Textdaten
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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Der Radetzkymarsch
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aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 528
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[525]

Der Radetzkymarsch. Nach einem Gemälde von Harold Stanley.

[528] Der Radetzkymarsch. (S. Abbildung auf S. 525.) Die illustrirte Literatur unserer Tage darf nicht davor zurückscheuen, auch die schmerzlichen Züge des Völkerlebens darzustellen, besonders wenn aus ihnen eine ernste Mahnung geschichtlicher Gerechtigkeit aus jüngster Vergangenheit zu uns spricht. Eine solche Illustration ist die nach dem Gemälde von Harold Stanley, der im vorigen Jahre zu München starb, von uns in Holzschnitt heute mitgetheilte, und wir stehen nicht an, sie gleichsam noch im Nachhall des großen Wiener Schützenfestjubels zu veröffentlichen, weil sie das zeitgemäßeste Gegenbild desselben vorführt.

Nie hat das gesammte außeritalienische Oesterreich auf eine seiner Armeen mit allgemeinerem Stolz geblickt, als im Jahre 1849 auf die Armee Radetzky’s in Oberitalien. Trotz aller blutigen Parteikämpfe im Reich – die Nachrichten von den Heldenthaten, zu welchen der alte „Soldatenvater“ seine anfangs so zerstreuten, verlassenen und schwachen Truppen zusammenzuraffen, zu begeistern und zu führen wußte, ward über den Parteihaß Herr, der Siegesjubel ward zum Siegesrausch auch in den Bürgerköpfen. Und in der That enthält die Geschichte dieser Armee so viele einzelne Glanzstücke höchsten Muthes und äußerster Aufopferung, war das Verhältniß zwischen Mannschaft, Führern und dem Feldherrn ein bei der eisernsten Disciplin so wahrhaft treu cameradschaftliches, die Stimmung Aller eine durch die außerordentlichsten gemeinsamen Erlebnisse so gehobene, bis zum letzten Tambour veredelte, daß Radetzky’s Truppen allerdings als eine Musterarmee in Europa dastanden. Und wie diese Soldaten damals mit Recht singen konnten:

„Krowatisch, deutsch, wellisch,
Ungarisch durchanand,
Und doch red’n mar an’ Sprach’,
Gilt’s Oesterreicherland!“

so fühlten sie sich auch wirklich als die Elite, als die wahre Repräsentation der Völker des Kaiserstaates und riefen es laut hinaus: „Wo wir sind, da ist Oesterreich!“

Aber der Geist, der diese Sieger führte, war der der Unterdrückung – und selten ist es der Kunst gelungen, dies so klar und tiefergreifend in einem Bilde auszusprechen, wie es vorliegend geschieht. Die Vorhalle einer lombardischen Villa ist zur Soldatenschenke umgewandelt, und ein junges italienisches Weib, in welchem jedes Auge sofort die trauernde Wittwe erkennt, wird vom fröhlichen Uebermuth der Soldaten gezwungen, den Radetzkymarsch zu spielen, die Triumphmusik über ihr unglückliches Vaterland, für das ihr Gatte den Tod erlitt. Trotzdem können wir der Kriegertruppe deshalb nicht feind sein. Sie treibt keinen Hohn. Der Husar wichst den Schnurrbart, der Kaiserjäger jauchzt auf bei den Klängen, und der gutmüthige Kroate hätte so gern den schüchternen Knaben auf dem Schooß. Wenn wir eine bittere Satire im Bilde erkennen wollen, so ist’s die auf die ewig im Dienste der Gewalt geschmeidige, hier in dem Mönch personificirte Pfaffenschaft. Wie aber erscheint uns heute diese Wittwe? Steht sie nicht vor uns wie die trauernde „Italia“ in ihrer tiefsten Erniedrigung? Und hinter ihr lauscht, voll Angst und Wuth, das geknechtete Volk!

Das ist das treue Geschichtsbild von Oesterreich und Italien im Jahre 1849. Zehn Jahre später kam die Rache von Solferino, die Musterarmee unseres Bildes war verschwunden; aber noch ein Bluttag mußte über Oesterreich kommen, um das neueste Zeitbild zu vollenden, das beim Schützenfest der Kaiserstadt sich so klar und groß dargestellt hat, wie hier sein Gegenstück.

„Wo wir sind, da ist Oesterreich!“ So rufen heute die Volksabgeordneten des geeinigten und freien Reichs aus. Hinausgestoßen ist aus diesem Bilde das dienstwonnig herrschende Pfaffenthum. In Wien, von der Tribüne des Schützenfestes, donnert das Wort eines Ungarn: „Fort mit dem Nationalitätenschwindel! Sind wir erst freie, constitutionelle, intelligente Menschen, dann haben wir erreicht, was unser Beruf ist, wir haben geöffnet die Pforten des Tempels der menschlichen Würde! Dann wird es sehr leicht sein, uns unter uns Brüdern abzufinden. Du sprichst Slovakisch, Du Deutsch, Du Ungarisch, aber wir Alle sind Brüder!“ – Und wenn heute der Radetzkymarsch erschallt, so bedeutet sein stolzes Rauschen den Sieg eines treuen Volks und den Gruß zur Ehre freier Männer.

Fr. Hfm.