich an, daß die „Companei“ zusammenlegen solle, damit dem armen Weiberl ein wenig ausgeholfen würde. Seine Ermunterung fand aber nicht den gewünschten Erfolg, worauf er sich nicht weiter äußerte, und anstatt wie gewöhnlich vom Jähzorn hingerissen zu werden, blieb er ganz ruhig, nahm dann einen Teller zur Hand und schwärzte die innere Fläche desselben über einer brennenden Lichtflamme, ergriff ein Stückchen Schwefelholz, fing an auf der Rauchfläche zu skizziren und in unglaublicher Schnelligkeit war da ein Hirsch mit Waldumgebung zu sehen, welcher mit gewaltigem Satze vorübereilt. Das Bild war in unvergleichlicher Lebenswahrheit wiedergegeben; die Zeichnung, welche in ihren weißen Contouren reizend vom Dunkel abstach, erregte allgemeine Sensation. Schleich rief selbstgefällig und siegesbewußt dazwischen: „Ja, Brüaderln, jatz hätte mir amoi das Rechte ‘rausstudirt. Mit diesem Büldl[1] beginnt eine ganz neue Zeitrechnung der Kunst! Seagt’s jatzt ein,[2] ös Trottel,[3] daß die Kunst in Rauch aufgehn muß?“

Ein nicht endenwollendes Halloh und Bravo belebte die Gesellschaft, der Teller machte die Runde durch das ganze Local, man gratulirte dem Künstler zu dieser neuen Erfindung, und Schleich erwiderte, das sei sein erstes Stück, und wenn er nicht gerade Moneten brauche, so gäbe er den Teller gar nicht her, so aber wolle er denselben der Versteigerung unterwerfen, ihn „verlicitiren“.

Da wurde die Steigerungslust auf der Stelle wach, Schleich steigerte selbst mit, die Gemüther erhitzten sich immer mehr und in kurzer Zeit hatte er für seinen Teller einen hübschen Haufen Guldenstückl. Er schob das Geld in die Tasche, stieg mit seinen schweren Wasserstiefeln auf den Tisch, daß die steinernen Bierkrüge wackelten, und donnerte über die Schlechtigkeit und Erbarmlosigkeit der heutigen Welt; unsere Vorfahren seien lauter christliche und wohlthätige Leut’ gewesen, aber heut zu Tage gäbe in seiner Irreligiosität und Verderbtheit keiner ein Kreuzerstück her, wenn er nicht zugleich ein Plaisir davon hätte; da wäre man gleich bei der Hand und kaufe einen skizzirten Hirsch um einen Haufen Silbergulden.

Nun kann man sich das Halloh der Umgebung denken, welche immer höher wuchs, als der Künstler, den der Beifall erhitzte, in eine classisch improvisirte Capuzinerpredigt verfiel und schließlich zum Erstaunen der Anwesenden herunter donnerte: ob da etwa einer von der irreligiösen Companei glaube, daß er das artistisches Rauchsündengeld für sich behalten wolle; der solle sich nur melden, er werde schon fertig mit ihm, das erlicitirte Rauchhonorar gehöre dem armen Weiberl und ihren kleinen Kinderln. Mit einem [312] „pfit Enk Got,[4] unter Enk mag’i nimma bleib’n,“ griff er nach Schlapphut und Stock und eilte zur Thür hinaus, nachdem er der Kellnerin zugerufen: „Hanni, morgen zahl i Zech und Teller, kimm scho, daß d’ net moanst, i bleib’ ebbar aus!“ – Das arme Weiberl empfing noch in später Nachtstunde das Erträgniß des ersten Rauchbildes.

So entstand das erste Erzeugniß einer neuen Art zu malen, und was bisher nur durch Tusche, einen Farbestoff aus dem himmlischen Reich der Mitte, bewerkstelligt wurde, das schuf Schleich aus flüchtigem Rauch, indem er ihn zu bannen und ihm Gestalt zu geben verstand.

August Schleich, oder wie er sich vorzugsweise gern nennen ließ: „der Schleichgustel“, wurde 1814 in München geboren; dort Zögling der Akademie der bildenden Künste, Radirer und Lithograph und begann seine künstlerische Laufbahn bald in Oel malend, bald aquarellirend. Durch die Lebendigkeit seiner Darstellungen erregte er große Aufmerksamkeit und bald war große Nachfrage nach seinen Producten. Aber auf keinem Gebiete war er so gern beschäftigt, wie auf dem der Porcellanmalerei, in welcher er auch Jahre lang seinen Haupterwerb fand und noch mehr gefunden hätte, wenn er in gleichem Schritte mit der Nachfrage fleißig gewesen wäre. Mangel an Ausdauer war sein Hauptfehler, es mußte Alles schnell bei ihm gehen und es kam ihm durchaus nicht darauf an, Wochen und Monate lang sich im Bewußtsein zu sonnen, daß er schaffen könnte, wenn er nur wollte. Außerdem wurde er gar oft und anhaltend von einem äußerst humoristisch-ernsthaften Zorn befallen, darüber, daß er für Andere arbeiten und daß er nicht, wenn auch nicht alle, doch mindestens die besten Stücke für sich behalten dürfe. Diese Leidenschaft wuchs in seinen späteren Jahren, als er fast nur noch im Rauchfach arbeitete, und er lernte seinen Kummer hierüber durch stärkeren Aufguß von Spirituosen zu dämpfen.

Da wetterte er oft erschrecklich und behauptete, für das Geld, das er bekomme, sollten die Besteller ihre Sachen bei ihm anschauen, so oft sie wollten, ihm aber dieselben nicht forttragen und „verfluchten Trafik“ damit machen. Kurz, er hätte mitunter vorgezogen, am Hungertuche zu nagen, als einen Zeichenstift anzurühren. Begreiflich galt es aber doch, zu leben, weshalb er sich in Verbindlichkeiten einließ, welche zur Folge hatten, daß er in besseren Zeiten doch um nichts reicher war. Also in solchen Zeiten rührte er extra keinen Finger, ging spazieren oder stattete den entferntesten Wirthshäusern Besuche ab, wenn er die näheren schon besucht hatte; und wenn er für sein Nichtsthun gar keine Entschuldigung mehr wußte und von Bestellern gedrängt ward, so war er urplötzlich ganz und gar aus der Stadt München verschwunden im Freien und Niemand wußte, wohin er gegangen. Eingenommen gegen alles Fremdländische, bereiste er nie das Ausland; Florenz und Rom, die Wallfahrtörter aufstrebender Künstler, blieben ihm fremd; doch wozu brauchte er sie? Schleich hat wohl nie nach Idealen im praktischen Leben gerungen, und in der Kunst noch weniger. Er schöpfte seine Gedankenfülle weder aus den sichtbaren Vorbildern großer Meister, noch aus unsichtbaren Sphären, er wußte nichts von geschwungenen classischen Formen; im frischen grünen Hag, in dunklen Tannen, im struppigsten Buschwerk, in Feld und Wiese und auf den Bauerhöfen, da liefen seine Vorbilder lebendig, gesund und frisch umher, da belauschte er sie und studirte sie in ihrem Thun und Treiben. Sich der langen Gesichter seiner Besteller freuend, streifte er, einen guten Imbiß im Sack und einen Schluck Branntwein in der Feldflasche, im Gehege umher, lag oft halbe Tage lang heimlich versteckt im Buschwerk in der Nähe von Erdhöhlen, indem er es hauptsächlich auf Reineke Fuchs abgesehen, dessen schlaue Gestalt in seinen Meisterwerken auch eine bevorzugte Stellung einnimmt. Er studirte den Familienverkehr der zwei- und vierbeinigen Waldthiere, ahmte ihre Stimmen und ihre Manieren nach und in der gründlichen Detailkenntniß des Fuchses, der Hirsche, Rehe, Gemsen, Wildschweine nahm er es mit dem erprobtesten Forstmann auf. Seine Freude namentlich an den jungen Waldbewohnern war so groß, daß er oft voll Entrüstung betheuerte, er könne so einen Jäger vor Zorn umbringen, wenn er „solch’ a kloan’s Fuchsl derschossen hätt.“

Schleich arbeitete also gar oft die längste Zeit nicht, es ist aber klar, daß die Kunst an sich dadurch nicht litt. Im Gegentheil, die Wochen und Monate scheinbaren Nichtsthuns und Flankirens, welche ihm uneingeweihtere Bekannte so leicht zum lieblosen Vorwurf machten, förderten seine künftigen Leistungen durch die Menge der gesammelten Erfahrungen, und wenn er dann von selbst den Antrieb zum Produciren empfand, kehrte er ebenso malbegierig nach München zurück in seine Werkstatt, als er, allen lockenden Angeboten trotzend, von dort weggestürmt war. Eine Zeit lang residirte Schleich dann in seinem Atelier, welches hoch auf einem Dachboden gelegen war. Die letzte Stiege, die in dieses originelle Künstlerheiligthum führte, war eine ziemlich halsbrecherische Leiter, welche nur Eingeweihte mit Sicherheit betreten konnten. Um vor lästigen Besuchern geschützt zu sein, zog er nicht selten dieses Treppenersatzstück zu sich hinauf und ließ eine mächtige Fallthür herab, als Zeichen, daß der Schleichgustel nicht zu Hause sei.

Kam aber nach langer Abwesenheit so ein lieber willkommener Cumpan zu ihm, ihm ein Grüß-Gott zu bieten, so pflegte Schleich, in seinem stark markirten oberbaierischen Dialekt zu sagen: „Im Woaid drauß’n san ma g’wesen und in die Felda, woaßt, bei di Bauern, da is schön, Brüaderl!“ Da hätte man sehen sollen, was der Schleich an einem Vormittag Alles zu Wege brachte. Da standen ganze Reihen allerlei Teller, Tassen, Deckel und Pocale, auf deren Ausschmückung die Besteller mit Ungeduld warteten. Sie sollten bald befriedigt werden, denn wenn Schleich einmal mit dem freien Vorsatz, zu malen, sich gegen neun Uhr Morgens aus seinem Bette erhob, wenn er in seine graue Bergjoppe geschlüpft war und die unvermeidliche Cigarre oder eine thönerne Pfeife in Feuer gesetzt hatte, womit er der Welt guten Morgen sagte und seine Phantasie anregte, wie schnell waren da auf sämmtlichem Porcellan die lebendigsten Compositionen und wie rasch griff er dann, nicht unähnlich einem Setzer am Setzkasten, bald nach diesem, bald nach jenem Gegenstande mit wahrer Blitzesschnelligkeit! So sah man denn in etlichen Stunden eine förmliche Galerie kleiner Bilder hervorgezaubert und zwar meistens von einer Form und Schönheit, wie es andere Porcellanmaler trotz eines zehnmal längeren Zeitaufwandes und eines verschwenderischen Colorits nicht hätten schaffen können. Denn Schleich’s Bilder sind Leben, sind Wahrheit; wir sehen das Thier vor uns, das lebt, das athmet, es blitzt und leuchtet aus den lieben klugen Thieraugen und springt und läuft und hüpft und bewegt sich hierhin und dorthin. Die Bilder werden in des Beschauers Augen fast zur greifbaren Wirklichkeit und doch ist Alles nur aus Rauch, aus elendem Lampenruß, aus – Nichts geschaffen.

Es konnte nicht fehlen, daß man dem Schleichgustel gelegentlich große Bewunderung und Lob zollte, worauf er wohlgefällig schmunzelnd seinen braungelben Schnauzbart strich, seine gigantischen Rauchwolken mit doppelter Kraft von sich blies und wo möglich noch schneller darauf losmalend mit unnachahmlichem Ton und treuherziger Betheuerung sagte: „Brüaderl, schnell muaß gen, sunst is da Mesch koan Scheni. Da schaug her! Sieghst den Fuchs’n, wiera rausschaugt? Gel, der thut weita net lach’n? Jatz kimst du dran, Gamsbock, mir wer’n di glei hab’n! Woaßt, Brüaderl, köna muaß ‘s Oana hallt, nacha is so vui net dahinta![5] Gams, ob’s d’ jatz glei springst!“ –

Aehnliche Adressen erließ er an alle seine kleinen und großen Bilder, wenn sie der Vollendung nahe waren. Er lebte sich in seine Arbeit so hinein, daß er im Verlangen, den höchsten Grad der Wahrheit zu erreichen und nebenbei seine Phantasie zu kräftigen, allerlei Gesichter schnitt, zum Beispiel wie der im Morgendämmern hervorkommende Hirsch schreiend Hals und Kopf streckt, und wenn er den vielgeliebten Reineke malte, so konnte man nicht entscheiden, ob Schleich oder der unter seinen Händen entstehende Fuchs ein listigeres Gesicht mache; dabei dampfte er oft so, daß man ihn erst nach einiger Zeit völlig wieder sah, und unter den Rauchwolken kam etwa der Zuruf hervor: „Brüaderl, des kost’ beiß’n!“ – So malte er bis um die Mittagszeit und dann machte er in seiner originell dürftig eingerichteten Junggesellenwirthschaft Toilette – vorausgesetzt, daß er zwölf Uhr läuten gehört oder auf seine Uhr geschaut, die entweder nicht allemal in seinem Besitz oder gar nicht aufgezogen war, weil ihm, wie er sagte, die Zeit hierzu vor lauter Bestellungen fehle. Häufig nicht wissend, wie spät es an der Zeit, malte er so eifrig fort, bis ihm endlich ein Gefühl um die leere Magengegend sagte, [313] es müsse schon sehr spät sein. Da warf er sein Handwerkszeug brummend zusammen und grollte über die Kunst, daß man ihretwegen Hunger leiden müsse. Seine Toilette bestand in nichts Anderem, als daß er sich mit einem Instrument, welches einem Kamme nicht unähnlich sah, mehrmals verzweifelt schnell durch die struppigen Haare fuhr und daß er zur Winterszeit, wenn es die Umstände gerade zuließen, mit einer vom Fenster weggenommenen Hand voll frisch gefallenen Schnee’s Gesicht und Brust bearbeitete. Nach einer warmen und ausführlichen Empfehlung dieser Abhärtungstheorie griff Schleich, mit Gebirgsjoppe und Wasserstiefeln angethan, nach seinem Ziegenhainer und Schlapphut, welch letzterer meistens mit einem Gemsbart geziert war, und trollte seines Weges, sein Diner meistens in ein Souper verwandelnd.

In besseren Zeiten war Schleich auch einer besseren Toilette nicht abhold. Im Sommer sah man ihn häufig in einer überraschenden Metamorphose auf der feinen Promenade langsam und verklärt dahinschreiten; es war dann nämlich die Zeit gekommen, wo er, der in höheren Kreisen sehr geschätzte Künstler, der feinen Welt einmal beweisen zu müssen glaubte, daß er sich auch auf den höheren „Modenrummel“, aber auf „Künstlerfaçon“, verstehe. Ein schwarzer mit Schnüren besetzter Sammetrock besten Stoffes, ein feiner Cylinderhut, weiße Pantalons und lackirte Stiefeletten, fein gefaltete Chemisettes mit Manchetten und eine Halsbinde mit mächtiger genial gebundener Schleife vollendeten den Künstlerdandy. Ein fein gearbeitetes Stöckchen mit goldenem Griff in den Händen schwingend, verfiel er dann plötzlich aus seiner oberbaierischen Redeweise in einen sarkastisch accentuirten Berliner Jargon, namentlich wenn feine Gesellschaft des Weges daher kam, der er den höheren Schliff zeigen zu müssen glaubte.

In den Glacéhandschuhperioden war Schleich auch selbstverständlich gut bei Casse, er rauchte eine Cigarre, an der nicht blos wie sonst das Deckblatt gut, sondern deren ganzer innerer Bestandtheil unter Havannas Sonne getrocknet war. Er liebte es in solchen Momenten, mit großer Freigebigkeit seine Freunde zu regaliren, in heiteren Stunden eine lustige Zecherei zu bezahlen, und was er während seines Landaufenthaltes oft im Wirthshause that, nämlich die Bauern, welche seiner Zungenfertigkeit aufmerksam zuhörten, mit allerlei wüster Gelehrsamkeit vollzupfropfen, das that er auch in der Stadt im Freundeskreise mit oft bewundernswürdiger Eloquenz. Er verfiel dabei von einem Thema auf das andere, räsonnirte in schlagendster Weise über Politik, Juristerei, Medicin, Religionsphilosophie, Seelenwanderung, Christenthum, und wenn er in überzeugender Weise einen großen Theil seiner Zuhörer für sich gewonnen, stürzte er plötzlich von einem Extrem in’s andere und bewies mit so schlagender Wahrheit das Gegentheil von dem, was er wenige Minuten früher behauptet, daß seinen Genossen ganz bange zu Muthe wurde. Bei solchen Scenen kam es wohl zu manchem gereizten Durcheinander und zu fast harten Zusammenstößen, aus denen indeß ebenso die Klugheit, wie die Gutmüthigkeit des Künstlers immer zu guter Zeit den rechten Ausweg fand.

Seine späteren Tage blieben von diesen Anflügen von äußerem Luxus völlig frei, er lebte sich ganz in sein rauhes Gewand und die ihm entsprechenden geselligen Formen ein; später kam jedoch in die ungestüme Art seiner einfachen Lustbarkeiten allmählich eine merkliche Milderung, zu welcher ihm eine hier und da auftauchende Besorgniß für seine Gesundheit Veranlassung gab. Es stellten sich arge Brustbeschwerden ein und eines Tages im Frühjahr 1866 war er überraschend schnell nicht mehr in dieser Welt.

Die Rauchbilder Schleich’s, welche gleich nach ihrer Erfindung Gegenstand der Besprechung wurden, vervollkommneten sich immer mehr und mehr unter der genialen Hand; es gelang ihm immer mehr, hinter das originelle Verfahren zu kommen und in dem Anschwärzen der Teller sowie später der Flächen eines Zeichenpapiers eine Virtuosität zu erlangen. Er übte sich, die Zeichenfläche über der qualmenden Lampe gleichmäßig zu decken, und durch ein Bindemittel von transparenten Harzen ermöglichte er die Nichtbeschädigung des fertigen Bildes durch äußere Einflüsse. Holzgriffel, Nadel, Wischer und Lampenruß waren seine Werkzeuge, welche sich gleichsam wie Zauberdinge in seiner Hand bewegten. Diese Fertigkeit, diese eminente Geschicklichkeit muß man um so höher anschlagen, wenn man sich vorstellt, daß diejenigen Stellen eines Bildes, welche bei einer gewöhnlichen Zeichnung erst unter der Hand des betreffenden Malers durch Schattirung entstehen, bei den Rauchbildern fast unberührt bleiben und durch’s Zeichnen und Wischen der Lichtpunkte hervorgerufen werden. Aber trotz der Schnelligkeit, ja man kann wohl sagen Flüchtigkeit Schleich’s wurden die kleinsten Nüancen, die anscheinend unbedeutendsten Farbentöne nicht übersehen und durch mehrmaliges Nachschwärzen der Rauchfläche über der Flamme erhielten viele seiner Schöpfungen erst den rechten Weihekuß ausgezeichneter Künstlerschaft.

Es muß besonders hervorgehoben werden, daß man sich unter diesen Rauchbildern nicht Skizzen vorzustellen hat, sondern alle tragen das Gepräge der Durchführung bis in die kleinsten charakteristischen Merkmale des Gegenstandes und kommen der erprobtesten Beobachtungsgabe für die Thierwelt in jeder Beziehung entgegen; sie vereinigen aber mit dieser Meisterschaft im gewöhnlichen Sinne die elektrisirende Wirkung, durch welche Skizzen eines genialen Geistes so oft fleißigst und sorglichst ausgeführte Kunstwerke des geschulten Talentes glänzend besiegen.

Leider sind die zahlreichen großen und kleinen Meisterwerke Schleich’s nur wenig über München hinaus gewandert und daher weniger bekannt geworden, als sie verdienten, und gerade darum ist es um so erfreulicher, daß die anerkannt gelungensten Stücke in einer Sammlung vereinigt sind. Franz Neumeyer in München ist der Besitzer eines Rauchbilder-Cabinets von mehr als hundert der größten und prächtigsten Stücke, die nun durch photographische Vervielfältigung zu einem Gemeingut des Volkes gemacht werden sollen. Neumeyer gehörte zu dem engeren Freundeskreise Schleich’s, zu dessen Lebzeiten er es schon oft als einen Lieblingswunsch aussprach, seine Rauchbilder durch die Photographie in’s größere Publicum zu bringen; aber ebenso gehörte es zu den hartnäckigsten Absonderlichkeiten des Künstlers, gegen die Ausführung dieses Gedankens sich mit aller Entschiedenheit zu wehren. Sein Widerwille gegen diese Vervielfältigungsart seiner Bilder ging so weit, daß er, wie im Vorgefühl der drohenden Möglichkeit derselben, immer, so oft er Neumeyer’s Rauchbilder-Salons betreten mußte, nur mit traurig gesenktem Haupte und fast geschlossenen Augen durch das Zimmer ging. – Er ist heimgegangen und der Freund nun frei von der Rücksicht auf des Künstlers wilde Mucken; es wird seiner Ruhe im Grabe nicht schaden, wenn sein Andenken durch seine Werke in den weitesten kunstsinnigen Kreisen des Vaterlandes geehrt werden kann.


  1. Bildchen.
  2. Seht Ihr jetzt ein.
  3. Dumme Kerle.
  4. Behüt’ Euch Gott.
  5. Können muß es Einer halt, dann ist so viel nicht dahinter.