Der Politiker
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Vorliegendes Blatt kam erst nach dem Tode des Künstlers 1775 heraus. Es ist die Copie einer Originalzeichnung, welche Hogarth einem seiner Freunde, H. Forrest, schenkte und welche auf Veranlassung desselben dem größeren Publikum in jenem Jahre mitgetheilt wurde.
Bekanntlich waren die Engländer im vergangenen Jahrhundert bis zur französischen Revolution die einzige Nation in Europa, bei welcher die größere Volksmasse wegen der Verhältnisse, die sich aus der Constitution und den Gesetzen ergaben, ein lebhaftes Interesse an politischen Zeitbegebenheiten nehmen konnte. In welcher Art diese ziemlich allgemein verbreitete Neigung, an der Politik der Regierung lebhaften Antheil zu nehmen, von den Nationen des Festlandes betrachtet wurde, kann man aus dem damaligen Buche eines Deutschen (Archenholz, England und Italien) am Besten sehen. Hogarth, welcher niemals selbst zu einer politischen Partei gehörte und sich überhaupt von jeglicher Aufregung der [850] Art fern hielt, bis er gegen Ende seines Lebens thöricht genug war, sich aus persönlichen Rücksichten in den Parteikampf einzulassen, mußte jene Neigung seiner Landsleute mit denselben Augen betrachten, wie so mancher Ausländer. Somit hat er hier eine Figur gezeichnet, woran sich noch Andere in Staaten erbauen können, worin dem eigentlichen Volke gar kein Antheil an der Regierung und eben so wenig ein Urtheil hierüber gestattet ist, so daß auch kein bleibendes und durch Theilnahme gewecktes Interesse für politische Angelegenheiten in denselben stattfinden kann.
Die Figur ist ein Mann aus dem Mittelstande; Hogarth würde es nie gewagt haben, die Aristokratie in ähnlicher Weise zu verspotten. Sie soll das Porträt eines Possamentirers sein und in das Jahr 1730 fallen, wie man dies aus der Kleidung und aus dem Degen sieht. Englische Erklärer sagen nämlich hinsichtlich des letzteren, in jenen Jahren hätten die Handwerksleute sämmtlich jene Waffe getragen, um sich und ihr Eigenthum gegen Diebe zu schützen, durch welche bei schlechterer Policei, wie später, die Straßen der Hauptstadt höchst unsicher geworden wären. Der Mann, indem er die Zeitung Gazetteer liest, ist so sehr in die Flammen versunken, welche auf dem Continente wüthen, daß er die nähere Flamme, die ihm Gefahr droht, nicht bemerkt. Um besser sehen zu können, hat er das Licht in die Hand genommen und seinen Hut bei der Gelegenheit in Feuer gesetzt, welches bald den Hauptschmuck seines Hauptes, die Perrücke, ergreifen wird. – Uebrigens war dieser Gedanke nicht neu; es gibt nämlich eine nicht unbekannte Carrikatur auf Wilhelm III. (ein Oelgemälde von Schalchen), welcher sich den Hut anzündet, indem er Depeschen liest, ein Bild, das die Torypartei gegen den König veranstaltete, welcher den Einfluß und die Macht Englands in die Wagschale warf, um den Ehrgeiz Ludwigs XIV. auf dem Festlande Europa’s zu hemmen. Es sollte damit gesagt werden, der König bekümmere sich mehr um die Angelegenheiten des Festlandes, als über die (eingebildete) Gefahr einer neuen Revolution, die im Innern des Staates drohe und die er eben durch seine äußere Politik veranlasse.